Protokoll der Sitzung vom 05.03.2003

(Petra Brinkmann SPD: Und St. Georg?)

Das hat sich in kriminellen Kreisen inzwischen herumgesprochen. Die verstärkte Polizeipräsenz, der Einsatz von Brechmitteln zur Beweissicherung und die konsequente Bestrafung, aber auch die Abschöpfung der illegalen Gewinne aus dem Drogenhandel machen Hamburg als Drogenmarkt inzwischen außerordentlich unattraktiv.

(Wilfried Buss SPD: Quatsch!)

Dadurch ist es uns außerdem gelungen, das Angebot illegaler Drogen spürbar zu reduzieren. Das ist im Zusammenhang mit der Prävention bei Jugendlichen besonders wichtig, auch den Zugang zu illegalen Drogen deutlich zu erschweren. Mussten Sie noch vor zwei Jahren nur einmal am Hauptbahnhof entlanggehen, um jede erdenkliche Droge offen angeboten zu bekommen, so müssen Sie heute schon nach Dealern suchen und in die Szene eintauchen, um an Drogen zu gelangen.

(Michael Neumann SPD: Das ist mir nie passiert!)

Das wirkt besonders auf potenzielle Erstkonsumenten sehr abschreckend, wie die extrem gesunkenen Zahlen an aufgegriffenen Erstkonsumenten belegen.

Damit sind wir beim Thema „Prävention“. Die beste Drogenpolitik ist immer die, die vor dem ersten potenziellen Drogenmissbrauch ansetzt oder zumindest nach dem ersten Vorfall bereits tätig wird, um die Gefahren von Drogen gezielt zu verdeutlichen. Damit Kinder und Jugendliche gar nicht erst für Drogen ansprechbar werden, müssen sie zu starken und selbstbewussten Persönlichkeiten erzogen werden. Dieses zu leisten, ist Aufgabe der Familien, die wir durch Beratung und Information bei der Wahrnehmung ihrer Aufgaben unterstützen werden.

(Vereinzelter Beifall bei der Partei Rechtsstaatlicher Offensive – Petra Brinkmann SPD: Wo denn?)

Auch die Kindergärten, Vorschulen und Schulen müssen ihren Beitrag hierzu leisten. Wir können gar nicht früh genug damit beginnen, auf die Gefahren von Drogen hinzuweisen, und werden deshalb die Suchtprävention als verbindliche Aufgabe in die Lehrpläne aufnehmen. Schülerinnen und Schüler, die bereits durch riskanten Drogenkonsum aufgefallen sind, müssen durch die Schule und in der Schule gezielt und direkt angesprochen werden. Das dient einerseits dazu, ihnen noch einmal die Folgen ihres Konsums zu verdeutlichen, andererseits macht es aber auch klar, dass Drogenkonsum eben kein sozial adäquates Verhalten ist.

Lassen Sie mich zur dritten Säule unseres Konzeptes kommen, der Drogentherapie und den ausstiegsorientierten

(Dr. Martin Schäfer SPD)

Angeboten im Drogenhilfebereich. Das Ziel jeder Drogenarbeit muss es sein, den Süchtigen den Weg zu einem drogenfreien Leben zu zeigen und ihnen auf diesem Weg aus der Sucht zu helfen. Das erfordert aber auch ein gewisses Maß an Mitwirkung und Bereitschaft der Süchtigen selbst. Wenn man die Hilfe der Gesellschaft in Anspruch nimmt, erwächst daraus auch eine Verantwortung, sich eben dieser Gesellschaft gegenüber sozial adäquat zu verhalten und die Belastung für die Gesellschaft in Grenzen zu halten.

(Zuruf: Sehr richtig!)

Die Erkenntnis hervorzurufen, dass das Ziel ein drogenfreies Leben sein müsse, und die Bereitschaft zum Ausstieg zu fördern, ist eine wichtige Aufgabe der Drogenhilfeeinrichtungen. Es ist nicht ausreichend, die Situation der Süchtigen als gegeben hinzunehmen und ihnen zu ermöglichen, den Status quo zu erhalten. Auch deshalb haben wir das Ziel eines weitgehend drogenfreien Strafvollzuges in Angriff genommen. In den Vollzugsanstalten obliegt es dem Staat direkt, für das Wohl der Inhaftierten zu sorgen. Das tun wir am wirkungsvollsten, indem wir Kontrollen und gleichzeitig die Angebote zum Ausstieg intensivieren, das Angebot an Drogen aber minimieren.

Wir sind offen für neue Herangehensweisen wie zum Beispiel die Herointherapie und setzen uns dafür ein, sie in das bestehende System zu integrieren, wenn sich dieses als erfolgreich und umsetzbar erweist. Gleichzeitig werden wir das Drogenhilfesystem stärker als bisher zielgruppen- und bedarfsgerecht verändern, aber auch die Effizienz der bisher therapeutischen Maßnahmen und Ansätze evaluieren.

Je früher wir bei Süchtigen ansetzen, desto besser sind die Chancen, sie aus dem Kreislauf der Sucht herauszulösen. Deshalb werden wir nicht nur die Maßnahmen zur Frühintervention verbessern, sondern auch den Zugang zur Entgiftung und Therapie erleichtern.

Die Konzeption wirksamer Drogenpolitik ist nicht weniger als eine grundlegende Wende in der Drogenpolitik in Hamburg. Die Ergebnisse der bisher eingeleiteten Maßnahmen geben uns in eindrucksvoller Form Recht und zeigen uns, dass wir auf dem richtigen Weg sind. – Danke.

(Beifall bei der Partei Rechtsstaatlicher Offensive, der CDU und der FDP)

Das Wort hat die Abgeordnete Dr. Freudenberg.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Die GAL-Fraktion hält das so genannte Konzept wirksamer Drogenpolitik des Senats für einen ganz großen Ärger,

(Michael Fuchs CDU: Das ist aber überraschend!)

und zwar aus zwei Gründen.

(Stephan Müller Partei Rechtsstaatlicher Offensive: Sie verstehen es nicht!)

Erstens: Es werden nur illegale Drogen thematisiert. Eine drogenpolitische Konzeption, die die Droge Nummer eins, nämlich den Alkohol, nicht einmal erwähnt, ist nicht das Papier wert, auf dem sie steht, auch wenn es so ein dünnes Heftchen ist.

(Beifall bei der GAL und der SPD)

Zweitens: Der Senat setzt in der Drogenpolitik einseitig auf Repression und er betreibt eine populistische Drogenpolitik.

(Dirk Nockemann Partei Rechtsstaatlicher Offen- sive: Herr Barth-Völkel hat doch gerade die Erfolge genannt!)

Es ist bitter, was Sie hier als Erfolg aufzählen. Es werden nur repressive Maßnahmen aufgelistet und Sie sagen, das sei ein Erfolg. X Drogenhändler wurden dem Haftrichter vorgeführt, X Haftbefehle wurden erlassen, X Brechmitteleinsätze wurden durchgeführt. Dass bei einem zwangsweisen Brechmitteleinsatz ein Mensch zu Tode gekommen ist, wird von Ihnen nicht einmal erwähnt. Das ist zynisch.

(Beifall bei der GAL und der SPD – Michael Fuchs CDU: Wie viel Menschen sind denn zu Tode gekommen!)

Die angebliche Erfolgsstory Ihrer repressiven Drogenpolitik wird dann mit der Abschaffung der Spritzenautomaten im Strafvollzug fortgeschrieben und der Behauptung, dass im Strafvollzug der Zugang zur Entzugsbehandlung erleichtert worden sei. Letzteres ist überhaupt nicht wahr. Die Angebote wurden keinesfalls verbessert, die Wartezeiten für eine Beratung haben sich drastisch verlängert.

(Vizepräsident Farid Müller übernimmt den Vorsitz.)

Was in den Gefängnissen stattfindet, ist nichts anderes als der kalte Entzug von Methadon-substituierten Menschen.

(Michael Fuchs CDU: Stimmt doch gar nicht!)

Mehr Therapieangebote gibt es nicht. Der Senat gefährdet aus ideologischen Gründen die Gesundheit abhängiger Strafgefangener.

(Dirk Nockemann Partei Rechtsstaatlicher Offen- sive: Aus ideologischen Gründen haben Sie damals die Bevölkerung gefährdet!)

Als Verstärkung der Hilfen für Süchtige wird uns die geplante Einrichtung des Zentrums für Drogenabhängige im Wüstenrot-Haus verkauft. Dort gibt es lediglich eine Zentrierung, aber es wird keinesfalls eine Verstärkung durchgeführt, denn zurzeit erleben wir einen drastischen Abbau von Hilfemaßnahmen.

Wir kritisieren nicht die von Ihnen erwähnte Schließung der zwei nicht ausreichend frequentierten Einrichtungen Café DREI und DroBill, aber wir wehren uns massiv gegen die Schließung des FixSterns in der Schanze, die verheerende Folgen haben wird. Die vielen Süchtigen, die in der Schanze leben – 70 Prozent der Nutzer des FixSterns leben allein in der Schanze –, brauchen dieses niedrigschwellige Angebot ebenso wie die nicht süchtige Wohnbevölkerung.

Wenn Sie den FixStern schließen, befürchten wir, dass der Stadtteil weit mehr als bisher durch die Drogensucht belastet wird. Wir haben den Eindruck, dass der Senat bewusst in Kauf nimmt, dass dort dann wieder mehr auf Spielplätzen und in Hauseingängen gefixt wird.

Man könnte fast meinen, der Senat wolle weiterhin ganz bewusst das sichtbare Drogenelend provozieren, um dann wieder publikumswirksam seine Repressionskeule schwingen zu können.

(Unruhe im Hause – Glocke)

(Wolfgang Barth-Völkel Partei Rechtsstaatlicher Offensive)

Meine Damen und Herren! Ich bitte um etwas mehr Ruhe im Plenum. Die Rednerin ist hier oben kaum zu verstehen.

(Michael Fuchs CDU: Wir verstehen Frau Freuden- berg ja auch nicht!)

Sie können ja nachher noch reden und versuchen, dagegen zu argumentieren.

Sie glauben doch nicht wirklich, dass man die Süchtigen aus ihren Quartieren quer durch die Stadt prügeln kann, damit sie dann ins Wüstenrot-Haus gehen. Das ist unverantwortlich.

(Wolfgang Beuß CDU: Das ist eine unglaubliche Unterstellung. Wer prügelt hier denn?)

Im übertragenen Sinne.

Lassen Sie uns lieber in der Schanze gemeinsam nach einem anderen Standort für den FixStern suchen.

(Glocke)