Protokoll der Sitzung vom 06.03.2003

Ich möchte mit zwei Dingen aufräumen, Frau Brüning. Sie sagen, wir wollen die HWP abschaffen. Das hat kein Mensch gesagt. Sie sagen, wir wollen einen Ausverkauf der Geisteswissenschaft. Das hat ebenfalls kein Mensch gesagt. Ihr Problem ist, dass Sie offensichtlich eine vorgeschriebene Rede hatten, die Sie abgelesen haben, und deshalb nicht auf die Argumente eingehen konnten.

(Beifall bei der CDU, der Partei Rechtsstaatlicher Offensive und der FDP – Glocke)

Herr Abgeordneter! Das kann nicht sein, da die Geschäftsordnung nur stichwortartige Aufzeichnungen zulässt.

Ich gebe Ihnen Recht, Herr Präsident.

(Heiterkeit bei der CDU, der Partei Rechtsstaat- licher Offensive und der FDP – Bernd Reinert CDU: Witz des Tages!)

Das Schlimmste an Ihren Ausführungen, Frau Brüning, war, dass Sie nicht sagten, wohin Sie eigentlich wollen. Ich habe das Gefühl, Sie befinden sich in einer Art Geisterfahrermentalität. Sie sind nicht in der Rolle der Opposition angekommen, in der Sie vernünftige Vorschläge machen könnten, aber die staatstragende Regierungsgewalt als Fraktion haben Sie auch nicht mehr. Was Sie gesagt haben, war nix, außer einem Herumkritteln an bestimmten Aussagen dieser Rankings, weil sie die verteidigen wollten. Das fand ich zutiefst unseriös.

(Dr. Andrea Hilgers SPD: Zuhören!)

Noch ein letzter Punkt. Herr Dräger wäre heute sicherlich gerne hier gewesen. Zurzeit tagt aber die Kultusministerkonferenz und es besteht für ihn Präsenzpflicht. – Vielen Dank.

(Beifall bei der CDU, der Partei Rechtsstaatlicher Offensive und der FDP)

Das Wort bekommt die Abgeordnete Dr. Brüning.

Herr Präsident! Sehr verehrter Herr Beuß! Ich habe nicht gesagt, dass diese Rankings unseriös sind. Das haben Sie jetzt gesagt. Ich habe lediglich darauf hingewiesen – Herr Kollege Schinnenburg hat das auch in seiner Rede bestätigt –, dass diese Rankings sehr, sehr unterschiedlich sind. Sie enthalten sowohl subjektive Kriterien, beispielsweise Professoren-Tipps und Studierenden-Tipps, als auch objektive Kriterien. Ich bin der Meinung, alles zusammenzubringen und dann zu einem Gesamtranking zu zimmern, wie Sie das gerne hätten, da habe ich Bedenken, das ist nicht wissenschaftlich genug.

(Vereinzelter Beifall bei der SPD – Dietrich Wersich CDU: Sagen Sie doch was zu den Inhalten!)

Es muss erlaubt sein, hier noch einmal nachzufragen, wer den gesellschaftlichen Bedarf an Studienfächern festlegt. Sie sind mir die Antwort schuldig geblieben. Eine Unternehmensberatung wie McKinsey kann es wohl allein nicht sein. Sagen Sie, warum zum Beispiel die Geisteswissenschaften – das hat die Reformkommission vorgeschlagen – so massiv abgebaut werden müssen? Woher nehmen Sie diese Prognose, die da gestellt worden ist?

Ich habe zu den Reformvorschlägen lediglich gesagt, dass eine wie auch immer geartete Auflösung der Hochschule für Wirtschaft und Politik für uns nicht infrage kommt. Sie wollen doch gerade Profilbildung und die Hochschule für Wirtschaft und Politik hat ein eigenständiges Profil.

(Dr. Andrea Hilgers SPD: Ein sehr gutes!)

Sie hat eine tolle Betreuung der Studierenden, sie hat Teilzeitstudiengänge. Warum soll eine qualitativ hochwertige Hochschule zugunsten einer Zusammenarbeit mit der Universität aufgelöst werden? Wenn Sie das nicht wollen, ist es gut. Ich habe ja nur darauf hingewiesen, dass wir es nicht wollen.

(Beifall bei der SPD)

Herr Beuß, ich habe vorhin zwar zwei Zettel gehabt, aber wie Sie sehen konnten, habe ich meine Rede frei vorgetragen und bin auf Ihre Punkte eingegangen. Ich hatte ganz andere Punkte.

Zusammenfassend möchte ich Ihnen noch sagen, dass wir eine Alternative gestellt haben. Wir haben noch einmal gesagt, dass Mentorinnenprogramme ausgebaut und die Studenten betreut werden sollen. Wir haben auch einen Deckungsvorschlag gebracht. Den wollten Sie nicht. Wir haben gesagt, Internationalisierung müsse sein, und wir bringen heute einen Antrag dazu ein. Das ist doch auch eine Alternative. Wir haben weiterhin gesagt, dass wir in diesem Zusammenhang Master- und Bachelor-Studiengänge wollen. Wir wollen Profilbildung, aber nicht auf Kosten einer bestimmten Hochschule. Wir wollen auch eine norddeutsche Zusammenarbeit und wir wollen, dass kleinere Fächer miteinander kooperieren, damit sie qualitativ besser werden. Dazu habe ich übrigens in der Struktur

(Dr. Wieland Schinnenburg FDP)

kommission nichts gefunden. Das ist jetzt ein Vorschlag von uns. – Vielen Dank.

(Beifall bei der SPD)

Weitere Wortmeldungen sehe ich nicht. Dann stelle ich fest, dass die Große Anfrage Drucksache 17/2115 besprochen worden ist.

Ich rufe auf den Tagesordnungspunkt 48, Drucksache 17/2282: Antrag der Koalitionsfraktionen, Konsequenzen für Hamburg im Umgang mit der Scientology-Organisation nach einer neuen wissenschaftlichen Studie.

[Antrag der Fraktionen der Partei Rechtsstaatlicher Offensive, der CDU und der FDP: Konsequenzen für Hamburg im Umgang mit der Scientology-Organisation nach einer neuen wissenschaftlichen Studie – Drucksache 17/2282 –]

Hierzu liegt Ihnen als Drucksache 17/2352 ein Antrag der SPD-Fraktion vor.

[Antrag der Fraktion der SPD: Konsequenzen für Hamburg im Umgang mit der Scientology-Organisation nach einer neuen wissenschaftlichen Studie – Drucksache 17/2352 –]

Beide Drucksachen möchte die SPD-Fraktion an den Innenausschuss überweisen. Wird das Wort gewünscht? – Der Abgeordnete Schaube hat es.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Der Hamburger Senat hat bereits 1995 in seinem Bericht an die Bürgerschaft sehr deutlich geschrieben, mit welcher Organisation wir es zu tun haben. In diesem Bericht heißt es:

„Das endgültige Ziel der Scientology ist die Scientologisierung der Gesellschaft. Würde die Strategie aufgehen und von staatlicher Seite nicht eingegriffen werden, käme dies einer schleichenden Unterwanderung unseres politischen Systems gleich.“

So ist es. Für alle, die es immer noch nicht verstanden haben: Bei der Scientology-Organisation handelt es sich weder um eine Religions- noch um eine Weltanschauungsgemeinschaft. Scientology ist unter anderem ein weltweiter Wirtschaftskonzern. Es geht allerdings nicht nur um Geld; Geld ist ein Mittel, aber nicht das alleinige Ziel.

Der Gründer der Organisation Ron Hubbard drückt sich wie folgt aus:

„Wir haben im Sinn, alles aus dem Weg zu räumen, das aus dem Weg geräumt werden muss, ganz egal, wie groß es auch sein mag, um eine Zivilisation zu schaffen, die tatsächlich überleben kann.“

Dies heißt nichts anderes, als dass die Ideen des Gründers der Organisation über die Mitglieder in alle Bereiche der Gesellschaft eingeführt werden sollen. Was dieses bedeutet, haben Mitglieder, ehemalige Anhänger und vor allem Personen, die sich kritisch mit der Organisation auseinander setzen, erfahren müssen.

Die Einschätzung, es handele sich um eine neue Form des politischen Extremismus, hat 1997 zur Beobachtung der Organisation durch die Verfassungsschutzämter geführt. Dies war und ist eine richtige Entscheidung.

Die von der bayerischen Landesregierung Ende letzten Jahres der Öffentlichkeit vorgestellte Expertise belegt die Gefährlichkeit der Organisation in allen Facetten.

Es wird mehr als deutlich, dass alle Mittel eines Staates ausgeschöpft werden müssen, um die Gesellschaft vor dieser Organisation zu schützen.

Nachzulesen ist dort, dass die Ideologie von Hubbard und das Handeln nach seinen Anweisungen gegen Grundrechte der deutschen Verfassung verstoßen. Der Verletzung der Menschenwürde kommt hier eine besondere Bedeutung zu, weil Artikel 1 des Grundgesetzes den Staat zum Schutz verpflichtet.

Das Menschenbild, das innerhalb der Scientology-Organisation vermittelt wird, sowie insbesondere die Anweisung zum Umgang mit Kritikern an der Organisation sind mit diesem Grundrechtsprinzip in Deutschland unvereinbar. Der Mensch darf nicht zum bloßen Objekt, nicht zu einem Rädchen im Getriebe oder einer Nummer eines Kollektivs gemacht werden.

In diesen Bereich gehört die Katalogisierung von Menschen bei Scientology. Kritische Personen als Unterdrücker zu bezeichnen, Menschen zu potenziellen Schwierigkeitsquellen zu degradieren, dokumentieren die ideologische Menschenverachtung des Systems Scientology. Neben der notwendigen Beobachtung durch die Landesämter für Verfassungsschutz und der Arbeit anderer staatlicher Institutionen, wie in Hamburg zum Beispiel der Arbeitsgruppe Scientology bei der Behörde für Inneres, müssen alle Mittel eingesetzt werden, um den Bestrebungen der Organisation national und auch international entgegenzuwirken. Vorrangig muss die schon lange in der Diskussion befindliche Verbraucherschutzinitiative zur Regelung der so genannten gewerblichen Lebenshilfe umgesetzt werden. Die beiden Bundesländer Bayern und Hamburg, die bereits in der Vergangenheit immer wieder in diesem Bereich tätig waren, sind dafür prädestiniert.

Forderungen, die auch schon sehr lange im Raum stehen, müssen endlich umgesetzt werden. Auch da kommen sehr deutliche Worte aus der bayerischen Expertise. Ich zitiere:

„Im Rahmen der strafrechtlichen Beurteilung hat sich bezüglich der Scientology-Organisation ergeben, dass die Durchführung von Processingkursen durch Auditoren, die keine Zulassung nach Paragraph 1 Heilpraktikergesetz besitzen, nach Paragraph 5 Heilpraktikergesetz strafbar ist. Hierbei handelt es sich um organisationstypische, den Charakter der Vereinigung prägende Handlungen, die durch zahlreiche Mitglieder täglich vorgenommen werden dürften. Als Dienstleistungsorganisation liegt für die deutschen Scientology-Vereine in dieser Betätigung sogar ihr Hauptzweck und auch ihre Haupteinnahmequelle. Beim Verkauf der Kurse ebenso regelmäßig verwirklicht wird der objektive Tatbestand des Betruges.“

Nach Beschluss des heute von uns vorgelegten Antrags erwarten wir vom Senat, dass unter Punkt 6 alle gesetzlichen Möglichkeiten, insbesondere auch nach dem Heilpraktiker-Gesetz, zügig ausgeschöpft werden. Hamburg ist wie kein anderes Bundesland in der Lage, auf umfassende Erkenntnisse zurückzugreifen. Es gibt wohl nichts, was in der Hamburger Innenbehörde bei der zuständigen Dienststelle nicht bekannt sein dürfte.

Dieses Wissen und die Erkenntnisse Bayerns zusammenzuführen und dem Bundesinnenminister deutlich zu machen, dass die Zeit reif ist für ein Verbot der Organisation als ausländischer Verein zum Schutz der Bürger dieses Landes und der freiheitlichen Gesellschaft, muss deutlich ausgesprochen werden.

(Dr. Barbara Brüning SPD)

(Vereinzelter Beifall bei der Partei Rechtsstaatlicher Offensive, der CDU und der FDP)

Die Veränderung des Vereinsgesetzes bietet jetzt auch mehr Möglichkeiten, als es noch vor zwei Jahren der Fall war. Die Ansätze, dieser Organisation entgegenzutreten, sind vielfältig. Alles muss genutzt, aber auch endlich die Verbotsdiskussion begonnen werden. Dafür zuständig ist die Bundesregierung. Die zögerliche Haltung muss nun endlich aufgegeben werden.

Nur im Zusammenwirken aller Kräfte in Bund und Ländern kann dem Spuk ein Ende bereitet werden. Damit wäre auch die unsägliche Steuerbefreiung für die Scientology in Deutschland vom Tisch, die daher rührt, dass die Organisation in den USA steuerbefreit ist.

Intoleranz und kriminelle Ausbeutung von Menschen dürfen in einem Rechtsstaat niemals geduldet werden.