Protokoll der Sitzung vom 09.04.2003

(Dr. Andrea Hilgers SPD: Das stimmt nicht!)

Das halte ich für die richtige Politik des Senats.

Für die einzelnen Träger – auch das ist interessant und das mag Hamburg an dieser Stelle interessieren – ist natürlich auch zurzeit die wirtschaftliche Lage und die Existenz ungewiss. Das verschweigt Ihr Antrag natürlich bewusst – ist ja klar –, ein bisschen Schlitzohrigkeit gehört dazu. Auslöser hierfür sind aber nicht die Einsparungen des Senats, sondern die Haushaltsvorgaben der Bundesanstalt für Arbeit, sodass dem Arbeitsamt Hamburg keine Gelder mehr für die Finanzierung weiterer Lehrgänge zur Verfügung stehen. Das hat nichts mit dem Senat zu tun.

(Dr. Andrea Hilgers SPD: Das hat sich seit gestern erledigt!)

Meine Damen und Herren! Wie Sie sehen, hat der Senat sich in der Vergangenheit, aber auch in der Zukunft sehr stark der Problematik der Jugendarbeitslosigkeit dergestalt angenommen, dass wir sagen, kein Schnellschuss, kein Bündnis, aus dem nichts erwächst. Es ist eine Mischung – ich sage es an dieser Stelle noch einmal – aus Wirtschafts- und Mittelstandsförderung, aus qualitativer Debatte im Bereich der Bildungs- und Sozialpolitik, aber auch aus Förderungsmöglichkeiten ganz konkreter Art für Jugendliche mit der Chance, einen direkten Ausbildungsplatz zu bekommen und sie nicht über Umwegmaßnahmen teuer zu finanzieren. Dieser Zusammenhang muss Ihnen bei der Debatte klar sein. Ich habe den Eindruck, er ist Ihnen immer noch nicht klar.

(Dr. Andrea Hilgers SPD: Der ist auch falsch!)

Insofern werden Sie, meine Damen und Herren, nicht der Meinung sein, dass wir Ihrem Antrag zustimmen. Aber wir sind nach wie vor offen, wenn Sie konkrete Anregungen bringen, die Jugendarbeitslosigkeit so zu verbessern, dass Ihnen auch die Mittel der Bundesanstalt für Arbeit und die Problematik der Fachoberschulen endlich geläufig sind. – Vielen Dank.

(Beifall bei der CDU, der Partei Rechtsstaatlicher Offensive und der FDP – Dr. Willfried Maier GAL: Wir sind ja so belehrt!)

Das Wort hat Frau Freund.

Sehr geehrter Herr Präsident, meine Damen und Herren! In der heutigen Debatte geht es wieder einmal um eine immer schwieriger werdende Lage, in die uns die SPD gebracht hat, und zwar aus mehreren Gründen:

Erstens, weil die Hamburger Schulabschlüsse im Vergleich zu den Abschlüssen von Schülern aus dem Umland eine geringere Anerkennung erfahren, was sich darin widerspiegelt, dass über 50 Prozent der Ausbildungsplätze – ich stelle Ihnen diese Statistik gern zur Verfügung, aus der Sie sehen, woher die Auszubildenden kommen – von Auszubildenden aus dem Umland besetzt werden.

Zweitens ist die Ausbildungsplatzsituation eine verzögernd auftretende Widerspiegelung der Arbeitsmarktsituation. Das dürfte auch Ihnen bekannt sein. Hier wissen wir, dass viele Versäumnisse vonseiten der roten Bundesregierung zu beklagen sind. Erst jetzt kommen längst überfällige Reformvorschläge, an deren konsequenter Umsetzung ich

auch noch meine Zweifel habe. Betriebe können nicht genügend Ausbildungsplätze bereitstellen, wenn sie selber nicht wissen, wo sie in drei Jahren stehen. Für diese Ungewissheit ist die Bundesregierung verantwortlich und niemand anderes.

(Beifall bei der Partei Rechtsstaatlicher Offensive, der CDU und der FDP)

Zum Dritten wurden nach dem Wahlkampf 1999 erhebliche Mittel von der Bundesregierung für ein Jugendsoforthilfeprogramm bereitgestellt, woran auch Hamburg damals partizipierte und die nun nicht mehr zur Verfügung gestellt werden. Dies war lediglich ein kurzes Aufflammen von Hilfsmitteln, welche zwar vorübergehend Besserung brachten, aber deren Einstellung von Ihrer Bundesregierung veranlasst wurde.

(Dr. Andrea Hilgers SPD: Alles nicht aktuell!)

Dies war sehr kurzsichtiges Denken, denn nun ist wieder der alte Zustand eingetreten, und dass in Hamburg nicht genügend Mittel zur Verfügung stehen, hier neue Projekte zu entwickeln, haben wir auch Ihren Altlasten zu verdanken.

(Beifall bei der Partei Rechtsstaatlicher Offensive, der CDU und der FDP – Zurufe von der SPD)

Um die von Ihnen verursachte Fehlpolitik zu korrigieren, sollten Sie sich endlich einen Ruck geben und die von der Schulbehörde vorgelegte Schulgesetznovelle unterstützen und nicht weiterhin boykottieren. Wohin Ihre Schulpolitik diese Stadt geführt hat, das haben wir schwarz auf weiß. Dass die Hamburger Wählerinnen und Wähler Ihnen nicht mehr vertrauen, haben die letzten Umfragen gezeigt. Nicht nur, dass Sie in der Inneren Sicherheit das Wahlprogramm abschreiben, nein, Sie klauen sogar von der FDP und arbeiten ganz heftig an dem Projekt „18“.

(Beifall bei der Partei Rechtsstaatlicher Offensive, der CDU und der FDP)

Die Stadt braucht dringend eine Bildungsreform, die wieder zu weltweit anerkannten Bildungsabschlüssen führt. Wir werden diese durchführen.

Ihre Forderung unter zweitens, Spiegelstrich eins, ist ein Beispiel dafür. Sie fordern die Rücknahme der Schließung der Fachoberschulen. Sie haben mit fast 1000 Stunden weniger Unterricht im Vergleich zu anderen Oberschulabschlüssen dafür gesorgt, dass es Abschlüsse erster und zweiter Klasse gibt. Der Abschluss der FOS 11/12 hat nicht die gesetzliche Mindestvoraussetzung erfüllt. Herr Drews sagte eben, dass es auf Qualität und nicht auf Quantität ankommt, und es war ungerecht den Schülern gegenüber, die den korrekten Bildungsweg gegangen sind und hierfür ein Jahr länger brauchten. Hier wurde wirklich nur die Quantität erbracht ohne Rücksicht, die Qualität erfüllen zu sollen. Das wird es mit uns nicht geben. Es gibt jetzt sechs Wege, die ausreichend qualifizierenden Hochschulabschlüsse zu erreichen, und das ist auch gut so.

(Beifall bei der Partei Rechtsstaatlicher Offensive, der CDU und der FDP)

Des Weiteren fordern Sie, die Kürzung bei der außerbetrieblichen Ausbildung, zum Beispiel bei der Jugendberufshilfe, zurückzunehmen. Hier wurden lediglich Kürzungen bei der teuersten Form der Ausbildungsförderung vorgenommen,

(Dr. Andrea Hilgers SPD: 350 von 500 sind weg!)

(Wolfgang Drews CDU)

um genügend Mittel für die weit günstigeren und ebenso effektiven – und darauf kommt es ja an, die Effektivität ist das Wichtige – Maßnahmen bereitzuhalten.

Es gibt nach wie vor viele verschiedene Möglichkeiten für Jugendliche mit schlechtem Schulabschluss oder gar keinem Abschluss oder ohne Ausbildungsplatz, berufsvorbereitende Maßnahmen zu ergreifen, wie zum Beispiel QUAS oder die BWE-Lehrgänge oder „TIP – testen informieren probieren“. Wir lassen niemanden auf der Straße stehen, aber Sie müssen sich den Vorwurf gefallen lassen, dass die bisher vom Arbeitsamt durchgeführte oder durch Bundesmittel vorgenommene Bezuschussung zu berufsvorbereitenden Maßnahmen weit höher gekürzt wurde, als es für diese Stadt verträglich ist.

(Dr. Andrea Hilgers SPD: Sie sind nicht aktuell, Frau Freund!)

Das geschah durch Ihre Bundesregierung, denn das Arbeitsamt wird durch die Bundesregierung geleitet. So ist es.

(Petra Brinkmann SPD: Aber das ist verkehrt!)

Ich möchte noch einen letzten Punkt ansprechen, den Sie in Ihrem Antrag überflüssigerweise erwähnten. Die Handwerks- und Handelskammer setzt sich bereits seit geraumer Zeit vehement für die Schaffung und den Erhalt von Ausbildungsplätzen ein. Sie sollten mit Ihrem Halbwissen nicht in die Öffentlichkeit gehen, sondern sich einmal kundig machen, denn dann wüssten Sie, dass fast 25 Prozent der Ausbildungsverträge durch die Vermittlung der Handelskammer zustande gekommen sind und – um eine Vergleichszahl zu nennen – nur 14 Prozent durch das Arbeitsamt. Auch diese Statistik stelle ich Ihnen gern zur Verfügung.

Ihren Antrag können wir getrost wegen Unbrauchbarkeit zur Seite legen, aber dennoch ist jetzt auch durch die immer stärker werdende Zunahme der Automatisierung die Zeit gekommen, über Neuerungen im Ausbildungsbereich nachzudenken und neue Konzepte zu entwickeln. Durch eine im Dezember 2002 mit Bundesgesetz vorgenommene Änderung des Paragraphen 51 des Berufsbildungsgesetzes – auch den stelle ich Ihnen gern zur Verfügung, weil sie ihn wahrscheinlich noch nicht kennen –,

(Dr. Andrea Hilgers SPD: Wissen Sie, belehren Sie mal jemand anderen!)

um die Berufsausbildungsvorbereitung anders gestalten und Qualifizierungsbausteine herauslösen zu können, sollte einmal darüber nachgedacht werden, ob man nicht Teile eines Ausbildungsberufes herauslöst und diese den Jugendlichen für bestimmte Bausteine oder Fachrichtungen in einem kürzeren Zeitraum – zum Beispiel ein Jahr – als Qualifizierungsnachweise ermöglicht. Das könnte dazu führen, dass sie entweder in einem speziellen Bereich ausgebildet sind oder im Anschluss daran eine normale dreijährige Ausbildung beginnen können. Dies wäre in bestimmten Dienstleistungsbereichen möglich.

Sieht man auf die auf uns zukommende Altersstruktur der Bundesbevölkerung, dann wäre dies für bestimmte Bereiche der Altersversorgung und der Pflege eine hervorragende Idee. Hier fordere ich die Kammern und die Behörde auf – ich arbeite auch sehr gern mit –, sich gemeinsam mit den Verbänden und den Gewerkschaften zusammenzusetzen und neue praktikable Konzepte zu erarbeiten. Auch Sie, werte Opposition, können sich gern daran beteiligen, etwas Konstruktives dazu beizutragen.

(Beifall bei der Partei Rechtsstaatlicher Offensive, der CDU und der FDP)

Das Wort hat Frau Goetsch.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Es geht um ernsthafte Probleme, es sind Fakten, die nicht erst seit diesem Jahr, sondern seit Jahren bestehen.

Herr Drews, Sie haben selbst einmal gesagt, wie wichtig dieser Ausbildungsplatzbericht ist, weil man darin tatsächlich Schwankungen, Entwicklungen und auch die Effizienz von Maßnahmen – zum Beispiel auch für besondere Zielgruppen wie Mädchen, Migrantinnen und so weiter – erkennen kann.

Wir haben heute in der „Welt“ gelesen, dass der Präsident der Handwerkskammer damit zitiert wird, dass wir dringend Nachwuchs brauchen. Das heißt, dass es einerseits ein Problem bei den Handwerksbetrieben gibt, andererseits aber Lehrstellen fehlen, und zwar so extrem wie noch nie. Es gibt 27 Prozent weniger Ausbildungsplätze als noch vor einem Jahr. Gleichzeitig bewerben sich 17 Prozent mehr Jugendliche – nämlich 3600 – auf die Ausbildungsplätze, die nun einmal nicht vorhanden sind.

Konsequenterweise rufen die Kammern ihre Betriebe dazu auf, mehr auszubilden. Das ist richtig und wichtig. Eine Untersuchung hat kürzlich ergeben, dass Hamburger Betriebe besonders schlecht dastehen. Im Fachjargon heißt es, sie seien ausbildungsträge. Im bundesweiten Vergleich bilden nur 16 Prozent der Betriebe in Hamburg aus. Die neuen Bundesländer, die sowieso mit 24 Prozent viel weniger ausbilden, sind dabei berücksichtigt.

Das heißt, jetzt ist die Katze aus dem Sack. Die GAL-Fraktion bemängelt seit Jahren, dass die Wirtschaft in die Pflicht genommen werden muss. Hier geht es nicht nur um Konjunkturschwankungen, die tatsächlich jetzt auch noch dazukommen.

(Rose-Felicitas Pauly FDP: Das hat aber etwas mit der Wirtschaft zu tun!)

Wir wollen eben keine weitere Verstaatlichung der Ausbildung, denn über 60 Prozent aller Jugendlichen befinden sich in staatlichen Maßnahmen und nicht in einer dualen betrieblichen Ausbildung. Dieses Problem haben wir seit Jahren.

Sie müssen mich richtig verstehen. Natürlich ist es notwendig, dass sich der Staat um diese Jugendlichen kümmern muss, die keine duale Ausbildung erhalten. Aber es geht in erster Linie darum, dass die Wirtschaft aus gutem Grund zusehen muss, dass die Ausbildung in einem Betrieb und nicht nur in überbetrieblichen und beruflichen Maßnahmen stattfindet. Es muss dort gelernt werden, wo produziert wird, ob im Büro oder an der Werkbank. Der Staat übernimmt dann im Berufsschulunterricht die zweite Hälfte der Ausbildung.

Zurzeit befinden sich circa 10 000 Jugendliche in der dualen Ausbildung, aber genauso viel Jugendliche finden jedes Jahr – also ein ganzer Ausbildungsjahrgang – keinen Ausbildungsplatz, sondern müssen irgendwie unterkommen. Hier stellt sich die Frage, was mit diesen Jugendlichen ohne Ausbildungsplatz passiert.

(Rose-Felicitas Pauly FDP: Sind da die Studenten mit drin?)

(Katrin Freund Partei Rechtsstaatlicher Offensive)