Protokoll der Sitzung vom 09.04.2003

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Wir haben hier ein Problem der politischen Führung.

(Bernd Reinert CDU: Sie haben ein Problem!)

Wir haben ein Problem der politischen Führung auch in der Person des Ersten Bürgermeisters und

(Dirk Nockemann Partei Rechtsstaatlicher Offen- sive: Er ist der beliebteste Bürgermeister! Nicht ablösen!)

wir haben einen Aufklärungsbedarf. Es steht immer noch Aussage gegen Aussage, dass unbeteiligte Schülerinnen geschlagen, eingekesselt und gedemütigt wurden.

(Dirk Nockemann Partei Rechtsstaatlicher Offen- sive: Wo leben Sie eigentlich?)

Nur das soll aufgeklärt werden. Dieses Recht für die Schülerinnen muss sein.

(Beifall bei der GAL und der SPD)

Wir haben es weiterhin mit einem Demokratieverständnis des Innensenators zu tun, der nicht in der Lage ist aufzuklären, der nicht in der Lage ist, sachliche Fragen zu beantworten, nein, sogar die gesamte Brutalität und Härte verteidigt, die gegen unbeteiligte Schülerinnen – Kinder – stattgefunden hat.

(Carsten Lüdemann CDU: Das ist eine Unterstel- lung, Frau Goetsch!)

Es ist keine Unterstellung, denn ich bitte Sie, jetzt Zitaten zuzuhören. Ich glaube, das ist die einzige Möglichkeit, um diesen Kindern gerecht zu werden. Wenn Sie sagen, dass wir ein Herz für Gewalttäter hätten oder dass unser Herz nicht für die Polizei schlägt, so geht es überhaupt nicht darum, sondern es geht darum, dass denjenigen Gerechtigkeit geschieht, denen Unrecht geschehen ist. Die Anwohner, die Protokolle geschrieben haben, sind Bürgerinnen und Bürger dieser Stadt. Wir sollten diese Bürgerinnen und Bürger ernst nehmen. Ich zitiere:

„In dem Polizeikessel befanden sich junge Menschen, Mädchen und Jungen im Alter ab zwölf Jahren. Sie waren verängstigt und völlig ruhig.“

(Unruhe im Hause – Glocke)

Meine Damen und Herren! Das Wort hat Frau Goetsch. Wenn Sie diskutieren wollen, gehen Sie bitte nach draußen. Bitte, Frau Goetsch.

Es würde der FDP auch gut tun, wenn sie da etwas mehr Manns genug wäre, Herr Müller-Sönksen.

(Beifall bei der GAL und bei der SPD)

„Die Kinder waren verängstigt und völlig ruhig. Wir wiesen die Polizisten in Gesprächen darauf hin, dass sie hier Kinder und Jugendliche eingekesselt hätten. Wir forderten die Polizei auf, die Kinder freizulassen. Im weiteren Verlauf, erst nach massivem Protest der inzwischen zahlreich anwesenden Anwohner war die Polizei bereit, auf die Handschellen zu verzichten. Die gesamte Aktion des Verfrachtens der Kinder dauerte circa drei Stunden. Die Kinder und Jugendlichen im Kessel verhielten sich weiterhin ausgesprochen ruhig. Es kam dann zu einer Situation...“

Es geht weiter:

„Ein farbiger Schüler bekam es mit der Angst zu tun und wollte weglaufen, worauf sich mindestens sechs Polizeibeamte auf ihn stürzten, ihn zu Boden rissen, sich auf ihn knieten, auf Hals, Nieren, Beine, Füße, das Gesicht auf den Asphalt drückten, wobei der Schüler vor Schmerzen schrie. Wir forderten die umstehenden Beamten auf, darauf einzuwirken, die Gewalt gegen diesen Jugendlichen zu beenden. Es erfolgte keine Reaktion. Der Kreis wurde nur enger. Wir baten und flehten die Polizeibeamten an – keine Reaktion. Der Jugendliche wurde vom Boden gezerrt und von den sechs Beamten gewaltvoll in die grüne Minna getragen. In dem Fahrzeug ging die Gewalt weiter. Ein Beamter stellte sich mit seinen schweren Stiefeln auf den Hals und Rücken des Jugendlichen und trat dabei fest zu. Der Jugendliche schrie immerzu. Wir waren entsetzt und forderten lautstark auf, die Gewalt zu unterlassen. Nicht ein einziger Beamter schritt ein. Nicht ein einziger Beamter war bereit, uns seinen Namen oder seine Dienstnummer zu nennen. Nicht ein Beamter war bereit, Nein zu sagen. Eine Kette von eng zusammenstehenden Polizeibeamten schützte sogar die unserer Meinung nach völlig brutal agierenden Polizeibeamten.“

Das ist nur ein Beispiel von vielen Protokollen. Wir, die GAL-Fraktion, fordern Sie auf, dass diese Fälle von Übergriffen aufgeklärt werden, nicht mehr und nicht weniger.

(Beifall bei der GAL und der SPD)

Es gab Beamte, die remonstriert haben, die keine Gewalt gegen Jugendliche angewandt haben. Insofern ist das ein Fall, der untersucht werden muss, nicht mehr und nicht weniger, wie ich sagte.

Ich möchte jetzt zum Schluss noch eine persönliche Anmerkung machen, die mir sehr wichtig ist. Meine Damen und Herren, wenn sich jemand entscheidet, ein geistliches Amt zu übernehmen und sich damit auch der Polemik eines solchen Saales zu entziehen, dann gilt diesem meine Hochachtung. Ich möchte hiermit Herrn Mahr meine Hochachtung aussprechen.

(Beifall bei der GAL, der SPD, der FDP und verein- zelt bei der CDU)

Herr Schrader, Sie haben das Wort.

Frau Kollegin Goetsch, in einem einzigen Punkt werden Sie für Ihren Beitrag meine Zustimmung erhalten. Als Liberaler, der den Wert des Ehrenamtes zu schätzen weiß, und auch als christlicher Katholik gebe ich Ihnen Recht, was Sie in Bezug auf das wertvolle Amt von Herrn Mahr gesagt haben.

(Beifall bei der FDP und vereinzelt bei der CDU und der SPD – Michael Neumann SPD: Welche Konse- quenzen hat das?)

Im Übrigen, Frau Kollegin Goetsch, bin ich schon ein bisschen schockiert über die Art, wie Sie hier wieder vorgegangen sind. Man kann das überzogen kritisieren, wie es vielleicht im Vorfeld passiert ist. Aber ich kritisiere das ganz sachlich. Was Sie hier zitiert haben, war ein anonymes Schreiben.

(Zurufe bei der GAL: Nein, nein! Da steht ein Name drauf! Das ist unterschrieben!)

Es wurden Vorfälle zitiert, die auch viel im Internet diskutiert worden sind, die im Vorfeld geschehen sind. Wenn Sie diese Daten alle haben, wie kommt es denn, dass hierüber keine Strafanzeige für jeden einzelnen Punkt gekommen ist?

(Beifall bei der FDP, der CDU und der Partei Rechtsstaatlicher Offensive)

Das wäre doch das Entscheidende.

Da kommen wir zu einem anderen Punkt. Ich unterstelle jetzt einmal, dass die Verfasser dieser Zeilen Strafanzeige erstattet haben

(Dr. Willfried Maier GAL: Das sind keine Strafanzei- gen, das sind öffentliche Beschwerden!)

und dass die Staatsanwaltschaft, was selbstverständlich ist und auch in dem einen Fall, der vorher angezeigt worden ist, passiert ist, mit den Ermittlungen begonnen hat. Ich frage mich, wenn wir jetzt also möglicherweise ein paar Wochen abwarten müssen, bis diese Strafanzeigen, so es sie denn geben soll, bearbeitet worden sind, ob es dann nicht besser gewesen wäre, statt einer Sondersitzung des Innenausschusses auf der nächsten regulären Sitzung des Innenausschusses über diese ganzen Vorfälle zu sprechen? Wäre das nicht besser gewesen?

(Michael Neumann SPD: Im Protokoll sagen Sie das Gegenteil! Letzte Woche waren Sie noch ande- rer Meinung!)

Herr Neumann, Sie haben eine sofortige Sitzung des Innenausschusses beantragt und alle Koalitionsfraktionen sind Ihnen selbstverständlich in dieser Bitte nachgekommen, was die Koalitionsfraktionen übrigens nicht gemusst hätten. Daran sehen Sie, dass wir sehr wohl das Interesse ernst nehmen, wenn hier im Hause Vorfälle aufgeklärt werden sollen. Ich frage mich nur, wenn Sie so brüsk zurückweisen, dass hier im Hause gesagt wird, Sie hätten nach wie vor ein Misstrauensverhältnis zur Polizei, und wir jetzt erkennen, dass eine reguläre Sitzung möglicherweise viel geeigneter gewesen wäre, Anwürfe aufzuklären: Warum ist dann auf diese Sondersitzung so gedrungen worden, meine Damen und Herren?

(Beifall bei der FDP und der CDU)

Um einmal auf etwas, das die Kollegin Möller vorhin angedeutet hat, zurückzukommen: Kritik an den besetzten Plätzen im Innenausschuss. Meine Damen und Herren, meinen Sie das im Ernst, was Sie hier sagen? Ist das wirklich ein Punkt? Ich bin ja noch neu in diesem Parlament. Ich kann also nicht wissen, wie die Gepflogenheiten waren.

(Christa Goetsch GAL: Da wollen wir Ihnen doch gerne helfen!)

Aber ich kenne Ausschusssitzungen aus anderen Ausschüssen, in meinem Fall im Jugendausschuss, wo eine ganze Reihe von Menschen, mit denen Sie vor und nach der Sitzung hervorragend einvernehmlich sprachen, dort saßen. Ich habe gar nichts dagegen. Es ist nur augenscheinlich, dass diese Sitzungssäle voll mit Anhängern Ihrer Politik sind, und wenn einmal ein Sitzungssaal mit Anhängern unserer Politik voll ist, machen Sie daraus ein Problem. Ich verstehe das überhaupt nicht, meine Damen und Herren.

(Beifall bei der FDP, der CDU und der Partei Rechtsstaatlicher Offensive)

Ich verstehe es vor allen Dingen dann nicht, wenn gleichzeitig noch genügend andere Menschen die Chance hat

ten, da drin zu sitzen. Ich kenne nämlich ein paar Polizisten, die hereingekommen sind, ohne dass sie irgendjemand gebeten hätte, weil sie das Thema interessiert. Ich habe auch den Schülerkammervorsitzenden dort sitzen sehen, der einen Sitzplatz gefunden hat. So schlimm kann es also alles nicht gewesen sein.

(Ingo Egloff SPD: Man kann sich die Wahrheit auch zurechtbiegen! Das ist Feigheit!)

Und wenn Sie sich darüber beschweren, dass es Beifallsstürme aus dem Publikum gegeben habe: Der Unterschied zu den Sitzungen im Jugend- und Sportausschuss, das kann der Kollege Böwer mir bestätigen,

(Beifall bei der FDP, der CDU und der Partei Rechtsstaatlicher Offensive)

ist einzig und allein, dass diejenigen Leute, die im Innenausschuss applaudiert haben, die Mahnung des Vorsitzenden ernst genommen haben und es danach unterlassen haben. Das habe ich in anderen Sitzungen so nicht erlebt.

(Beifall bei der FDP, der CDU und der Partei Rechtsstaatlicher Offensive)