Protokoll der Sitzung vom 04.06.2003

Ein Punkt wurde heute noch nicht angesprochen. Die Media School kann sogar freie Zeiten, die sie nicht für den Bürgerfunk verwendet, an Dritte verkaufen, zum Beispiel an einen Teleshop-Sender. Das liegt nicht ganz fern, denn der jetzige Leiter der Media School hat früher für HOT gearbeitet und weiß im Teleshopping-Geschäft sehr gut Bescheid. Diese Möglichkeit gefährdet andere Sender, zum Beispiel Hamburg 1, die momentan dringend auf drei bis sechs Stunden Teleshopping-Zeiten angewiesen sind. Das kann demnächst von der Media School miterledigt werden, dazu brauchen wir Hamburg 1 nicht mehr. Von Medienstandortstärkung kann man wirklich nicht reden, sondern das ist absolute Marktverzerrung, was Sie hier machen. Meine Damen und Herren, die Medienaufsichtsbehörde, die HAM, wird geschwächt. Sie hat ihre Regulierungsinstrumente völlig verloren. Das ist der eine Punkt.

Was wird auf der anderen Seite gestärkt? Der Politikereinfluss auf die Medien. Ich will Ihnen auch sagen – das ist ein anderer Aspekt im Gesetz – warum. Der bisherige Vorstand – wir hatten das Theater ja vor zwei Monaten – wird bis Ende des Jahres in der HAM tagen und im Amt sein. Der soll nun abgelöst werden durch einen Expertenrat, der komplett – ich wiederhole: komplett – aus diesem Parlament gewählt wird. Das ist eine Neuerung, da bisher nur circa die Hälfte des HAM-Vorstandes von diesem Parlament mitbestimmt wurde. Das wollen Sie ändern. Von Politikferne, derer sich die FDP immer so gerne rühmt, keine Spur. Im Gegenteil: Diese Regierungsfraktionen werden massiven Einfluss auf die zukünftigen Experten haben und damit auf die HAM bekommen. Das Gegenteil von Politikferne wird hier auf uns zukommen.

Es wurde noch einmal kurz auf die Werberegelung eingegangen, als ob diese das moderne Element wäre. Wir haben – wie Sie in der Kritik vielleicht auch mitbekommen haben – nichts weiter zu den Werberegelungen gesagt. Es gibt allerdings einen Punkt, den wir sehr kritisch sehen. Es ist nämlich demnächst möglich, Nachrichten durch Werbespots unterbrechen zu können. Das ist kein Zugewinn, wenn man über Vielfalt und Ehrlichkeit im Rundfunk nachdenken will.

Zum Schluss möchte ich noch kurz erklären, warum wir heute der zweiten Lesung nicht zustimmen werden. Es ist schon kurz angesprochen worden: Es geht um die Mitarbeiter des Offenen Kanals.

(Burkhardt Müller-Sönksen FDP: Das ist ja toll, für die Mitarbeiter!)

Bisher hat es, wenn wir über Gesetze entschieden haben, sehr wenig direkte Auswirkungen auf Mitarbeiter gegeben. Dieses Gesetz wird zwölf Mitarbeiter arbeitslos machen. Diese Koalition hat noch einmal etwa drei Wochen Zeit, darüber nachzudenken, ob sie das wirklich mit diesem Gesetz so machen will. Diese Frist wollen wir Ihnen geben. Es hat wahrscheinlich noch niemand darüber nachgedacht. Wenn die Situation so bleibt, wird es Kündigungsschutzklagen nicht nur gegenüber der HAM, sondern auch gegenüber der Media School geben. Das ist ein weiterer Punkt, der die Media School mit einem Thema belastet, zu dem ich sagen würde, mit dieser Zukunft werden Sie niemals private Sponsoren finden. – Vielen Dank.

(Beifall bei der GAL und der SPD)

Das Wort hat Senator Uldall.

Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren! Herr Kollege Dobritz, Sie hatten eingangs Ihrer Rede davon berichtet, dass sich die Chefs der Medienanstalten der Länder auf einer Konferenz gegen das Hamburger Gesetzesvorhaben ausgesprochen und es kritisiert haben. Jetzt frage ich Sie einmal, Herr Kollege Dobritz: Passt es, dass man Regulierer als Kronzeugen gegen eine Liberalisierung benennt? Nennen Sie mir ein Ereignis, bei dem sich ein Kontrolleur, ein Regulierer oder ein Aufpasser dafür ausgesprochen hätte, die Regeln und die Bestimmungen zu lockern, deren Einhaltung er zu überwachen hat. Das hat es noch nie gegeben und insofern passt dieser Vergleich überhaupt nicht, Herr Kollege Dobritz.

(Beifall bei der CDU, der Partei Rechtsstaatlicher Offensive und der FDP)

Meine Damen und Herren, es ist notwendig, das ist in den Reden der Koalitionsvertreter deutlich geworden, das hamburgische Medienrecht zu ändern, da die heutigen Bestimmungen einfach nicht mehr in das Jahr 2003 hineinpassen. Sie passen erst recht nicht zu einem führenden Medienstandort, so wie Hamburg es ist.

Die Medienregulierung war bislang von einem komplizierten Zulassungsverfahren und einer möglichst lückenlosen Programmkontrolle geprägt. Das entsprach der Vorstellung von vor 20 Jahren, als auch vonseiten der Sozialdemokraten eine hohe Skepsis gegenüber der Einführung eines privaten Elements in Rundfunk und Fernsehen entgegengebracht wurde. Heute wirft aber niemand mehr ernsthaft die Frage auf, ob die privaten Rundfunkveranstalter in der Lage sind, verantwortungsbewusst und erfolgreich Rundfunk zu veranstalten. Diese Frage wird von keinem mehr verneint werden. Sie haben es über 20 Jahre gezeigt. Da kann ich auch als Fernsehzuschauer nur sagen, dass dabei sehr viel Gutes für uns Zuschauer herausgekommen ist. Stellen Sie sich bitte nur einmal vor, wir hätten in den letzten zehn Jahren nur öffentlich-rechtliches Fernsehen gehabt. Dann wäre von einer Vielfalt bei uns überhaupt nicht zu reden gewesen.

(Rolf Kruse CDU: Genauso war es!)

Die Regulierung soll deshalb in Zukunft eher eine begleitende Regulierung sein, deren bevormundender Charakter aufgegeben wird. Herr Kollege Rusche hatte davon gesprochen, dass es die Freiheit des Wettbewerbes gebe. Völlig richtig. Aber die Sozialdemokraten haben sich in ihrer langen Tradition immer dagegen gewehrt, dass den Bürgern, den Institutionen, den Unternehmen mehr Freiheit gegeben wurde, als es bisher der Fall war. Sie haben sich immer dagegen gestemmt, wenn es zu einer Deregulierung kommen sollte.

(Glocke)

Herr Senator, gestatten Sie eine Zwischenfrage?

Ich möchte eben den Gedanken zu Ende bringen, Herr Präsident.

Sie haben sich immer dagegen gewehrt, eine weitergehende Liberalisierung zuzulassen.

(Dr. Andrea Hilgers SPD: Alles Unterstellungen!)

Das haben wir in der Wirtschaftspolitik, der Finanzpolitik und der Sozialpolitik gespürt. Kein anderer als Bundeskanzler Gerhard Schröder versucht heute, diese traditionsbehaftete, aber in die Irre führende Richtung sozialdemokratischer Politik zu korrigieren. Es wäre gut, wenn die Sozialdemokraten in Hamburg auch von diesem Kurswechsel lernen würden.

(Beifall bei der CDU, der Partei Rechtsstaatlicher Offensive und der FDP – Glocke)

Gestatten Sie eine Zwischenfrage des Abgeordneten Müller?

Ja, sehr gerne.

A C

B D

Herr Wirtschaftssenator Uldall, Sie sprachen gerade von Wettbewerb und Rundfunkmarkt. Wie passt es dann zusammen, dass in dem Gesetz steht, die Lizenzen werden für zehn Jahre vergeben? Wo ist denn da Wettbewerb?

Herr Kollege, das wissen Sie doch genau. Die Beratung im Ausschuss hat gezeigt, dass es eine totale Freiheit nie geben kann, auch nicht auf dem Markt. Es muss hier nur über das Maß der Regulierung gesprochen werden. Deswegen ist hier eine solche Lösung gegen den von Ihnen an die Wand gemalten Missbrauch eingebaut worden. Es ist eine kluge Regelung, die in diesem Gesetz enthalten ist.

(Beifall bei der CDU, der Partei Rechtsstaatlicher Offensive und der FDP)

Ich möchte drei Punkte aufgreifen, die in der Debatte heute, aber auch schon in den letzten Wochen während der Ausschussberatungen und in der öffentlichen Diskussion im Mittelpunkt gestanden haben. Das ist zunächst einmal das Wort "Programminhalt". Das hatten Sie, Herr Kollege Müller, auch angesprochen.

Die Neuregelung, wie sie jetzt im Gesetz vorgesehen ist, schreibt dem Rundfunkveranstalter zunächst einmal ein hohes Maß an Selbstbestimmung vor. Sie geht aber auch davon aus, dass es eine besondere Verantwortung für die inhaltliche Gestaltung seines Programms gibt. In Zukunft können die privaten Rundfunkveranstalter eigenständig über ihre Programme entscheiden, ohne dass ihnen etwa – jetzt hören Sie genau zu – sekundengenaue Wortquoten hoheitlich vorgegeben werden. Diese Art der Regulierung ist nicht mehr zeitgemäß und deckt sich nicht mit dem Verständnis, das wir als Koalitionsfraktionen von der Leistungsfähigkeit des privaten Sektors im Rundfunk haben. Wenn wir im Rundfunk- und Fernsehwesen vom dualen System sprechen, dürfen wir nicht immer nur den öffentlich-rechtlichen Medien Verantwortungsbewusstsein zusprechen, sondern auch den Privaten. Wir nehmen in unserem dualen Rundfunksystem auch die Privaten ernst, meine Damen und Herren.

(Beifall bei der CDU, der Partei Rechtsstaatlicher Offensive und der FDP)

Die hoheitliche Aufsicht zieht sich dann auf eine Missbrauchskontrolle zurück. Auch das Zulassungsverfahren wird vereinfacht. In Zukunft soll nicht mehr die HAM als hoheitliche Anstalt die inhaltlichen Eckpunkte des Programms vorschreiben, sondern dieses ist die natürliche Aufgabe der Rundfunkveranstalter. Es ist eine Scheindebatte, die darüber geführt wird, weil die Rundfunkveranstalter selber gezeigt haben, dass sie in der Lage sind, ihre Programme gegenüber der Gesellschaft verantwortungsbewusst zu gestalten.

Es entbehrt jeder Grundlage, wenn jetzt immer wieder gesagt wird – das klang auch in den Beiträgen der beiden Oppositionsredner an –, dass die Veranstalter aus ihrer Informationspflicht entlassen würden. Meine Damen und Herren, das ist falsch. In Paragraph 3 des Gesetzentwurfs werden die privaten Veranstalter verpflichtet, zur Meinungsbildung beizutragen.

Der Begriff Meinungsbildung schließt aber den Begriff Information mit ein. Wenn der Begriff Information angesichts der Diskussionen in den letzten Wochen im Antrag der Koalitionsfraktionen aufgenommen und in Para

graph 3 eingefügt werden soll, so kann ich das für den Senat als Klarstellung begrüßen. Aber es ist völlig absurd, hier von einer Aufhebung der Informationspflicht zu sprechen.

(Beifall bei der CDU und der Partei Rechtsstaatli- cher Offensive)

Zu dem Bürger- und Ausbildungskanal möchte ich zwei Anmerkungen machen. Es gibt weiterhin die Möglichkeit der privaten und direkten Rundfunkgestaltung über den Bürgerkanal. Aber wir wollen, dass dieser Kanal auch besser genutzt wird. Es sind bereits einige Zahlen über die Quoten genannt worden. Wenn sich jemand in den letzten Tagen den Offenen Kanal angesehen hätte – das hat offensichtlich keiner von Ihnen getan –, hätte er gesagt, das ist katastrophal, was da gezeigt wird.

(Farid Müller GAL: Katastrophaler Wirtschaftsse- nator!)

Oder hat irgendjemand von Ihnen gestern Abend das Programm des Offenen Kanals gesehen? – Keiner.

Wir wollen, dass die Themenfelder sinnvoller als bisher strukturiert werden und man sich auf die Projekte der Kinder- und Jugendarbeit, der Integration, der Stadtteilkultur bezieht. Ich bin absolut sicher, dass dann das Senden unter Ausschluss der Öffentlichkeit – wie es heute beim Offenen Kanal besteht – zurückgeführt wird und wir als Bürger auch tatsächlich etwas von diesem Kanal haben.

(Beifall bei der CDU, der Partei Rechtsstaatlicher Offensive und der FDP)

Weiterhin möchte ich sagen, dass die Ausbildungsgänge, die im Ausbildungskanal integriert werden, eine große Chance sind, als Medienstandort Nummer eins in Deutschland etwas anzubieten, was sonst keiner anbietet. Das ist etwas Tolles, das sollten Sie loben, das sollten Sie nicht kritisieren, meine Damen und Herren, das ist ein Schritt nach vorne, auf den wir in Hamburg stolz sein können.

(Beifall bei der CDU, der Partei Rechtsstaatlicher Offensive und der FDP)

Wenn der Betrieb des Offenen Kanals, wie ich ihn jetzt eben beschrieben habe, als ein Bürgerkanal durch die HMS betrieben wird, ist es nur konsequent und logisch, dass die Finanzmittel, die dafür bisher vorgesehen waren, in Zukunft auch der Medienschule zur Verfügung gestellt werden. Deshalb verstehe ich diese ganze Aufregung überhaupt nicht.

(Farid Müller GAL: Mit weniger Mitarbeitern!)

Einer Ihrer Lieblingsvorwürfe war, dass es dann Anstalten geben könnte, die sich darauf beschränkten, nur MusikCDs abzuspielen. Wenn dieses passieren würde, hätte die HAM konsequent die Möglichkeit, eine Zulassung zu widerrufen, weil es sich dann nicht mehr um ein Rundfunkprogramm, sondern nur um einen Mediendienst handeln würde. Damit sind Ihre Sorgen und Befürchtungen, die Sie hier geschildert haben, ausgehebelt worden.

Lassen Sie mich zusammenfassend Folgendes darstellen: Mir kommt die Kritik von SPD und GAL an diesem Gesetz so vor wie die Kritik, die ich in den Bundestagsdebatten, die ich mitgemacht habe, erlebt habe. Immer dann, wenn es um Deregulierung ging, hoben die Sozialdemokraten mahnend den Finger und sagten, das

können wir den Bürgern nicht zumuten. Wenn wir den Argumenten der Sozialdemokraten gefolgt wären, hätten wir heute noch eine regulierte Stromwirtschaft und die Strompreise wären in Hamburg vielleicht um 30 Prozent höher. Wir hätten keine Deregulierung in der Versicherungswirtschaft. Ich kann Ihnen garantieren, die Kraftfahrzeugversicherungsprämien wären um 10 Prozent höher. Wir hätten keine Deregulierung bei der Telekom.

(Ekkehard Rumpf FDP: So ist es!)

Einmal heute in die USA zu telefonieren, kostet 2,0 Cent, meine Damen und Herren. Überlegen Sie sich, was das früher zu Monopolzeiten gekostet hat. Ein weiteres Beispiel ist der Luftverkehrsmarkt, den wir vor etwa einem Dutzend Jahren freigegeben haben. Das Ergebnis sind heute sehr viel günstigere Tarife, über die sich alle Menschen in Deutschland freuen können.

(Beifall bei der CDU, der Partei Rechtsstaatlicher Offensive und der FDP)