Protokoll der Sitzung vom 04.06.2003

(Beifall bei der CDU, der Partei Rechtsstaatlicher Offensive und der FDP)

In keinem Falle sind die von der Opposition genannten Befürchtungen eingetreten, dass sich die Deregulierung zulasten der Verbraucher in Deutschland auswirken könnte. Deregulierung und zusätzliche Liberalisierung haben immer dazu geführt, dass mehr Markt praktiziert wurde, und das hat sich immer zugunsten der Verbraucher ausgewirkt.

(Beifall bei der CDU, der Partei Rechtsstaatlicher Offensive und der FDP)

Das Wort hat der Abgeordnete Dobritz.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Herr Senator Uldall, erwecken Sie bitte nicht den Eindruck, als seien Sie bei der Anhörung dabei gewesen und wüssten, worüber Sie reden. Mit dem Thema haben Sie sich auch nicht richtig auseinander gesetzt.

(Beifall bei der SPD und der GAL – Dr. Michael Freytag CDU: Sie waren dabei und wissen nicht, wovon Sie reden!)

Hier geht es nicht um Deregulierung und auch nicht um die Freigabe der Fesseln eines freien Unternehmertums. Hier geht es um das im Grundgesetz der Bundesrepublik Deutschland festgeschriebene Rundfunkrecht. Das ist zentral etwas anderes.

(Beifall bei der SPD und der GAL)

In Paragraph 3 Ihres Gesetzes wird der Programmauftrag normiert und der lautet:

"Die nach diesem Gesetz zugelassenen Rundfunkprogramme sollen in ihrer Gesamtheit und als Teil des dualen Rundfunksystems zur Informations- und Meinungsbildung beitragen."

Das bedeutet eindeutig, dass der öffentlich-rechtliche Rundfunk diesen Teil erfüllt und die gesamten privaten Rundfunkanbieter davon befreit sind, zur Informations- und Meinungsbildung am Standort Hamburg beizutragen.

Nun lese ich Ihnen aus dem sechsten Rundfunkurteil des Bundesverfassungsgerichts vor, und das ist auch die zentrale Begründung, warum wir der sofortigen zweiten Lesung nicht zustimmen werden und warum unsere Bundestagsfraktion in Berlin überprüfen wird, ob es vor dem

Bundesverfassungsgericht eine Klage gibt. Dort steht, und es ist noch nicht sehr alt:

(Zurufe von Burkhardt Müller-Sönksen FDP)

Hören Sie doch zu, Herr Professor Müller-Sönksen.

(Burkhardt Müller-Sönksen FDP: Das ist ganz vor- sichtig formuliert!)

"Die Rundfunkfreiheit des Artikel 5 Absatz 1 Satz 2 Grundgesetz ermächtigt ihren Träger nicht zum beliebigen Gebrauch. Als dienende Freiheit wird sie nicht primär im Interesse der Rundfunkveranstalter, sondern im Interesse freier, individueller und öffentlicher Meinungsbildung gewährleistet."

Dieses Gesetz erfüllt diesen Auftrag nicht, aber um dieses Urteil und um diesen Richterspruch wird auch weiterhin in Deutschland gekämpft.

(Beifall bei der SPD und der GAL)

Das Wort hat der Abgeordnete Müller-Sönksen.

Herr Präsident, meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich müsste jetzt ein Stoßgebet vorweg sagen: Gott, hätten Sie doch etwas mehr Kraft und Mut, einmal an die Freiheit zu glauben und nicht immer an die Drangsalierung und an die Regulierung.

(Beifall bei der FDP, der CDU und der Partei Rechtsstaatlicher Offensive – Oh-Rufe bei der SPD)

Die Freiheit bringt überall die Kräfte nach vorne. Dieser positive Glaube scheint Ihnen tatsächlich zu fehlen.

Ich will es kurz machen: Zwei Widersprüche und eine Aufklärung.

Sie müssen sich darüber im Klaren sein – das betrifft sowohl Herrn Dobritz als auch Herrn Müller –, ob Sie sich auf der einen Seite beschweren, dass es angeblich – wir bestreiten das – einen "Dudelrundfunk" geben wird oder geben könnte und dass Sie auf der anderen Seite diesem "Dudelrundfunk" eine politische Meinungsführerschaft unterstellen. Ich glaube nicht, dass es eine bestimmte Art von Titeln gibt, die, wie Sie meinen, dem linken oder rechten Rand besonders nahe gelegt werden. Entweder Sie sagen, es kommen Informationen und Meinungsvielfalt – vielleicht nicht die von Ihnen gewünschte –, oder Sie sagen, es gibt einen "Dudelfunk". Entscheiden Sie sich. Sie sind an dieser Stelle argumentativ nicht sauber. Es kann nur eines von beiden geben.

(Beifall bei der FDP, der CDU und der Partei Rechtsstaatlicher Offensive)

Sie haben die Meinungsführerschaft auch im Zusammenhang mit einem in Hamburg – Gott sei Dank und hoffentlich auch noch sehr lange – ansässigen Medienunternehmen genannt. Es gibt noch viele andere Medienunternehmen, die ich jetzt von dieser Stelle gerne ermutige, sich auch in den privaten Rundfunk in Hamburg einzumischen. Jetzt können sie dieses durch Vielfalt und Konkurrenz am Markt entsprechend beleben. Das kann übrigens nicht nur die in Hamburg ansässigen Unternehmen betreffen, sondern auch die in Köln und die in München. Das ist auch der Grund, warum wir dort im Moment so

viel Widerspruch für unser gutes Mediengesetz in Hamburg erfahren.

Der zweite Widerspruch, den Sie geäußert haben, Herr Müller, betrifft die Besetzung der Experten. Sie müssen sich erst einmal im Klaren sein, was Sie wollen. Auf der einen Seite sagen Sie, wir reduzieren die Aufgaben der HAM, und auf der anderen Seite sagen Sie, wir besetzen die Experten jetzt nicht mehr staatsfern. Wenn die HAM nach Ihrer Meinung angeblich keine Aufgaben mehr hätte, dann könnten wir sie auch politisch nicht manipulieren. Was wollen Sie? Wollen Sie der HAM mehr Staatsaufgaben zuordnen? Dann könnten Sie behaupten, dass dieses Parlament hinterher ein entsprechendes Gremium wählt, das manipuliert. Aber Sie können nicht beides machen. Wenn die HAM keine Aufgaben mehr hat, dann kann auch das Gremium, das die HAM beaufsichtigen soll, keine politische Manipulation mehr machen. Das ist in Ihrer Argumentation widersprüchlich.

(Walter Zuckerer SPD: Bei wem haben Sie Logik studiert? Das möchte ich gern wissen! Zu Ihrem letzten Punkt muss ich eine Aufklärung bringen. Sie stellen es so dar, als ob die Bildung von Nach- richtenagenturen im Medienbereich etwas Schädliches wäre. Sie sahen sogar das Gespenst von Arbeitsplatz- abbau oder von weniger Qualitätsjournalismus. Was im öffentlich-rechtlichen Rundfunk gang und gäbe ist, dass ein Redakteur aus anderen Nachbarländern, aus dem Ausland berichtet, das wollen Sie dem privaten Rundfunk in Hamburg qualitäts- und nachrichtensteigernd ver- bieten? Das kann es nicht sein und das wollen wir auch nicht. Selbstverständlich sind die Möglichkeiten, die jetzt gewonnenen synergetischen Effekte in eine Qualitäts- verbesserung und in ein Aufholen zum gebühren- finanzierten Rundfunk zu erhalten, ebenfalls offen. Unsere Expertenbefragungen haben ergeben, dass ein "Dudelrundfunk" vom Bürger nicht nachgefragt wird. Wer nur "Dudelrundfunk" macht, bekommt keine Einschalt- quoten. Wer keine Einschaltquoten bekommt, bekommt keine Werbung. Das heißt, es gibt einen positiven Markt- anreiz für qualitativen und informativen Rundfunk und Fernsehen. Weil das so ist, haben wir das Zutrauen, ein gutes Gesetz auf den Weg zu bringen und den in Ham- burg ansässigen Medienunternehmen diesen Ver- trauensvorschuss zu geben. Deswegen werden wir die- ses Gesetz beschließen und uns gern mit Ihnen erneut in drei Wochen über die gleichen Gedanken unterhalten. – Vielen Dank. (Beifall bei der FDP, der CDU und der Partei Rechtsstaatlicher Offensive)

Herr Müller hat das Wort.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Herr Uldall, Sie haben uns erzählt, es gebe Instrumente der HAM – der neuen HAM, muss man nach diesem Gesetz sagen –, den Medienmarkt weiter zu kontrollieren, damit es kein "Dudelfunk" wird. Ich hätte den Wunsch gehabt, Sie hätten das Wortprotokoll, das inzwischen von der Anhörung vorliegt, etwas genauer gelesen. Es ist dort auch von den Experten gesagt worden, genau diesen Punkt könne die HAM nicht mehr regulieren. Ich will Ihnen auch sagen warum. Weil es nämlich in der Vielfaltssicherung in der Gesamtheit aller privaten Sender

dann um die Frage geht, wer sendet mehr oder weniger Musik, wer mehr oder weniger Wortbeiträge. Es gibt keine Handhabe mehr gegenüber einzelnen Sendern zu sagen, sie sind derjenige, der hier die Vielfalt verletzt, oder der andere ist es. Mit anderen Worten: Es gibt keine Kontrolle mehr.

Ich will auch noch etwas zum "Dudelfunk" sagen. "Dudelfunk" heißt in unserem Sinne nicht, dass ein Sender zu 100 Prozent Musik spielt und er damit gleichzeitig als Mediendienst gilt,

(Burkhardt Müller-Sönksen FDP: Da sind wir einer Meinung!)

sondern das bedeutet, dass es dort, wo jetzt schon wenig Informationen gegeben werden, künftig noch weniger sein werden. Das ist der einzige Grund. Wenn es die Selbstverantwortung gäbe, wozu wird dann jetzt dereguliert? Das geschieht natürlich, um sich bei dem Kostenfaktor Redaktionen, der die Radiosender im Moment drückt, ein wenig Luft zu verschaffen. Es ist aus Sicht der Unternehmer, Herr Rusche, durchaus verständlich, dass ein Kostenfaktor abgebaut wird. Wir sind aber das Parlament und wir haben die Verantwortung für den Rundfunkmarkt in dieser Stadt, sodass sich die Frage stellt, ob es angemessen ist, diesem einzelnen Anliegen nachzukommen. Ich sage nein. Die Radiosender haben in den letzten Jahren – das ist überhaupt nicht negativ gemeint – zweistellige Renditen gehabt. Sie haben sehr gut verdient, weil es in Hamburg seit Jahren einen geschlossenen Markt gibt. Sie haben aber keine Rücklagen gebildet für Zeiten wie diese, in denen die Medieneinnahmen zurückgehen. Schon beim ersten Rückgang der Einnahmen wird überlegt, wo man qualitativ und kostenmäßig sparen könnte. Das mag aus der Sicht mancher Sender legitim sein, er ist es aber nicht aus der Sicht verantwortlicher Abgeordneter dieses Parlaments.

(Vereinzelter Beifall bei der SPD)

Ich habe nicht von politischer Manipulation gesprochen. Ich habe gesagt, dieser Expertenrat wird alles andere als politikfern sein. Er wird komplett durch diese Bürgerschaft gewählt. Das ist ein Unterschied zu dem bisherigen Vorstand, in den zum Teil auch Institutionen und Organisationen dieser Stadt entsandt und vertreten waren. Das ist der einzige Punkt. Was immer dort an Einflussnahme geschieht, hat nichts – ich möchte nicht, dass mir dieses Wort noch einmal unterstellt wird – mit Manipulation zu tun, sondern es ist eindeutig von Ihnen gewollt. Das ist aus Ihrer Sicht vielleicht richtig. Aber ich habe gesagt, ich finde es insgesamt bedenklich, wenn Sie hier mehr Markt hineingeben und die Politik doch wieder diesen hohen Stellenwert bekommt, dass wir im Herbst den Expertenrat bestimmen und uns anmaßen, wir wären in der Lage, die Vielfalt in diesen Expertenrat zu bringen. Allein der Wahlmodus wird dafür sorgen, dass das nicht stattfindet. Das ist sehr bedauerlich.

Es schadet dem Medienstandort, es schadet auch dem Ruf Hamburgs. Ich habe bisher von keinem ernst zu nehmenden Medienexperten oder jemandem, der Ahnung von Medien in Deutschland hat, gehört, er würde dieses Hamburger Gesetz auch sofort übernehmen. Es gibt gute Gründe dafür, warum das keiner gesagt hat.

(Beifall bei der GAL und vereinzelt bei der SPD)

Das Wort hat der Abgeordnete Rusche.

Herr Dobritz, Sie haben vorhin die Verfassungsmäßigkeit des neuen Gesetzes infrage gestellt und dazu auszugsweise aus dem Urteil der sechsten Rundfunkentscheidung zitiert. Dabei haben Sie – sicher nur versehentlich – einen Absatz ausgelassen. Den darf ich hier einmal zitieren:

"Solange und soweit die Wahrnehmung der genannten Aufgaben durch den öffentlich-rechtlichen Rundfunk wirksam gesichert ist,"

das ist hier unzweifelhaft der Fall –

"erscheint es gerechtfertigt, an die Breite des Programmangebots und die Sicherung gleichgewichtiger Vielfalt im privaten Rundfunk nicht gleich hohe Anforderungen zu stellen wie im öffentlich-rechtlichen Rundfunk."

(Ingo Egloff SPD: Nicht gleich hohe!)

Mit dieser Klarstellung können wir die Diskussion darüber abschließen.

(Werner Dobritz SPD: Das hat Herr Becker Ihnen wieder erzählt!)

Ihre Schreierei hilft uns nicht weiter, versuchen Sie doch einmal, ein bisschen diszipliniert zu sein.