Protokoll der Sitzung vom 04.06.2003

Was die Einbindung von Studio Hamburg angeht, Herr Dobritz, so ist das eine grundlose Unterstellung, denn die technische Ausrüstung des bisherigen Offenen Kanals ist gut und soll schließlich auch nicht verschrottet werden. – Danke.

(Beifall bei der Partei Rechtsstaatlicher Offensive, der CDU und der FDP)

Das Wort hat der Abgeordnete Müller.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Um es gleich klarzustellen: Dieses Gesetz ist gewiss kein Modell für Deutschland und schon gar nicht für Hamburg. Nicht mal dort kann es irgendetwas Positives bewirken, sondern nur Negatives.

(Beifall bei der GAL und vereinzelt bei der SPD – Rolf Kruse CDU: Das glauben Sie doch selber nicht!)

Auch die Frühlingsgefühle der FDP haben bei den Leuten, die Ahnung vom Mediengeschäft haben, nur Schüttelfrost ausgelöst.

(Burkhardt Müller-Sönksen FDP: Da sind wir halt anders gepolt! – Lachen bei der CDU, der Partei Rechtsstaatlicher Offensive und der FDP)

Ich will Ihnen an ein paar Punkten kurz erläutern, warum.

Erstens: Dieser Entwurf, der so modern sein soll – Zitat der FDP –, ignoriert völlig das Zusammenwachsen von alten und neuen Medien. Nichts davon weist in die Zukunft, obwohl genau das die Sache ist, die den Medienstandort Hamburg in den nächsten Jahren bestimmen wird. Davon wissen Sie wahrscheinlich nicht sehr viel,

(Rolf Kruse CDU: Aber Sie!)

aber modern kann man das nicht nennen. Dann will die FDP – die SPD hat schon sehr gut vermutet, dass der

Wortführer hier sicherlich die FDP sei – mit Marktradikalismus den Programmauftrag regeln, weil in den letzten Jahren so viel Erfahrung gesammelt wurde. Der Rundfunkmarkt ist kein Markt im klassischen Sinne, denn das ist der Unterschied zum Pressemarkt, den Sie vorhin kurz angedeutet haben. Eine Zeitung kann jeder aufmachen, der Geld hat, einen Rundfunksender kann nicht jeder aufmachen, der Geld hat, weil er dazu eine Lizenz und eine Frequenz braucht.

(Burkhardt Müller-Sönksen FDP: Genau das ver- einfachen wir jetzt!)

Und Frequenzen sind ein rares Gut und das unterscheidet den Rundfunkmarkt vom Pressemarkt.

In dem Zusammenhang ist ganz klar und offensichtlich, dass die meisten Experten in der Anhörung, die davon wirklich Ahnung hatten, die sich mit Medienrecht und Verfassung auseinander gesetzt haben, gesagt haben, sie würden hier keine Verfassungsmäßigkeit mehr sehen. Das haben nicht wir in diesem Parlament zu entscheiden, das ist uns durchaus bewusst, aber wenn man in diesem Punkt provokant die Verfassung angeht und das ausgerechnet von dieser Koalition, dann ist das mehr als bedenklich.

Medienstandort war heute wieder ein Stichwort, auch bei Herrn Rusche. Dieses Gesetz trägt dazu bei, dass die jetzt noch vorhandenen Journalistenarbeitsplätze – es sind schon viele abgebaut worden – zukünftig ganz abgebaut werden.

(Dietrich Rusche CDU: Sie haben wirklich keine Ahnung!)

Das ist nicht gut für den Medienstandort und ich werde Ihnen auch sagen warum. Dieser Programmauftrag kann zukünftig nicht mehr kontrolliert werden. Es gibt keine Kriterien und wir brauchen uns nicht darüber zu streiten, Herr Müller-Sönksen, ob der Wortanteil ein geeignetes Instrument ist oder nicht, denn es liegt in der völligen Beliebigkeit der Sender, wie sie den Programmauftrag letztlich verstehen. Und was Sie letztlich unter Vielfalt verstehen,

(Burkhardt Müller-Sönksen FDP: Die Zuhörer!)

haben Sie im Gesetzentwurf deutlich gemacht. Sie beziehen in diese Vielfalt nämlich den Öffentlich-Rechtlichen mit ein und sagen, alles müsse irgendwie eine Vielfalt ergeben.

(Burkhardt Müller-Sönksen FDP: Alles ist Vielfalt!)

Die Experten haben ganz eindeutig gesagt, dass es so nicht ist. Die Vielfalt muss sich im privaten Bereich selbst produzieren. Was Sie gemacht haben, ist eindeutig: Im Privaten wird "gedudelt" und im Öffentlich-Rechtlichen können die Informationen laufen. Das ist das Ergebnis Ihres Gesetzentwurfs.

(Beifall bei der GAL und der SPD – Burkhardt Mül- ler-Sönksen FDP: Das ist völlig falsch!)

Jetzt kommen wir zum Thema Medienkonzentration, das hier noch nicht besonders erwähnt wurde; die Hamburgische Anstalt für neue Medien hat darauf hingewiesen. Sie haben in Ihrem Gesetzentwurf erstaunlicherweise die Lex Springer beibehalten. Bei näherem Studium kommt man allerdings zu dem Ergebnis, sie ist zwar drin, aber was heißt das. Das heißt nämlich, dass man in Zukunft gar

keine Gesellschafteranteile mehr braucht, um Einfluss auf die Inhalte der Sender zu nehmen.

(Burkhardt Müller-Sönksen FDP: Eben haben Sie noch gesagt, es gebe keine Information, und nun sprechen Sie von Informationsmanipulation!)

Ich werde Ihnen kurz sagen, wie das stattfinden soll. Sie haben in einem anderen Teil Ihres Gesetzentwurfs dafür gesorgt, dass die Programminhalte demnächst von Dritten zugeliefert werden können, und zwar von einem für alle; das ist alles möglich. Nun will ich hier nicht den Eindruck erwecken, als ob die GAL dagegen wäre, dass Teile des Programms durch dpa oder sonst jemand zugeliefert werden könnten. Darum geht es hier nicht, das findet jetzt schon statt. Demnächst ist es möglich, eine Radioagentur in dieser Stadt zu gründen, auch Springer könnte das tun, und damit sämtliche Sender mit Programm zu beliefern.

(Burkhardt Müller-Sönksen FDP: Das macht der NDR jetzt schon so!)

Das ist eine Aushebelung der Medienkonzentrationskontrolle, der Lex Springer, und das ist eine ganz gefährliche Entwicklung.

(Burkhardt Müller-Sönksen FDP: Nein, die Qualität steigt so!)

Ob Sie es geplant haben, kann ich nicht sagen, aber der Effekt ist da.

(Beifall bei der GAL und der SPD)

Das wäre so, als wenn demnächst die "Bild"-Zeitung, das "Hamburger Abendblatt" und die "Welt" aus einer Redaktion beliefert würden und das in einer Stadt, wo wir sowieso schon einen Überhang im Pressemarkt haben, der von Springer dominiert wird; das wird nicht bestritten. Insofern hätte ich mir da ein wenig mehr Sensibilität auch von dieser Seite gewünscht.

Es ist ja nicht nur so, dass nur Journalistenarbeitsplätze gefährdet sind, hier wird auch noch – die Media School wird von allen Fraktionen getragen, wenn Sie sich an die letzte Debatte erinnern – die Media School instrumentalisiert, um den Offenen Kanal letztlich abzuschaffen. Es ist nicht gelungen – auch das ist eben erwähnt worden –, eine Public-private-partnership zu gründen, sondern hier ist es gelungen, eine Public-private-partnership – Steuergelder und Rundfunkgebühren – zusammenzuführen.

Wenn Sie Finanzprobleme haben, weil wir momentan eine wirtschaftliche Situation bei den Medienunternehmen beobachten können, die eine Investition vielleicht nicht erlauben, dann kommen Sie in diese Bürgerschaft und sagen das, aber machen Sie es nicht von hinten herum über diesen Gesetzentwurf.

(Beifall bei der GAL und der SPD)

Was von einigen Mitgliedern der Regierungsfraktionen wirklich beabsichtigt war, hat Herr Freytag letzten Sommer in der "Bild"-Zeitung kundgetan. Ihm war der Offene Kanal schlicht zu schwul und dort waren zu viele Ausländer aktiv.

(Dr. Michael Freytag CDU: Das habe ich nicht ge- sagt!)

Sie können es gerne nachlesen. Es ist offen in der "Bild"-Zeitung nachzulesen,

(Dr. Michael Freytag CDU: Seit wann glauben Sie der "Bild"-Zeitung?)

dass Ihnen die Minderheiten da ein Gräuel sind und es deswegen für die Mehrheit ein anderes Angebot geben soll. Das sind Ihre Beweggründe für den Offenen Kanal gewesen. Und wie passt es dann dazu, dass zufälligerweise die Media School Geld braucht? Die eine Sache wird mit der anderen kompensiert.

Meine Damen und Herren! Sie haben offensichtlich immer noch nicht verstanden, dass diese Stadt mehr ist als das, was Sie unter Öffentlichkeit und Vielfalt verstehen. Dazu gehören viele Migrantengruppen in dieser Stadt, dazu gehören auch Lesben und Schwule und auch Menschen, die nicht Ihrer politischen Richtung angehören.

(Beifall bei der GAL und der SPD)

Aber die werden zukünftig im Offenen Kanal in diesem Maße wie bisher kein Gehör mehr finden.

Ich habe auch den Eindruck, dass Sie noch gar nicht verstanden haben, was Sie mit dieser Media School machen. Diese Media School wird sich demnächst mit 120 Nutzern auseinander setzen müssen, wer was wann wie sendet, eine sehr dankbare Aufgabe für eine MediaSchule, die eigentlich die Filmausbildung und die Medienausbildung von jungen Studenten organisieren soll; das war der ursprüngliche Sinn. Jetzt wird sie sich wochen- und monatelang mit den Nutzern auseinander setzen müssen, was wie wo wann gesendet wird. Das kann dieser Media School nicht nützen, es wird ihr schaden. Der ursprüngliche Auftrag geht damit verloren und das finden wir als Grüne nicht nur schade, sondern das ist wirklich nicht mehr akzeptabel, weil hier ein Projekt kaputtgemacht wird, das noch unter Rotgrün lange vorbereitet wurde und jetzt von Ihnen in den Sand gesetzt wird; das muss man leider sagen.

(Beifall bei der GAL und der SPD)

Dann zum Argument, die Media School würde Qualität in den Offenen Kanal bringen. Merkwürdig ist nur, dass bisher nur fünf Mitarbeiter bei diesem Bürgerfunk geplant sind; für den Offenen Kanal arbeiten bisher zwölf. Mir hat noch keiner erklärt, wie man mit weniger als der Hälfte der Mitarbeiter mehr Qualität schaffen will. Das haben Sie hier nicht gesagt und das werden Sie uns auch nicht erklären können.

(Richard Braak Partei Rechtsstaatlicher Offensive: Doch, das hat was mit den Schwulen zu tun!)

Ein Punkt wurde heute noch nicht angesprochen. Die Media School kann sogar freie Zeiten, die sie nicht für den Bürgerfunk verwendet, an Dritte verkaufen, zum Beispiel an einen Teleshop-Sender. Das liegt nicht ganz fern, denn der jetzige Leiter der Media School hat früher für HOT gearbeitet und weiß im Teleshopping-Geschäft sehr gut Bescheid. Diese Möglichkeit gefährdet andere Sender, zum Beispiel Hamburg 1, die momentan dringend auf drei bis sechs Stunden Teleshopping-Zeiten angewiesen sind. Das kann demnächst von der Media School miterledigt werden, dazu brauchen wir Hamburg 1 nicht mehr. Von Medienstandortstärkung kann man wirklich nicht reden, sondern das ist absolute Marktverzerrung, was Sie hier machen. Meine Damen und Herren, die Medienaufsichtsbehörde, die HAM, wird geschwächt. Sie hat ihre Regulierungsinstrumente völlig verloren. Das ist der eine Punkt.