Protokoll der Sitzung vom 26.06.2003

(Beifall bei Rose-Felicitas Pauly FDP)

Darüber brauchen wir, glaube ich, gar nicht zu streiten.

Ich weiß allerdings auch, dass ich noch vor ungefähr sechs Wochen von Herrn Schinnenburg dafür ausgelacht worden bin, dass wir diese Spielräume haben und sie nutzen werden. Da ist es denn schön, wenn man merkt, dass auch die Regierungsfraktionen darauf gekommen sind, ihren Senat dahin bringen zu müssen, dass er im Sinne Hamburgs handelt und verhandelt.

(Beifall bei der SPD)

Ich will aber noch etwas zu der Zusammenlegung sagen. Herr Mattner, Sie haben es eben schon gesagt. Die Hartz-Kommission hat es das erste Mal bundesweit auf die politische Bühne gebracht. Das haben davor weder die Sozialdemokraten noch haben es – Sie haben gesagt, seit den Achtzigerjahren – andere Regierungen in der Bundesrepublik geschafft. Ich denke, das ist ein Erfolg, den man der Hartz-Kommission zurechnen kann. Vielleicht bringt uns das dazu, dass wir auch über andere Projekte einen sehr viel breiteren Konsens erzielen können und wir sehen, dass die Ergebnisse der Kommission nicht so unsinnig sind, wie Sie das häufig in diesem Hause gesagt haben.

Wie gesagt, Entlastung der Haushalte ja, Bundesfinanzierung ja, Zusammenlegung ja. Das ist aber noch nicht alles. Wir brauchen eine sehr viel weitergehende Entlastung. Wenn man bei den Kommunalfinanzen nur darüber redet, dass man das über Arbeitslosen- und Sozialhilfe erreichen will, dann springt man zu kurz. Ich wünsche mir – und so steht es auch in unserem Antrag –, dass der Senat nicht nur an diesem Punkt im Sinne Hamburgs verhandelt, sondern insbesondere auch bei der Gewerbesteuerreform. Das bedeutet, dass wir eine Gewerbesteuerreform brauchen, die Hamburg nutzt und die nicht dazu führt, Unternehmen und Arbeitnehmer mit ihren Einkommensteuer- und Gewerbesteuerzahlungen aus der Stadt herauszutreiben.

(Beifall bei der SPD und bei Jens Kerstan GAL)

Ich glaube, man muss das verknüpfen, weil wir gemeinsam das Ziel haben, die Kommunalfinanzen und insbesondere den hamburgischen Haushalt auf eine vernünfti

ge Basis zu stellen. Das wird natürlich nicht einfach. Es ist völlig klar, dass auch wir als SPD-Opposition Hamburger Interessen vertreten. Wir wissen, dass die Bundesregierung, die auch einen schwierigen Haushalt zu konsolidieren hat, das nicht gerne und vor allen Dingen nicht ohne Streit und ohne Auseinandersetzungen machen will. Das heißt, wir wünschen dem Hamburger Senat konstruktive Verhandlungen, aber sehr viel Hartnäckigkeit. Ich glaube, das können wir auch gemeinsam erreichen. Jetzt ist aber der Konsens auch zu Ende.

Ich werde nach Lektüre des Antrags und auch nach dem, was Sie gesagt haben, den Eindruck nicht los, dass Sie sich nach der Zusammenlegung von Arbeitslosenhilfe und Sozialhilfe weiter aus der aktiven Politik für Arbeitslose und Langzeitarbeitslose in Hamburg verabschieden wollen.

(Dr. Andreas Mattner CDU: Aus der alten!)

Ich sage es zum wiederholten Male und ich hoffe, dass auch diese Botschaft endlich den Weg zu Ihnen findet: Wir haben in Hamburg gute Erfahrungen mit aktiver Arbeitsmarktpolitik gemacht. Gerade jetzt, wo unter dem neuen Senat jeden Monat die Arbeitslosenzahlen in Hamburg die desaströsen Folgen Ihrer Politik beziehungsweise des kompletten Mangels an aktiver Politik auf diesem Feld beweisen,

(Michael Fuchs CDU: Das ist ja unglaublich!)

werden wir einem Antrag nicht zustimmen, der die Verantwortung der Kommunen in diesem Bereich negiert.

(Beifall bei der SPD und bei Jens Kerstan GAL)

Natürlich steht der Bund in Verantwortung und diese Verantwortung für Langzeitarbeitslose hat er bislang auch im Leistungsrecht Arbeitslosenhilfe – völlig unstrittig – gehabt. Diese Verantwortung muss er auch weiter tragen. Aber Sie können sich aus diesem Politikfeld nicht zurückziehen. Das zeigt eigentlich nur, wie hilflos Sie im Bereich der Arbeitsmarktpolitik sind, wie wenig Phantasie, wie wenig Interesse Sie dafür aufbringen

(Rose-Felicitas Pauly FDP: Kennen Sie das Ham- burger Modell nicht?)

und wie wenig Sie bereit sind, sich für Menschen einzusetzen, die vielleicht nicht Ihre Wähler sind, aber für die Sie mit der Regierungsübernahme genauso Verantwortung übernommen haben wie für alle anderen Menschen, die in Hamburg leben und arbeiten. Diese Verantwortung endet ganz sicher nicht durch die Einführung des Arbeitslosengeldes II.

(Beifall bei der SPD und bei Jens Kerstan GAL)

Es muss auf Landesebene Angebote für erwerbsfähige Menschen geben, die lange aus dem Arbeitsprozess heraus sind und für die der allgemeine Arbeitsmarkt keine Chancen bietet. Natürlich bin ich über jeden Arbeitslosen froh, der im Ersten Arbeitsmarkt einen Job findet. Das ist doch völlig klar. Ich weiß, dass das die langfristigste und beste Möglichkeit für jeden Einzelnen ist. Herr Uldall, ich gönne Ihnen und vor allen Dingen den Menschen, die diese Verträge abgeschlossen haben, jedem Einzelnen, der im Hamburger Modell einen Job gefunden hat.

(Glocke)

Gestatten Sie eine Zwischenfrage?

Nein, im Moment nicht.

Ich freue mich darüber, auch wenn es bei einigen Sachen noch Arbeit gibt, zum Beispiel in der Frage der Qualifizierung der Menschen, zum Beispiel in der Frage der Dauer, wie lange sie denn wirklich verbleiben. Aber trotzdem freue ich mich, weil ich weiß, dass für jeden Einzelnen – und sei es auf Zeit – dort ein Platz gefunden ist. Das ist ein Schritt weiter und das hilft. Keine Frage. Aber Sie wissen auch, dass es ein Angebot ist, das nur für einen Teil der Menschen in dieser Stadt greift. Wir werden weiter eine große Anzahl von Personen haben, denen wir auf diese Weise nicht helfen. Deswegen brauchen wir – auch wenn Sie es nicht hören wollen – weiter den Zweiten Arbeitsmarkt. Auch wir haben gehofft, wir würden ohne das auskommen, aber es läuft nicht und Sie grenzen auf diese Weise nur viele Menschen aus, die es dort nicht schaffen.

(Beifall bei der SPD und bei Jens Kerstan GAL)

Es wäre Augenwischerei zu glauben, ohne das würde es funktionieren. Die Politik in den Kommunen weiß am besten, wie die Situation vor Ort ist und sie sollte auch in der Lage und Willens sein, diese Probleme anzufassen und dem müssen Sie auch in Hamburg gerecht werden. Das wird aus dem Antrag, den Sie vorgelegt haben, nicht deutlich, deswegen unser eigener. Nach Ihren Ausführungen steht zu befürchten, dass Sie sich aus der Verantwortung stehlen wollen, aber nicht mit uns. – Vielen Dank.

(Beifall bei der SPD und bei Jens Kerstan GAL)

Das Wort hat der Abgeordnete Rutter.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Unsere Bundesregierung plant zu sparen. Kaum aber ist ein vernünftiger Vorschlag auf dem Tisch, schon beginnt wieder das Gezerre um das Wie. Die Zusammenführung zwischen Sozialhilfe und Arbeitslosenhilfe ist zweifellos ein erster Schritt in die richtige Richtung. Ziel muss es immer sein, Wege aus der Arbeitslosigkeit und der Hilfsbedürftigkeit zu suchen und zu finden. Wenn es aber dazu führt, dass nur die finanzielle Belastung auf die Kommunen umverteilt wird, ist das typisch für die Bundesregierung.

Zwei Denkmodelle sind im Gespräch. Das eine sieht eine Übertragung der Bearbeitung und der Auszahlung von Arbeitslosenhilfe und Sozialhilfe durch die Bundesanstalt für Arbeit vor. Dieses Modell hat eine Reihe von Vorteilen. So ist dort bereits eine funktionierende und komplette, bundesweit vertretene Verwaltung vorhanden und die Arbeitsverweigerung kann unmittelbar bearbeitet werden.

Das andere Modell, das einer kommunalen Regelung, sieht vor, dass Arbeitslosengeld weiterhin durch die Bundesanstalt für Arbeit gezahlt wird und getrennt davon die Bearbeitung von Arbeitslosenhilfe und Sozialhilfe durch die Kommune erfolgt.

(Gesine Dräger SPD: Das will hier ja keiner!)

Damit läge die Verantwortung, Langzeitarbeitslose wieder in Beschäftigung zu bringen, bei der Kommune. Für solche Aufgaben stehen Ihnen aber weder die Organisation noch die Mittel zur Verfügung. Abgesehen davon, dass auf dem Wege keine Synergieeffekte zu erzielen wären, die eigentlich Sinn dieser Sache gewesen sind, denn die

A C

B D

Verwaltung und die Überwachung würden nicht vereinfacht.

Meine Damen und Herren! Noch ein Punkt zu den Arbeitsbeschaffungsmaßnahmen. Wann werden Sie endlich begreifen, dass das System nicht funktioniert.

(Beifall bei der Partei Rechtsstaatlicher Offensive, der CDU und der FDP)

Es ist etwas anderes, ob man eine Leistungsgesellschaft ist oder ob man Sozialismus hat. An Ihrem System sind schon ganze Staaten eingegangen und wir sind auch auf dem besten Wege dahin. Lernen Sie es doch endlich einmal.

(Beifall bei der Partei Rechtsstaatlicher Offensive, der CDU und der FDP – Erhard Pumm SPD: Wa- rum finanzieren Sie denn dann noch ABM? – Gesine Dräger SPD: Warum steigen denn in Hamburg die Arbeitslosenzahlen? – Petra Brinkmann SPD: Dann hätten Sie noch mehr Arbeitslose!)

Er sollte es schnellstens aufgeben, wenn es möglich ist.

Abgesehen davon, meine Damen und Herren, wenn die Leistungen aus der Arbeitslosenhilfe von den Kommunen kommen sollen, müssen wir Mehrbelastungen von rund 100 Millionen Euro erwarten.

(Glocke)

Gestatten Sie eine Zwischenfrage?

Ja, bitte schön.

Sind Sie auch meiner Meinung, dass es jetzt Arbeitslose gibt, die nicht unmittelbar in den Ersten Arbeitsmarkt vermittelbar sind und deswegen noch ein wenig Hilfe benötigen?

Das ist unzweifelhaft, aber wir sollten uns endlich einmal vernünftige Lösungen einfallen lassen und nicht ABM. Die Lösung ist nämlich unvernünftig.

(Beifall bei der Partei Rechtsstaatlicher Offensive, der CDU und der FDP)

Meine Damen und Herren! Es kommen auf die Kommune bei uns Forderungen von mehr als 100 Millionen Euro zu. Ich möchte wissen, woher wir die nehmen sollen, denn der Bund zahlt sie garantiert nicht. Bisher hat er jedenfalls nicht erkennen lassen, dass er dafür auch nur einen Euro ausgeben will. Wir müssen uns ganz energisch dafür einsetzen, dass diese Bundeslösung, so wie sie ursprünglich geplant war – Zusammenlegung –, alles zusammen aus einem Topf, nämlich Sozialhilfe und die gesamte Arbeitslosenhilfe, gezahlt wird, und dass es auf diesem Wege weiter geht und nicht, dass die Chefsache Kanzler auf dem Wege verwässert wird und letztlich nur die Statistik stimmt.

(Beifall bei der Partei Rechtsstaatlicher Offensive, der CDU und der FDP)

Das Wort hat der Abgeordnete Kerstan.