Protokoll der Sitzung vom 29.10.2003

Wer diese Debatte hier heute miterlebt hat und wer die schneidende Ignoranz einiger Beiträge in diesem Hause gehört hat,

(Burkhardt Müller-Sönksen FDP: Das fällt auf Sie zurück! Ein zweifelhafter Beitrag!)

der kann sich sicherlich vorstellen, was hinter den verschlossenen Türen des Eingabenausschusses teilweise an ignoranten und bösartigen Äußerungen fällt.

(Rolf Kruse CDU: Das ist eine Lüge!)

Deswegen ist das ein Ausschuss, dessen Arbeit mich psychisch oft mehr anstrengt als jede andere Veranstaltung, die ich in diesem Hause mache.

(Burkhardt Müller-Sönksen FDP: Und das wollten Sie hier mal gesagt haben! – Lachen bei Burkhardt Müller-Sönksen FDP)

Herr Müller-Sönksen, Ihr Lachen würde Ihnen vergehen, wenn Sie einmal zu Gast in diesem Ausschuss wären.

(Beifall bei der GAL und vereinzelt bei der SPD – Leif Schrader FDP: Er ist Mitglied!)

Meine Damen und Herren! Wir haben heute mehrfach gehört, wie der Versuch unternommen wurde, die deutsche Botschaft in Accra in ihrem Verhalten als Kronzeugen für die Härte des grünen Außenministers heranzuziehen, der sich moralisch völlig abwegig verhielte. So wird es hier dargestellt. Auf der anderen Seite habe ich als Mitglied des Eingabenausschusses erlebt, wie dort der Bericht der Beauftragten für Menschenrechte des Deutschen Bundestages, Frau Claudia Roth,

(Rolf Kruse CDU: Zufällig grün!)

diffamiert wurde als ein Richtungsbeitrag einer Grünen, dem man keinen Glauben schenken dürfe. Das passiert dort hinter verschlossenen Türen. Auf die Art und Weise wird dort umgegangen. Wenn man dann über Einzelschicksale redet und erfährt, dass sich dort eine Reihe von Abgeordneten nicht die Mühe macht, die Einzelschicksale wirklich zur Kenntnis zu nehmen, dann haben Sie hier als Gäste dieses Hauses einen ungefähren Eindruck davon, was dort passiert. – Ich danke Ihnen für die Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der GAL und vereinzelt bei der SPD)

Weitere Wortmeldungen zu diesem Thema sehe ich nicht.

Dann rufe ich nunmehr das zweite Thema auf:

Das rotgrüne Maut-Chaos und die Folgen für Hamburg

Das Wort wird gewünscht. Der Abgeordnete Reinert hat es.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Ich habe selten eine so überforderte Bundesregierung erlebt wie gerade bei diesem Thema.

(Beifall bei der CDU, der Partei Rechtsstaatlicher Offensive und der FDP)

Geplant war das Renommierprojekt des Jahrzehnts, herausgekommen ist der Flop des Jahrzehnts. Noch am

20. August erklärte die Bundesregierung – übrigens auf Anfrage der FDP –, die Lkw-Maut werde am 31. August 2003 eingeführt. Mittlerweile wissen wir, meine Damen und Herren, das mit dem 31. August war nichts. Es wurde dann gesagt, aber zum 2. November, da kommt sie und ab da wird kassiert. Wir wissen, ab 2. November ist auch nichts, im Dezember wird nichts, im Frühjahr ist hochgradig fraglich. Alle Experten sagen mittlerweile, der früheste realistische Termin wird der 1. Juli 2004 sein. Dieses bedeutet im Klartext, dass dem Bund bis dahin monatlich Einnahmen von 156 Millionen Euro entgehen werden. Diese 156 Millionen Euro monatlich bis zum Sommer nächsten Jahres, also 1,8 Milliarden Euro, sind bereits fest im Bundeshaushalt veranschlagt für Investitionen im Verkehrsbereich, zweckgebundenen, und das heißt, wenn es keine Einnahmen gibt, dann gibt es auch keine Investitionen. Darüber hinaus steht im Widerspruch zu den gemachten Zusagen in den Haushaltsplan-Entwürfen und in der Finanzplanung des Bundes, dass die allgemeinen Verkehrsinvestitionen in den nächsten Jahren abgesenkt werden sollen.

Hamburg ist von dieser Maßnahme und von diesem Maut-Chaos in zweifacher Weise betroffen. Zum einen im Bereich der Verkehrsinfrastruktur, zum anderen im Bereich des Verkehrsgewerbes. Mit dem Geld aus den Maut-Einnahmen soll die A 7 in Hamburg und über die Landesgrenze hinaus – da sind wir indirekt betroffen – bis Bordesholm ausgebaut werden. Diese Maßnahme, die aus verkehrspolitischer Sicht sehr wünschenswert wäre, die sehr dringend ist, wird sich durch dieses Maut-Chaos verzögern. Man muss wirklich der Bundesregierung zum Vorwurf machen, dass sie sich hier blauäugig – das ist die positive Interpretation, man könnte auch sagen, blind – auf das Betreiberkonsortium verlassen hat, statt den Stand der Vorbereitungen penibel zu kontrollieren. Jetzt stolpert man von einer Peinlichkeit in die nächste.

Eine weitere Peinlichkeit bei diesem Thema, die insbesondere das Fuhrgewerbe betrifft, ist nun im Zusammenhang mit diesen so genannten On-Board-Units festzustellen. Nach einer Umfrage unter den Hamburger Fuhrunternehmen Mitte September waren von den 1200 benötigten Geräten noch nicht einmal 450 eingebaut. Von den 450 eingebauten funktionierten 18 Prozent. Das heißt, die anderen machten Folgendes: Sie legten entweder die gesamte Lkw-Elektronik lahm oder sie warfen unterschiedliche Kilometerangaben für gleiche Strecken aus, und, was auch passierte, wenn bei einer Autobahnbaustelle der Verkehr über die Gegenfahrbahn geführt wurde, dann rechnete die On-Board-Unit die Maut wieder rückwärts und ermäßigte damit die Kosten.

(Burkhardt Müller-Sönksen FDP: Das sind ja Geis- terfahrer!)

Das heißt, wir haben hier wirklich ein idiotisches System, welches offenbar von einem Geisterfahrer entwickelt wurde

(Beifall bei der CDU, der Partei Rechtsstaatlicher Offensive und der FDP)

oder von einem Kollektiv von Geisterfahrern.

(Ingo Egloff SPD: Daimler-Benz!)

Meine Damen und Herren! 2004, im kommenden Jahr, wird sich die Wettbewerbssituation für unser hier in Hamburg ansässiges Speditionsgewerbe durch zunehmende

Konkurrenz weiter verschlechtern. Die Bundesregierung hat es versäumt, die zugesagte

(Glocke)

ich komme zum Schluss, Herr Präsident – Kompensation für das deutsche Fuhrgewerbe in Brüssel so rechtzeitig zu beantragen, dass auch tatsächlich die Kompensation gesichert ist. Sie ist es nicht und damit sind Arbeitsplätze gefährdet.

(Beifall bei der CDU, der Partei Rechtsstaatlicher Offensive und der FDP – Dr. Willfried Maier GAL: Es bleibt doch Zeit!)

Ich könnte jetzt der Abgeordneten Duden für zwei Minuten das Wort geben, aber Senator Mettbach hat sich gemeldet und danach hätten Sie fünf Minuten. Das Wort bekommt Senator Mettbach.

(Barbara Duden SPD: Das war taktisch sehr klug!)

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Frau Duden, ob das taktisch klug war, ist egal. Ich gönne Ihnen ja drei Minuten mehr. Insofern ist das kein Problem.

Meine Damen und Herren! Das Thema der Maut, eines der traurigsten Kapitel der Bundesregierung in Fragen von wichtiger Verkehrsinfrastruktur, dürfte mittlerweile jedem klar sein. Nun bin ich allerdings nicht so ganz sicher, ob man das unbedingt Herrn Stolpe in die Schuhe schieben kann oder ob nicht Herr Bodewig der Vater dieses Chaos gewesen ist.

(Uwe Grund SPD: Oder die Wirtschaft vielleicht!)

Aber das spielt im Endeffekt auch keine große Rolle, denn wir haben zunächst einmal festzustellen, dass wir jeden Monat über 150 Millionen Euro Einnahmeverlust haben, die wir dringend für die notwendige Verkehrsinfrastruktur in diesem Land brauchen.

Nun ist es natürlich zunächst einmal nicht selbstverständlich, dass sich Hamburg mit den Problemen des Bundes auseinander setzt, aber wenn man insgesamt einmal verfolgt, welche miesen Tricks in der Frage, was mit der Maut zusammenhängt, gelaufen sind, dann bekommt man zunächst erst einmal graue Haare.

Zunächst hat man sich entschlossen, die Maut einzuführen mit dem Ziel, diese Einnahmen komplett für zusätzliche Verkehrsinfrastruktur zu verwenden. Dann war mit einem Mal nur noch davon die Rede – und so ist es auch gesetzlich festgelegt –, dass der überwiegende Anteil aus den Einnahmen der Verkehrsinfrastruktur zugute kommt. Dieser überwiegende Anteil ist mittlerweile mit knapp 51 Prozent festgelegt. Bis dahin wäre das noch in Ordnung gewesen, wenn dann nicht der Trick von Herrn Eichel gekommen wäre, rechtzeitig den allgemeinen Verkehrshaushalt um die zu erwartenden Einnahmen aus der Maut zu reduzieren und damit letztlich zu einem Nullsummenspiel zu kommen.

(Wolf-Dieter Scheurell SPD: Darin habt Ihr ja Er- fahrung!)

Das alleine wäre schon schlimm genug, aber dadurch, dass jetzt die Einnahmen der Maut fehlen, wird genau um diesen Anteil der allgemeine Verkehrshaushalt des Bundes abgeschrumpft. Das heißt, letztendlich haben wir

A C

B D

heute weniger Einnahmen, als wir sie ohne Maut vordem gehabt haben.

Nun habe ich gehört, dass geplant ist, die Maut vielleicht im Februar oder März erheben zu können. Nach mir vorliegenden Informationen wird dies aber vermutlich erst im Juli 2004 geschehen. Warten wir es ab, ob zumindest dieser Termin zu halten ist.

Wäre mir hier in Hamburg eine ähnliche Panne passiert, wie dieses dem Bundesminister für Verkehr passiert ist, bin ich absolut sicher, dass die Opposition mich sofort zum Rücktritt aufgefordert hätte oder den Bürgermeister aufgefordert hätte, mich zu entlassen. Ich frage: Warum sind Sie nicht ehrlich und machen das bei Ihrem eigenen Bundesminister?

(Beifall bei der CDU, der Partei Rechtsstaatlicher Offensive und der FDP)

Die Antwort ist vermutlich ganz einfach: Wenn man Herrn Stolpe zum Rücktritt auffordern würde

(Burkhardt Müller-Sönksen FDP: Das wäre der Fünfte!)

und er würde es machen, dann hätte Herr Schröder ein kleines Jubiläum, es wäre in seiner Ära der fünfte Bundesverkehrsminister, den er dann ernennen lassen müsste.