Protokoll der Sitzung vom 13.11.2003

Die Einführung des Datenabgleichs zur Feststellung von Sozialhilfemissbrauch war hier von unserer Seite der erste Schritt. Es handelt sich dabei um eine alte Forderung der CDU, die in den vergangenen Legislaturperioden hier in diesem Haus von SPD und GAL aufgrund ihrer überholten Auffassung von den Aufgaben des Sozialstaates immer abgelehnt worden ist. Im Jahre 2002

konnten wir diese Forderung endlich umsetzen. Dieses ist ein Erfolg der bürgerlichen Regierungskoalition.

(Beifall bei der CDU, der Partei Rechtsstaatlicher Offensive und der FDP)

Ich habe das schon mehrfach betont, wiederhole es aber auch für Sie, sehr verehrter Kollege Scheurell, noch einmal. Es geht bei dem eingeführten Datenabgleich nicht um Schikane und nicht um einen Generalverdacht gegen Sozialhilfeempfänger. Aber, um die Empfänger herauszufiltern, die unberechtigt Sozialhilfeleistungen beziehen, ist eine Überprüfung notwendig, wie sich auch an den Ergebnissen gezeigt hat. Das Gleiche gilt auch für den in unserem Antrag geforderten Prüfdienst.

(Glocke)

Gestatten Sie eine Zwischenfrage des Kollegen Scheurell?

Nein, im Moment nicht.

Gerade in Zeiten knapper Kassen muss bei Verwendung von Steuergeldern penibel darauf geachtet werden, dass die eingesetzten Mittel effizient und ausschließlich für den vorgegebenen Zweck verwendet werden. Darüber ist der Staat seinen Bürgern Rechenschaft schuldig. Wie soll man mit dieser Rechenschaft umgehen, wenn man nicht im Einzelfall überprüft, ob die geforderten Ausgaben wirklich nötig sind. Beispiele aus der Kommune und aus den Städten, die einen solchen Prüfdienst bereits eingeführt haben, belegen, dass hier ein erhebliches Einsparpotential für den Sozialhaushalt vorliegt. Ich betrachte diese Einsparungen aber nicht als das primäre Ziel unseres gemeinsamen Antrages, sondern eher als einen positiven Nebeneffekt. Wenn durch die Einsätze des Prüfdienstes öffentliche Mittel gespart werden, können wir auch an anderer Stelle den wirklich Bedürftigen in unserer Stadt helfen. Das ist besser als alles andere. – Danke schön.

(Beifall bei der CDU, der Partei Rechtsstaatlicher Offensive und der FDP)

Frau Dr. Freudenberg.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Wegen der schlechten Wirtschaftslage steigen die Zahlen im Sozialhilfebereich ständig. Die Mitarbeiterinnen in den Sozialdienststellen vermehren sich leider nicht entsprechend und haben daher immer weniger Zeit für die Beratung jedes Einzelnen. Das Verhältnis von Sachbearbeiterinnen in den Grundsicherungs- und Sozialämtern zu der Gesamtzahl der Personen, die Sozialhilfe und/oder Leistungen nach dem Grundsicherungsgesetz beantragen und beziehen, beträgt derzeit circa 800 : 123 000.

(Gunnar Butenschön Partei Rechtsstaatlicher Of- fensive: Das war ja auch nicht anders zu erwar- ten!)

Das bedeutet umgerechnet: Auf jede Sachbearbeiterin beziehungsweise jeden Sachbearbeiter kommen derzeit 153 Personen.

Die Sozialhilfepraxis – und um die geht es ja hier bei dieser Debatte – ist im Bereich der einmaligen Hilfen zum Lebensunterhalt geprägt durch die Bearbeitung zahlloser

Einzelanträge. Dieses ist sowohl für die Sozialhilfebezieher mühsam als auch für den in der Verwaltung Tätigen mit hohem zeitlichen Aufwand verbunden.

Aus diesem Grund strebt Rotgrün bundesweit die Pauschalierung dieser Hilfen an. Diese Pauschalierung wird es mit der geplanten Zusammenlegung von Arbeitslosen- und Sozialhilfe wohl auch bald geben. Mit der Pauschalierung der Hilfegewährung werden zwei Fliegen mit einer Klappe geschlagen.

Einmal wird der Arbeitsaufwand stark reduziert und damit auch Missbrauch verhindert. Die Pauschalierung einmaliger Leistungen bietet also beiden Seiten Vorteile. Sie stärkt bei den betroffenen Bürgerinnen und Bürgern die Eigenverantwortung und die Selbstständigkeit und sie lässt sie auch nicht ständig mit dem Gefühl leben, dass sie nur lästige Bittsteller sind.

Auf der anderen Seite entlastet sie die Sozialamtsmitarbeiter/-innen von diesen umfänglichen Einzelfallprüfungen und sie führt auch zu Rückgängen von Widerspruchsverfahren. Sinkender Arbeitsaufwand in den Dienststellen – und das ist ganz wichtig – verbessert eben die Organisationsabläufe und ermöglicht erst die intensive Beratung, die wir doch alle für notwendig halten.

Wir alle fordern die intensive Beratung von Hilfeempfängern, denn wie sollen sonst die Mitarbeiter/-innen in den Dienststellen sie zum Ausstieg und zu Alternativen vom Sozialhilfebezug bringen? Die bessere Kenntnis jedes Einzelfalles ermöglicht den Sozialarbeiter/-innen dann die bessere Wahrnehmung dieser Leute und eben auch die Unterbindung möglichen Sozialhilfemissbrauchs. Bei aufkommendem Verdacht auf Betrug kann dann der jetzt schon existierende Prüfdienst in Marsch gesetzt werden.

Aus diesem Grund halten wir die Ausweitung bisher stattfindender Kontrollen durch die Installierung eines zusätzlichen Außendienstes für regelhafte Hausbesuche wirklich für unnötig und lehnen das ab.

(Vereinzelter Beifall bei der GAL)

In der Presse war zu lesen – leider haben Sie, Herr Schenk, und auch sonst niemand von der Regierungskoalition etwas dazu gesagt –, dass Sie für diesen Außendienst zusätzliche 50 neue Stellen fordern. Wir finden das interessant, dass hierzu nichts gesagt wird. Aber wir wüssten gern, was nun eigentlich Sache ist. Neue Stellen soll es ja angesichts der Haushaltslage eigentlich nicht mehr geben.

(Beifall bei Tanja Bestmann SPD)

Es wird unterstellt, dass Sozialhilfeempfänger bei der Beantragung einmaliger Leistungen zum Lebensunterhalt in großem Maße betrügen. Es wird auch unterstellt, dass die Kosten für die Bereitstellung eines zusätzlichen Dienstes eben diese Einsparungen voll kompensieren. Ich möchte jetzt einmal wissen, ob Sie auch in anderen Bereichen solche Prüfdienste einrichten und beantragen wollen. Ich bin nämlich der Meinung, dass ein solcher Außendienst bei der Steuerfahndung auch locker seine Kosten einspielen würde. Planen Sie zum Beispiel endlich unangemeldete Hausbesuche auch bei Menschen, die steuerlich ein häusliches Arbeitszimmer geltend machen wollen? Ich könnte mir vorstellen, dass dieser

(Vereinzelter Beifall bei der GAL)

Außendienst, wenn er unangemeldet kommt, ziemlich oft feststellen wird, dass in dem Arbeitszimmer ein Bett steht und dann ist es Betrug. Dann ist es schlicht und ergreifend ein Steuerbetrug.

(Beifall bei der GAL und der SPD)

Sie begründen Ihren Antrag jetzt auf Überprüfung der Sozialhilfeempfänger mit entsprechenden positiven Erfahrungen in Berlin. Ich habe mich erkundigt und auch die dortigen Zahlen überzeugen nicht besonders. Sie entsprechen etwa den Hamburger Zahlen, dass eben nur zwei Prozent der Antragsteller unehrliche Angaben machen. Aber ich gebe zu, in der Summe läppern sich da schon ganz schöne Beträge zusammen.

Erstaunt hat mich aber – und ich wüsste gern, wie Sie eigentlich dazu stehen –, dass in Berlin dieser Außendienst für die Sozialhilfemissbrauchsaufdeckung auf Initiative der PDS eingeführt wurde. Das finde ich hochinteressant. Ich frage mich, ob die PDS das vielleicht gemacht hat, weil sie in ständiger Sorge ist, wie sie die überflüssigen Stasimitarbeiter beschäftigt.

(Beifall bei der GAL und der SPD)

Das Wort hat Herr Dr. Schinnenburg.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Ob das gerade politisch so korrekt war, lassen wir mal an dieser Stelle dahingestellt sein.

(Beifall bei der FDP, der CDU und der Partei Rechtsstaatlicher Offensive)

Ich will nur einen Satz noch dazu sagen. Mitarbeiter der Hamburger Behörden sind aus meiner Sicht pauschal zunächst einmal von jedem Stasiverdacht befreit. Es sei denn, es wird etwas anderes nachgewiesen. Das sollten wir hier noch einmal feststellen.

(Jens Kerstan GAL: Das machen doch meistens Sie, Herr Schinnenburg!)

Ich wollte eigentlich nur sagen, ein solcher Bedarfsprüfdienst ist eigentlich eine Selbstverständlichkeit. Wer nämlich staatliche Leistungen in Anspruch nimmt, muss auch damit rechnen, dass seine Angaben überprüft werden. Das wäre im Prinzip schon meine ganze Rede gewesen.

(Vereinzelter Beifall bei der CDU)

Nun haben wir aber von Frau Bestmann noch einige Bemerkungen gehört, die so nicht ganz unkommentiert bleiben können.

Sie meinte ernsthaft, dass es ständig Nachträge im Sozialhilfe-Etat gäbe; da scheine ja die Behörde zu schlafen. Liebe Frau Bestmann, Frau Freudenberg hat die richtige Antwort schon längst gegeben. Das ist nicht der Grund. Die Hamburger Sozialbehörde unternimmt wirklich alles, was sie nur kann, um die Ausgaben zu begrenzen. Ihre Bundesregierung und Ihre Wirtschaftspolitik sind dafür verantwortlich, dass wir hier so viele Sozialhilfeempfänger haben, die aus der Hamburger Kasse bezahlt werden müssen. Das ist doch der Punkt.

(Vereinzelter Beifall bei der CDU)

Ein völlig untauglicher Versuch, eigene Versäumnisse diesem Senat in die Schuhe zu schieben.

(Michael Fuchs CDU: Sehr richtig, sehr richtig!)

Ebenso interessant war die Bemerkung, die zunächst einmal gar nicht falsch ist, dass hier ein ganz normales Verwaltungshandeln gefordert wäre. Das stimmt. Dann frage ich mich aber, warum das die von Ihnen geführte Sozialbehörde über Jahrzehnte nicht gemacht hat, wenn es schon ein ganz normales Verwaltungshandeln ist. Das ist wirklich nicht dieser Behörde vorzuwerfen, insbesondere deshalb nicht, weil Sie ja nun immer, wenn die Sozialsenatorin eine neue Idee hat, etwas Neues durchführt und durchgreift – Stichwort: „Kleiderpauschale“ – , sofort mit der Keule der sozialen Kälte kommen. Wenn sie nun nichts tun würde, wäre es auch falsch. Das müssen Sie sich schon überlegen.

Eine letzte Bemerkung: Ich glaube, die von Ihnen erbetene Überweisung an den Sozialausschuss benötigen wir nicht, gerade weil es sich um einfaches Verwaltungshandeln handelt. Das können wir, glaube ich, der Behörde überlassen. Eine Anregung, die hier erfolgt, reicht. – Vielen Dank.

(Vereinzelter Beifall bei der FDP, der CDU und der Partei Rechtsstaatlicher Offensive)

Das Wort wünscht erneut Frau Bestmann.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Vielleicht sollten einige Dinge, die von meinen Vorrednern genannt wurden, nicht so ganz unkommentiert im Raum stehen bleiben.

Es ist selbstverständlich so – vielleicht sitzen Sie hier einem Irrglauben auf, wobei ein Teil dieses Parlamentes es aufgrund der Abwesenheit in der letzten Legislaturperiode nicht wissen kann –, dass auch in der Vergangenheit kontrolliert wurde und dass dieses ein großes Thema im Sozialausschuss in der 16. Legislaturperiode war. Es gab große Anträge zu diesem Thema

(Wolf-Dieter Scheurell SPD: So ist das!)