Protokoll der Sitzung vom 25.02.2004

wo sich doch gerade dieser scheidende Senat als der besondere Anwalt der Verbrechensopfer im letzten Wahlkampf dargestellt hat. Ich habe aber den Verdacht, dass Sie, meine Damen und Herren von dieser Seite des Hauses, neidisch darauf waren, diese Idee nicht selbst gehabt zu haben, oder – vielleicht noch schlichter –, dass die Opposition nicht einen solchen Antrag stellen durfte. Natürlich haben Sie anders argumentiert. Das Argument, das wir gehört haben, war einmal das fehlende Geld. Das ist – mit Verlaub – das schlechteste Argument, das sie bringen konnten. Die erforderlichen Mittel belaufen sich auf circa 1 Million Euro. Diese nötigen Mittel sollen, ich sage es noch einmal, aus den Einnahmen der Abschöpfung von Gewinnen aus Straftaten kommen. Hier werden

zurzeit circa 1,9 Millionen Euro pro Jahr vereinnahmt. Diese Summe geht dann leider noch in voller Höhe in den Gesamthaushalt ein und wird eben nicht zielgerichtet für die Hilfe von Opfern von Straftaten eingesetzt. Mittelfristig soll sich die Stiftung dann durch private Spenden finanzieren. Die Stiftung soll in keinem Fall ein neuer Träger von Opferhilfe mit eigenen Hilfsangeboten sein. Sie soll sich also nicht in Konkurrenz zu den bereits tätigen Organisationen und Initiativen begeben. Diese Befürchtung klang, wie ich mich erinnere, bei der Anhörung der Experten im Rechts- und Sozialausschuss gelegentlich durch, sie ist aber unbegründet. Die Stiftung dient der Unterstützung und Förderung der jetzt aktiven Hilfseinrichtungen. Sie soll die Struktur der Opferhilfe in Hamburg stärken und mit ihren Mitteln für eine bessere finanzielle Unterstützung und Ausstattung der bereits bestehenden Opferhilfen sorgen. Sie soll sich nicht aus den bereits verplanten Mitteln für die Opferhilfe finanzieren, sondern es sollen für diese Stiftung neue Mittel zur Verfügung gestellt werden. Wir haben hierfür zunächst 1 Million Euro im Jahr 2004 vorgesehen. Dies bedeutet bei einem bisherigen Fördervolumen von 4 Millionen Euro pro Jahr, dass die Mittel für den Opferschutz und die Opferhilfe um 25 Prozent aufgestockt werden. Ich denke, Sie werden mir zustimmen, wenn ich sage, dass jeder Euro, der in diesem Bereich ausgegeben wird, eine sinnvolle Ausgabe ist und jeder Euro mehr für diesen Bereich zu begrüßen ist.

(Beifall bei der SPD und bei Dr. Dorothee Freu- denberg GAL)

Daher verwunderten mich auch die Stellungnahmen der CDU-Abgeordneten im Rechtsausschuss. Da wurde mitgeteilt, dass Rückfragen bei allen hamburgischen Trägern von Opferschutzmaßnahmen ergeben hätten, dass man sich einer solchen Stiftung nicht anschließen werde. Ich kenne solche Äußerungen vonseiten der Träger nicht. In der Anhörung vor dem Sozial- und Rechtsausschuss haben sich zwar einige Vertreter von Opferschutzorganisationen zurückhaltend, aber nicht ablehnend geäußert. Andere, zum Beispiel der Vertreter des Weißen Rings, das Rechtsmedizinische Institut und auch Herr Professor Pfeiffer aus Niedersachsen, haben das Vorhaben ausdrücklich begrüßt. Professor Pfeiffer nannte auch die Stiftung die ideale Rechtsform, um eine Partnerschaft zwischen Staat und Bürgern zu symbolisieren.

Im Rechtsausschuss, so steht es im Protokoll, beantragten die CDU-Abgeordneten wegen angeblicher ungeklärter rechtlicher und haushaltsrechtlicher Fragen eine Vertagung. Dazu sage ich: Ungeklärte Fragen, zumal wenn Juristen sie stellen, findet man immer, wenn man will. Aber dies hier ist ein politischer Antrag und für diesen gilt das Wort: Wo ein Wille ist, ist auch ein Weg.

(Beifall bei der SPD)

Aber die CDU-Abgeordneten fürchteten in Wahrheit, dass ihnen die Felle davonschwimmen. Und so war es dann auch. Meine Damen und Herren, es ist an der Zeit, endlich mehr für die Opfer von Straftaten zu tun. Ich bitte daher die Bürgerschaft, diesem Antrag zuzustimmen und diese Chance für die Opferhilfe nicht zu versäumen. Geben Sie sich einen Ruck, Sie tun ein gutes Werk.

(Beifall bei der SPD, Dr. Dorothee Freudenberg und bei Sabine Steffen, beide GAL)

Frau Spethmann.

Herr Präsident, meine Damen und Herren, Herr Klooß, was die SPD hier in den letzten Wochen bietet, ist ein peinliches Schauspiel.

(Beifall bei der CDU, der Partei Rechtsstaatlicher Offensive und der FDP – Christa Goetsch GAL: Das Ganze ist ein Schauspiel)

Die einzige Äußerung zum Thema Rechtspolitik der SPD ist dieses Thema der Gründung einer Opferstiftung. Aber ich muss eines sagen: Opferschutz ist kein Thema, das im Wahlkampf missbraucht werden darf. Genau dieses passiert hier zurzeit.

(Wolf-Dieter Scheurell SPD: Sie haben das so lange hinausgeschoben. Wer ist denn Vorsitzen- der im Ausschuss?)

Herr Scheurell, die Entscheidung wurde nicht hinausgeschoben. Ich habe regelmäßig mit Herrn Klooß gesprochen und regelmäßig haben wir dieses Thema nicht auf die Tagesordnung bekommen. Man kann nicht sagen, dass es verschoben wurde. Es war immer im Einvernehmen mit Herrn Klooß. In Ermangelung anderer Positionen in der Rechtspolitik profiliert sich die SPD mit dem Opferschutz. Und das ist der Opferschutz nicht wert, denn jeder Politiker, den Sie fragen, wird sagen, er unterstützt den Opferschutz. Es wird doch keiner ablehnen.

(Doris Mandel SPD: Dann tun Sie es doch!)

Der vorliegende Antrag ist aber in höchstem Maße unseriös. Herr Klooß sagt, es sei ein politischer Antrag. Dann klären Sie das einmal mit Ihren Haushältern ab, wie Sie 1 Million Euro so einfach – mir nichts, Dir nichts – schaffen wollen. Das kann es nicht sein. Das ist Wahlkampfgetöse.

(Dr. Andrea Hilgers SPD: Gewinnabschöpfung)

Das schönste Schmankerl kommt ja noch: Die SPD steckt hier zusammen mit Herrn Schill in einem Boot, denn nur mit seiner Hilfe konnte dieser Antrag im Ausschuss durchkommen. Eine unheilige Allianz.

(Doris Mandel SPD: Nein! – Barbara Duden SPD: Das ist peinlich! – Bodo Theodor Adolphi, Ronald- Schill-Fraktion: Das ist unerhört! – Dr. Andrea Hil- gers SPD: Das ist wirklich abstrus!)

Ich möchte Sie nicht wieder sehen. Eine Opferstiftung mag auf den ersten Blick interessant klingen, aber dieses Modell ist für ein Flächenland geeignet. Dort kann nicht in jedem Ort eine Opferhilfeeinrichtung vorgehalten werden, die schnelle Hilfe gewährleistet. In Hamburg hingegen haben wir eine Vielzahl von Opferhilfeeinrichtungen. Diese haben ausgesagt, dass die Struktur vollkommen ausreichend sei. Hinzu kommt auch noch, dass dieser Senat die Opferschutzpolitik des alten Senates fortgeführt hat. Die Zeugenbetreuung hat mit über 1000 Kontakten im Jahre 2003 die erfolgreiche Arbeit fortgesetzt. Im Opferschutz hat der Senat begonnene Projekte der Vorgängerregierung fortgeführt. So wurde darüber hinaus noch die Untersuchungsstelle in der Rechtsmedizin mit 147 000 Euro gefördert.

(Doris Mandel SPD: Das war gut!)

Im Bußgeldfond sind viele Zahlungen an die Vereine gelaufen. Ich erzähle hier zum Beispiel, dass der Verein

„Dunkelziffer e. V.“ im Jahr 2003 45 000 Euro erhielt. Der „Notruf für vergewaltigte Frauen“ erhielt 35 000 Euro,

(Petra Brinkmann SPD: Aber weniger als vorher!)

der „Weiße Ring“ erhielt 6000 Euro und die Opferhilfe erhielt 6000 Euro. Das alles im Jahr 2003. Sie können nicht davon ausgehen, dass diese Zahlen dafür sprechen, dass hier nichts für den Opferschutz getan wird.

(Petra Brinkmann und Doris Mandel, beide SPD: Aber weniger als vorher!)

Die Interventionsstelle ist gegründet worden. Etwas spät, das sage ich auch, aber sie ist gegründet worden. Im rechtspolitischen Bereich ist – initiiert durch den Hamburger Senat – eine Konferenz der Justizminister vom 11. bis 12. Juni 2003 in Glücksburg durchgeführt worden. Initiiert durch Hamburg sind neue Regelungen eingeführt worden, zum Beispiel sollen in Zukunft Zeugenschutzbestimmungen in der Ladung festgeschrieben werden. Das Anwesenheitsrecht für Nebenklageberechtigte in der Hauptverhandlung soll gewährleistet sein. Sie können hier nicht von einem Stillstand oder gar Rückschritt im Opferschutz reden, Opferschutz findet aktiv statt. Es gibt kein Defizit. Vielmehr wurde durch die SPD/Schill-Allianz eine weitere Verwaltungsebene hinzugezogen, die mehr Geld und mehr Aufwand bedeutet. Dies lehnen wir ab. Wir machen ein solches unseriöses

(Doris Mandel SPD: Die Pressekonferenzen waren auch Spitze, bloß passierte danach nichts! – Jenspeter Rosenfeldt SPD: Schämen Sie sich gar nicht?)

Wahlkampfgetöse nicht mit. Wir beteiligen uns nicht daran und werden deswegen diesen Antrag ablehnen. – Vielen Dank

(Beifall bei der CDU, der Partei Rechtsstaatlicher Offensive und der FDP)

Das Wort hat Herr Schaube.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Ihnen liegt der Antrag der SPD-Fraktion zur Gründung einer Stiftung „Hilfe für Opfer von Straftaten“ vor. Meine Fraktion wird diesen Antrag ablehnen. Eine Stiftung, wie die SPD sie einzurichten wünscht, ist schlichtweg unnötig

(Barbara Duden SPD: Was heißt hier „unnötig“?)

und abgesehen davon auch nicht bezahlbar. In Hamburg gibt es seit vielen Jahren eine Vielzahl von Einrichtungen in freier Trägerschaft, die erfolgreich Opfer von Straftaten betreuen und auch beraten. Viele Hamburgerinnen und Hamburger engagieren sich hier ehrenamtlich für eine gute Sache. Das ist gelebte Solidarität und Bürgersinn, meine Damen und Herren. Ich möchte hier einmal – ich hoffe, auch im Namen von Ihnen allen – allen haupt- und ehrenamtlich tätigen Helfern ausdrücklich danken, die sich für unverschuldet in Not geratene Menschen einsetzen. Diese Arbeit wollen wir fördern. Daher erhalten die privaten Träger von Opferschutzeinrichtungen zur Unterstützung und Stärkung ihrer guten und wichtigen Arbeit auch jährlich erhebliche Zuwendungen von der Stadt.

Die Partei Rechtsstaatlicher Offensive setzt sich dafür ein, dass diese Mittel auch weiterhin zur Verfügung gestellt werden. Die hervorragende und sehr erfolgreiche Arbeit der privaten Träger liegt gerade darin begründet,

dass sie grundsätzlich unabhängig voneinander agieren, sich aber in allen Bereichen, wo es nötig und sinnvoll ist, aus eigenem Antrieb selbst untereinander organisiert haben. Der Staat sollte die bestehenden Strukturen akzeptieren und den Trägern keine Steine in den Weg legen. Die Schaffung einer Stiftung in der geplanten Form ist eine reine staatlich bürokratische Überbaustruktur. Die ist nicht nur unnötig, sondern kontraproduktiv.

(Doris Mandel SPD: Was für ein Blödsinn!)

Sämtliche Opferschutzorganisationen lehnen aus diesen Gründen eine solche Stiftung auch ab und wollen sich hier eben nicht anschließen.

(Michael Neumann SPD: Das lehnen wir ab, das ist doch Quatsch!)

Wenn Sie diese Kritik schon nicht überzeugt, meine Damen und Herren von der SPD, so sollte Ihnen dieser Umstand doch zumindest zu denken geben. Man kann fast den Eindruck haben, dass Sie bürgerliches Engagement kritisch sehen und alles unter staatliche Kontrolle bringen wollen, Herr Neumann. Wollen Sie wirklich den privaten Trägern eine solche Stiftung aufzwingen, wenn sie diese gar nicht wünschen?

(Doris Mandel SPD: Wollen Sie den Kaufleuten am Jungfernstieg auch so eine Stiftung aufzwin- gen?)

Ist das Ihre Auffassung von Motivation und Förderung des Opferschutzes? „Zwangsbeglückung“ würde ich das nennen. Das wollen wir nicht. In dieser prekären Haushaltslage, wie wir sie momentan zu bewältigen haben, wäre das ohnehin verantwortungslos, eine derart hohe Summe an Steuergeldern für eine derartige Einrichtung aufzuwenden. Hätten Sie, meine Damen und Herren von der SPD, nicht 44 Jahre

(Beifall bei Michael Neumann SPD)

eine gravierende Misswirtschaft betrieben, hätten wir möglicherweise die Gelder, um ein derartiges Experiment zu starten.

(Beifall bei der CDU, der Partei Rechtsstaatlicher Offensive und der FDP)

Bei der Verschwendung von Steuergeldern oder an der Umverteilung der Gelder aus der Gewinnabschöpfung, die an anderer Stelle dringender gebraucht werden, werden wir auch nicht mitmachen.

(Doris Mandel SPD: Dringender als für die Opfer, pfui Teufel!)

Unser eigentliches Ziel – daran möchte ich Sie erinnern – muss es sein, Straftaten schon im Vorwege zu verhindern. Den Menschen in unserer Stadt ist am besten damit geholfen, wenn die Politik alles tut, die Wahrscheinlichkeit, dass Bürger Opfer von Straftaten werden, so gering wie möglich zu halten.

(Beifall bei der Partei Rechtsstaatlicher Offensive)