Protokoll der Sitzung vom 06.02.2002

endlich durchgeführte Flexibilität in allen Bereichen. Dazu gehören auch entsprechende Lohnabschlüsse, die nicht bei 6,5 Prozent liegen, sondern die allenfalls bei 2,5 Prozent oder darunter angesiedelt sein können, wenn man denn Arbeitsplätze schaffen will. Dies sollten auch die Gewerkschaften berücksichtigen und ihre sture Haltung hinsichtlich der Lohnabschlüsse überdenken, damit auch in Hamburg alle wieder Arbeit bekommen.

(Beifall bei der Partei Rechtsstaatlicher Offensive, der CDU und der FDP)

Meine Damen und Herren! Bevor ich der Abgeordneten Frau Pauly das Wort erteile, komme ich noch einmal zu Punkt 4 der Tagesordnung, zur Wahl eines stellvertretenden Mitglieds für die Kreditkommission.

Auf Vorschlag der SPD wurde Herr Pumm vorgeschlagen. Das Wahlergebnis liegt jetzt vor. Wir haben 108 abgegebene Stimmen. Davon waren 62 Ja-Stimmen, 39 NeinStimmen, sechs Enthaltungen und eine Stimme war ungültig.

Herr Pumm, nehmen Sie die Wahl an?

(Erhard Pumm SPD: Ich nehme die Wahl an!)

Herzlichen Glückwunsch auch vom Präsidium.

Dann können wir in der Debatte fortfahren. Frau Pauly hat das Wort.

Herr Präsident, meine Damen! Es ist schon ein Stück aus dem Tollhaus, zu behaupten, Beschäftigungsmaßnahmen trügen entscheidend zum Abbau der Arbeitslosigkeit bei, wie Sie das von der GALFraktion und auch von der SPD-Fraktion immer gerne propagieren und auch heute so dargestellt haben.

(Uwe Grund SPD: Natürlich ist das so! – Gunnar Butenschön Partei Rechtsstaatlicher Offensive: Was ist denn in den letzten Jahren gewesen?)

Beschäftigung im Ersten Arbeitsmarkt ist der Hauptträger der Beschäftigung in Deutschland und der einzige wirklich vernünftige Träger der Beschäftigung in Deutschland.

(Beifall bei der FDP, der CDU und der Partei Rechtsstaatlicher Offensive)

Diese Beschäftigungsentwicklung ist gekoppelt an die wirtschaftliche Entwicklung, an die Lohnpolitik und an die Flexibilität der arbeitsmarktpolitischen Rahmenbedingungen. Was die Wirtschaftslage anbetrifft, sind wir dank Berliner Politik inzwischen das europäische Schlusslicht. Da sind die Hoffnungen zu einer Trendwende nicht allzu groß.

Nach Jahren lohnpolitischer Vernunft sind die Gewerkschaften dieses Jahr wild entschlossen, einen großen Schluck aus der Pulle zu nehmen und damit Rationalisierung und Arbeitsplatzabbau weiter voranzutreiben. Hinsichtlich der Rahmenbedingungen für den Arbeitsmarkt kann ich nur sagen, die Bundesregierung hat das Korsett, in dem sich der deutsche Arbeitsmarkt befindet, noch enger geschnürt, als es bereits war. Ich nenne nur ein paar Stichworte: Verschärfung der Mitbestimmung, des Kündigungsschutzes; 630-DM-Job und geringfügige Nebentätigkeiten sind eingeschränkt worden. Stichwort: Scheinselbstständigkeit, Stichwort: Teilzeitanspruch.

Grüne Beschäftigungspolitik, wie sie der Geist dieser Großen Anfrage atmet, ist der Versuch des Herumdokterns an Symptomen mit untauglichen Mitteln.

(Beifall bei der FDP, der CDU und der Partei Rechtsstaatlicher Offensive)

ABM und alles, was sich drumherum inzwischen als so genannte Beschäftigungsförderungsmaßnahmen angesiedelt hat, werden immer weniger zum Qualifikationsnachweis für Arbeitslose und Arbeitsuchende als vielmehr zu deren Beschäftigungshemmnis.

(Beifall bei der FDP, der CDU und der Partei Rechtsstaatlicher Offensive)

Die Gefahr der Stigmatisierung wird inzwischen sogar von Insidern zugegeben. ABM und Co., die als Hilfe zum Wiedereinstieg in den Ersten Arbeitsmarkt entwickelt worden sind, gelten der GAL als – und das sagt sie in ihrer Großen Anfrage – existenzsichernde Arbeit, mit der man so schöne Dinge realisieren kann wie zum Beispiel Stadtteiltreffs. Schulen dürfen auch renoviert werden. Das Hamburger Handwerk wird sich vielmals bedanken.

Der Zweite Arbeitsmarkt – und das ist die Realität – hat sich inzwischen immer mehr verselbstständigt und von seinem Ursprungsziel, der Qualifizierung und vor allem der Integration in den Ersten Arbeitsmarkt, immer weiter entfernt. L’art pour l’art, das ist die Devise. Eine Erfolgskontrolle der geleisteten Vermittlung gibt es faktisch nicht und das gesetzlich vorgeschriebene Lohnabstandsgebot wird mit eigenen Tarifverträgen umgangen. Es ist also höchste Zeit, dass diese Beschäftigungsinstrumente auf den Prüfstand kommen, dass Ziel- und Leistungsvereinbarungen mit den Trägern geschlossen werden. Wir von der FDP können den Senat nur unterstützen in seinem Bestreben, staatlich geförderte Beschäftigung an neuen Anforderungen neu auszurichten.

Frau Dräger, es ist keineswegs so, dass das im Wirtschaftsausschuss anlässlich der Haushaltsberatungen nicht thematisiert worden wäre. Es ist im Wirtschaftsausschuss sehr lange – und dahin gehört das Thema auch – diskutiert worden. Als Mitglied des Haushaltsausschusses haben Sie auch das Protokoll bekommen und hätten nachlesen können, dass wir darüber gesprochen und diskutiert haben.

Ich nenne die vier Anforderungen, an denen sich künftige Beschäftigungspolitik des Zweiten Arbeitsmarkts auszurichten hat:

Erstens: Leistungsvereinbarungen über die Integration in Arbeit und Kontrolle der Ergebnisse. Die Kontrolle ist ein wichtiger Punkt. Sie hat hier nie funktioniert, weil sie in Hamburg auch nie gewollt war.

(Beifall bei der FDP – Vizepräsident Farid Müller übernimmt den Vorsitz.)

Zweitens: Verpflichtende Betriebspraktika der Beschäftigten, also Praktikum in einem Betrieb des Ersten Arbeitsmarkts. Auch das ist ein wichtiger Punkt und das ist auch neu. Haben Sie das gemacht? – Wunderbar.

Drittens: Profilingmaßnahmen für die Arbeitsuchenden mit verbindlichen Wiedereingliederungsplänen. Auch das ist ein wichtiger Punkt. Das hat es gegeben, ich weiß, aber das wird ohne Ausnahme in Zukunft die Basis für Beschäftigung bei ABM und Beschäftigungsträgern sein.

Viertens: Das Lohnabstandsgebot. Wenn wir in den staatlichen Beschäftigungsgesellschaften an die dort Beschäftigten höhere Löhne als auf dem freien Arbeitsmarkt zahlen, woher soll dann der Anreiz kommen, sich in den Ersten Arbeitsmarkt eingliedern zu lassen? Jeder würde doch völ

(Norbert Frühauf Partei Rechtsstaatlicher Offensive)

A C

B D

lig idiotisch handeln, in den Ersten Arbeitsmarkt einsteigen zu wollen.

(Beifall bei der FDP)

Wir müssen bei der öffentlich geförderten Beschäftigung wieder zum eigentlichen Zweck zurückkehren, nämlich zu der Eingliederung der Leute in das Wirtschaftsleben. Ob Eingliederungszuschüsse, die direkt an den Arbeitnehmer – Stichwort Mainzer Modell – oder an den Arbeitgeber – wie im Hamburger Modell vorgesehen – fließen, der Königsweg sind, wird die Zukunft erweisen und wird auch wesentlich davon abhängen, inwieweit es gelingen wird, Mitnahmeeffekte der Wirtschaft zu verhindern. Auch wenn diese Instrumente sehr gut funktionieren, sind sie doch nur ein Tropfen auf dem heißen Stein. Der Wirtschaftssenator hat gesagt, maximal 1000 neue Stellen können wir uns davon in Hamburg erhoffen. Das bedeutet, dass die Arbeitslosigkeit von 70 000 auf 69 000 zurückgeht.

Bei Kombilohn und Ähnlichem besteht immer die Gefahr, dass wir hier ein neues Subventionsfass ohne Boden aufmachen. Dessen müssen wir uns stetig bewusst sein. Wir müssen aufpassen, dass das nicht passiert.

(Uwe Grund SPD: Das ist so. Da haben Sie Recht!)

Zur Lösung unseres Beschäftigungsproblems sind diese Maßnahmen völlig untauglich.

(Uwe Grund SPD: Warum macht der Senat es denn?)

Er hat gesagt, es ist eine Mini-Maßnahme, um alles andere zu flankieren. Aber 1000 Arbeitsplätze sind nicht die Lösung des Beschäftigungsproblems. Das ist wohl klar.

Für eine stetige und nachhaltige Aufwärtsentwicklung in Deutschland brauchen wir die Reformen, über die wir in unserem Land schon seit 20 Jahren, aber leider auch ergebnislos diskutieren. Wir brauchen die Reform der Sozialsysteme und die Flexibilisierung des Arbeitsmarkts.

Zum Schluss möchte ich die Kollegen der GAL an die Aussagen von Herrn Pumm im Wirtschaftsausschuss erinnern, der von Verkrustungen im Zweiten Arbeitsmarkt sprach und von der Notwendigkeit, umzusteuern. Er fügte sogar hinzu, dass auch für einen SPD-Senat die Reduzierung von ABM eine zwangsläufige Folge des Job-Aqtiv-Gesetzes gewesen wäre.

Wir werden in den kommenden vier Jahren noch viele spannende Diskussionen über den richtigen Weg zur Bekämpfung der Arbeitslosigkeit haben, dessen bin ich gewiss.

(Uwe Grund SPD: Ich auch!)

Aber Ihr Antrag von der GAL wird dafür nicht die Grundlage sein, denn den werden wir heute ablehnen.

(Beifall bei der FDP, der CDU und der Partei Rechtsstaatlicher Offensive)

Herr Senator Uldall hat das Wort.

Herr Präsident, meine sehr geehrten Damen und Herren! Herr Kollege Frühauf hat eben beschrieben, welcher enorme volkswirtschaftliche Schaden durch die Arbeitslosigkeit entsteht. Ich möchte dieser Zahl, die Herr Frühauf genannt hat, eine weitere Zahl hinzufügen, nämlich die Ausgaben der Bundesanstalt für Arbeit für Arbeitsbeschaffungsmaßnahmen, Fortbildungs

maßnahmen und alles das, was so allgemein als aktive Arbeitsmarktpolitik bezeichnet wird. Ich will diesen Begriff aktive Arbeitsmarktpolitik ruhig einmal verwenden, obwohl er eigentlich falsch ist, denn die aktive Arbeitsmarktpolitik, Frau Pauly, wird von den Unternehmen gemacht und nicht irgendwo in den Behörden.

(Beifall bei der CDU, der Partei Rechtsstaatlicher Offensive und der FDP – Uwe Grund SPD: Das wussten wir auch schon vorher, Herr Uldall!)

Aber damit wir wissen, worüber wir reden: Hierfür sind pro Jahr 40 Milliarden DM, 20 Milliarden Euro ausgegeben worden; und dies über eine Dauer von zehn Jahren.

Wenn Sie noch weiter zurückgehen, sehen Sie, dass sich in den letzten drei Jahrzehnten die Arbeitslosenzahl kontinuierlich erhöht hat.

(Alexander Porschke GAL: Wer hat denn da eigentlich regiert?)