Es ist auch nicht der Fall, dass der Senat gemeinsam mit der Bundesregierung ohne jegliches Druckmittel dastehen würde. Es ist kein Geheimnis, dass gerade aktuell die Frage ansteht, ob Airbus für die Entwicklung des A380 finanzielle Garantien in nicht unerheblicher Höhe erhält. Ich kann Ihnen sagen, dass wir mit der Bundesebene in einem intensiven Kontakt stehen und dass dort sehr genau beobachtet wird, wie sich Airbus derzeit hier in Hamburg verhält.
Lösen Sie sich von dem Dogma, dass es um jeden Preis in der Welt eine Landebahnverlängerung geben muss. Das würde auch ökonomisch Sinn machen, denn eine Landebahnverlängerung zu den gigantischen Preisen, die der Senat derzeit den Obstbauern anbietet, würde auch den Haushalt in einer Art und Weise belasten, die eigentlich für den Steuerzahler nicht mehr zu rechtfertigen ist. 100 Millionen Euro soll das insgesamt eventuell kosten, 1 Million Euro pro Arbeitsplatz. Das sind die am höchsten subventionierten Arbeitsplätze, die es in Deutschland wahrscheinlich gibt.
Ich sage ganz klar: Mit 100 Millionen Euro kann man industriepolitisch vermutlich bessere Dinge tun, als ein paar Obstbauern zu Millionären zu machen, die eigentlich nichts weiter wollen, als Obstbauern bleiben.
Im Übrigen hat Herr Senator Uldall das bis vor kurzem ebenfalls so gesehen. Er hat vor kurzem noch gesagt: Nein, es wird keine erhöhten Angebote für den Kauf der Grundstücke geben. Das kann man dem Steuerzahler nicht zumuten. Recht hat der Senator Uldall. Nur hat er sich leider seinem Staatsrat gegenüber nicht durchsetzen können. Was jetzt gemacht wird, ist das genaue Gegenteil, Herr Uldall.
Die Debatte um die Landebahnverlängerung hat mittlerweile eine Eigendynamik gewonnen, in der es aus meiner Sicht nicht mehr so sehr um Argumente geht, sondern hauptsächlich um Prestige und Gesichtswahrung von
Politikern. Dabei muss es doch Hamburg um die Frage gehen, wie mit den vorhandenen Mitteln das Maximum an Arbeitsplätzen für Hamburg herausgeholt werden kann. Es darf Hamburg nicht allein um Prestige, um die Auslieferung oder darum gehen, wie die Herren von Beust und Uldall, Bonz oder Voscherau ihr Gesicht wahren können. Das Einzige, was uns dieser erforderliche Strategiewechsel wirklich kostet, ist, dass Sie, Herr von Beust, über Ihren eigenen Schatten springen. Dazu fordere ich Sie auf.
Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren! Im vergangenen Jahr sind jede Woche in Deutschland zusätzlich 1000 Menschen arbeitslos geworden. Das heißt, 1000 Familien verloren im vergangenen Jahr in jeder Woche ihre bisherige Grundlage für den Lebensunterhalt. Eine solche Entwicklung und diese Schicksale insgesamt können keinen, der in der Politik Verantwortung trägt, unberührt lassen.
In Hamburg haben wir das Glück, dass in der Luftfahrtindustrie kein Abbau von Arbeitsplätzen erfolgt, sondern dass sogar neue Arbeitsplätze entstehen. Das gilt vor allem für das Airbus-Werk, aber das gilt auch für die rund 300 kleinen und mittelständischen Dienstleistungs- und Zuliefererbetriebe. Über diese Entwicklung freuen wir uns und wir wollen daher alles daran setzen, damit dieses Wachstum der Arbeitsplätze auch in Zukunft so weitergeht.
Aber wir haben auch Verständnis für die Einwohner in Neuenfelde, die die gewachsenen Dorfstrukturen gefährdet und durch die Expansion des Flugzeugwerkes ihre Lebensqualität eingeengt sehen. Diese Sorge kann ich vollkommen nachvollziehen.
Wir haben daher zwischen den Beeinträchtigungen der Bürgerinnen und Bürger in Neuenfelde einerseits und der Notwendigkeit, neue Arbeitsplätze zu fördern andererseits abzuwägen. Es ist richtig, wenn gesagt wird, dass Airbus etwas von der Stadt will. Richtig, Airbus will investieren und braucht dafür Fläche. Aber richtig ist auch, dass wir, die Stadt Hamburg, auch etwas von Airbus wollen, nämlich Arbeitsplätze. Daher müssen wir uns zusammenraufen.
Ich bitte jeden, sich auch einmal in die Situation des Managements von Airbus in Toulouse zu versetzen. Die Erweiterung, die Planungen für den Ausbau oder neue Straßen, die dort gebaut wurden, sind bei Bürgern und bei Bürgermeistern in den Gemeinden auf ein ganz anderes Echo gestoßen, als das hier bei uns in Deutschland der Fall ist. Es ist dort viel leichter gewesen, die Infrastruktur für die Schaffung neuer Arbeitsplätze in Toulouse herzustellen. Wenn einer von Ihnen dort in der Verantwortung stehen würde, der würde natürlich nach Hamburg schauen und sagen: Warum sollen wir in Hamburg komplizierte Wege gehen, wenn wir es in Toulouse so viel einfacher haben. Das ist die Realität des Arbeits
In diesem nicht leichten Abwägungsprozess haben sich der Senat und die Mehrheit des Parlaments für die Arbeitsplätze entschieden. Aber wir haben auch entschieden, für die Einwohner und das Dorf insgesamt alles zu tun, um die Nachteile dieser Werkserweiterung für sie so klein wie möglich zu halten. Daher können wir sagen: Keiner der betroffenen Obstbauern wird in seiner betrieblichen Existenz gefährdet sein und ich füge hinzu, im Gegenteil. Wir haben außerdem eine Vielzahl von kleinen Forderungen, die immer wieder an uns herangetragen wurden, wie zum Beispiel wasserrechtliche Regulierungen, aufgenommen und werden sie erfüllen.
Eine besondere Sorge bedrückt die Menschen in Neuenfelde. Eine weitere Verlängerung der Start- und Landebahn, so meinen viele, könnte das Dorf völlig zerstören. Ich kann hier sagen und festhalten: Der Senat hat nie geplant und plant nicht, eine weitere Verlängerung der Start- und Landebahn über die jetzt anstehenden 589 Meter hinaus vorzunehmen. Um dieses zu verdeutlichen, hat der Senat gestern eine Beschlussfassung über die Existenzsicherung des Ortes Neuenfelde vorgelegt, die ich in ihrem Kern mit Genehmigung des Präsidenten hier vorlesen möchte. –
„Der Senat tritt für einen weiteren Ausbau über die heute bestehenden Planungen hinaus nicht ein. Handlungsgrundlage für den Senat ist, dass Neuenfelde in seinem Bestand gesichert bleibt und über die bestehenden Planungen hinaus keine weiteren Obstanbauflächen in Anspruch genommen werden sollen. Der Senat wird bei der Aufstellung von Bebauungsplänen darauf hinwirken, dass der Ort erhalten bleibt und sich weiterentwickeln kann. Leer stehende Häuser der Stadt in Neuenfelde sollen im Rahmen des rechtlich möglichen wieder vermietet werden. Mit der jetzigen geplanten Verlängerung der Start- und Landebahn erfüllt der Senat den begründeten Bedarf des Unternehmens. Die Stadt wird eine weitere Verlängerung der Start- und Landebahn nicht unterstützen.“
Das war die gestrige Beschlussfassung des Senats. In der vorliegenden Drucksache, die bereits an Sie verteilt worden ist, wird die Bürgerschaft aufgefordert, diesen Beschluss des Senats zu bestätigen. Ich freue mich, dass Airbus heute gleichermaßen eine Erklärung abgegeben hat, die auch von der Geschäftsführung auf der Mitarbeiterversammlung noch einmal vorgetragen wurde.
Wie ich bereits sagte, haben wir einen schwierigen Abwägungsprozess vorzunehmen. Aber ich bin sicher, dass keiner, der politische Verantwortung trägt, anders als jetzt der Senat entschieden hätte.
Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren! In einem demokratischen Rechtsstaat hat die Gesellschaft Verantwortung für jeden Einzelnen, aber jeder Einzelne hat auch Verantwortung für die Gesellschaft. Ich bitte die Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg, den Beschluss des Senats zu bestätigen.
Herr Präsident, meine Damen und Herren! Herr Maaß, ich möchte ein bisschen auf Ihre Ausführungen zurückkommen. Es geht hier um die Standortsicherung der Luftfahrtindustrie in Hamburg und im Prinzip um nichts anderes. Die Auftragsbücher von Airbus sind voll. Gerade hat Airbus wieder einen Großauftrag aus der Türkei erhalten und im vergangenen Jahr ist Airbus als europäischer Flugzeugbauer sprichwörtlich an der nordamerikanischen Konkurrenz Boeing vorbeigeflogen.
Erstmals in seiner Geschichte hat Airbus mehr Maschinen als Boeing in einem Jahr ausgeliefert. Das müssen wir hier unterstützen. Da bleibt uns gar nichts anderes übrig und dafür müssen wir die notwendigen Voraussetzungen schaffen.
Aufgrund dieser hervorragenden Auftragslage, bedingt durch die technologische Spitzenstellung von Airbus, wird sich in nächster Zeit auch an dieser Marktführerschaft nichts ändern. Von dem neuen Modell A380 sind bereits vor dem Erstflug 120 Maschinen verkauft worden. Das sind bereits halb so viele, wie für das Erreichen der Gewinnzone abgesetzt werden müssen. Die Folge dieses Booms sind die seit vier Jahren kontinuierlich steigenden Beschäftigungszahlen bei Airbus in Finkenwerder,
obwohl die Luftfahrtindustrie durch das Geschehen am 11. September 2001 schwer getroffen wurde. Airbus hat vom Juni 2000, seit dem Zeitpunkt der Standortentscheidung, bis 2004 die Zahl der Beschäftigten von gut 7500 auf gut 10 250 gesteigert. Das ist eine Steigerung von rund 38 Prozent. Davon sind 1700 Mitarbeiter für den Bereich des A380 tätig.
Bei Opel und Karstadt kämpfen die Beschäftigten in diesen Wochen gegen den Abbau von tausenden von Arbeitsplätzen. Und hier wird eine Zukunftsindustrie mit Füßen getreten.
Schon bald können von diesem Schicksal auch die Airbus-Beschäftigten betroffen sein, wenn es uns nicht gelingt, den Luftfahrtindustriestandort Hamburg zu sichern. Die Zahl der Auszubildenden bei Airbus hat sich sogar verdoppelt, von 288 in 2000 auf 565 in 2004. Das ist genau das, was wir brauchen und was wir wollen.
Das sind nur die Zahlen der Airbus-Produktionen in Finkenwerder. Hinzukommen noch die 8500 Beschäftigten der anderen norddeutschen Airbus-Werke und es kommen noch die 8000 Beschäftigten bei den rund 300 norddeutschen Luftfahrtzulieferer dazu.
Die Zulieferer sind mittelständische Firmen von 5 bis 500 Mitarbeitern aus allen Bereichen. Auch diese Firmen werden gezwungen sein, sich immer mehr nach den Standorten der Großindustrie zu richten, sodass auch einige dieser Firmen ihre Arbeitsplätze einschließlich der Unternehmen dann mit verlagern würden. Wir reden also
hier von insgesamt 27 000 Arbeitsplätzen, die gemeinsam mit ihren Angehörigen mit großer Spannung die Frage verfolgen, ob die verbliebenen Grundeigentümer in Neuenfelde ihre Grundstücke verkaufen und damit den Weg für den Ausbau freimachen.
Nur mit diesem Ausbau wird es eine langfristige Sicherung des Luftfahrtstandortes Hamburg geben und damit auch eine Sicherung dieser Arbeitsplätze. Bei tausenden von Airbus-Mitarbeitern steht die Existenzgrundlage auf dem Spiel, während bei der Handvoll Grundeigentümer, die noch den Verkauf verweigern, nicht einmal die eigene Existenz ihrer landwirtschaftlichen Betriebe auf dem Spiel steht,
denn die betroffenen Flächen machen nur einen geringen Teil der jeweiligen Hofflächen aus. Zudem würden die großzügigen Kaufpreisangebote der Stadt jedweden einen wirtschaftlichen Nachteil mehr als kompensieren, im Einzelfall bis zu 2,5 Millionen Euro. Hier wedelt doch wohl der Schwanz mit dem Hund.