Protokoll der Sitzung vom 27.10.2004

(Olaf Ohlsen CDU: Das wird auch langsam Zeit!)

Meine Damen und Herren! Dieser Senat sollte jetzt gemeinsam mit Neuenfelde und Airbus Zukunftsstrategien finden, die sowohl den Luftfahrtstandort als auch Neuenfelde sichern. Dazu ist noch Zeit und dazu fordere ich Sie auf. – Vielen Dank.

(Beifall bei der GAL)

Das Wort bekommt der Erste Bürgermeister.

Sehr geehrte Frau Präsidentin, meine sehr verehrten Damen und Herren! Unabhängig von der unterschiedlichen Bewertung und Analyse der Situation, die wir haben, sind wir uns bestimmt einig darin, dass wir in diesen Tagen oder Wochen ein hohes Maß an Verantwortung brauchen und an den Tag legen müssen, um dem Standort Hamburg in der Luftfahrtindustrie eine gute Zukunft mit mehr Arbeitsplätzen zu garantieren. Das wollen wir hoffentlich alle, meine Damen und Herren.

(Beifall bei der CDU und vereinzelt bei der SPD)

Ich möchte in diesem Zusammenhang ausdrücklich Ihnen, Herr Neumann, und der sozialdemokratischen Fraktion und auch vielen Kolleginnen und Kollegen von Ihnen danken, die in diesen Tagen zu ihrer alten Zusicherung gestanden haben, auf die Sie auch hingewiesen haben, in dieser wichtigen Frage – nebenbei gilt das dankenswerterweise auch für die Frage der Fahrrinnenanpassung der Elbe – für die industrielle und gewerbliche Zukunft von Arbeitsplätzen in Hamburg über Parteigrenzen hinweg für die Interessen Hamburgs einzustehen. Dafür danke ich Ihnen außerordentlich

(Beifall bei der CDU)

und werde das heute Abend auch gerne mit nach Neuenfelde nehmen.

(Beifall bei Karl-Heinz Warnholz CDU)

Was mir offen gestanden nicht einleuchtet, ist, wenn man von einer gemeinsamen Verantwortung spricht, dass bei allem Respekt die Kolleginnen und Kollegen der Grünen anscheinend vergessen haben, auch – vor zugegeben langer Zeit – in Hamburg mitregiert zu haben.

(Karl-Heinz Warnholz CDU: Hört, hört! – Christian Maaß GAL: Ach, jetzt kommt wieder diese Ge- schichte!)

Sie haben in diesen Zeiten mit den Sozialdemokraten – und ich sage ausdrücklich zu Recht – und mit unserer damaligen Unterstützung genau die Grundlagen für das gesetzt, was wir heute gemeinsam versuchen durchzusetzen. Sie waren daran beteiligt, Sie waren darin verantwortlich.

(Beifall bei der CDU und vereinzelt bei der GAL)

Statt stolz zu sein auf diese Verantwortung und statt zu sagen, jawohl, wir bekennen uns dazu, dass wir gemeinsam die Grundlage dafür gelegt haben, dass in den vergangenen vier Jahren mehr als 3000 neue Arbeitsplätze bei Airbus geschaffen worden sind, sehen wir auch diese Verantwortung und den Stolz als Grundlage dafür, dazu zu stehen und auch in Zukunft diese Position mitzutragen. Jetzt wollen Sie sich aus dieser Verantwortung stehlen und das finde ich nicht patriotisch, meine Damen und Herren.

(Beifall bei der CDU und bei Dr. Andreas Dressel SPD)

Ich möchte dies, weil das zur Geschichte gehört, auch näher begründen. Sie haben beide gesagt, verehrte Kollegen von der GAL, es ginge eigentlich gar nicht um die Frage der Startbahnverlängerung, sondern wie man die Gelder einsetzen könne, um Arbeitsplätze zu sichern. Ich darf aus einer Presseerklärung der Wirtschaftsbehörde vom 28. September 1999 zitieren, also als Sie freudig mitregierten, die abgestimmt war – das habe ich mir noch einmal bestätigen lassen –, auch abgestimmt war mit der Umweltbehörde und den Koalitionspartnern. In dieser Erklärung heißt es:

"Die Freie und Hansestadt Hamburg hat in Beantwortung des Airbusschreibens erklärt, im Rahmen und nach Maßgabe der dafür vorgesehenen rechtlichen Regelungen …"

(Beifall bei der GAL – Christian Maaß GAL: Genau da haben wir es!)

Entschuldigen Sie, Sie wollen doch gerade die rechtlichen Regelungen auch noch zurücknehmen.

"… nach Maßgabe der rechtlichen Regelungen alle Schritte zu unternehmen, um zum Zeitpunkt der Vollproduktion ab 2006 eine Start- und Landebahn zur Verfügung zu stellen, wie sie auch heute von Toulouse zur Verfügung gestellt wird."

Genau darum geht es und genau das haben Sie damals mitgetragen.

(Beifall bei der CDU und vereinzelt bei der SPD)

Ich verstehe nicht, warum Sie so zappelig werden, wenn ich sage, "in der Beachtung der dafür vorgesehenen rechtlichen Regelungen". Selbstverständlich handelt jeder Senat rechtmäßig und bemüht sich darum, rechtmäßig zu handeln. Das ist doch völlig klar, dass man sich als Regierung im Rahmen der Gesetze verhält. Das ist eine

A C

B D

Selbstverständlichkeit, meine Damen und Herren. Sie wollen sich aus der Verantwortung stehlen.

(Beifall bei der CDU und bei Dr. Andreas Dressel SPD)

Das ist nebenbei kein Einzelfall. Das gilt auch für die Hafenexistenz, der wichtigen Frage der Elbvertiefung. Auch da versuchen Sie auf Bundesebene, sich aus der Verantwortung zu stehlen.

Meine Damen und Herren! Ich kann nur leider konstatieren, dass aus der früher einmal vorhandenen ansatzweisen wirtschaftlichen Kompetenz der Grünen leider in Hamburg sehr wenig nachgeblieben ist. Aber das nur am Rande bemerkt.

(Beifall bei der CDU und bei Dr. Andreas Dressel SPD)

Worum geht es – und wir sind da in enger Abstimmung mit der Bundesregierung, auch wenn Sie das mehrfach bestritten haben –? Es geht darum, für Hamburg, für die Region, aber auch für Deutschland, ein industrielles Projekt voranzubringen, was Deutschland in einem der wenigen Felder, in dem Deutschland noch Industriearbeitsplätze auf- statt abbauen kann, uns die Chance zu geben, uns in diesem Referenzbereich deutscher Industrie europa-, ja weltweit zu profilieren. Das ist der Punkt, um den es geht, meine Damen und Herren.

Ein Punkt, der noch umso bedeutender ist, war, als wir in den letzten Jahren eine drastische Erosion der Arbeitsplätze hatten im Bereich Industrie und Gewerbe. Gucken Sie sich als Beispiel Opel an. Wenn wir uns zu Recht in Deutschland als Exportweltmeister bezeichnen, müssen wir auch sehen, dass 40 Prozent der Güter, die wir exportieren, schon gar nicht mehr von deutschen Firmen in Deutschland hergestellt werden, das heißt, die Wertschöpfung findet schon irgendwo anders statt.

(Farid Müller GAL: Das wissen wir doch!)

Wenn Sie das wissen, frage ich mich, warum Sie dieses Projekt nicht mit unterstützen, sondern indirekt verhindern wollen.

(Beifall bei der CDU und der SPD)

Es geht darum, in einem Bereich, wo aufgrund der vertraglichen Vereinbarungen die Industrie zumindest nicht in Billiglohnländer abwandern kann, dieses Referenzprojekt zu ermöglichen. Das war schon in der Vergangenheit erfolgreich. Herr Uldall hat die Arbeitsplätze genannt, die kleinen und mittleren Firmen genannt.

(Christian Maaß GAL: Er fährt das Projekt gerade gegen die Wand!)

Sie können auch nach Toulouse gucken, meine Damen und Herren, eine Stadt, die eine wirtschaftlich unglaublich hervorragende Entwicklung nimmt und auch im Bereich der Forschung und Wissenschaft eng zusammenhängend mit der Luftfahrt eine enorme Entwicklung nimmt. Toulouse hatte vor etwa acht Jahren noch 70 000 Studierende, jetzt rund 110 000 Studierende, weil die boomende Luftfahrtindustrie intelligente, gute, motivierte junge Leute in die Region holt. Auch das wollen wir für Hamburg erreichen, auch darum geht es bei der Entscheidung.

Und es gibt da ein Projekt, das für die Region wichtig ist, das nicht nur für Hamburg, sondern auch für NordNiedersachsen und Schleswig-Holstein wichtig ist. Dazu

brauchen wir diese von Ihnen zugesagte Verlängerung der Start- und Landebahn, um hier nicht auf einem absterbenden Ast – Herr Egloff hat das richtig ausgeführt – praktisch zum Austrocknen gebracht zu werden. Dabei geht es nicht nur um die 100 Arbeitsplätze für das Auslieferungszentrum, sondern natürlich wird ein Unternehmen dort investieren, wo es den gesicherten Eindruck hat, dass das modernste und beste Produkt auch eine vollständige Chance der Auslieferung an diesem Standort hat. Dort wird doch investiert. Darum dürfen wir uns nicht selber zugunsten von Toulouse das Wasser abgraben, sondern müssen gemeinsam mit den Bürgerinnen und Bürgern Neuenfeldes alles tun, um hier einen Konsens in dieser Entscheidung zu erreichen.

Herr Neumann, Sie haben gefragt, warum ich erst heute Abend dort hingehe. Ich kann Ihnen versichern und bin auch gerne bereit, Ihnen die Termine nachzuweisen, dass ich diverse Gespräche mit Bürgerinnen und Bürgern, auch organisierten Bürgern in Neuenfelde geführt habe, in Neuenfelde selber, auch hier im Hamburger Rathaus, wir aber aus gutem Grunde diese Gespräche nicht an die große Glocke gehängt haben, sondern in Ruhe, ohne eskalierende Publizität darüber geredet haben. Das ist, glaube ich, auch der richtige Weg.

Wenn ich da heute hingehe, tue ich das, um deutlich zu machen, dass wir zu dem stehen, was Herr Uldall als Senatsbeschluss dargestellt hat, nämlich dass es nicht darum geht, die Zukunft Neuenfeldes kaputtzumachen, sondern darum, wie es heute auf der Demonstration der Airbus-Belegschaft hieß, deutlich zu machen, Obstbau Neuenfelde und Flugzeugbau, alle drei Dinge gehören zusammen und sind wunderbar miteinander vereinbar.

(Beifall bei der CDU)

Wenn wir in diesem Zusammenhang zugesagt haben, neben der Rechtsverbindlichkeit, Klärung von Airbus, die Grunddienstbarkeiten einzutragen, was Sie uns nun vorgeworfen haben, so ist das eine Forderung des Anwaltes gewesen, der mehrere Eigentümer vertritt, der am letzten Donnerstag in der Sitzung, als darüber gesprochen wurde, das als Forderung der Neuenfelder genannt hat. Da haben wir gesagt, wunderbar, wir machen das, da wir die Bestandssicherung geben wollen. Und das ist nun auch wieder falsch? – Nein, wir sind dort weiterhin in guten Gesprächen und ich habe die große Hoffnung, dass es möglich ist, die wenigen Eigentümer, um die es noch geht, zu überzeugen, dass sie ihrem Ortsteil, ihrem Stadtteil und Hamburg und letztlich auch sich selber einen großen Gefallen tun, wenn es die Möglichkeit gibt, hier noch handelseinig zu werden und gleichzeitig die Garantien, die für Neuenfelde gegeben worden sind, auch so dingfest zu machen, dass nicht der Eindruck einer Salamitaktik vorherrscht. Ich will die nicht, wir wollen die nicht. Wenn dieser Eindruck entstanden ist, tut es mir Leid, es ist niemals unsere Absicht gewesen.

Erlauben Sie mir eine letzte Bemerkung, unabhängig von Neuenfelde. Man kann natürlich in einem solchen Verfahren, auch wenn es jetzt in die Schlussgerade geht, wobei es da keinen gesetzten Schlusspunkt gibt, aber es geht in die Schlussgerade, eines lernen – und das gilt für uns alle, denn mitverantwortlich sind wir bei diesem Projekt und auch bei anderen –, dass man zukünftig bei solchen Großprojekten vermutlich zu Beginn dieser Projekte sehen muss, über ein Moderationsverfahren zu erwirken, wie man die Betroffenen mehr ins Gespräch mit einbeziehen kann.

(Christa Goetsch GAL: Ein bisschen Spaß!)

Wir versuchen das gerade bei der Fahrrinnenanpassung der Elbe, wo es vom Senat und auch den dort betroffenen Gebietskörperschaften, aber auch Anliegern, einen Moderator gibt, auf den wir uns beide geeinigt haben, der hier versucht, Interessen auszugleichen und gemeinsame Interessen zu erarbeiten und voranzukommen. Ich gebe zu – man ist hinterher immer klüger –, ein solches Moderationsverfahren, zum richtigen Zeitpunkt – aber auch, mit Verlaub, Frau Goetsch, zu dem Zeitpunkt, als Sie schon mit beschlossen haben und das gilt für uns alle –, ist im Zweifel klüger als der sich eskalierende Konflikt, auch wenn wir es nicht wollen, in der Schlussphase. Es eskaliert auch durch Berichterstattung und so weiter. Ich denke, für weitere Großvorhaben sollte man das zumindest auch als wichtige und vielleicht auch bittere Lektion mit gelernt haben. Jetzt geht es in die Entscheidungsgerade. Ich bin überzeugt, dass die Bürgerinnen und Bürger in Neuenfelde, auch die Grundeigentümer, es sich bestimmt nicht einfach machen, sich ihrer Verantwortung bewusst sind und bei einer verantwortungsvollen Überprüfung ihrer Position sehen werden, dass sie viel tun können: Für sich selber, für Neuenfelde, für Hamburg, für die Region, aber auch für den Industriestandort Deutschland und das sollten wir gemeinsam wollen.

(Langanhaltender Beifall bei der CDU und der SPD)

Das Wort bekommt Frau Goetsch.

Frau Präsidentin, Herr Bürgermeister, meine Damen und Herren! Herr Bürgermeister, ich danke Ihnen für diese Vorlage. Es ist nämlich nicht so, Herr Reinert, dass wir uns von dem Projekt Airbus verabschieden.