Bevor ich Frau Brinkmann das Wort erteile, möchte ich mich noch für die Belehrung bedanken, ich hätte versäumt, etwas zu rügen. Ich habe die Worte von Frau Mandel nicht gerügt, ich habe im Übrigen auch Ihre Einlassung über die Qualität der Zwischenrufe von Frau Mandel nicht gerügt.
Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Frau Senatorin, Sie fragen nach dem aktuellen Anlass und sagen, es gäbe heute wichtigere Punkte als dieses Thema zu debattieren.
Sie haben zum 31. Oktober – das heißt, zum Wochenende – angeordnet, das Frauenhaus räumen zu lassen. Das Frauenhaus ist mit übermäßig vielen Kindern und vielen Frauen voll belegt. Keiner weiß, wohin diese Frauen gehen sollen. Da fragen Sie als verantwortliche Senatorin nach dem Wichtigkeitsgrad und dem aktuellen Anlass dieser Debatte!
Frau Senatorin, Sie ziehen Ihre Vergleiche, wie es Ihnen passt. In den Antworten auf die Kleinen Anfragen nehmen Sie immer nur Bezug auf Hamburg und sagen, nur die Hamburger Verhältnisse und die Versorgung in Hamburg seien für Sie maßgeblich. Wenn es dann passt, mit anderen Städten und mit anderen Bundesländern zu vergleichen, dann tun Sie das, wie Sie das hier auch getan haben. Aber dann lassen Sie doch nicht die Hälfte weg, wenn Sie zum Beispiel Hamburg mit Köln vergleichen. Richtig, in Köln gibt es zwei Frauenhäuser. Aber, Nordrhein-Westfalen hat 63 Frauenhäuser und es gibt eine enge Vernetzung zwischen Stadt und Land. Es ist überhaupt kein Problem, außerhalb von Köln untergebracht werden. Das ist eine andere Situation.
Außerdem gibt es in Nordrhein-Westfalen und auch in anderen Bundesländern, in Niedersachsen, Zufluchtswohnungen und Nachberatungsläden. Auch die Wohnraumsituation, haben wir gehört, ist eine ganz andere. Also, lassen Sie das mit den Vergleichen, wenn Sie nicht korrekt vergleichen.
Ich möchte aber auf einen weiteren Aspekt bei der Versorgung misshandelter Frauen und ihrer Kinder in Hamburg eingehen, der bisher noch gar nicht genannt wurde und erhebliche Konsequenzen sowohl menschlich als auch finanziell nach sich ziehen wird. Es soll in Hamburg nämlich nicht nur ein Frauenhaus geschlossen werden,
es sollen auch die Psychologinnenstellen gestrichen werden. Damit fällt die psychosoziale Betreuung weg. Die Senatorin verweist die Betroffenen auf das Regelangebot in dieser Stadt, auf die niedergelassenen Psychotherapeuten und die Beratungsstellen.
Durch die hohen Kürzungen in den letzten zwei Jahren bei den Frauenberatungsstellen mussten diese erhebliche Einschränkungen bei ihren Öffnungszeiten und bei ihren Beratungsangeboten vornehmen. Ein Termin ist also mit langen Wartezeiten verbunden. Für eine Beratung auf den niedergelassenen Psychotherapeutenbereich zu verweisen, ist entweder ahnungslos oder zynisch, Frau Senatorin.
Ahnungslos, weil es sich um einen anderen Aufgabenbereich handelt, und zynisch, weil die Senatorin wissen sollte – das geht eindeutig aus der Stellungnahme der Psychotherapeutenkammer hervor –, dass es sich in den Frauenhäusern um eine psychosoziale Begleitung und Betreuung von Frauen und Kindern handelt und im niedergelassenen Bereich um eine therapeutische Aufgabe. Das sind zwei unterschiedliche Dinge und das Regelsystem kann keine psychosoziale Betreuung oder Begleitung leisten. Frauen, denen im privaten Bereich schwere Gewalt angetan wurde, sind psychisch so belastet, dass zunächst ihre gesamte psychosoziale Situation stabilisiert werden muss. Das tut sie nur in einem Frauenhaus mit einer dort arbeitenden Frau zusammen.
Die aktuellen Lebensfragen müssen zunächst für sie und ihre Kinder geklärt werden, bevor sie sich einer eventuellen Therapie unterziehen wird. In dieser Situation soll die Frau von Praxis zu Praxis laufen, um sich um einen Therapieplatz zu kümmern, den sie vielleicht Monate später bekommt. Das ist zynisch, Frau Senatorin.
Angefangen bei der Imagekampagne des Senats für sich selbst, bis hin zum Bahn der U-Bahn, der U 4, spielt das Geld keine Rolle. Aber wenn es um die Hilfe für geschlagene Frauen geht, dann muss gespart werden, Frau Senatorin. Das ist ein Skandal in dieser Stadt.
Es ist auch eindeutig nachgewiesen, dass Kinder, die nur Zeugen bei Gewalttaten ihrer nächsten Angehörigen sind, akute und posttraumatische Belastungsstörungen haben. Sie können nicht nur unter Depressionen, Schulversagen und Schlaflosigkeit leiden, sie werden auch sehr aggressiv.
Frau Senatorin, Sie haben bei der Anhörung alle diese Argumente gehört, nehmen Sie sie auf und verteidigen Sie die Notwendigkeit der Psychologinnenstellen gegenüber dem Finanzsenator. Darum bitten wir Sie inständig.
Der Tenor dieser Debatte gefällt mir insofern nicht, als dass Sie uns von vornherein vorverurteilend unterstellen, wir würden diese Maßnahmen aus ideologischen oder sonstigen Gründen unternehmen.
Sie kennen alle die Haushaltslage, sie ist keinem verborgen. Sie wissen, dass im Sozialbereich Sparmaßnahmen notwendig sind.
Frau Mandel, tun Sie mir einen Gefallen und kommen Sie, wenn Sie etwas sagen wollen, anschließend hier her.
(Dr. Verena Lappe GAL: Sie haben alles abge- lehnt! – Petra Brinkmann SPD: Sie haben alles abgewürgt!)
Sie belegen jedes Thema sofort negativ emotional. Das haben wir mit Ihrer Demonstration gemerkt. Sie wollen gar nicht diskutieren, Sie wollen nur plakativ etwas vertreten.
Der Zweck der Frauenhäuser, das wissen wir alle, ist die kurzfristige Unterbringung. Wenn da eine gewisse Fluktuation stattfindet, dann ist es durchaus sinnvoll, wenn man das einmal auflistet und feststellt, ob es sich hier um einzelne Personen handelt, die nacheinander auftreten, oder um immer wiederkehrende Fälle. Hier geht es um die Anonymisierung, die Sie nicht mehr weiter wollen. Wir haben im Ausschuss gehört, wie man in kodierten Verfahren dennoch einen Aufschluss darüber bekommen kann, ob hier immer wieder dieselben Frauen kommen.
Wenn es eine solche Gewaltexplosion gegeben hat, muss man sich auch Gedanken über die Ursachen machen. Wir können nicht immer mehr Lazarette bauen und extern versuchen, die Frauen zu stabilisieren, damit sie in ihren Partnerschaften nachher wieder scheitern.
(Doris Mandel SPD: Und da machen Sie die Frau- enhäuser zu! – Dr. Verena Lappe GAL: Dann ma- chen Sie doch ein Konzept!)
Es ist notwendig, dass es Frauenhäuser gibt, aber sehr viel notwendiger ist es, dass man mit den Tätern arbeitet. Wir haben uns in der Gesellschaft an einen bestimmten Sockelsatz gewöhnt …