Protokoll der Sitzung vom 10.11.2004

Vor diesem Hintergrund müssen wir uns die Frage stellen, was Opferschutz ist. Ist Opferschutz für Sie nur dann erfolgreich, wenn die Kosten weit über dem Bundesdurchschnitt liegen?

(Doris Mandel SPD: Was hat das denn mit dem Durchschnitt zu tun?)

Dann müsste es in vielen anderen Bundesländern unhaltbare Zustände geben. Ist Ihnen dieses bekannt?

(Doris Mandel SPD: Sie sind doch für Hamburg verantwortlich!)

Hamburg gibt im Jahre 2005 für den Opferschutz rund 3,8 Millionen Euro aus. Von den finanzierten Maßnahmen kommen viele direkt und indirekt auch Frauen zugute. Opferschutzeinrichtungen wie Allerleirauh, Zornrot, Zündfunke, Dolle Deerns und den Notruf für vergewaltigte Frauen und Mädchen fördern wir weiterhin mit nahezu unveränderten Mitteln, ebenso die Koordinierungsstelle gegen Frauenhandel, KOOFRA.

(Beifall bei der CDU)

Die Polizei ist in Hamburg im Umgang mit Opfern sehr viel besser sensibilisiert, als es noch vor einigen Jahren der Fall war.

Vor diesem Hintergrund und in Anbetracht des Netzwerks an Opferschutzeinrichtungen, die wir in Hamburg haben, sehe ich insbesondere den Schutz von Frauen vor Gewalt sehr gut gewährleistet. Misshandelten Frauen und Kindern bieten wir in Hamburg weiterhin jede erdenkliche Hilfe.

(Beifall bei der CDU)

Ihrem Antrag, in Bezug auf die Frauenhausplätze den Status quo zu erhalten, können wir daher nicht zustimmen.

(Beifall bei der CDU)

Abschließend möchte ich noch eine Anmerkung machen, die mir persönlich in diesem Zusammenhang wichtig erscheint. Opferschutz ist nicht nur ein Thema der Polizei und es geht uns auch nicht nur um die Ausstattung von Institutionen. Opferschutz gebietet auch, dass wir im Alltagsleben achtsam sind und die Polizei rufen, wenn wir meinen, in der Nachbarschaftswohnung werde eine Frau oder ein Kind misshandelt, dass wir als Pädagogen achtsam sind, wenn ein Kind verängstigt in die Schule kommt. Der Kampf gegen Gewalt geht uns alle an und wir müssen gemeinsam prüfen, in welchen Bereichen wir Opfer oder potenzielle Opfer noch besser schützen können. – Vielen Dank.

(Beifall bei der CDU)

Das Wort bekommt Frau Dr. Lappe.

Vielen Dank, Frau Präsidentin, liebe Kolleginnen und Kollegen! Frau Meyer-Kainer, ich kann es langsam nicht mehr hören,

(Beifall bei der GAL)

dass Sie in Hamburg jede erdenkliche Hilfe für Frauen zur Verfügung stellen wollen, es aber erwiesenermaßen nicht tun. Aber darauf komme ich am Schluss noch etwas detaillierter, genauer zurück.

(Inge Ehlers CDU: Das wäre gut!)

Sie beziehen sich auf die Netzwerke in NordrheinWestfalen. Es ist natürlich schön, wenn es in NRW durch tolle Netzwerke, die wir in Hamburg sehr wohl verbessern müssen, dazu kommt, dass die durchschnittliche Aufenthaltsdauer von neun Monaten erheblich reduziert werden kann. Wir wissen aber, dass die durchschnittliche Verweildauer in Hamburg unter zwei Monaten liegt. Insofern kann das für uns keinesfalls als Vergleich herangezogen werden. Das zeigt vielmehr, wie einseitig Sie die Ergebnisse der Anhörung interpretieren.

(Beifall bei der GAL und der SPD – Gerhard Lein SPD: Genau!)

Mit diesem Vorwurf sollten Sie wirklich vorsichtig sein, weil er natürlich sofort auf Sie zurückfällt.

Das Thema Opferschutz und Gewaltschutz hat seit dem Regierungswechsel 2001 öfter Schlagzeilen gemacht. Der Grund ist aber nicht, dass sich die Regierung durch vorbildliche Arbeit mit Ruhm bekleckert hat. Sie hat lediglich vollmundige Ankündigungen gemacht und lässt ihnen nur insofern Taten folgen, als dass Mittel rigoros entzogen werden. Das gravierendste Beispiel ist vielleicht schon ein bisschen in Vergessenheit geraten. Vor zwei

Jahren wurde beschlossen, dass man die Mittel aus der Gewinnabschöpfung – Gelder, die sich Straftäter quasi durch ihr strafbares Handeln "erworben" haben – einzieht. Das ist zu begrüßen, insbesondere wenn das Geld den Opfern zufließt. Aber davon haben Sie sich auch verabschiedet. Man kommt moralisch in eine etwas makabre Situation: Die Opfer werden zunächst Opfer von Straftätern, die Täter vermehren dadurch ihr Geld und jetzt reißt sich der Staat auch noch dieses Geld untern Nagel. Das ist aus meiner Sicht moralisch verwerflich. Für den Hamburger Haushalt mag das fiskalisch gut sein – das ist ja die Grundlage Ihrer meisten Entscheidungen –, aber man muss ein bisschen gucken, was man auf der symbolischen Ebene damit macht. Da fehle es Ihnen eindeutig an Fingerspitzengefühl.

(Beifall bei der GAL und der SPD)

Der nächste Höhepunkt ist natürlich die Frauenhausgeschichte. Aber kommen wir zuerst zur Beantwortung der Großen Anfrage der SPD, aus der deutlich wird, dass der Senat sich eigentlich nur auf den Errungenschaften des Vorgängersenats ausruht. Alle Beispiele, die Sie eben genannt haben, sind nicht in Ihrer Zuständigkeit eingerichtet worden, sondern von Vorgängersenaten, die die Verantwortung dafür übernommen haben. Sie sind dabei, daran herumzusägen und die Hilfsangebote sowohl von der Qualität als auch von der Quantität her zu verringern. Das können wir nicht mitmachen und es zeigt, wie wenig Sie bei diesem Thema inhaltliche Alternativen anzubieten haben.

(Beifall bei der GAL und vereinzelt bei der SPD)

Ein Thema, für das Sie sich immer sehr eingesetzt haben und von dem ich auch immer wieder gesagt habe, ich bedaure es, dass wir das nicht vorher hinbekommen haben, ist die Unterstützung der Hamburger Initiative gegen Aggressivität und Gewalt aus Mitteln der Gewinnabschöpfung. Daraus gibt es keine Unterstützung mehr und was mit dieser Initiative weiter passiert, die wirklich eine Lücke im Beratungs- und Hilfsangebot für Opfer von Gewaltstraftaten geschlossen hat, ist auch unklar. Es gibt dazu lediglich die Äußerung, dass die Initiative ein bisschen Geld aus dem Bußgeldfonds bekommen hat, was keinesfalls einer Alternative zu einem Haushaltstitel oder zu einer grundsätzlichen Förderung durch die öffentliche Hand entspricht.

Nur unter massivem Druck entscheiden Sie sich, überhaupt irgendetwas zu machen. Sagen Sie jetzt nicht, Sie hätten aber die Interventionsstelle eingerichtet. Der Druck war viel zu groß, es gab gesetzliche Vorgaben. Sie haben eine Low-Budget-Interventionsstelle eingerichtet und das auch noch zulasten von Mitteln für das Frauenhaus, abgesehen davon, dass Sie die Chance, Täterarbeit zu machen, hier komplett verpasst haben.

(Beifall bei der GAL und der SPD)

Der Senat schafft also nichts Neues, es denn, dass ihm bundesgesetzliche Veränderungen keine Wahl lassen. Wenn er etwas macht, sieht man, wie das bei der Interventionsstelle aussieht. Mit eigenen Initiativen, die über gesetzliche Vorgaben hinausgehen, befasst sich der Senat nicht einmal, wie aus der Großen Anfrage zu entnehmen ist. In Hamburg gibt es nach wie vor keinen Landesaktionsplan zur Bekämpfung häuslicher Gewalt. Die vom Senat in Aussicht gestellten Konzepte und auch die Erstellung von Informationsmaterial – darauf hat Frau Boeddinghaus schon hingewiesen – verzögerten sich

jahrelang, wie wir inzwischen wissen. Es ist offen, ob überhaupt jemals irgendetwas passiert. Auch hier gibt es wieder nur vollmundige Ankündigungen, mehr Schein als Sein. Das ist, wie wir inzwischen wissen, der Stil dieses Senats und nicht nur bei diesem Thema.

(Beifall bei der GAL und vereinzelt bei der SPD)

Es bedarf weiterer Anstrengungen und deshalb begrüße ich auch sehr die Initiativen der SPD mit ihren beiden Anträgen. Ich komme zunächst zum Stalking-Antrag.

Stalking ist nicht zuletzt durch das Gewaltschutzgesetz – auch das hat Frau Boeddinghaus ausführlich dargestellt -, in das es mit eingeschlossen ist, immer mehr ins Bewusstsein der Öffentlichkeit gekommen. Das ist gut. Ich will nicht ausschließen, dass es noch gewisse Defizite gibt. Nach meiner Ansicht gibt es insbesondere Vollzugsdefizite. Das heißt, es muss noch viel mehr von den zivilrechtlichen Möglichkeiten des Gewaltschutzgesetzes Gebrauch gemacht werden. Wie das gehen kann, haben Sie vielleicht am vergangenen Montag in der "Morgenpost" gelesen. Es gab ein schönes Beispiel, wie das mit guter Beratung auf der Basis des Gewaltschutzgesetzes – das heißt, auf zivilrechtlicher Basis –, am Schluss auch mit einer strafrechtlichen Entscheidung funktionieren kann, um Stalking zu bekämpfen. Meiner Ansicht nach muss man nicht noch den Straftatbestand "Stalking" schaffen, sondern man muss die vorhandenen Möglichkeiten ausschöpfen, weil das allerwichtigste Ziel bei allen Initiativen sein muss, die Belästigung für das Opfer zu beenden. Sie können sich vielleicht vorstellen, wie lange es dauert, wenn erst einmal ein Strafrechtsverfahren in Gang gesetzt wird.

(Unruhe im Hause – Glocke)

Frau Dr. Lappe, ich würde Ihnen gern mehr Gehör verschaffen. Das Gemurmel ist nicht mehr zu überhören. Deshalb bitte ich, die Gespräche draußen zu führen.

Das Ziel muss sein, die Belästigung für das Opfer zu beenden. Stellen Sie sich vor, dass ein Strafrechtsprozess eingeleitet wird. Wenn es nach Herrn Koch in Hessen ginge, würde der Strafrechtstatbestand vorrangig vor der zivilrechtlichen Frage sein. Dann kommt ein Strafrechtprozess in Gang, der dauert und dauert, und möglicherweise endet er dann damit, wenn es sich beispielsweise um das Schicken einer Vielzahl von SMS oder Ähnliches handelt, dass die Strafe zur Bewährung ausgesetzt wird. Das ist für das Opfer kaum zufriedenstellend. Wir müssen sehen, dass wir so schnell wie möglich Sanktionsmittel in der Hand haben. Das bietet die zivilrechtliche Regelung nach dem Gewaltschutzgesetz und wenn dagegen verstoßen wird, greift eine strafrechtliche Maßnahme, die auch durch das Gewaltschutzgesetz in Gang gesetzt wird.

Deshalb werden wir sowohl dem Antrag der CDU als auch dem der SPD in der Frage der strafrechtlichen Veränderung nicht zustimmen. Wir sind aber sehr wohl dafür, dass das Hilfs- und Beratungsangebote für Stalking-Opfer in Hamburg verbessert wird. Insofern werden wir beiden Anträgen in diesen Punkten zustimmen. Allerdings ist "Prüfen" im Antrag der CDU unter Punkt 3 ein bisschen wenig. Aber vielleicht kommt ja etwas dabei heraus, das wäre zu hoffen.

(Wolfhard Ploog CDU: Bestimmt!)

Noch viel lieber hätte ich es gehabt, wenn wir dieses Thema, das wichtig und interessant ist, im Ausschuss behandelt hätten, um dort ein ausführliches Meinungsbild erstellen zu können. Dann könnten wir als Parlament entscheiden und müssten es nicht dem Senat zu überlassen. Da sollten wir mitsprechen. Ich kann nur noch einmal an die Regierungsfraktionen appellieren, dem Überweisungsbegehren doch zuzustimmen.

(Beifall bei der GAL und der SPD)

Nun zum Antrag 18/1890, der das Thema Frauenhaus behandelt. Seit gestern weiß ich und wissen Sie vielleicht auch, dass sich der kleine Hoffnungsschimmer nicht erfüllt hat. In Wahrheit habe ich nicht wirklich geglaubt, dass das Verwaltungsgericht eine einstweilige Anordnung erteilen würde. Das Frauenhaus hat diesen Prozess in dieser Stufe verloren. Es muss sich also an dem orientieren, was der Senat vorgibt. Ich gehe davon aus, dass das geschehen wird. Das Gericht hat gesagt, es sei eine politische Entscheidung. Genauso ist es. Ich habe auch immer wieder gesagt, es ist keine fachliche und sachliche, sondern eine politische Entscheidung des Senats, auf dieses Haus zu verzichten. Die Prioritäten wurden gewechselt, man will diesen Schutz nicht in der optimalen Form, sondern auf einem Low-level-Angebot gewähren. Man geht davon aus, dass sich die Frauen ein bisschen schneller entscheiden, besser nicht so oft zurückgehen. Dadurch würden die Frauenhäuser, aber vor allen Dingen das Staatssäckel, nicht so belastet werden, denn dafür will man kein Geld ausgeben. Wir kritisieren diese politische Entscheidung, denn wir halten sie für komplett falsch. Deshalb stehen wir mit der SPD an der Seite der Frauen, die Hilfe brauchen.

(Beifall bei der GAL und der SPD)

Es sind jetzt 44 Frauen und Kinder in dem Haus, die Hilfe brauchen. Die Hilfe sieht folgendermaßen aus, um das drastisch zu dokumentieren: Die Amtsleitung der Behörde für Soziales und Familie hat an die Frauenhäuser einen Brief geschickt, in dem steht, dass sich die Frauen wegen einer Wohnung an einen Sachbearbeiter der SAGA wenden könnten. Es hat sich die Möglichkeit ergeben, dass die SAGA und andere Wohnungsunternehmen prioritär an Frauenhaus-Frauen vermitteln. Dieser Sachbearbeiter ist aber leider im Urlaub. Das heißt, vor dem 21. November gibt es gar keine Möglichkeit, irgendeine Veränderung herbeizuführen und Wohnungen für diese Frauen zu finden, selbst wenn man sich Mühe gibt. Finden Sie es nicht zynisch, dass ein Brief an das Frauenhaus geschickt wird mit der Mitteilung, ab dem 21. November gäbe es vielleicht einen Sachbearbeiter, der diese Dinge regeln könnte?

(Nebahat Güçlü GAL: Überraschen tut mich das nicht!)

Überraschen tut mich das nicht, das genau der Stil, in dem vonseiten des Senats die letzte Zeit verhandelt und gearbeitet wurde. Das kann man nicht gutheißen, das muss man kritisieren. Es ist unglaublich und ein Skandal, wie der Senat hier Hamburgs Frauen im Regen stehen lässt.

(Beifall bei der GAL und der SPD)

Das Wort bekommt Senator Dr. Kusch.

A C