Protokoll der Sitzung vom 10.11.2004

Meine Damen und Herren! Herr Abgeordneter, ich bitte auch Sie, zum parlamentarischen Sprachgebrauch zurückzukommen, und Sie von der CDU-Fraktion bitte ich um etwas mehr Zurückhaltung.

(Christian Maaß GAL: Ja! – Christa Goetsch GAL: Was hat er denn gesagt? Das ist unglaublich, das gibt richtig Stress!)

Meine Damen und Herren! Rotgrün in Berlin wird auch weiterhin alles dafür tun, damit dieses Auslieferungszentrum, zu dessen Bau Airbus sich rechtsverbindlich verpflichtet hat, auch wirklich in Hamburg gebaut wird. Wir wissen allerdings nicht, ob es gelingen wird, dieses stümperhafte und fehlerhafte Vorgehen des Senats auszugleichen. Das wird leider erst die Zukunft erweisen können. – Vielen Dank.

(Beifall bei der GAL)

Weitere Wortmeldungen sehe ich nicht. Dann kommen wir zur Abstimmung.

Wer möchte dem Dringlichen Senatsantrag zustimmen? – Gegenprobe. – Enthaltungen? – Das ist mit großer Mehrheit angenommen.

Ich rufe die Punkte 15, 42 und 46 auf

(Unmutsäußerungen bei Christa Goetsch GAL – Glocke)

Frau Goetsch, ich rufe Sie zur Ordnung –,

Drucksachen 18/864, 18/1090, 18/1094 und 18/1186, Große Anfrage der SPD-Fraktion: Opferschutz ernst nehmen – Bekommt Hilfe, wer Hilfe benötigt? sowie Anträge der SPD- und CDU-Fraktion: Misshandelten Frauen und Kindern eine Zuflucht bieten – kein Abbau von Frauenhausplätzen in Hamburg und Stalking-Opfer besser schützen.

[Große Anfrage der Fraktion der SPD: Opferschutz ernst nehmen – Bekommt Hilfe, wer Hilfe benötigt? – Drucksache 18/864 –]

[Antrag der Fraktion der SPD: Misshandelten Frauen und Kindern eine Zuflucht bieten – kein Abbau von Frauenhausplätzen in Hamburg – Drucksache 18/1090 –]

[Antrag der Fraktion der SPD: Stalking-Opfer besser schützen – Drucksache 18/1094 –]

[Antrag der Fraktion der CDU: Initiativen zum Schutz von Stalking-Opfern – Drucksache 18/1186 –]

Die Drucksache 18/864 möchte die SPD-Fraktion federführend an den Rechtsausschuss und mitberatend an den Sozialausschuss sowie den Innenausschuss überweisen.

Zur Drucksache 18/1094 liegt Ihnen als Drucksache 18/1186 ein Antrag der CDU-Fraktion vor. Diese beiden Drucksachen möchte die GAL-Fraktion federführend an den Innenausschuss und mitberatend an den Rechtsausschuss überweisen.

Wer wünscht das Wort? – Frau Boeddinghaus.

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Opfer einer Gewalt- oder Straftat zu werden, ist sicher eine der schlimmsten Erfahrungen, die ein Mensch in seinem Leben machen kann.

(Unruhe im Hause – Antje Möller GAL: Können Sie, Frau Präsidentin, mal für Ruhe sorgen!)

Neben einem rechtsstaatlich fairen Umgang mit dem Täter muss aber auch dem Opfer angemessen, konsequent und umfassend geholfen werden.

(Beifall bei der SPD und vereinzelt bei der GAL)

Dazu gehören klare gesetzliche Regelungen, Beratungs- und Unterstützungsstellen in ausreichender Zahl und finanzielle Mittel zur Opferentschädigung. Schutz und Unterstützung hat der Erste Bürgermeister Anfang dieses Jahres noch ausdrücklich den Opfern von Verbrechen zugesichert und versprochen, die Zuwendungen im Opferbereich nicht zu kürzen.

Leider sieht die Realität in Hamburg aber für die Opfer ganz anders aus. Anstatt die Vermögenswerte von Straftätern, die nach deren Verurteilung dem Staat zufließen, den Opfern zugute kommen zu lassen, werden damit die Haushaltslöcher gestopft. Schutzräume, gerade für hilfesuchende Frauen, werden in ihren Mitteln drastisch beschnitten. Der Senat macht so die betroffenen Menschen ein zweites Mal zu Opfern, nämlich zu Leidtragenden seiner kalt- und halbherzigen Opferschutzpolitik.

(Beifall bei der SPD und vereinzelt bei der GAL)

Wo bleibt im Übrigen die längst angemahnte zentrale Ansprech- und Koordinierungsstelle für Opfer? Seit zwei Jahren prüft der Senat diesen Antrag. Dass die Zeit drängt, zeigt auch der einstimmige Beschluss der Bürgerschaft vom 27. Oktober 2004 zu folgendem Ersuchen des Eingabenausschusses:

"Der Senat wird ersucht sicherzustellen, Opfer von Gewaltdelikten bereits zum Zeitpunkt der Aufnahme der Straftat durch die Polizei über ihre Rechte und Möglichkeiten umfassend zu informieren."

Beim Vorwurf an die SPD, sie hätte sich nicht ausreichend um die Opfer gekümmert, nimmt die CDU den Mund immer gewaltig voll. Aber wenn der von ihr gestellte Senat in unseren Anfragen seine Strategie zum Opferschutz darlegen soll, steht da ziemlich kleinlaut: Der Senat hat sich nicht befasst, der Senat prüft noch.

(Beifall bei der SPD)

So auch bei einem ganz sensiblen Bereich des Opferschutzes, beim Stalking. Wir haben mit Erstaunen zur Kenntnis genommen, dass sich die Landesregierung bisher nicht einmal mit den Ausmaßen dieses Problems auseinander gesetzt hat, geschweige denn Strategien entwickelt hat, wie es bewältigt werden könnte, zumal im Bundesrat dieses Thema bald auf der Tagesordnung steht. Eine aktuelle Studie zu Stalking zeigt nämlich, dass Stalking auch in Deutschland ein erhebliches und ernstzunehmendes Problem darstellt. Stalking umfasst ein

belästigendes und unerwünschtes Verhalten wie zum Beispiel permanente Telefonanrufe, Nachstellungen, unbefugtes Lesen von Briefen, Einschleichen in familiäre Strukturen, ständiges Beobachten, Verfolgen, Drohungen bis hin zu Mord.

Daneben gibt es auch das Cyberstalking, beispielsweise das unbefugte Lesen von E-Mails, das Verschicken von E-Mail-Bomben oder das Verunglimpfen einer Person in von ihr aufgesuchten Chat-Räumen. Das Stalking-Verhalten ist für das Opfer grundsätzlich bedrohlich und angstauslösend. Häufig sieht das Opfer keinen anderen Ausweg als den Arbeitsplatz oder sogar den Wohnort zu wechseln, was leider oft erfolglos bleibt.

(Erste Vizepräsidentin Barbara Duden übernimmt den Vorsitz.)

Mit dem Gewaltschutzgesetz von Rotgrün, 2002 eingeführt, wird zwar dem Tatbestand Stalking eine besondere strafrechtliche Relevanz eingeräumt, aber in der Phase vor der Feststellung zivil- oder strafrechtlichen Tatbestands gibt es kaum konkrete Hilfsangebote für das Opfer. Hier herrscht eine rechtliche Grauzone, die das Leid des Opfers schmerzlich hinauszögert. Liegen nämlich keine Verstöße vor, die wie Nötigung, Hausfriedensbruch oder Körperverletzung sowieso unter das Strafrecht fallen, müssen Stalking-Opfer nach der derzeitigen Rechtslage auf dem Wege des Zivilprozesses eine so genannte Unterlassungsanordnung gegen den Täter erwirken. Erst bei einem Verstoß gegen eine solche einstweilige Verfügung greift das Strafgesetzbuch.

Das heißt also, dass das Opfer selbst erst die Voraussetzungen schaffen muss, um später strafrechtlichen Schutz genießen zu können, währenddessen der Stalker – zu 80 Prozent sind es Männer – weiter sein Unwesen treibt.

Für die Betroffenen ist dies ein unhaltbarer Zustand. Sie leiden häufig unter schwersten Panikattacken, Schlafstörungen und Depressionen und brauchen in dem Moment, in dem sie zu einem Stalking-Opfer werden, sofort kontinuierliche Hilfs- und Beratungsangebote.

Deshalb muss zum einen Stalking als eigener Straftatbestand in das Strafgesetzbuch aufgenommen werden, zum anderen aber auch die verbindliche Schulung und Fortbildung von Polizistinnen und Polizisten in der Diagnosekompetenz sichergestellt werden, um rechtzeitig das Vorliegen von Stalking erkennen und geeignete Maßnahmen einleiten zu können. Dazu bedarf es eines ganzheitlichen Konzepts für ein koordiniertes Vorgehen von Polizei, Rechtsanwälten, Gerichten und Therapeuten vor Ort.

(Beifall bei der SPD und vereinzelt bei der GAL)

Liebe Abgeordnete der CDU, Ihr Antrag geht uns nicht weit genug. Wir brauchen keine Praxisbefragungen mehr. Es gibt Bundesratsinitiativen, die auf ausführlichen Recherchen beruhen. Wir brauchen jetzt und nicht in ferner Zukunft dringenden Handlungsbedarf zum Schutze der Opfer.

Wir fordern darum den Senat auf, sich endlich zu positionieren und dazu beizutragen, dass Opferschutz wieder ernst genommen wird. – Danke schön.

(Beifall bei der SPD und der GAL)

Das Wort bekommt Frau Meyer-Kainer.

Sehr geehrte Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Wir diskutieren heute das Thema Opferschutz. Als frauenpolitische Sprecherin meiner Fraktion

(Dr. Verena Lappe GAL: Echt?)

möchte ich insbesondere auf das Thema "Opferschutz von Frauen" eingehen und dabei zunächst den Frauenhausantrag ansprechen. Meine Damen und Herren von der Opposition, in Ihrem Antrag interpretieren Sie die Sachlage erwartungsgemäß einseitig. Wichtige Ergebnisse der Anhörung ignorieren Sie nur zu gern. So hat die Anhörung auch ergeben,

(Doris Mandel SPD: Ja, was?)

dass Netzwerke von Hilfseinrichtungen entscheidend sind und nicht nur einzelne Angebote.

(Lachen bei der SPD)

Wenn diese Netzwerke bestehen und gut funktionieren, wird sich die Verweildauer in Frauenhäusern eher noch verkürzen. Wir haben auch erfahren, dass andere Bundesländer, wie zum Beispiel Nordrhein-Westfalen, wesentlich weniger für Frauenhäuser ausgeben und Hamburg mit der Interventionsstelle gegen häusliche Gewalt anderen Bundesländern überlegen ist. In ihrer nachträglichen Stellungnahme zur Anhörung, die dem Sozialausschuss vorliegt, bestätigt zudem Eva-Maria Bordt, dass in einer älteren Umfrage des Bundes zur Bedarfsdeckung an Frauenhausplätzen von den Bundesländern mehrheitlich als Bezugsgröße angegeben wurde, dass ein Frauenhausplatz pro 10 000 Einwohner zur Verfügung stehen sollte.

(Doris Mandel SPD: Den Rest schmeißen wir in die Elbe!)

Hamburg lag bisher weit darüber. Darüber hinaus heißt es in der Stellungnahme, dass die Förderrichtlinien der einzelnen Bundesländer in der Regel auf Sozialarbeiterinnenstellen begrenzt sind und keine Psychologinnenstellen vorsehen.

Vor diesem Hintergrund müssen wir uns die Frage stellen, was Opferschutz ist. Ist Opferschutz für Sie nur dann erfolgreich, wenn die Kosten weit über dem Bundesdurchschnitt liegen?