Protokoll der Sitzung vom 10.11.2004

(Beifall bei der SPD und der GAL)

Sie persönlich sind von der Realität so weit entfernt, dass ich auf weitere Äußerungen Ihrer Rede gar nicht eingehen möchte.

(Beifall bei der SPD)

Nun zum Senat. Wenn Sie sich ansehen, welche Anträge heute vorliegen, dann kann ich nur sagen, wie eindeutig Sie als Senat Opferschutz betrachten. Das Wichtigste, nämlich die Praxis, die Räumung des Frauenhauses, haben Sie gar nicht mehr auf der Rechnung. Die Sozialsenatorin ist gar nicht anwesend, aber sie hat schon vor 14 Tagen gesagt, es gäbe wichtigere Dinge in dieser Stadt. So gehen Sie mit Menschen um, die nicht wissen, wohin sie sollen. Nicht ein Wort, Herr Kusch, zum Frauenhaus von Ihnen. Ich werde am Ende noch eine Frage an den Senat stellen, die werden Sie dann sicher noch beantworten.

(Beifall bei der SPD)

Fakt ist heute immer noch, dass die Frauenhäuser mit über 100 Prozent belegt sind; davon sind über die Hälfte Kinder auf zu engem Raum in Vierbettzimmern, eine Zufluchtstätte für Frauen, die keine Alternative in dieser Stadt haben, sich vor ihren schlagenden Männern in Sicherheit zu bringen.

In einer solchen Situation führt die Senatorin die Menschen in dieser Stadt mit ihren falschen Vergleichen in die Irre. Sie behauptet immer wieder, dass der Opferschutz in Hamburg selbst nach der Frauenhausschließung im Städtevergleich noch besser dastehe als in anderen Großstädten. Das ist falsch, weil die Senatorin nur Frauenplätze vergleicht, aber andere Alternativen weglässt. Wie viele von den spezialisierten Beratungsstellen anderer Bundesländer gibt es in Hamburg? Wie viele geschützte Übergangswohnungen haben wir in Hamburg?

(Doris Mandel SPD: Keine!)

Wie viele Zufluchtswohnungen und Nachberatungsläden hat Hamburg? Dazu hätten Sie sich einmal äußern können. Nichts haben wir davon in dieser Stadt, nichts hat der Senat hier an Alternativen eingerichtet. Im Gegenteil. Sie haben bei den Beratungsstellen in den letzten zwei Jahren überproportional gekürzt und deshalb ist dieser Vergleich falsch.

(Beifall bei der SPD und der GAL)

Die Senatorin sagt, sie wolle mit dem Geld des Steuerzahlers sorgsam umgehen und deshalb einen Kostenvergleich mit anderen Bundesländern. Es ist die Aufgabe der Senatorin, mit dem Geld sorgsam umzugehen.

(Bernd Reinert CDU: Ja, guck!)

Mit ihrem Eid hat sie sich dazu verpflichtet. Das braucht sie hier nicht weiter auszuführen. Das heißt aber auch nicht, meine Herren von der CDU, dass sie sich die Zahlen gerade so zurechtbastelt, wie es ihr gefällt. Die Behauptung, in Nordrhein-Westfalen seien die Kosten erheblich niedriger, entsprechen einfach nicht der Wahrheit.

Wir haben im Ausschuss schon darauf hingewiesen, dass sie den Landeszuschuss nicht mit der Landesfinanzierung von Hamburg vergleichen kann. Wo bleiben in Ihrer Aufrechnung die Zuschüsse der Gemeinden, der Kommunen von Nordrhein-Westfalen, wo die Sachmittel? Die Senatorin sollte wenigstens wissen, worüber sie redet, wenn sie Vergleiche zieht.

(Beifall bei der SPD und der GAL)

Vor 14 Tagen hatten wir zu dem Thema "Schließung eines Frauenhauses" schon eine Debatte. Was gibt es heute Neues? Wir haben eine weitere schriftliche Stellungnahme einer Expertin der Frauenhauskoordinatorin der Stadt Frankfurt, Frau Eva-Maria Bordt. Sie belegt in ihrem Schreiben mit vielen Argumenten, dass es völlig unverständlich sei, wie man in Hamburg die Schließung eines Frauenhauses planen könne, obwohl doch alle Häuser über 100 Prozent belegt seien.

Frau Meyer-Kainer, da nützt es auch nichts, wenn Sie von den Argumenten immer nur die erste Hälfte des Satzes zitieren und dann ihre eigenen Schlüsse ziehen. Sie müssen das ganze Gutachten lesen und darin stehen ganz verheerende Sätze, die belegen, dass Hamburg das Frauenhaus nicht schließen darf.

(Beifall bei der SPD und der GAL)

Auch diese Argumente haben die Senatorin nicht berührt. Sie stellt den Frauen und Kindern stattdessen einen ungedeckten Scheck auf die Zukunft aus, indem sie behauptet, dass mit der Einrichtung der Interventionsstelle die Nachfrage in den Frauenhäusern zurückgehe. Das mag vielleicht einmal in der Zukunft so kommen, aber das Frauenhaus schließt der Senat jetzt und heute. Die Senatorin wartet nicht einmal die Evaluierung der Interventionsstelle ab. Und wann mit den Ergebnissen der Evaluierung zu rechnen ist, weiß sie auch nicht. Wir bekommen im Ausschuss von drei ihrer leitenden Mitarbeiter drei verschiedene Termine genannt. Die Spannweite reicht immerhin vom ersten Quartal 2005 bis Mitte 2006. Wann wird das denn nun endlich sein? Vielleicht kann der Senat uns das hier beantworten.

Zum Schluss meine Frage an den Senat; sie war eigentlich konkret an die Senatorin gerichtet, die ja nun nicht da ist, aber Herr Kusch wird das sicher beantworten:

(Dr. Martin Schäfer SPD: Nö!)

Auf die Frage, wo die Frauen, die heute im Frauenhaus mit ihren Kindern wohnen, unterkommen werden, wurde uns im Ausschuss gesagt: Probleme werden gelöst, wenn sie da sind. Das Problem ist seit der gestrigen Gerichtsentscheidung da.

Wir fordern den Senat auf, uns hier und heute zu sagen, wo die Frauen, die in den nächsten Tagen das Haus verlassen müssen, hinkommen.

(Doris Mandel SPD: Und wie sie geschützt wer- den!)

Auch wir übernehmen die Verantwortung – das habe ich vor 14 Tagen gesagt – und wir möchten hier und heute endlich eine Antwort hören.

(Beifall bei der SPD und der GAL)

Das Wort bekommt Herr Klooß.

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Eigentlich wollte ich mich nicht in diese Debatte einmischen, aber der Beitrag von Senator Kusch zwingt mich doch dazu.

(Kai Voet van Vormizeele CDU: Reflexartig!)

Herr Dr. Kusch, Sie haben Ihre Rede damit begonnen, Sie schätzten sich glücklich – so ähnlich haben Sie sich ausgedrückt –, dass sich alle hier Versammelten um den Opferschutz bemühten, und haben dann einen Zwischenruf von Herrn Neuman aufgegriffen und einen Gegensatz hergestellt. Sie haben versucht, eine Seite dieses Hauses in eine Ecke zu stellen, als sei sie nicht bereit, den Opferschutz zu gewährleisten und dafür zu kämpfen.

Sie haben auch manches, was Sie dann später gelobt haben, auf Ihre Fahne und auf die der CDU-Fraktion geschrieben. Das ist nicht richtig. Die Zeugenbetreuungszimmer beispielsweise sind seinerzeit von SPD-Regierung mit Hilfe der grünen Beteiligung initiiert und weiterentwickelt worden. Wenn Sie sie weiterentwickeln, ist das ja in Ordnung, aber Sie müssen nicht so tun, als wenn das Ihre Erfindung wäre.

(Beifall bei der SPD und der GAL)

Sie bemängeln, dass wir in unserer Großen Anfrage nicht die Staatsanwaltschaft erwähnt haben. Man kann noch vieles dazu schreiben, aber die Staatsanwaltschaft, das können Sie wiederum nicht abstreiten, ist immer ein hohes Anliegen der SPD-Fraktion gewesen. Beispielsweise haben wir die Arbeitsfähigkeit der Staatsanwaltschaft entscheidend erhöht. Wir haben dort Modernisierung betrieben, wir haben dort neue technische Verfahren eingeführt und wir haben auf eine Beschleunigung des Strafverfahrens gerade mit Hilfe der Staatsanwaltschaft gedrungen. Aber bei Ihnen vermisse ich Initiativen zum Beispiel für eine Beschleunigung im Jugendstrafrecht. Das wird auch aus Ihrer eigenen Behörde bemängelt.

(Beifall bei der SPD und der GAL)

Sie bezeichnen den Antrag der SPD-Fraktion zum Stalking als Unsinn. Ein Teil Ihrer Kritik muss dann auch Ihre eigene Fraktion treffen, denn auch die CDU findet ja, dass die Bekämpfung dieser Erscheinung wichtig ist. Sie ist nur etwas vorsichtiger und meint, die Erkenntnisse reichen noch nicht aus, aber im Kern wird die CDU nicht dagegen sein. Sie sagen, das sei Unsinn. Aber erinnern Sie sich doch einmal bitte an die Antwort des Senats auf die Kleine Anfrage der Abgeordneten Boeddinghaus, die gerade einmal ein Vierteljahr alt ist. Darin wurde geäußert, dass sich der Senat noch nicht mit diesem Thema befasst habe. Das beweist doch, wie wichtig es ist, dieses Thema aufzugreifen.

(Beifall bei der SPD und der GAL)

Wir müssen uns entschieden gegen Ihren Versuch zur Wehr setzen, diejenigen zu verhöhnen – denn das ist es letztlich –, die das Stalking auf die Liste setzen und sagen, dass es bekämpft werden muss. Das ist eines Senators unwürdig und nicht angemessen.

(Beifall bei der SPD und der GAL – Michael Neumann SPD: Überrascht das?)

Das Wort bekommt Frau Spethmann.

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Diese Debatte nimmt Züge an, die schon etwas merkwürdig sind.

(Michael Neumann SPD: Ja, das stimmt!)

Ich möchte etwas Ruhe hineinbringen. Ich glaube, wir waren uns über das Ziel des Opferschutzes immer einig. Wir denken an die Zeit zurück, bei der ich zugestehen muss, dass die Senatorin Lore Peschel-Gutzeit gute Vorarbeit – auch bundesweit – geleistet hat. Das haben wir auch immer anerkannt und mitgetragen. In diesem Konsens sollten wir hier weitermachen.

(Beifall bei der CDU – Petra Brinkmann SPD: Ja, dann machen Sie das! Wir sind dabei!)

Über einzelne Wege können wir uns streiten, aber dass Herr Klooß gleich wieder den Beißreflex auslöst, nur weil der Senator am Mikrophon steht, ist merkwürdig.

(Beifall bei der CDU)

Ich glaube, eines sollten wir uns auf die Fahne schreiben: Man kann in Sachen Frauenhaus unterschiedlicher Ansicht sein; das ist legitim, hierüber haben wir in der Vergangenheit bestimmt Differenzen gehabt. Aber Profilierungen zulasten der Opfer sind hier nicht angebracht.

(Beifall bei der CDU – Dr. Andrea Hilgers SPD: Wer macht das denn?)

Wir sind in den letzten Jahren gemeinschaftlich in vielen Dingen dabei. Mit den Zeugenschutzzimmern – da hat Herr Klooß Recht – hat Frau Peschel-Gutzeit angefangen. Das hat dieser Senat trotz angespannter Haushaltslage fortgeführt. Man kann das auch einmal positiv sehen und nicht nur bemängeln.

Der Täter-Opfer-Ausgleich ist erhalten worden, das OEG wird schneller angewendet, die Defizite sind abgebaut worden. Alle Zuwendungen sind – außer im Bereich Frauenhaus – erhalten geblieben. Und das bei dieser Haushaltssituation! Das muss man auch einmal bedenken, das ist nicht gerade einfach.