Wir kommen zu Punkt 3 der Tagesordnung: Wahl einer oder eines Deputierten der Behörde für Soziales und Familie.
[Unterrichtung durch den Präsidenten der Bürgerschaft: Wahl einer oder eines Deputierten der Behörde für Soziales und Familie – Drucksache 18/1538 –]
Der Stimmzettel liegt Ihnen vor. Er enthält je ein Feld für Zustimmung, Ablehnung oder Enthaltung. Sie dürfen ein Kreuz machen. Weitere Eintragungen oder Bemerkungen würden zur Ungültigkeit führen. Auch unausgefüllte Zettel gelten als ungültig. Bitte nehmen Sie jetzt Ihre Wahlentscheidung vor. Ich darf die Schriftführerinnen bitten, mit dem Einsammeln der Stimmzettel zu beginnen.
Sind alle Stimmzettel abgegeben worden? – Es wäre vielleicht übersichtlicher, wenn die Abgeordneten die Stimmzettel noch einmal hochhalten würden, damit die Schriftführerinnen diese einsammeln können.
Ich frage noch einmal: Gibt es noch Stimmzettel, die nicht abgegeben worden sind? – Das ist nicht der Fall. Damit schließe ich die Wahlhandlung. Das Wahlergebnis wird nun ermittelt. Ich werde es Ihnen im Laufe der Sitzung bekannt geben.
Wir kommen zu Punkt 12 der Tagesordnung, Senatsantrag: Errichtung eines Auswanderungsmuseums "BallinStadt" und der Dauerausstellung "Hamburg als Auswandererstadt" im Museum für Hamburgische Geschichte.
[Senatsantrag: Errichtung eines Auswanderermuseums "BallinStadt" und der Dauerausstellung "Hamburg als Auswandererstadt" im Museum für Hamburgische Geschichte – Drucksache 18/1525 –]
Diese Drucksache möchte die SPD-Fraktion an den Haushaltsausschuss überweisen. Wer wünscht das Wort? – Herr Drews bitte.
Frau Präsidentin, meine Damen und Herren, liebe Kolleginnen und Kollegen! Die Elbe ist die Lebensader unserer Stadt. Sie verbindet Hamburg mit dem Meer. Wenn wir diesem Beispiel folgen, so schlägt
das Herz unserer Stadt im Hafen. Hier werden seit Jahrhunderten Waren umgeschlagen, importiert und exportiert, hier werden Werte verhandelt, die Hamburg zur bedeutenden Wirtschaftsmetropole machen und Hamburg den Rang eines internationalen Handelszentrums einräumen und festigen.
Aber es sind nicht nur die Waren, die den wahren Wert, die Bedeutung des Hafens für unsere Stadt ausmachen. Wir dürfen nicht vergessen, welche Bedeutung der Hafen für die Menschen in unserer Stadt hat. Wir dürfen nicht vergessen, dass aus unserem Hafen Millionen Menschen ihre Heimat in Deutschland und aus anderen Ländern Europas Richtung Amerika verlassen haben, das für viele in den Jahren von 1850 bis 1934 das Gelobte Land der Freiheit und sehr häufig auch der Hoffnung war. Diese Menschen, ihre Geschichten und deren Geschichte sind auch ein Teil der Geschichte unserer Stadt,
ein Teil unserer Kulturgeschichte und auch ein Teil unserer kulturellen Traditionen. An diese Geschichte wollen und müssen wir in würdigem Rahmen erinnern. Die Tradition Hamburgs als Auswandererstadt wollen wir jetzt bewusst machen, vor Augen führen und auch vor Ort erlebbar machen.
Auf dem Gelände der von ihrem legendären Direktor Albert Ballin gegründeten HAPAG wurde von 1901 bis 1907 die neue BallinStadt wieder errichtet, denn vorher existierten dort barackenmäßige, menschenunwürdige Behausungen. Diese BallinStadt werden wir im Rahmen eines Museums als Abschnitt der hamburgischen Geschichte in den Mittelpunkt rücken, der bisher noch keine ausreichende Würdigung in unserer Stadt gefunden hat, der aber für unsere Stadt kulturgeschichtlich so bedeutend ist.
Es ist dieser Aspekt, der auch und gerade von internationaler Bedeutung ist, denn für die Auswanderer war Hamburg die Stadt, von der aus sie ihre Heimat – das "alte" Europa – verließen. Hamburg ist auf diese Weise quasi das Bindeglied zwischen Europa und Amerika, zwischen der neuen und der alten Welt. Hamburg war einmal mehr "das Tor zur Welt".
Auf beiden Seiten des Atlantiks ist die Auswandererstadt, wie wir sie errichten wollen, wichtig. Für beide ist sie Teil der Traditionen. Für Hamburg ist sie Geschichte, für viele in den USA, aber auch für die in anderen süd- und mittelamerikanischen Staaten lebenden Menschen, ist die Auswandererstadt, wie der Senat sie errichten will, ein Ort, zu dem sie einen direkten Bezug zu ihrer Familie haben. Emotional, aber auch rational, ist die BallinStadt das Gegenstück zu Ellis Island. Auf der Suche nach den Spuren der Vorfahren werden wir die nahezu lückenlosen Archive der einzigartig erhaltenen Passagierlisten der BallinStadt als wichtigste Fundstellen für Informationen anbieten können.
Doch liebe Kolleginnen und Kollegen, das Museum soll mehr werden als nur ein Archiv, es soll Geschichte in unserer Stadt erlebbar machen. Hier soll Geschichte von Menschen erzählt werden, hier soll Interesse für Geschichte geweckt werden, gerade auch für Schüler, für
Kinder und für Jugendliche. So wird dieses Museum in den Auswandererhallen zu einem Anziehungspunkt nicht nur für die Bürger unserer Stadt, sondern auch für Touristen werden. Genau das soll es sein: Eine Forschungsstätte, aber auch ein Anziehungspunkt an der Schnittstelle von Bildung, Kultur und auch ein wenig Unterhaltung.
Neben den vielen damit befassten Behörden ist es aber auch ein gutes Beispiel für Public-private-partnership, denn die BallinStadt wird gemeinsam von der Stadt Hamburg und der Stiftung Hamburg Maritim realisiert werden. Von den Gesamtinvestitionen in Höhe von 7,5 Millionen Euro tragen die Stadt und die Stiftung jeweils die Hälfte. Dieser Beitrag des Senats angesichts der knappen Kassen ist in der heutigen Zeit sehr lobenswert; das muss an dieser Stelle erwähnt werden. Das trifft genauso für das Engagement der Stiftungen, der privaten Firmen, Institutionen und Bürger zu, die sich für diese BallinStadt stark machen. An dieser Stelle ein herzliches Dankeschön von meiner Fraktion!
Die Auswanderung ist Bestandteil unserer Kulturgeschichte. Die Auswandererstadt soll ein Ort lebendiger Erinnerungen an die Menschen werden, die von hier aus ihren Weg in ein neues Leben begannen. Es soll ein Ort der Erinnerung werden, an dem die Menschen bis zur ihrer Abreise Unterkunft fanden, an dem sie wohnten, hier einkaufen gingen und an dem die verschiedenen Glaubensrichtungen in Kirchen beteten. Es wird aber auch ein Ort – das darf an dieser Stelle nicht fehlen – des Gedenkens an diejenigen sein, die in der schlimmen nationalsozialistischen Zeit zwangsdeportiert wurden. "Erinnern statt vergessen" lautet das letzte Thema der heutigen Debatten. "Erinnern statt vergessen" trifft auch auf die BallinStadt zu.
Auf der Suche, dieses etwas weniger technokratisch und politisch auszudrücken, bin ich bei diesem Thema auf eine interessante Quelle gestoßen, die ich ganz kurz skizzieren möchte.
"Im Hafen gibt es eine Stadt für sich. Sie schien aus fremdem Land her verpflanzt zu sein. Am Veddelhöft schüttelte einer der Fährdampfer uns mit einem derben Prall auf den schaukelnden Schwimmkai aus. Man ging über die damals noch öde und unbebaute Sandbank zu einem lottrigen Stadtviertel nur auf Nutzen gebauter Häuser. In der Hauptstraße streiften slawische Männer in Stiefeln und bunten Mützen und kleine eckig gerundete Frauen in Röcken, die vor Farbenfreude schrien, in Scharen umher. Sie kümmerten sich aufgeregt um die Auslagen der kleinen Läden mit Kleidern, Hüten, Musikinstrumenten, Koffern, Branntweinflaschen und billigem Schmuck. Die Kauflust glänzte auf den Gesichtern.
Die Inschriften sind in vielen östlichen Sprachen gehalten, mit fremden Zeichen gemalt, aber diese Häuserreihen sind nur ein Vorort. Der Strom der fremden Menschen entwickelt sich tiefer über die sandige Straße. Man folgt ihm in ein kleines geschlossenes Städtchen. Man könnte dieses Städtchen, in welchem baumbebordete Straßen, Plätze, Hotels, Kirchen liegen, eine Stadt der Sehnsucht nennen, denn es sind die Auswandererhallen der Hamburg-Amerika-Linie.
In den Gesichtern der Menschen spiegeln sich Unsicherheit, Schönheit und Melancholie verschiedener Nationalitäten. 5000 Menschen an einem Tag und zwei Millionen durch das ganze Jahr streichen hier so hin und her. Jeder einzelne eingeschlossen in dem kleinen Kreis seiner zitternden Wünsche. Alle zusammen eine Masse von Völkerwanderung, Rastlosigkeit, Enttäuschung und Hoffnung. Sie sind geplagt, erharren, dass sich die dumpfe Sehnsucht bald vollzieht, die sie aus dem Schoß ihrer Heimaterde gepflügt hat und sie nun zu den Ländern sät, welche vielleicht das Gedeihen leichter machen. Die "Cleveland" liegt beim KaiserWilhelm-Höft bereit, die Masse dieser märzlich erwachten Sehnsucht zu empfangen und neuer Heimat zuzuleiten."
Wir werden mit diesem Museum eine Vielzahl von Menschen erreichen. Mit großem Interesse können und dürfen wir mit Lehrern und Schülern, Bürgern unserer Stadt, aber auch mit Menschen aus den Vereinigten Staaten und auch mit dem ernsthaften Interesse derer rechnen, die früher millionenfach von Hamburg nach Amerika ausgewandert sind.
Wir werden Hamburg um eine weitere Attraktion bereichern. Denn für Schüler, für Bürger unserer Stadt und für Tagestouristen sowie für Menschen, die sich für Geschichte interessieren, wird das Auswanderermuseum mit Sicherheit attraktiv. Mit den beiden anderen großen kulturellen Vorhaben Hamburgs, dem Schifffahrtsmuseum Tamm und der Elbphilharmonie, bildet dieses Auswanderermuseum, die BallinStadt, in Hamburg in den nächsten Jahren einen Dreiklang kultureller Projekte für die Zukunft unserer Stadt, von der Hansestadt zur Auswandererstadt, von der Auswandererstadt zur wachsenden Stadt.
Wenn wir diese Drucksache auf Wunsch der SPD in den Haushaltsausschuss überweisen, bleibt am Ende noch der Wunsch meiner Fraktion, dieses für die Zukunft so wichtige Projekt wirklich nicht zu zerreden, die Chance beim Schopfe zu packen und die Symbiose von Tradition und Geschichte gemeinsam zu beschließen. – Herzlichen Dank.
Sehr verehrte Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Die Errichtung eines Auswanderermuseums BallinStadt auf der Veddel und auch die Erstellung einer Dauerausstellung im Museum für Hamburgische Geschichte sind zwei Teile eines faszinierenden Projektes, über das wir seit Jahren hier in der Bürgerschaft sprechen, für das wir seit Jahren in der Stadt und auch darüber hinaus werben. Zum Glück wird dieses Projekt in Kürze formal beginnen.
Wir sind sehr froh darüber und begrüßen es sehr, dass der Senat dieses Projekt zu Ende führt, welches wir hier vor vier Jahren angestoßen haben. Im November 2000 haben alle hier vertretenen Fraktionen einstimmig – mit Ausnahme der Enthaltung der Gruppe REGENBOGEN – für eine neue Linke – ein Ersuchen an den Senat verabschiedet.
Vernünftigerweise, Herr Kollege Drews, müssen wir uns auch nicht mehr über die Frage auseinander setzen, ob die Drucksache noch in einem Ausschuss ordentlich
beraten werden muss. Das wäre meiner Ansicht nach nicht angemessen gewesen und hat überhaupt nichts damit zu tun, ob ein Projekt, das über alle Fraktionen hinweg insgesamt auf eine solch' große Zustimmung stößt, zerredet wird. Darüber gibt es gar keinen Zweifel, dass das nicht geschehen sollte. Das ist nicht die Frage, sondern es geht um 6 Millionen Euro aus dem öffentlichen Etat, die die Stadt für ein Projekt zur Verfügung stellt, das zum Glück auch von Privaten mitfinanziert wird. Es gibt einige Fragen, die durchaus einer Ausschussberatung bedürfen.
Zum Beispiel diese: Wie und wann werden die restlichen Sponsorengelder eingeworben? Wie ist die Perspektive der Mitfinanzierung durch den Bund? Wir wissen, dass irgendwann nach der Beschlussfassung der Bürgerschaft ein Antrag gestellt wird. Wie ist die Perspektive dort? Wie realistisch ist das Betreiberkonzept? Sind die Besucherzahlen richtig kalkuliert? Wie steht es mit den Marketingmaßnahmen? Wie soll das Projekt in Übersee beworben werden, um diese recht hoch kalkulierten Besucherzahlen zu erreichen? Oder auch: Welche Auswirkungen hat das Auswanderermuseum auf den Stadtteil, für die Entwicklung der Veddel? Wie wird das Umfeld gestaltet? Zu welchen konkreten Maßnahmen der Revitalisierung wird es in diesem Zusammenhang kommen? Und natürlich auch: Wie ist das Verkehrskonzept zur Anbindung des Museums?
Noch einmal: Mit der BallinStadt wird es in Hamburg hoffentlich und endlich gelingen, an das Schicksal der Millionen Auswanderer zu erinnern, die einst von hier auszogen, um auf fernen Kontinenten eine neue Heimat zu finden. Zwischen 1815 und 1940 verließen 50 Millionen Europäer diesen Kontinent, um in Nord- und Südamerika oder in Australien ein neues Leben zu beginnen. Diese Emigration veränderte nicht nur Familien- und Dorfgemeinschaften, sie prägte die europäische Geschichte genauso wie die Entwicklung des größten Einwanderungslandes, die USA.
Sie sprachen es schon an: Zwischen 1850 und 1934 verließen über Hamburg 5 Millionen Menschen Europa und wanderten nach Amerika aus. Noch heute sind 20 Millionen Menschen in den USA Nachkommen dieser Emigranten.
Die BallinStadt ist das Gegenstück oder – wie es das "Wall Street Journal" geschrieben hat – das Spiegelbild von Ellis Island in New York. Das ist richtig, und das wird auch ein großer Ansporn für uns sein, denn wir müssen uns noch sehr anstrengen, wenn wir uns mit Ellis Island vergleichen wollen. Ellis Island ist immerhin ein Gebäudekomplex, der historisch noch vollständig erhalten ist und eine wirklich sehr ansprechende, großartige Ausstellung beherbergt. Wir haben leider nur ganz wenige Teile des ehemaligen großartigen Gebäudekomplexes auf der Veddel, die noch erhalten sind. Anfang der Sechzigerjahre sind die letzten Gebäude leider abgerissen worden, weil es auch damals kein Bewusstsein für deren historische Bedeutung gegeben hat.
Wer heute vor dieser letzten baufällig wirkenden Baracke steht, ahnt kaum, dass es sich dabei um das bedeutsame Relikt eines ehemals beeindruckenden Gebäudeensembles handelt, nämlich den ehemaligen Schlafpavillon der Auswandererhallen der Hamburg-Amerika-Linie, der jetzt das Herzstück des neuen Museums werden soll.
Um noch einmal auf das Vorbild in New York zu kommen. Dort gibt es die historischen Gebäude und diese gute Ausstellung. Es wird eine große Anstrengung erfordern, das auch in Hamburg zu erreichen.
Alles in allem ist dieses Auswanderermuseum ein faszinierendes Projekt für Hamburg, das hoffentlich eine internationale Ausstrahlung, die wir alle wollen, erreichen wird. Wichtig für Hamburg sind aber noch zwei weitere Aspekte, die ich unbedingt erwähnen will.
Das eine ist die Dauerausstellung "Hamburg als Auswandererstadt" im Museum für Hamburgische Geschichte. Es ist gut, dass diese zustande kommt, und es ist begrüßenswert, dass dafür zusätzlich 900 000 Euro zur Verfügung gestellt werden. Es ist auch wichtig darauf hinzuweisen, dass sich mit diesem Auswanderermuseum für die Veddel große Chancen in der Stadtteilentwicklung bieten.
Aber lassen Sie mich zum Schluss auch einige wenige Anmerkungen zu dem Finanzierungskonzept machen. Es gibt die Investitionsmittel von 6 Millionen Euro aus dem öffentlichen Haushalt und es gibt die Zusage von 3 Millionen Euro von der Stiftung Maritim, davon sind 2,45 Millionen Euro jetzt schon fest zugesagt. Es fehlen also noch über 500 000 Euro an privaten Mitteln. Ich hoffe sehr, dass es dafür von privaten Sponsoren demnächst Zusagen geben wird.