Protokoll der Sitzung vom 19.01.2005

In der Veddeler Brückenstraße, Frau Veit, neben dem Stadtteilladen.

Was denken die Menschen auf der Veddel und welche Erwartungen haben sie an das Auswanderermuseum? Ich möchte Ihnen von einem Gespräch berichten, das im Sommer 1998 im portugiesischen Restaurant "Bellamar" stattfand, das sich in einem der alten Flügel des Auswandererhallengebäudes befunden hat. Dort standen Portugiesen, Albaner, Türken und einige Deutsche zusammen und haben ihre Wünsche und Hoffnungen formuliert, die sie mit dem Auswanderermuseum haben. Viele Menschen haben gesagt, das Museum auf der Veddel würde das Image deutlich verbessern. Der Ruf der Veddel ist schlechter als die tatsächliche Situation. Man hat damals auch gesagt, Werbung für den Stadtteil Veddel und das Auswanderermuseum sei insofern gut geeignet, als dass man in New York mit Ellis Island ein Gegenstück habe. Das ist für die Menschen dort auch ein emotionales Thema, das mit Hoffnung zu tun hat.

Nun könnte man natürlich ein bisschen spitz sagen, wenn die Menschen auf der Veddel meinen, in Amerika sei alles schön und gut, dann ist das ein Irrglaube, aber die Menschen sind nach Amerika ausgewandert, weil sie dort eine bessere Welt zu finden hofften.

Die Menschen haben aber auch gesagt – und das ist der zweite Punkt der Hoffnung –, man braucht im Stadtteil einen Ort, wo die Menschen zum Feiern, aber auch zu Diskussionen zusammenkommen können.

Ein dritter Aspekt war, dass man sich von einem Auswanderermuseum auch die Schaffung von Arbeitsplätzen erhofft, zum Beispiel in einem Museumsrestaurant – dort geht es um niedrigschwellige Arbeitsplätze – oder für Studenten, die damals auch schon auf der Veddel gewohnt haben, die dort die klassischen Studentenjobs wahrnehmen könnten. Bei diesem Gespräch – jetzt wird es, glaube ich, auch für die Opposition wieder etwas spannender – sagte der damalige Oppositionsführer Ole von Beust: Wenn die CDU an die Regierung kommt, dann entsteht auf der Veddel ein Auswanderermuseum. Viele Hürden waren zu nehmen. Jetzt liegen eine gute Drucksache und aus unserer Sicht ein tragfähiges Konzept vor. Der Bürgermeister hat sein Wahlversprechen und das Wahlversprechen der CDU eingehalten. Da zeigt sich, dass für uns die Menschen im Vordergrund stehen.

(Beifall bei der CDU)

Lassen Sie mich noch ein Wort zu dem eben gesagten Beitrag der Kultursenatorin sagen. Es ist zu begrüßen, dass die Quartiersentwickler einbezogen werden sollen, weil das die Menschen sind, die vor Ort mit der Bevölkerung am engsten zusammenarbeiten, die die Hoffnung, die Wünsche, aber auch die Sorgen der Menschen kennen und sie auch einbringen werden. Ich kann verstehen, dass Sie sich das Konzept noch einmal im Haushaltsausschuss vorstellen lassen wollen. Ihre Fragen sind auch aus unserer Sicht zum Teil natürlich berechtigt. Wir haben aber gerade vor dem Hintergrund, dass Sie damals mit 400 000 DM bei dem Projekt gestartet sind, Verständnis dafür, dass Sie wissen möchten, wie wir das

jetzt mit 9 Millionen Euro auf den Weg bringen. Stellen Sie Ihre Fragen, wir freuen uns darauf. – Vielen Dank.

(Beifall bei der CDU)

Das Wort erhält die Abgeordnete Veit.

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Schön, Herr Finck, dass Sie hier noch einmal die Bedeutung der Veddel betonen. Ich hoffe, dass Sie das auch bei der gleich folgenden Debatte zum "Sprung über die Elbe" durchhalten. Aber jetzt sind wir noch bei den Auswandererhallen.

Frau Dr. Stapelfeldt hat es schon gesagt, dass Sie unsere gute Idee vom Auswanderermuseum umsetzen wollen. Das finden wir grundsätzlich gut und richtig.

Rund acht Jahrzehnte lang sind hier jedes Jahr um die 60 000 Menschen abgereist, haben alles hinter sich gelassen, weil sie in der alten Welt – wir haben es mehrfach gehört – keine Zukunft mehr für sich sahen und einen Neuanfang jenseits des Atlantiks wagen wollten. Sie haben es in der Tat verdient, dass man sich ihrer erinnert.

300 Meter nördlich der neuen Gedenkstätte leben heute überwiegend Menschen, die ihrer alten Welt ebenfalls dauerhaft den Rücken gekehrt haben. Um die 70 Prozent der Menschen auf der Veddel kommen ebenfalls aus europäischen Regionen, in denen sie keine Chancen mehr für sich und ihre Familien sahen und sehen. Die anderen 30 Prozent, die deutschen Bewohnerinnen und Bewohner der Veddel, leben überwiegend auch nicht auf der Sonnenseite der Gesellschaft.

Meine Damen und Herren! So richtig es ist, an die Auswanderer zu erinnern, so richtig, wichtig und dringend notwendig ist es auch, etwas für die Veddel zu tun und da bietet das hier vorgelegte Konzept leider wenig bis nichts. Es bringt für das Leben auf der Veddel nämlich zunächst einmal gar nichts, wenn südlich des Müggenburger Zollhafens die BallinStadt errichtet wird. Nutzen Sie doch die Chance, die ansehnliche Vergangenheit der einen Gruppe mit Konzepten für eine tragfähige Zukunft der anderen Gruppe zu verbinden.

(Beifall bei der SPD)

Die Mitteilung des Senats lässt an dieser Stelle nämlich leider viele für das Umfeld wichtige Fragen offen. Kalkuliert wird mit etwa 500 Besuchern täglich, aber über die verkehrliche Anbindung schweigen Sie sich komplett aus. Sie schreiben davon und haben gesagt, dass Sie bei der Realisierung des Projekts Initiativen vor Ort einbeziehen wollen. Bei Planung und Konzeption war davon leider noch nichts zu merken. Sie wollen eine hohe nationale und internationale Attraktivität erreichen – und das an einer Stelle, die heute als eine der Schmuddelecken Hamburgs zu bezeichnen wäre.

(Klaus-Peter Hesse CDU: Nicht nur das, Frau Veit. Die Stadt hat auch andere schöne Seiten!)

Aber, Sie kalkulieren gerade einmal das absolute Minimum an Kosten für Außenanlagen ein. Das reicht vielleicht für die Parkplätze, ein paar Wege, einen Zaun oder eine Hecke, aber von einer vernünftigen Einbindung in das Viertel kann nicht die Rede sein. Sie platzieren Ihre internationale Attraktion in den Winkel zwischen zwei Autobahnen, einer S-Bahnstrecke und einem Kanal mit

Betoneinfassung und meinen, das bringe weltweit die Massen zum Strömen. Das hat vielleicht ausgereicht – Herr Finck hat es schon angesprochen –, um das wohl authentischste portugiesische Restaurant der Stadt an genau dieser Stelle jahrezehntelang am Leben zu halten, aber ob man sich dafür in New York, Boston oder Chicago ins Flugzeug setzt, um über den großen Teich zu kommen?

Frau Senatorin, meine Damen und Herren von der CDU, das ist leider, wie bei fast allen Ihren Aktivitäten, Herr Hesse, zum so genannten "Sprung über die Elbe": Sie springen irgendwo los, Sie vermuten eine grobe Richtung, aber leider kommen Sie am Ende nirgendwo an.

Bitte machen Sie unsere schöne Idee vom Auswanderermuseum nicht am Ende durch eine dilettantische Umsetzung im Stadtteil kaputt.

(Beifall bei der SPD – Wolfhard Ploog CDU: Das gibt ja gar keinen Sinn, was Sie da erzählen!)

Wenn die Geschichte etwas werden soll, was wir ausdrücklich und erklärtermaßen hoffen – Frau Dr. Stapelfeldt hat es ausdrücklich gesagt –, dann müssen Sie sich schon etwas mehr Mühe geben. Warum beziehen Sie nicht das Südufer des Müggenburger Zollhafens in Ihre Planungen ein? Hier könnten die Hafenfähren anlegen, die die Besucher zum Museum bringen. Die schwimmende Jugendherberge hatte der Oberbaudirektor bereits ins Spiel gebracht. Warum schaffen Sie keinen ordentlichen Zugang vom Museumsgelände zum S-Bahnhof, der im Übrigen an Unattraktivität kaum zu überbieten ist?

(Wolfhard Ploog CDU: Stellen Sie Anträge!)

Auch eine Grünverbindung vom Museumsgelände über den Bahnhof bis zum Spreehafen drängt sich geradezu auf. IGA und IBA lassen sich mit etwas gutem Willen auch hier verwirklichen. Warum sehen Sie keine interkulturelle Begegnung vor, vielleicht eine internationale Markthalle – wir haben hier vorhin lange Zitate vom bunten Treiben gehört – oder auch ein Bürgerzentrum? Dann wäre plötzlich auch die Veddel einbezogen, dann würden sich die Besucher auch hier umsehen, vielleicht die örtliche Gastronomie besuchen, den besten Bratfisch Hamburgs essen, in einem der Cafés einkehren. Dann hätten Sie zumindest kulturell gesehen einen echten kulturellen nördlichen Brückenkopf für Ihren "Sprung über die Elbe". Das wäre spannend und attraktiv und keine Lachnummer, um schon einmal überzuleiten, wie ein Badestrand direkt zwischen den Elbbrücken, unterhalb der Peute, an einem der schmutzigsten Elbstücke Hamburgs.

(Beifall bei der SPD und vereinzelt bei der GAL)

Meine Damen und Herren! Weitere Wortmeldungen liegen mir nicht mehr vor. Dann kommen wir zur Abstimmung.

Wer stimmt einer Überweisung der Drucksache 18/1525 an den Haushaltsausschuss zu? – Gegenprobe. – Enthaltungen? – Das ist einstimmig so geschehen.

Mir liegt jetzt das Wahlergebnis vor. Bei der Wahl einer Deputierten der Behörde für Soziales und Familie sind 112 Stimmzettel abgegeben worden. Alle 112 Stimmzettel waren gültig. Frau Vera Jürs erhielt 105 Ja-Stimmen, vier Nein-Stimmen und drei Enthaltungen. Damit ist Frau Jürs gewählt worden.

Tagesordnungspunkt 34, Drucksache 18/1540, Antrag der CDU-Fraktion: Den Sprung über die Elbe gestalten: Herstellung des städtebaulichen Zusammenhangs von der HafenCity über den Kleinen Grasbrook, die Veddel und Wilhelmsburg nach Harburg – Eckpunkte für die perspektivische Rahmenplanung in den Jahren 2005/2006.

[Antrag der CDU-Fraktion: Den Sprung über die Elbe gestalten: Herstellung des städtebaulichen Zusammenhangs von der HafenCity über den Kleinen Grasbrook, die Veddel und Wilhelmsburg nach Harburg – Eckpunkte für die perspektivische Rahmenplanung in den Jahren 2005/2006 – Drucksache 18/1540 –]

Hierzu liegt Ihnen als Drucksache 18/1606 ein Antrag der SPD-Fraktion vor.

[Antrag der Fraktion der SPD: Kleinen Grasbrook entwickeln – Drucksache 18/1606 –]

Beide Drucksachen möchte die SPD-Fraktion federführend an den Stadtentwicklungsausschuss und mitberatend an den Wirtschaftsausschuss überweisen. Wer wünscht das Wort? – Herr Finck.

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Mit diesem Antrag wollen wir den "Sprung über die Elbe" gestalten und die gute Rahmenplanung des Senats weiter konkretisieren. Wir haben uns dafür einige Punkte für den Zeitraum 2005 und 2006 herausgegriffen.

Unser Konzept richtet sich nach drei Maximen: Es führt zu einem Ausgleich von sozialer Gerechtigkeit in Hamburg, es ist wirtschaftsfreundlich und es ist olympiakompatibel.

Warum führt unser Konzept zu einem Ausgleich sozialer Gerechtigkeit in Hamburg? Ich möchte an einer Äußerung anknüpfen, die Herr Neumann während der Haushaltsberatungen gemacht hat. Herr Neumann sagte, die SPD sei stolz auf ihre Klientelpolitik. Eigentlich hat man seine Klientel doch dort, wo man seine Wählerhochburgen hat, müsste man meinen. Auf den Elbinseln haben wir traditionell Arbeiterviertel, die meist die SPD gewählt haben und wählen. Nun frage ich mich beziehungsweise ich frage viel lieber die SPD, warum führte die Klientelpolitik zu diesen teilweise verheerenden sozialen Situationen, wie wir sie dort haben. Ich möchte Ihnen die Antwort mit einem Ihrer Sozialdemokraten aus Hamburg-Mitte geben. Er hat gesagt: Die Wahlergebnisse stimmen, also, warum sollen wir dort etwas tun? Wir haben auf Wahlergebnisse und nicht auf die Menschen geschaut. Das ist zynisch und das wissen Sie.

(Beifall bei der CDU – Dr. Andrea Hilgers SPD: Das ist so ein dummer Spruch!)

Sie sagen, das ist ein dummer Spruch. Wenn wir uns daran orientieren würden, wo wir Wählerhochburgen haben,

(Dr. Andrea Hilgers SPD: Genau das tun Sie!)

dann könnte man dem, was Sie sagen, folgen und in den Walddörfern und in Blankenese die Bürgersteige vergolden. Das machen wir aber nicht, weil für uns das Wohl der Menschen im Vordergrund steht.

Rote Senate haben auf den Elbinseln gespart. Wir investieren dort.

(Beifall bei der CDU)

Ich möchte Ihnen das am Beispiel der Elbinsel Veddel darstellen. Herr Frommann wird nachher auf Wilhelmsburg und auf Harburg eingehen. Auf der Veddel wird es die Auswandererhalle geben, auf der Veddel siedeln wir Studenten an. Das führt zur Durchmischung von Strukturen und zu einer Aktivierung des kreativen Potenzials dieser jungen Menschen.

Die Schule Slomanstieg, ein sehr wichtiger Baustein: Dort ist schon die Ganztagsschule für die Haupt- und Realschule eingeführt. Aus unserer Sicht sollte auch die Grundschule folgen. Dort gibt es eine Produktionsküche mit niedrigschwelligen Arbeitsplätzen, eine Stadtteilkantine. Auf der Veddel wird es einen neuen Elbstrand geben. Auch das werden wir heute beschließen. Der Senat bekommt heute mit diesem Antrag auch den Prüfauftrag, eine Jugendherberge im Müggenburger Zollhafen auf den Weg zu bringen.

Unsere Aktivitäten haben im Stadtteil jetzt schon ein kreatives Potenzial geweckt. Sie wissen sicher, dass private Investoren bereits Liegeplätze für Hausboote im Müggenburger Zollhafen planen. Das ist eine gute Idee. Dass wir sozusagen das Scharnier zum "Sprung über die Elbe" zur Veddel entwickeln, sieht man auch daran, dass sich die Geschäftsstruktur auf der Veddel ändert. Pro Quartier haben die GWG und die Quartiersentwickler gemeinsam alle leer stehenden Läden auf der Veddel – bis auf zwei, das ist mein aktueller Sachstand – vergeben. Dort kommen vom Kunstdrucker bis zur Tapas-Bar einiges hin. Die Tapas-Bar eröffnet Mitte Februar. Vielleicht treffen wir uns da einmal.

All diese Maßnahmen kosten Geld und führen dazu, dass es den Menschen dort besser geht. Die CDU will das, das ist sozialer Ausgleich, wie wir ihn uns vorstellen.

(Beifall bei der CDU)