Protokoll der Sitzung vom 13.04.2005

Hier geht es um das Abgeordnetengesetz,

(Antje Möller GAL: Es geht um Ihre Fraktion!)

die Anwendung sowie die Interpretation desselben, und in Parlamentsangelegenheiten hat der Bürgermeister schlicht und ergreifend nicht mitzubestimmen. Die bestimmen wir selbst.

(Beifall bei der CDU)

Es gab den zweiten Vorschlag von Herrn Neumann, den ich der Presse entnommen habe, und zwar die Einrichtung eines Ethik-Rates.

(Michael Neumann SPD: Nee, wo das denn? Ich habe von Ehrenkodex gesprochen!)

So kam es dort jedenfalls rüber. Ich kann Ihnen jetzt die Ausgabe der "Bild"-Zeitung nicht mehr präzise nennen, aber darin hat es gestanden. Ich gebe Ihnen insofern Recht, dass ein Blick von außen auf unsere Angelegenheiten manchmal hilfreich sein kann, um unser Handeln etwas genauer zu bestimmen. Aber ich möchte vorschlagen, kein neues Gremium einzurichten, welches sich erst in Fragestellungen einarbeiten muss, denn wir haben bereits ein Gremium, das sich mit dem Abgeordnetengesetz auskennt: die Diätenkommission. Diese sollte unseres Erachtens gefragt werden, ob sie bereit ist, sich dieser Fragen anzunehmen. Sie könnte dann schnell und kompetent Vorschläge unterbreiten, die mit Sicherheit dann auch zu einer Klarstellung manch offener Fragen führen,

(Doris Mandel SPD: Was haben die mit dem Mel- degesetz zu tun?)

die nicht nur, Frau Mandel, an die CDU-Fraktion, sondern möglicherweise oder bestimmt auch an andere Fraktionen zu stellen sind.

In diesem Sinne sollten wir weitere Gespräche führen und ich hoffe, dass wir dann die gegenwärtigen Fragen auch befriedigend gelöst bekommen.

(Beifall bei der CDU)

Das Wort bekommt Frau Dr. Hilgers.

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Verschiedene Abgeordnete der CDU sind öffentlich wegen ihrer Praxis der Büroanmietung ins Gerede gekommen und wegen der Beschäftigung von ihnen nahe stehenden Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern oder – das lesen wir heute – wegen der Frage ihres Haupt-Familienwohnsitzes. Zu Letzterem, Herr Reinert, zur Causa Okun erwarte ich hier und heute von Ihnen eine Klarstellung vor dem Parlament.

(Beifall bei der SPD und der GAL)

Wohnt Herr Okun schon länger und wenn ja, wie lange nicht in Hamburg oder erst jetzt, erst neuerdings?

(Christian Maaß GAL: Seit wann wissen Sie da- von?)

Ihre Presseerklärung von gestern ist da, Herr Reinert, nicht eindeutig genug.

Was einzelne Abgeordnete mit ihrem Auftreten in der Öffentlichkeit tun oder nicht tun, fällt – so ist der Zeitgeist – auf alle Abgeordneten zurück, egal welcher Fraktion. Schnell gerät das Parlament insgesamt in Misskredit. Politik- und Politikerverdrossenheit erhält neue Nahrung. Die Öffentlichkeit hat hierauf zu Recht ein sehr kritisches Auge. Die Anforderungen an die Politik, an alle Abgeordneten, an uns nehmen zu, auch zum Beispiel durch die Möglichkeit der Volksgesetzgebung und unser neues Wahlrecht. Bürgerinnen und Bürger zeigen ein steigendes Interesse am Parlament, an Information über unsere Arbeit, an direktem Austausch, am Instrument der Volksgesetzgebung. Wir haben hier als Parlament, als Regierungs- und Oppositionsfraktionen, als einzelne Abgeordnete diesen gestiegenen Anforderungen zu genügen, Herr Reinert. Sie haben darauf hingewiesen.

Durften die CDU-Abgeordneten das, was sie getan haben? Aber reicht dies aus? Jede und jeder von uns ist gehalten, sich zu prüfen. Wenn das Gesetz Spielräume zulässt, die heutigen Ansprüchen nicht mehr genügen, dann sollte das Gesetz weiterentwickelt werden und zwar von uns, den Fraktionen, selbst.

(Beifall bei der SPD)

Wir haben diese Verantwortung für unser Abgeordnetengesetz selbst zu übernehmen und sie nicht auf Kommissionen zu delegieren. Die SPD-Fraktion wird deshalb unser Abgeordnetengesetz auch im Hinblick auf das neue Wahlrecht zügig, aber ohne Effekthascherei einer Prüfung unterziehen und der Bürgerschaft Novellierungsvorschläge unterbreiten. Wir würden uns freuen, wenn dann über unsere Vorschläge eine öffentliche Sachdebatte möglich wäre.

(Beifall bei der SPD und bei Christiane Blömeke GAL)

Das Wort bekommt Herr Maaß für vier Minuten.

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Drei kurze Bemerkungen: Herr Reinert, Sie haben gesagt, Frau Goetsch möge die Vorfälle, die sie beschrieben hat, nun nicht "Klein-Camorra" nennen. Aber ich kann Sie auch einmal zurückfragen, ob denn nicht wirklich Kritik und auch ein deutlicher Name bei den Vorfällen angebracht ist, die wir in den letzten Tagen aus der CDU-Fraktion haben hören müssen, von Beschuldigungen, dass bestochen wurde, dass Abgeordnetenstimmen gekauft wurden, dass sich gegenseitig der Verleumdung bezichtigt wird, dass Nachrücker gemobbt werden wegen irgendwelcher angeblicher Fesselspiele, dass schwerwiegende strafrechtliche Vorwürfe in den Raum gestellt werden, dass hier schließlich in mehreren Fällen im Raum steht, dass eine Selbstbedienungsmentalität an den Buchstaben des Gesetzes vorbei eingekehrt sei. Dann zu sagen, man dürfe keine deutlichen Worte nennen – ich frage mich, wenn man es nicht Klein-Camorra nennen soll, wie dann.

Aus meiner Sicht ist das wirklich hochgradig unappetitlich. Dagegen ist manches, das man aus der Landwirt

schaft an Tierhaltung kennt, ja geradezu eine appetitliche Angelegenheit.

(Beifall bei der GAL und der SPD – Zuruf von der CDU: Pfui!)

Dann zu Ihrer zweiten Bemerkung: Es sei ja alles legal. Es mag legal sein, wenn man seine eigene Lebensgefährtin mit Steuergeldern beschäftigt, was bei Ehefrauen illegal wäre. Aber ich glaube nicht, dass es in diesem Punkt um die Frage der Legalität geht. In diesem Punkt müssen Sie es auch den Menschen erklären können, die wegen Hartz IV – was wir gemeinsam in Berlin beschlossen haben – ihre Ersparnisse auflösen müssen, um für ihre nichtehelichen Lebenspartner aufzukommen. Diese müssen mit ihren Ersparnissen haften und hier wird die eigene Lebensgefährtin noch mit Steuergeldern beschäftigt. Das müssen Sie den Menschen erklären und da ist die Frage, wie Sie das tun können, Herr Reinert.

(Beifall bei der SPD und der GAL)

Herr Reinert, Sie müssen deswegen auch hier und heute in Ihrer Fraktion klarstellen,

(Dr. Andrea Hilgers SPD: Lasst ihm Zeit!)

was geht und was nicht geht. Stellen Sie das heute hier klar, auch im Fall Okun, wie das gewesen ist. Bekennen Sie sich dazu.

Was Sie richtig gesagt haben, ist, dass wir hier auch auf institutioneller Ebene zu einer Einigung kommen müssen. Wir sind da gesprächsbereit, was die Diätenkommission angeht, aber, was am wichtigsten ist, dass hier klare moralische Standards innerhalb der Fraktionen gesetzt werden. Das vermisse ich heute.

(Beifall bei der GAL und der SPD)

Ich sehe keine weiteren Wortmeldungen mehr. Dann sind wir zum Ende der Aktuellen Stunde gekommen.

Ich rufe den Punkt 3 der Tagesordnung auf, die Wahl eines Mitgliedes des Hamburgischen Verfassungsgerichtes.

[Unterrichtung durch den Präsidenten der Bürgerschaft: Wahl eines Mitglieds des Hamburgischen Verfassungsgerichts – Drucksache 18/1800 –]

Da das Gesetz über das Hamburgische Verfassungsgericht in seinem Paragraphen 4 eine geheime Wahl vorschreibt, findet die Wahl in Wahlkabinen statt. Wir verfahren so, dass Frau Thomas und Frau Martens abwechselnd die Mitglieder der Bürgerschaft in alphabetischer Reihenfolge aufrufen. Ich bitte Sie, dann zur Kanzleibank zu gehen und von Frau Cornell ihren Stimmzettel entgegenzunehmen. Jeder Stimmzettel enthält Felder für Zustimmung, Ablehnung oder Enthaltung. Mit dem Stimmzettel gehen Sie bitte in eine der Wahlkabinen und nehmen Ihre Wahlentscheidung vor. Ich bitte Sie, die Stimmzettel jeweils nur mit einem Kreuz zu versehen. Stimmzettel, die den Willen des Mitgliedes nicht zweifelsfrei erkennen lassen oder Zusätze enthalten, sind ungültig. Auch unausgefüllte Stimmzettel gelten als ungültig. Nach der Wahlhandlung begeben Sie sich bitte zu Frau Rogalski-Beeck, bei der die Wahlurne steht. Stecken Sie dann bitte Ihren Stimmzettel in die Wahlurne. Ich darf

Frau Thomas nun bitten, mit dem Namensaufruf zu beginnen.

(Der Namensaufruf wird vorgenommen.)

Ist ein Mitglied dieses Hauses nicht aufgerufen worden? – Das ist nicht der Fall. Dann stelle ich fest, dass alle Abgeordneten aufgerufen worden sind und die Stimmabgabe damit abgeschlossen ist. Damit erkläre ich die Wahlhandlung für geschlossen.

Ich bitte nun, die Stimmauszählung vorzunehmen. Für die Dauer der Stimmauszählung ist die Sitzung unterbrochen.

Unterbrechung 16.48 Uhr ––––––––––––– Wiederbeginn 16.56 Uhr

Die Sitzung ist wieder eröffnet. Ich gebe das Ergebnis der Wahl bekannt: Bei der Wahl eines Mitgliedes des Hamburgischen Verfassungsgerichtes sind 116 Stimmzettel abgegeben worden. Davon waren null Stimmzettel ungültig, also 116 Stimmzettel gültig. Herr Dr. Martin Willich erhielt 106 Ja-Stimmen,

(Beifall im ganzen Hause)

zwei Nein-Stimmen und acht Enthaltungen. Damit ist Herr Dr. Willich zum Mitglied des Hamburgischen Verfassungsgerichtes gewählt worden.

Ich bitte nun Herrn Dr. Willich, hier nach vorn in unsere Mitte zu kommen.

(Beifall im ganzen Hause – die Anwesenden erhe- ben sich von ihren Plätzen.)

Herr Dr. Willich, die Bürgerschaft hat Sie eben zum Mitglied des Hamburgischen Verfassungsgerichtes gewählt. Dazu spreche ich Ihnen die Glückwünsche des ganzen Hauses aus. Ich frage Sie, ob Sie die Wahl annehmen.