Deswegen lassen Sie uns doch die ideologischen Vorbehalte gegen das eine oder andere Instrument für einen Moment zur Seite legen. Ich sage das hier ganz ohne Umschweife: Die Ausbildungsplatzabgabe ist ganz sicher nicht der beste aller denkbaren Wege zu einer Lösung des Problems.
Der beste Weg wäre die Bereitschaft aller Unternehmen, Jugendlichen ausreichend Ausbildungsplätze bereitzustellen.
Der beste Weg wäre die Bereitschaft, sich auf eine alte Tugend der deutschen Unternehmer zu besinnen, sich nämlich verantwortlich für das gesamtwirtschaftliche Wohl zu fühlen.
Das drückt sich in der Ausbildungsbereitschaft aus. Es gibt doch gar keinen Dissens darüber, dass man auch an vielen anderen Stellen etwas verbessern muss. Es gibt keinen Dissens darüber, dass die schulische Qualifikation ein Thema ist, über das wir reden müssen. Was glauben Sie, warum die Bundesregierung in Ganztagsschulen, warum sie in die frühkindliche Bildung investiert? Darüber müssen wir uns gar nicht streiten. Es gibt auch keinen Dissens darüber, dass Fördern und Fordern zusammengehört. Gucken Sie sich doch die Hartz-IV-Gesetze an, was das für Jugendliche bedeutet. Der Druck auf Jugendliche ohne Arbeit verstärkt sich. Wenn wir diesen Druck verstärken, dann müssen wir auf der anderen Seite auch die Chancen erhöhen.
Wenn es diese Einsicht, Ausbildungsplätze zu schaffen, noch nicht bei allen Unternehmen gibt, dann müssen wir die Unternehmen auch zwingen, das zu tun.
Ja. Wir müssen sie irgendwann zwingen, das zu tun, weil sie nämlich nicht nur die Chancen der Jugendlichen riskieren, sondern weil sie auf Kosten der anderen Unternehmen auf Ausbildung verzichten.
Es sind die Unternehmen, die die qualifizierten Fachkräfte brauchen. Ein Unternehmen, das sich sagt, Ausbildung passt nicht in mein Konzept und ist für mich in erster Linie ein Sparfaktor, das profiliert sich auf Kosten anderer und dem muss ein Ende gesetzt werden. Ich wünschte mir eigentlich, dass die vielen guten Unternehmen, die gerade in Hamburg ausbilden, auch einmal deutlich dazu Stellung nehmen, was sie davon halten, dass ihre Kolleginnen und Kollegen das nicht tun. Das wäre ein Wunsch an die Unternehmen, denn diese und andere Unternehmen profitieren ja davon.
Deswegen kann, wenn es sein muss, die Ausbildungsabgabe genau solch ein Instrument sein. Wenn Sie als Hamburger Regierung daran sinnvoll mitgestalten – ich sage nicht, dass es da nichts zu verbessern gibt, auf gar keinen Fall –, dann können die vielen ausbildungswilligen und -fähigen Unternehmen in Hamburg davon profitieren und daran sollten Sie arbeiten, nicht an der Meckerei. – Danke schön.
Herr Präsident, meine Damen und Herren! Das duale Ausbildungssystem in der Bundesrepublik Deutschland ist fast einzigartig in Europa. Nur wenige andere Staaten haben vergleichbare Lösungen. Die meisten anderen Staaten schicken ihre Auszubildenden auf Schulen oder machen ein Training on the Job.
Wenn man sich die Ergebnisse dieser unterschiedlichen Wege ansieht, muss man feststellen, dass Deutschland mit seinem System der beruflichen Ausbildung deutlich besser fährt als die anderen Länder. In keinem anderen
Land Europas ist die Jugendarbeitslosigkeit so gering und das Angebot von qualifizierten Facharbeitern so groß wie in Deutschland. In einer globalisierten Welt ein großer Standortvorteil für Deutschland. Wir alle müssten daran interessiert sein, dass dieser Standortvorteil auch in Zukunft gewahrt und verbessert wird.
Wenn man sich aber die Lage auf dem Ausbildungsmarkt der ansieht, dann stellt man fest, dass dieses erfolgreiche System bröckelt. Es bröckelt schon seit vielen Jahren. Seit vielen Jahren wird es mit immer größeren Anstrengungen immer schwieriger, genügend Ausbildungsplätze zur Verfügung zu stellen. Man muss feststellen, dass die freiwilligen Selbstverpflichtungen der Wirtschaft im letzten Jahr das erste Mal nicht dazu geführt haben, dass alle Ausbildungswilligen einen Ausbildungsplatz bekommen haben. Man muss feststellen, dass es in diesem Jahr auch nicht besonders gut aussieht. Wenn man dann noch dazu nimmt, meine Damen und Herren, dass sich neben den 35 000 Jugendlichen, die im Moment keinen Ausbildungsplatz bekommen, gut 200 000 in Ausbildungslehrgängen in Fachberufsschulen oder in der Berufsvorbereitung befinden, also außerhalb der beruflichen Bildung und des erfolgreichen Systems, das wir hier haben, dann stellt man fest, dass das System der beruflichen dualen Ausbildung zunehmend ausgehöhlt wird.
Meine Damen und Herren! Nach vielen Jahren, in denen wir tatenlos zugesehen haben, ist jetzt der Punkt gekommen, wo man nicht mehr tatenlos zusehen kann und gehandelt werden muss. Wenn die Wirtschaft dies nicht tut, dann muss sich die Politik selber in die Pflicht nehmen und selber Verantwortung übernehmen.
Frau Dräger hat es angesprochen und ich möchte es auch noch einmal ganz deutlich sagen: Die Ausbildungsplatzabgabe ist mit Sicherheit nur der zweitbeste Weg. Der beste Weg wäre, die Wirtschaft selber würde handeln. Da dies aber seit Jahren nicht passiert,
sind wir entschlossen, den zweitbesten Weg zu beschreiten, denn letztendlich, Herr Weinberg, haben Sie in Ihrer ganzen Rede keinen einzigen Satz dazu verloren, wie man dieses Problem, das unzweifelhaft besteht, lösen soll.
Ich muss auch ganz ehrlich sagen, dass das bisschen, was Sie an inhaltlicher Argumentation gebracht haben, doch sehr zynisch ist. Letztendlich haben Sie gesagt, dass diese Tausende von Jugendlichen, die keinen Ausbildungsplatz finden, gar nicht arbeitswillig oder ausbildungsfähig sind.
Meine Damen und Herren! Hier wird den Benachteiligten in unserem System, die von den Auswirkungen der globalisierten Welt und der globalisierten Wirtschaft betroffen sind, der Schwarze Peter zugeschoben und damit ist für Sie Schluss der Debatte. So einfach kann man es sich wirklich nicht machen, meine Damen und Herren.
Letztendlich ist dieses Argument, das marktliberale Credo: Was am Markt vorbei produziert wird, also hier in der Schule gebildet wird, kann auf dem Markt auch nicht weiter abgesetzt werden. Meine Damen und Herren,
Ihnen ist anscheinend überhaupt nicht klar, dass es einen Unterschied zwischen Produktmärkten und dem Arbeitsmarkt oder dem Ausbildungsmarkt gibt.
Meine Damen und Herren, gucken Sie sich die EU an: Wenn zu viel Butter oder Milch produziert wird, kauft die EU das auf, versucht das mit Dumpingpreisen auf den Weltmarkt zu bringen und wenn das alles nicht gelingt, dann wird es ins Meer gekippt oder verbrannt: Problem gelöst. Meine Damen und Herren, dieser Weg steht uns bei jungen Menschen,
Letztendlich legen Sie damit die Axt an die Wurzel unseres Gemeinwesens, wenn ganze Generationen von jungen Menschen keinen Platz in der Arbeitswelt und in dieser Gesellschaft finden,
Herr Weinberg, man kann über die Ausbildungsplatzabgabe streiten. Ich hätte auch überhaupt nichts dagegen, über bestimmte Punkte genauer zu diskutieren, aber warum bringen Sie denn keinen anderen Vorschlag? Meine Damen und Herren, Sie und die Wirtschaft stehlen sich hier aus der Verantwortung.
Meine Damen und Herren! Wir werden die Verantwortung wahrnehmen, die die Politik hat, um jungen Menschen zu helfen, in dieser Welt zurechtzukommen. Wir werden nicht zulassen, dass sich die Wirtschaft und auch die Union aus dieser Verantwortung herausstehlen. – Vielen Dank.
Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren! Zunächst, Frau Dräger, Ihnen einen herzlichen Glückwunsch zum Geburtstag. Ich wünsche Ihnen Gesundheit und Freude am Abgeordnetenmandat. Dazu möchte ich Ihnen gratulieren, aber ich möchte Ihnen nicht zu der rhetorischen Frage gratulieren, die Sie an den Kollegen Weinberg gerichtet hatten, als Sie fragten: Was sagen Sie den Jugendlichen, die einen Ausbildungsplatz suchen?
Denn wenn Sie ehrlich wären, Frau Dräger, müssten Sie einräumen, dass durch eine Ausbildungsplatzabgabe keine neuen Ausbildungsplätze geschaffen werden.