Protokoll der Sitzung vom 21.04.2004

Denn wenn Sie ehrlich wären, Frau Dräger, müssten Sie einräumen, dass durch eine Ausbildungsplatzabgabe keine neuen Ausbildungsplätze geschaffen werden.

(Beifall bei der CDU)

Zu dieser Ehrlichkeit gehört doch auch, dass wir uns hier untereinander darüber im Klaren sind, dass es sachfremde Überlegungen in der Berliner Regierungskoalition gewesen sind, die dazu geführt haben, dass man sagte, wir wollen eine Ausbildungsplatzabgabe einführen. Das hatte etwas damit zu tun, dass man für das Programm 2010 entsprechende parteiinterne Mehrheiten mobilisieren musste. Aber es war nicht so, dass irgendwelche Fachleute gesagt haben: Bitte macht eine Ausbildungsplatzabgabe und wir lösen damit unsere Ausbildungsprobleme in Deutschland.

(Beifall bei der CDU)

Es ist doch genau das Gegenteil richtig. Auf Antrag Hamburgs hat im Dezember letzten Jahres die Wirtschaftsministerkonferenz einen Beschluss zur Ausbildungsplatzabgabe gefasst. Hier heißt es:

„Die Wirtschaftsministerkonferenz lehnt die Einführung einer Ausbildungsplatzabgabe ab. Sie bittet die Bundesregierung, von einer gesetzlichen Regelung abzusehen.“

Nun kann man sagen, da kann gerne der eine oder andere Beschluss gefasst werden, deswegen ist dieses nichts Bewegendes. Entscheidend ist aber, dass dieser Antrag, so wie ich ihn eben vorgelesen habe, mit einem Stimmergebnis von 15 : 0 bei einer Enthaltung beschlossen wurde und diese eine Enthaltung kam vom PDS-Senator Wolf aus Berlin, meine Damen und Herren. Kein einziger Fachmann aus der SPD hat zu dem Zeitpunkt eine Ausbildungsplatzabgabe für richtig gehalten. In der Zwischenzeit ist nichts passiert, was diese Erkenntnis jetzt plötzlich in das Gegenteil kehren könnte, meine Damen und Herren.

(Beifall bei der CDU)

Auch Frau Dräger und Herr Kerstan finden diese neue Ausbildungsplatzabgabe in Ihren Reden nicht besonders gut.

(Uwe Grund SPD: Was tut der Senat?)

Es ist auch klar, dass es mit dieser Regelung nicht mehr, sondern weniger Ausbildungsplätze geben wird.

(Uwe Grund SPD: Humbug!)

Wenn jetzt gerufen wird, was sagen Sie denn dagegen, um diese schlechte Situation zu verbessern, dann sage ich Ihnen: Führen Sie einmal ein Gespräch mit einem selbstständigen Handwerksmeister oder einem Personalchef. Die werden Ihnen von den vielen, vielen Fällen von Jugendlichen berichten, die bei ihnen über den Schreibtisch laufen, die einfach nicht die Qualifikation haben, um eine entsprechende Ausbildungsstelle antreten zu können.

(Beifall bei der CDU – Ingo Egloff SPD: Wo sorgen Sie als Senat denn dafür, dass sie sie kriegen?)

Deswegen muss hier der Hebel angesetzt werden. Ich sage mit allem Ernst und Nachdruck: Man kann Mängel in der Schulausbildung nicht durch Geld ersetzen, meine Damen und Herren.

(Beifall bei der CDU)

Wie sehr dieses Gesetz an der Realität vorbeigeht, möchte ich an folgendem Punkt zeigen. Gemäß Vorschlag der Bundesregierung soll die Ausbildungsplatzabgabe dann greifen, wenn nicht mindestens ein Plus von 15 Prozent

A C

B D

bei den Ausbildungsplatzangeboten gegenüber den nachfragenden Jugendlichen besteht. Also 115 Stellen müssen für 100 Jugendliche angeboten werden. Jetzt frage ich Sie: Was soll denn der Handwerksmeister jetzt als Strafe auf sich nehmen, der Ausbildungsplätze anbietet, aber keinen Jugendlichen findet, der diesen Platz übernehmen könnte? Der würde durch Sie bestraft werden, meine Damen und Herren. Das weckt keine Freude hinsichtlich der Übernahme von mehr Auszubildenden in seinem Betrieb, sondern das stößt ab.

Nun ist es für uns ganz wichtig – wir sind ja das Hamburger Parlament –, dass wir eine besondere Situation in Hamburg haben. Wir haben in Hamburg 9000 Schüler, die einen Ausbildungsplatz suchen. Wir haben insgesamt rund 15 000 Schüler, die die Schulen verlassen, aber dann gibt es viele, die studieren oder andere Ausbildungswege gehen wollen. 9000 Hamburger Schüler suchen einen Ausbildungsplatz. Neu abgeschlossen wurden im vergangenen Jahr in Hamburg 12 000 Ausbildungsverträge, das heißt, wir haben diese Quote von 115 : 100, die man sich in Berlin ausdachte, nicht nur erfüllt, sondern wir übertreffen sie sogar so weit, dass wir ein Verhältnis von 130 : 100 haben.

(Beifall bei der CDU – Ingo Egloff SPD: Das ist Augenwischerei, Herr Senator!)

Da müsste doch ein hamburgischer Politiker aufspringen und sagen, wir dürfen doch hier in Hamburg nicht dafür bestraft werden, dass die Lage insgesamt im Bundesgebiet so schlecht ist.

(Beifall bei der CDU)

Meine Damen und Herren, ich erwarte von einem Politiker wie Ihnen, Herr Egloff, dass Sie sich für die hamburgischen Unternehmen einsetzen und diesen Unsinn ablehnen.

(Beifall bei der CDU)

Meine Damen und Herren! Ein letzter Satz zu den möglichen Folgen. Man muss nicht immer alles neu konstruieren, sondern man kann ja mal zum Nachbarn gucken und sehen, was sich dort eigentlich ereignet hat. In Frankreich haben wir eine Arbeitslosenquote der Fünfzehn- bis Vierundzwanzigjährigen, die doppelt so hoch ist wie die durchschnittliche Arbeitslosenquote und das bei einem stark verschulten Ausbildungssystem. In Deutschland, meine Damen und Herren, ist die Jugendarbeitslosigkeit dagegen in etwa identisch mit der gesamten Arbeitslosenquote und das bei unserem bewährten dualen System. Deswegen kann ich nur sagen: Wenn wir diese schweren Folgen für den deutschen Arbeitsmarkt und für die Jugendlichen vermeiden wollen, dann muss dieses Berliner Ausbildungsplatzabgabengesetz vom Tisch.

(Anhaltender Beifall bei der CDU)

Das Wort bekommt die Abgeordnete Ahrons.

Herr Präsident, meine Damen, meine Herren! Wenn wir uns die Titelseite der Ausgabe der „Welt“ heute Morgen angesehen haben, dann steht da: „Lehrstellen auch für Analphabeten?“. Das sind die traurigen Blüten, die die Diskussion um die Ausbildungsabgabe jetzt schon treibt. Dies zeigt uns überdeutlich, wie wenig durchdacht die politische Steuerung der Bundesregierung ist.

Herr Kerstan, ich weise ganz entschieden Ihre Anschuldigungen zurück, dass sich die Unternehmen vor Ihrer Verantwortung drücken. Das ist eine Unverschämtheit sowohl von der SPD als auch von Ihrer Partei.

(Beifall bei der CDU – Petra Brinkmann SPD: Das ist doch eine Tatsache!)

Wir würden ausbilden, wenn Sie uns ließen.

(Lachen bei der SPD und der GAL)

Durch die verfehlte Wirtschafts-, Finanz- und Arbeitsmarktpolitik ist das Wirtschaftswachstum in den letzten drei Jahren unter 1 Prozent gesunken. Wir haben rund 4,4 Millionen Arbeitslose. Wir haben in den letzten zwei Jahren 80 000 Unternehmensinsolvenzen gehabt, das heißt 80 000 Betriebe, die weniger ausbilden.

(Aydan Özoguz SPD: Sie sagen es!)

Wie es bei den anderen Ländern aussieht, hat Herr Senator Uldall gerade erwähnt. In Frankreich sieht es doch viel schlimmer aus als bei uns und dort gibt es schon lange eine Ausbildungsplatzabgabe. Die Bauwirtschaft hat es versucht und was ist passiert? Die haben ihre Lehrstellen auf unter die Hälfte abgebaut. Die Zahl der bereitgestellten Ausbildungsplätze hängt doch einzig und alleine von der wirtschaftlichen Entwicklung und den Beschäftigungszahlen ab.

Meine Damen und Herren! Nach der Ausweitung der betrieblichen Mitbestimmung, dem Rechtsanspruch auf Teilzeitarbeit, der Einführung der Ökosteuer und einer verfehlten Unternehmens- und Einkommenspolitik ist die Ausbildungsplatzabgabe quasi noch das i-Tüpfelchen auf der Liste der rotgrünen Grausamkeiten gegenüber der mittelständischen Wirtschaft.

(Beifall bei der CDU)

Meine Damen und Herren! Fast ein Drittel der mittelständischen Betriebe arbeiten zurzeit ohne Gewinn. Die Hälfte der kleinen Mittelständler hat überhaupt kein Eigenkapital mehr. Natürlich tun sich dann die vielen Lehrbetriebe schwer mit der Ausbildung. Bei mehr als 90 Prozent hängt doch das Angebot von der aktuellen Geschäftslage ab. Den Zusammenhang müssen Sie doch erkennen. Oft kann ein Mittelständler keine Lehrverträge unterzeichnen, da für ihn zurzeit gar nicht feststeht, ob in drei Jahren – so lange dauert nun mal eine Lehrzeit – sein Betrieb überhaupt noch existiert, und in einzelnen Regionen und unbeliebten Branchen können Unternehmer nicht ausbilden, weil sie keine Lehrlinge finden. Es gibt ja auch freie Lehrstellen in diesem Land und diese Betriebe würden Sie doppelt bestrafen, wenn sie so eine Zwangsumlage bezahlen müssten. Es ist doch widersinnig, dass Betriebe, die in der Relation zu den Beschäftigten zu wenig ausbilden, diese Abgabe zahlen müssen. Damit werden Unternehmen belastet, die zwar neue Arbeitsplätze, nicht aber neue Ausbildungsplätze schaffen. Denken Sie doch einmal nach, meine Damen und Herren. Um einer Ausbildungsplatzabgabe zu entgehen, wäre es somit wirtschaftlicher für die Betriebe, keine zusätzlichen Jobs anzubieten; das ist bei 4,4 Millionen Arbeitslosen doch Wahnsinn.

Schließlich, darauf sind wir eben schon zu sprechen gekommen, Herr Kerstan, ist die Ausbildungsplatzabgabe der Anfang vom Ende der dualen Ausbildung in Deutschland.

(Michael Neumann SPD: Marktwirtschaft!)

Die duale Berufsausbildung war bislang so erfolgreich, weil sie nicht vom Staat abhängig war, weil sie von der Wirtschaft organisiert wurde und die Wirtschaft wird sich am Bedarf ihrer Betriebe orientieren. Die Betriebe bilden immer nur dort aus, wo die zukünftigen Fachkräfte benötigt werden.

(Gesine Dräger SPD: Oder nicht!)

Ein Modell, das sich an der Nachfrage der Schulabgänger orientiert und in staatlichen Ausbildungsprogrammen besteht, lässt vor allem praxisfremde und nicht bedarfsorientierte Lehrstellen entstehen. Das heißt, so ein Modell läuft immer am Bedarf der Unternehmen vorbei.

(Uwe Grund SPD: Es geht um junge Menschen!)

Gestern sprach ich mit einem befreundeten Unternehmer. Wissen Sie, was er zu mir gesagt hat, Herr Grund? Wenn ich mir die Ausbildungsplatzabgabe ansehe, muss ich nach meiner Betriebsgröße 14 Lehrlinge ausbilden. Ich habe aber 35, das ist eine große Einsparung für mich.

(Beifall bei der CDU)

Das Wort bekommt der Abgeordnete Pumm.

Herr Präsident, liebe Kolleginnen und Kollegen! Frau Ahrons, Sie haben zum Schluss etwas richtig Gutes gesagt, dass es in dieser Stadt einen Unternehmer gibt, der weit über Bedarf ausbildet.

(Barbara Ahrons CDU: Davon gibt es eine ganze Menge! – Dr. Willfried Maier GAL: Da hat jemand den Mechanismus nicht verstanden!)