Vielleicht noch etwas zu Ihrer Überraschung. Wenn sich der Innensenator über die gescheiterten Verhandlungen mit dem afghanischen Präsidenten aufgeregt hätte, hätten wir sogar zugestimmt. Aber das ist nicht passiert. Die GAL-Fraktion fordert den Senator dringend auf, die europäische und bundesweite Ausgangslage in der Situation der freiwilligen Rückkehr und der Abschiebung nach Afghanistan nicht einfach durch hamburgische Lokalpolitik zu ignorieren.
Denn die Tatsache, dass Deutschland immer noch kein Memorandum of Understanding mit Afghanistan hat – und damit eine vertragliche Regelung mit Kriterien, so wie andere europäische Länder schon längst abgeschlossen haben –, ist ein großes Problem. Dafür hätten Sie sich einsetzen müssen, Herr Senator. Es zeugt von völliger Selbstüberschätzung, allein aus der Länderkompetenz für Abschiebungen heraus zu glauben, die Infrastruktur und die ständige Überprüfung der Sicherheitslage gewährleisten zu können. Aber hier geht es eben anders zu.
Sie haben, meine Damen und Herren, alle die Mail vom Café Exil bekommen mit der Bitte um Unterstützung für einen der jungen Afghanen. Der junge Afghane, um den es hier geht, hat eine Eingabe an uns gestellt. Durch die CDU wurde die Petitionsduldung aufgehoben. Die Ängste, die er bei der angedrohten Abschiebung hatte, haben dazu geführt, dass er in die psychiatrische Abteilung eines Krankenhauses eingeliefert wurde. Dieser junge Mann ist als minderjähriger, unbegleiteter Flüchtling eingereist, jetzt 22 Jahre alt. Er hat seit drei Jahren einen festen Arbeitsplatz, bis ihm im März die Arbeitserlaubnis entzogen wurde. Er spricht sehr gut deutsch. Er ist nach der willkürlichen Rechnung des Senators einen Monat zu spät nach Deutschland geflohen, also im Juli 1999 eingereist, und an ihm soll nun ein Exempel statuiert werden. Schon zweimal hat die Polizei inzwischen versucht, diesen jungen Mann abzuholen, um die Abschiebung durchzusetzen. Derartige Abschiebungen im Alleingang ohne bundesweite Regelungen, ohne Memorandum of Understanding, sollen das eigene politische Profil schärfen. Sie sind unanständig.
Frau Präsidentin, sehr geehrte Damen und Herren! Die GAL ist bei der Auswahl ihrer Themen zur Aktuellen Stunde schon häufiger recht kreativ gewesen.
Mit der heutigen Überschrift "Nagels rücksichtsloser Alleingang" ist die Kreativität jedoch offensichtlich in ein ziemliches Wahrnehmungsdefizit umgeschlagen.
Bei der nun beginnenden Rückführung von Afghanen in ihr Heimatland handelt es sich weder um einen Alleingang des Hamburger Innensenators noch geschieht es in irgendeiner Weise rücksichtslos. Ich habe wirklich die Bitte, dass auch Sie, Frau Möller, sich endlich an den Fakten orientieren.
Selbst Herr Dr. Dressel, sonst bekanntlich nicht zögerlich, wenn es um einen medialen Auftritt gegen den Senat geht, hält sich bei diesem Thema aus gutem Grund zurück. Ich finde es – Frau Möller, lassen Sie mich dies sagen – wirklich etwas erbärmlich, wenn nun das Schicksal afghanischer Flüchtlinge parteipolitisch instrumentalisiert wird.
Ich will Ihnen ja nicht Ihr ernsthaftes Bemühen absprechen, aber eines darf nicht vergessen werden und sollte auch immer im Vordergrund stehen und wir als CDU sehen dies jedenfalls so: Es geht bei diesem Thema um das persönliche Schicksal von Menschen und nicht darum, irgendwelche Senatsmitglieder in Misskredit zu bringen.
Für diese Menschen, sehr geehrte Damen und Herren, ist die von Ihnen, von der GAL angeheizte Diskussion unerträglich. Hören Sie endlich damit auf, Frau Möller.
Zunächst einmal zur Behauptung "Nagels Alleingang". Es ist schlichtweg unzutreffend, von einem Alleingang zu sprechen. Hamburg hat bei diesem Thema unbestreitbar eine Vorreiterrolle und Vorbildfunktion für alle anderen Bundesländer, denn in Hamburg – und das wissen Sie, Frau Möller – lebt die höchste Zahl an ausreisepflichtigen Afghanen.
Unbestreitbar ist der Abschiebestopp nach Afghanistan zum Ende April dieses Jahres abgelaufen. Deshalb hat sich Senator Nagel bei einem ergebnisoffenen – wohlgemerkt – Besuch in Afghanistan persönlich über die Lage informiert und ist im Einvernehmen mit Bundesinnenminister Otto Schily – vormals Mitglied Ihrer Partei, Frau Möller, heute distanzieren Sie sich und geben sogar schon Ihre Wahlchancen auf –
zum Ergebnis gekommen, dass nun mit einer Rückführung begonnen werden kann. Auch Otto Schily hat gegen den Kurs von Udo Nagel keine Bedenken, im Gegenteil, er unterstützt diesen Innensenator dabei ausdrücklich.
Dies ist – und das wissen Sie, Frau Möller – auch das Ergebnis der Innenministerkonferenz mit Beteiligung aller Innenminister, auch, eigentlich wollte ich sagen rotgrün regierter Länder,
aber das hat sich ja nun erledigt. Auch Bayern und Baden-Württemberg wollen dem Beispiel Hamburgs folgen und mit der Rückführung beginnen. Andere europäische Staaten, wie beispielsweise Großbritannien haben schon längst begonnen. Hamburg hat lediglich rein zeitlich insoweit die Vorreiterrolle übernommen, weil hier die meisten Afghanen leben. Das ist konsequentes Handeln und deshalb unterstützt die CDU-Fraktion ausdrücklich diesen Kurs unseres Innensenators.
Ich bin auch überzeugt, dass die überwiegende Mehrheit der Menschen in Deutschland und auch hier in Hamburg dies ebenso sieht. Von einem Alleingang, wie Sie es nennen, Frau Möller, kann überhaupt keine Rede sein.
Nun zum Thema rücksichtslos. Auch hier steht Ihre Aufregung in keinem Verhältnis zu den Fakten. Zunächst einmal ist festzustellen, dass die Innenbehörde seit geraumer Zeit für eine freiwillige Rückkehr wirbt. Jeder, der zurückkehrt, um sein Heimatland wieder aufzubauen, erhält, wie auch die zwangsweise Zurückgeführten, nach mitunter jahrelang in Anspruch genommenem Gastrecht den Rückflug bezahlt und einen vierstelligen Eurobetrag als Starthilfe. Nennen Sie das rücksichtslos, Frau Möller? In Deutschland leben ungefähr 58 000 Afghanen, davon 14 000 allein in Hamburg. Es gibt in unserer Stadt circa 5600 ausreisepflichtige Afghanen,
die nach geltendem Recht in ihre Heimat zurückkehren müssten. Davon haben circa 2500 laufende Asylverfahren und in mehreren hundert Fällen sind persönliche Umstände zu berücksichtigen. Im Einklang mit den Beschlüssen der Innenministerkonferenz wird die Innenbehörde im laufenden Jahr lediglich die alleinstehenden Männer im Alter zwischen 18 und 60 Jahren zurückführen.
Die Phase der Prüfung und Überprüfung, ob zurückgeführt werden kann, ist vorbei. Die CDU-Bürgerschaftsfraktion steht zu 100 Prozent hinter der Linie des Innensenators, weiter konsequent mit der Rückführung fortzufahren. Lieber Herr Nagel, lassen Sie sich von unberechtigter Kritik nicht beeinflussen.
Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Herr Ahlhaus, wie nennen Sie es, wenn da steht: Hamburg behält sich ausdrücklich vor, mit Rückführungen nach Afghanistan zu beginnen, auch wenn die bevorstehenden Verhandlungen mit afghanischen Regierungsvertretern bis zu diesem Zeitpunkt noch nicht erfolgreich abgeschlossen sein werden und kein anderes Bundesland hier neben Hamburg steht. Das ist ein Alleingang, auch wenn Sie dies nicht wahrhaben wollen.
Und hier mit dem Wort Kreativität zu beginnen, wo es um das – wie Sie selbst sagen – persönliche Schicksal vieler Menschen geht, ist, glaube ich, ziemlich an diesem Thema vorbeigegangen. Das kann es wirklich nicht sein, Herr Ahlhaus.
Ich möchte einmal Folgendes ganz deutlich für die SPDFraktion sagen: Wir haben uns niemals grundsätzlich gegen Abschiebungen ausgesprochen. Wir haben auch niemals gesagt, dass man nicht zu einem bestimmten Zeitpunkt auch Afghanen nahe bringen muss, dass sie in ihr Heimatland vermutlich zurückkehren müssen. Das haben wir nie bestritten. Aber die Art und Weise, wie das hier zum Teil jetzt umgesetzt werden soll, und dass sich
wie ich es eben gerade zitiert habe, dass man nicht sagt, wir agieren gemeinsam mit der Innenministerkonferenz, wir machen es zusammen, wir beginnen gemeinsam, sondern mit einer Protokollnotiz so eine Art Vorreiterrolle auf einem sehr, sehr unrühmlichen Wege einbaut, das ist nicht das, was die SPD-Fraktion in irgendeiner Form unterstützen kann.
Wir wissen alle, dass Asylpolitik ein schwieriges Feld ist, dass man entsprechend Augenmaß braucht, eine Portion Sensibilität, Humanität et cetera. Das hat übrigens bei der letzten Debatte zu Afghanen – da war ich noch gar nicht in der Bürgerschaft – auch der damalige CDU-Abgeordnete Jürgen Klimke gefordert. Dass der Innensenator diese Dinge in den letzten Wochen nicht vorweisen konnte, spricht eindeutig gegen ihn.