Protokoll der Sitzung vom 26.05.2005

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Der Senat hat ein Gesetz vorgelegt, welches die Arbeit der Deputationen in den Fachbehörden maßvoll ändern soll. Gut ist, dass der Senat die Deputationen nicht abschaffen will.

(Dr. Till Steffen GAL: Das können wir auch gleich machen!)

Richtig ist, dass der Senat die Arbeit den heutigen Gegebenheiten anpassen möchte. Bekannt sind die Deputationen nur in den Stadtstaaten.

(Unruhe im Hause – Glocke)

Frau Abgeordnete, bitte entschuldigen Sie die Unterbrechung. Aber so geht es nicht. Es ist so laut, dass man selbst hier vorn nichts versteht. Ich bitte um mehr Ruhe. Bitte fahren Sie fort.

Andere Bundesländer sind aber nicht weniger demokratisch, nur weil sie keine Deputationen haben. Wie kam es denn überhaupt zu der Einführung von Deputationen? Ich möchte einmal kurz ausführen, seit wann es Deputationen gibt und hierbei werden Sie sich wundern, seit wann es Deputationen in Hamburg gibt.

Hamburg hatte sich im Jahre 1546 bis 1547 an den berühmten Schmalkaldischen Kriegen beteiligt. Wenn Sie hierzu nähere Informationen haben wollen, kann der Kollege Dr. Jäger später tiefgreifende rechtsgeschichtliche Ausführungen dazu machen. Ich erspare mir das.

(Gesine Dräger SPD: Deswegen steht er auf der Liste oder wie?)

Nein, nicht nur deswegen.

Auch damals kosteten solche Kriege Geld und Hamburg musste durch Steuererhöhungen dieses Geld einnehmen. Der damals regierende Rat der Stadt wollte das nicht ohne jede Rechtfertigung durchsetzen, was wiederum insbesondere bei den zahlungspflichtigen Grundeigentümern und Handelsfamilien sehr stark zu Unruhen führte. Der Rat gab nach und übertrug die Finanzverwaltung im Gegenzug dazu einem Rat von acht Bürgern, die von einer Deputation unterstützt wurden. Die Deputationen stammen also aus dem Jahre 1547.

(Erhard Pumm SPD: Schön, dass Sie uns beleh- ren!)

Ich glaube, Herr Pumm, das ist durchaus ganz wichtig, denn seinerzeit gab es keine weiteren demokratischen Legitimierungen, was ich ganz erstaunlich finde, und man sollte sich das mal klar machen.

(Beifall bei der CDU)

Ich glaube auch nicht, Herr Pumm, dass Sie diese Zeiten zurückverlangen und die Bürgerschaft abschaffen wollen, denn die gab es damals noch nicht.

(Dr. Monika Schaal SPD: Ach, Sie wollen die Deputation gleich abschaffen!)

1859 wurden die Deputationen überarbeitet und quasi Fachbehörden mit Deputationen geschaffen. Vorher hatten nur die Deputationen gearbeitet. In den Deputationen saßen damals schon Bürgerschaftsmitglieder und von der Bürgerschaft gewählte Bürger, wie im Übrigen heute noch in Bremen, wobei die Bürgerschaft aber nicht vollständig aus Wahlen hervorging. Ein großer Teil waren Interessenvertreter und keine demokratisch legitimierten gewählten Abgeordneten. Insoweit sehen wir hier einen gewissen gravierenden Unterschied zu heute, wo wir auf jeden

Fall eine Bürgerschaft haben, die die demokratischen Rechte wahrnimmt. Die Deputationen waren das erste demokratische Gremium dieser Stadt und es gab eine Vorreiterrolle für die gesamte Bundesrepublik.

Seit 1921 hat sich die Gewichtung wirklich verändert. Deputationen sind nicht mehr das demokratisch legitimierte Hauptentscheidungsgremium, sondern sie sind ein Beratungsgremium. So sind sie auch in die Verfassung von 1921 eingegangen.

Die Deputation ist mit vielen Unterbrechungen in der Nazizeit abgeschafft worden und wurde 1952 wieder eingeführt. Sie wird aber nie ausdrücklich in der Hamburger Verfassung erwähnt. Der Artikel 52 spricht aber von der Mitwirkung des Volkes an der Hamburger Verwaltung, insbesondere durch ehrenamtliche Mitglieder der Verwaltungsbehörden.

Auch Bezirksversammlungen und Ortsausschüsse stellen eine Mitwirkung der Bürger dar. Der einfache Gesetzgeber hat dem Bürger diese Möglichkeit gegeben.

(Christa Goetsch GAL: Wo bleibt das Thema!)

Die Verfassung zielt bei dieser Mitwirkung – jetzt komme ich zum Thema, denn Mitwirkung ist ja das, was Sie auch hier bemängelt haben – auf die Deputation. Das ergibt sich aus der Entstehungsgeschichte der Deputation, nämlich des Strebens der Bürger nach Mitwirkung in der Staatsverwaltung. Auch heute ist die Mitwirkung noch Sinn und Zweck der Deputation und diese wollen wir nicht abschaffen. Daher ist die Deputation auch bei nicht wörtlicher Erwähnung in der Verfassung doch verfassungsrechtlich verankert. Ich denke, die ausdrückliche Wiederaufnahme in die Mitwirkung der Verfassung von 1952 spricht auch dafür.

Es gibt aber in den letzten 20 bis 30 Jahren Kritik an den Deputationen.

(Christa Goetsch GAL: Ach!)

Diese kommt im Übrigen durchaus nicht aus unserer Fraktion, wenn ich mir die Literatur der letzten Jahrzehnte anschaue, sondern aus der SPD-Fraktion. Es wird kritisiert. Ich wiederhole jetzt die SPD-Fraktion, die sich über die erhöhte Bürokratisierung beschwerte, da die Deputationen bei jeder wichtigen Entscheidung eingeschaltet werden und es käme zu Zeitverzögerungen.

Und die Deputationen behandeln alles, was später die demokratisch legitimierten Ausschüsse der Bürgerschaft noch einmal beraten. Man kann darüber nachdenken, ob man sie überhaupt noch braucht.

Wir wollen sie immerhin behalten.

(Gesine Dräger SPD: Immerhin!)

Ich kenne hier aber Äußerungen der SPD aus den Siebzigerjahren, dass das Relikte aus vordemokratischer Zeit seien und Entscheidungen in der Verwaltung würden verzögert werden. Das nur noch einmal zu Ihrer Erinnerung.

Zusammenfassend können wir sagen, dass sich die Verfassung sowie die Form der Deputationen im Laufe der Geschichte verändert haben. Von der absoluten Stellung der Deputationen in der Verwaltung bis heute zu einer Gewaltenteilung hat sich alles im demokratischen Sinne verändert. Die Entwicklung der Geschichte unserer Ge

sellschaft hat sich angepasst und das gilt daher heute genauso für die Deputationen. – Vielen Dank.

(Beifall bei der CDU – Lachen bei der GAL)

Das Wort bekommt die Abgeordnete Dräger.

Sehr geehrte Frau Präsidentin, meine sehr verehrten Damen, meine Herren! Frau Spethmann, man fragt sich, was Sie uns eigentlich mit dem soeben Vorgetragenen sagen wollten.

(Dr. Willfried Maier GAL: Die Göttin der Geschich- te steht hier im Raum!)

Die historischen Gegebenheiten über die Deputationen sollten Sie sich vielleicht aufheben, wenn Sie das nächste Mal eine Besuchergruppe durch das Haus führen, die das interessieren könnte. Uns allen ist das größtenteils bekannt.

(Marcus Weinberg CDU: Wann war das noch mal?)

Ich werde mich nicht wie eine Löwenmutter vor die Deputationen werfen. Das ist hier heute gar nicht das Thema.

Ich kann Ihnen auch etwas über die Deputationen erzählen. Sie haben sehr viel über das historische Wachstum dieser Institution ausgeführt und ich will jetzt auch gar nicht so tun, als ob diese Institution ein Beispiel besonderer Frische oder Modernität wäre. Man könnte auch ernsthaft darüber nachdenken, ob nicht andere Institutionen, vielleicht auch Bürgerinnen und Bürger in verstärktem Maße ohne ein bestimmtes Gremium oder die Bürgerschaft selbst bestimmte Aufgaben der Deputationen übernehmen könnten.

(Farid Müller GAL: Genau!)

Über alle diese Möglichkeiten könnte man reden und wir werden in diesem Haus über viele Aspekte diskutieren. In der nächsten Woche haben wir beispielsweise das erste Mal im Rechtsausschuss die Entwürfe für ein Informationsfreiheitsgesetz von der GAL und der SPD auf der Tagesordnung. Hier kann man auch mal darüber reden, ob solche Schritte zu mehr Transparenz führen und man vielleicht Teile der Aufgaben der Deputationen auch ersetzen kann. Es lässt sich über vieles diskutieren.

Aber worüber wir heute reden, bedeutet nicht eine Modernisierung, Verbesserung, Demokratisierung oder mehr Transparenz, sondern heute wird darüber diskutiert, dass Sie ein bestehendes Gremium ohne irgendeinen Ersatz in seiner Arbeitsfähigkeit weiter einschränken wollen. Nach den Vorlagen dieser Drucksache, die jetzt auf der Tagesordnung steht, habe ich keine Hoffnung, dass Sie die Souveränität besitzen, das Wagnis von mehr Öffentlichkeit und mehr Transparenz einzugehen,

(Erhard Pumm SPD: Das ist wie bei der Volks- gesetzgebung!)

sondern es verfestigt sich der Eindruck, dass Sie das scheuen, wie der Teufel das Weihwasser.

(Beifall bei der SPD und der GAL)

Man möchte im Senat Mäuschen gewesen sein, als Sie diese Vorlage beraten haben. Ich stelle mir das ungefähr so vor: Sie haben dort gesessen und sich gegenseitig

bedauert. Mein Gott, letzte Woche die Deputation, die wusste wieder viel zu viel.

(Erhard Pumm SPD: Schulbereich!)

Dann hat die Deputation auch noch geäußert, dass sie die Akten sehen will. Dann wissen sie ja noch mehr. Sie wissen jetzt schon mehr über diese ganzen Beschlussvorlagen als ich. Das halte ich nicht mehr aus.