Protokoll der Sitzung vom 23.06.2005

Nein, es gibt hier auch noch etwas anderes. Wir hatten sehr viele stille Einlagen und diese stillen Einlagen mussten anteilmäßig auf die Anteilseigner ausgezahlt beziehungsweise entsprechend quotiert werden. So geschah es denn, dass wir aus der Niederlage plötzlich feststellten, dass wir über den Transfer unserer Einlagen zurück an die Landesbank einerseits und an andere Anteilseigner andererseits eine Einnahme von 390 Millionen Euro im hamburgischen Haushalt hatten. Eine wirklich wunder

same Geldvermehrung, die man eigentlich normalerweise nicht erwarten könnte, fast wie ein Lotteriespiel.

Der Senat hat uns glaubwürdig im Haushaltsausschuss versichert, dass das eine unbeabsichtigte Form der Finanzpolitik war, was wir ihm zweifellos auch geglaubt haben, weil man so etwas kaum planen kann.

(Beifall bei der SPD)

Trotzdem ist das nur die Oberfläche der ganzen Angelegenheit; denn jene Einlage, die jetzt auf einmal zur Einnahme wurde, war ursprünglich ein von der HGV, einem unserer Unternehmen, aufgenommener Kredit über fast 1 Milliarde Euro.

Wir haben also jetzt eine zweite wundersame Wandlung. Nicht nur die Wandlung von einer Einlage zu einer Einnahme, sondern die Wandlung von der Schuld eines öffentlichen Unternehmens zu einer Einnahme im hamburgischen Haushalt.

Hier beginnt die unbeabsichtigte Finanzpolitik zur problematischen Finanzpolitik zu mutieren; denn jetzt reden wir über etwas ganz anderes. Wir reden jetzt nämlich darüber, dass es eindeutig eine Kreditfinanzierung des hamburgischen Haushalts über den Umweg eines öffentlichen Unternehmens gibt. Das ist hochproblematisch, wie Sie vielleicht alle wissen.

(Rolf-Dieter Klooß SPD: Wie Geld drucken!)

Wenn ich Sie nun alle so betrachte und mich daran erinnere, dass die CDU-Fraktion zumindest einmal finanzpolitische Prinzipien hatte, als es ihr noch erlaubt war, welche zu haben – vor allen Dingen in Zeiten der Oppositi- on –, dann würde ich, wenn ich mich in Sie hineinversetze, eigentlich sagen, dass Sie mit mir sicherlich einer Meinung wären, dass wir das nicht als Einnahme verbuchen können, sondern dass wir den Kredit unseres Unternehmens zurückführen müssten. Ich glaube, Sie haben furchtbar Recht, bloß Sie dürfen es nicht sagen.

Daher kommen wir jetzt zu einem weiteren Punkt. Es geht hier nicht nur um diesen Fall, sondern auch noch um andere Fälle. Es ist ja nicht das erste Mal, dass die Finanzpolitik des hamburgischen Senats versucht, über die öffentlichen Unternehmen Kredite zu finanzieren. Sie werden sich erinnern, dass der hamburgische Senat gerade vor wenigen Wochen den Finanzabschluss für das Haushaltsjahr 2004 bekannt gegeben hat.

(Vizepräsidentin Bliebenich übernimmt den Vor- sitz.)

Was ist hier geschehen? Vielleicht ist einigen von Ihnen bekannt, dass wir ein bemerkenswertes Unternehmen besitzen, die KG VHG Verwaltung Hamburgische Gebäude GmbH & Co. KG. Diese Hamburgische Verwaltungsgesellschaft mbH & Co. KG hat im Jahre 2004 vom Senat Immobilien über ein Gesellschafterdarlehen übertragen bekommen, das anschließend gekündigt wurde. Daraufhin hat die GmbH & Co. KG für 410 Millionen Euro Kredite aufgenommen und diese an den Hamburger Senat als Rückzahlung des Gesellschafterdarlehens weitergeleitet.

Wir reden jetzt über den zweiten Fall und einer Größenordnung von insgesamt über 700 Millionen Euro, die im hamburgischen Haushalt über öffentliche Unternehmen finanziert worden sind. Und damit sind wir bei dem politischen Punkt dieser ganzen Angelegenheit.

Finanzsenator Peiner hat vor diesem Hause mehrfach erklärt –

(Jürgen Schmidt SPD: Wo ist er denn?)

auch wenn er heute nicht anwesend ist, glaube ich, ihn richtig zu zitieren –, dass es

"Ziel seiner Finanzpolitik ist, die Nettokreditaufnahme zurückzuführen und die Verschuldung der Stadt zu begrenzen".

Wenn man Ihre Zahlen so betrachtet, dann ist das auch durchaus der Fall. Die Nettokreditaufnahme für 2004 wurde in der Tat zurückgefahren. Die Verschuldungsobergrenze wurde um über 200 Millionen Euro unterschritten. Das ist aber reine Dekoration und reines "Window Dressing". Das ist etwa so viel, was Sie auch ansonsten in diesem Senat lieben: Show, Glamour und Glitzer; denn die dunkle Seite Ihrer Finanzpolitik besteht darin, dass sich die öffentlichen Unternehmen im selben Umfang verschulden, wie Sie die Verschuldung der Stadt selbst im Hamburger Haushalt zurückfahren. Das ist das, was hier stattfindet.

(Beifall bei der SPD und der GAL – Jürgen Schmidt SPD: Ertappt!)

Wir haben eine Verlagerung der Verschuldung aus dem Hamburger Haushalt in die Hamburger öffentlichen Unternehmen. Und damit befinden wir uns nicht nur auf der dunklen Seite Ihrer Finanzpolitik, die hier nicht glitzert und die auch nicht mehr solide ist, sondern wir befinden uns in der schwarzen Zone der verbotenen Praktiken, um das einmal sehr direkt zu sagen; denn wir reden hier über eine verdeckte Kreditaufnahme. Verdeckte Kreditaufnahmen, wie Ihnen vielleicht bekannt ist, mögen gesellschaftsrechtlich legal und transaktionsgemäß über die Rückforderung von Gesellschafterdarlehen abzuwickeln sein, aber das hamburgische Haushaltsrecht lässt genau wie das Verfassungsrecht der Bundesrepublik Deutschland keine Umwegfinanzierungen zu. Sie finanzieren im Augenblick Teile des Haushaltes über den Umweg der Verschuldung der öffentlichen Unternehmen.

Man könnte auch Folgendes sagen: Ihre Finanzpolitik ist längst weit weg von der Konsolidierung. Ihre Finanzpolitik besteht zum größten Teil nur noch aus Vermögensveräußerungen, um nicht zu sagen: Dieser Senat frisst das hamburgische Vermögen auf. Ihre Finanzpolitik besteht aus einer Ausplünderung der öffentlichen Unternehmen, die über Gebühr und Maß sowie ihren Auftrag hinaus schlicht verschuldet werden, um Ihren Haushalt zu finanzieren. Das ist mindestens an der Grenze der Verfassungsmäßigkeit, wenn nicht schon eindeutig nicht mehr verfassungsmäßig, was wir durchaus noch prüfen können.

(Beifall bei der SPD)

Jeder Finanzpolitiker würde sich über die wundervolle Geldvermehrung freuen, aber es ist keine wundervolle Geldvermehrung. Es ist eine Verschiebung der Lasten auf spätere Haushalte und andere Generationen; denn wir werden eines Tages für unsere öffentlichen Unternehmen Eigenkapitalzuführungen und Verlustausgleiche bereitstellen müssen. Wir sind bei Praktiken, die nicht nur gefährlich sind, sondern die mit solider Finanzpolitik nichts mehr zu tun haben.

(Beifall bei der SPD und bei Christian Maaß GAL)

Wir wissen, dass jeder Finanzsenator und jeder Finanzminister der Republik in diesen schwierigen Lagen auf dem Hochseil unter der Zirkuskuppel manchmal sehr einsam schwierige Entscheidungen fällen müssen. Aber es müssen solide sowie zukunftsfähige und vor allen Dingen legale Entscheidungen sein. Es muss keine Finanzakrobatik in jenen Grauzonen des finanzpolitischen Niemandslandes sein, wo keiner mehr weiß, ob es noch verfassungsmäßig ist oder nicht – Hauptsache, das Geld ist vorhanden. Das betreiben Sie im Augenblick und daher werden wir dieser Drucksache nicht zustimmen.

(Beifall bei der SPD)

Das Wort erhält die Abgeordnete Ahrons.

Frau Präsidentin, meine Damen, meine Herren! Ich möchte noch einmal rekapitulieren, worüber wir reden.

Am 20. Oktober 2004 hat die EU-Kommission in einer Entscheidung die Einbringung von Wohnungsbauförderungsmaßnahmen in sieben Landesbanken als rechtswidrige Beihilfemaßnahmen und die zwischenzeitlich geleistete Verzinsung als nicht marktgerecht eingestuft.

Dieses Verfahren lief seit 1999 über verschiedene Instanzen. Von dieser Entscheidung war die HSH Nordbank unmittelbar als Rechtsnachfolgerin ihrer zwei Vorläuferinstitute betroffen, und zwar bezog sich diese Kommissionsentscheidung auf die Einbringung von Anteilen der Hamburgischen Wohnungsbaukreditanstalt in die Hamburgische Landesbank

(Michael Neumann SPD: Wir kennen die Drucksa- che!)

und die Einbringung der Investitionsbank SchleswigHolstein in die Landesbank Schleswig-Holstein. Die Kommission wertete diese Verfahrensweise als ungerechtfertigten Wettbewerbsvorteil öffentlicher Banken gegenüber Privatbanken.

(Dr. Andrea Hilgers SPD: Bekannt! – Michael Neumann SPD: Nichts Neues! – Frank-Thorsten Schira CDU: Aber die Öffentlichkeit muss doch in- formiert werden!)

Insgesamt mussten die betroffenen Landesbanken zusammen rund 4,3 Milliarden Euro zurückführen. Davon musste die HSH Nordbank inklusive Zinsen 750 Millionen Euro an Schleswig-Holstein und Hamburg überweisen.

(Dr. Andrea Hilgers SPD: Das ist auch bekannt!)

Bereits mit der Drucksache 17/2434 vom März 2003, in der die Bürgerschaft unter anderem über die Details der von den Anteilseignern der HSH Nordbank geschlossenen Grundsatzvereinbarung im Rahmen der Fusion informiert wird, hat der Senat ausführlich den Sachverhalt dargestellt.

Über die Zahlung dieses Wertausgleiches informierte der Senat die Bürgerschaft – wie gesetzlich vorgesehen – unverzüglich mit der Drucksache 18/1780 am 15. Februar 2005 und bat um nachträgliche Genehmigung. Zudem verwies der Senat auf eine in Kürze nachfolgende und umfangreiche Senatsdrucksache, über die wir heute diskutieren.

Diese Drucksache liegt uns seit Mitte April vor und erläutert nicht nur ausführlich die Hintergründe der EUBeihilfeentscheidung, sondern darüber hinaus auch die Rekapitalisierung der HSH Nordbank.

Im Juli wird Hamburg – natürlich vorbehaltlich unserer Beschlussfassung – der HSH Nordbank einen ertragswirksamen Zuschuss in Höhe von rund 53 Millionen Euro zuführen. Im selben Moment beginnt auch die Anpassung der Eigenkapitalstruktur, die bereits in der Grundsatzvereinbarung 2003 geplant war.

Diese Rekapitalisierung wird über die Qualitätsverbesserung beim Eigenkapital vollzogen. Diese wird dazu führen, dass trotz Substanzverlust von 200 Millionen Euro die Eigenkapitalausstattung der Bank unter externen Bewertungskriterien, beispielsweise von Rating-Agenturen, nicht schlechter bewertet wird.

(Dr. Andrea Hilgers SPD: Wer hat den Besin- nungsaufsatz geschrieben?)

Diese Wandlung von knapp 1,4 Milliarden Euro stillen Einlagen in Stammkapital und Kapitalrücklagen ist bis zum 31. Dezember 2007 geplant. Die Wandlung erfolgt in zwei Schritten: 1. Juli 2005 und 31. Dezember 2007. Damit haben wir die HSH Nordbank für den Wettbewerb gerüstet und sie kann sich auch im Wegfall der staatlichen Garantien zum 19. Juli 2005 wettbewerbsfähig refinanzieren.

(Doris Mandel SPD: Auf Kosten der öffentlichen Unternehmen! – Beifall bei der CDU)

Die vonseiten der Opposition und von Ihnen, Herr Zuckerer, kritisierte angeblich verdeckte Kreditfinanzierung bei der Wandlung der stillen Einlage über die Städtische Holding HGV geht an der Sache vorbei.

Es ist zwar richtig, dass die Rückzahlungen der stillen Einlagen direkt an die Stadt erfolgen und im Rahmen der Vermögensmobilisierung verbucht werden. Aber die HGV erhält als Äquivalent Aktien der HSH Nordbank; denn den von der HGV aufgenommenen Krediten stehen neue Vermögenswerte gegenüber. Diese Konstruktion ist insbesondere unter steuerrechtlichen Kriterien notwendig geworden; denn anderenfalls wären bei der HGV extrem hohe Steuerbelastungen entstanden.

Sie dürfen nicht vergessen, dass der große Vorteil von Aktien gegenüber stillen Einlagen darin besteht, dass diese einen marktfähigen Vermögensgegenstand darstellen. Gleichzeitig beinhaltet das eine Teilnahme am wirtschaftlichen Erfolg der Bank bei deutlich geringerem Risiko im Vergleich zu den stillen Einlagen.

(Gesine Dräger SPD: Wollen Sie die an die West LB verditschen?)

Das Argument, dass hierdurch dem Betriebshaushalt Belastungen von jährlich 80 Millionen Euro entstehen würden, ist schlichtweg falsch. Bei einem Betrag von 391 Millionen Euro, der hier zur Diskussion steht, und einem Zinssatz von derzeit rund 3,4 Prozent entstehen Zinskosten von jährlich rund 13 Millionen Euro. Dem gegenüber stehen weiterhin Einnahmen bei der HGV aus der stillen Einlage, die zwar bis 2008 auf 10,8 Millionen Euro sinken, aber durch Dividendenausschüttungen zumindest teilweise ausgeglichen werden.

Die CDU-Fraktion wird der Senatsdrucksache natürlich zustimmen.