Protokoll der Sitzung vom 26.10.2005

Es wundert mich sehr, dass sowohl Herr Hesse als auch Herr Jäger hier von ein bisschen Rechtsbruch reden. Wir haben jugendliche Zuschauer, wir haben Gäste hier und die Regierungspartei fordert zu ein bisschen Rechtsbruch auf, das sei doch alles nicht so schlimm, das seien doch alles nur Einzelfälle; so geht das wirklich nicht. Jeder Einzelfall für sich ist ein Fall, der genau angesehen werden muss.

Und dann lassen Sie mich Folgendes sagen, weil vielleicht Einzelfälle immer ganz plakativ sind. Die Probleme seien gelöst oder würden gelöst werden, wurde sowohl von Herrn Jäger als auch von Herrn Hesse und erst recht von der Senatorin gesagt.

(Klaus-Peter Hesse CDU: Dann stimmt das!)

Wenn es nach mir gehen würde, würde ich den Untersuchungszeitraum gerne erweitern.

(Klaus-Peter Hesse, Hans-Detlef Roock und Kai Voet van Vormizeele, alle CDU: Wir auch!)

Aber leider geht es nicht nur nach mir. Es gibt durchaus auch Rechtsbrüche und Vorfälle mit Jugendlichen, die sich in der jüngsten Vergangenheit ereignet haben und die beweisen, dass sich das Chaos in der Feuerbergstraße, zu dem Herr Hesse uns auch Recht gegeben hat, weiter fortsetzt.

Ich will Ihnen ein Beispiel eines sehr, sehr schwierigen Jugendlichen schildern, der über ein Jahr in der geschlossenen Unterbringung war und dann probeweise in eine offene Einrichtung verlegt wurde; wir haben das alles in einer Kleinen Anfrage nachgefragt. Von dort kam er wieder zurück, aber das ist nicht das Ding. Die Frage ist, wie kam er zurück. Und es gibt bei diesem Fall drei Sachen, die wirklich bemerkenswert sind.

Erstens ist er im Juni vom SECURITAS-Sicherheitsdienst die ganze Strecke von Schleswig-Holstein hierher, gefesselt in Klettfesseln, zurückgeführt worden. Da ist nichts abgestellt aus der Vergangenheit, da hat der Senat nichts dazugelernt.

(Beifall bei der GAL und der SPD)

Das Zweite ist eine rein formale Geschichte. Dieser Jugendliche kam zurück in die Feuerbergstraße und wurde dort wieder aufgenommen. Aber rein formal ist es so, dass sich der Beschluss zur geschlossenen Unterbringung erledigt hat, wenn er in eine offene Einrichtung kommt. Einen Vorratsbeschluss darf es nicht geben. Auch hier hat der Senat Rechtsbruch begangen. Diesen Fall können wir leider im Untersuchungsausschuss zurzeit nicht klären, aber verlassen Sie sich darauf, dass wir ihn anders klären werden. Es ist ein Rechtsbruch, wenn auf Vorratsbeschluss der Jugendliche dann wieder aufgenommen wird.

Nun mag das im Einzelfall gerechtfertigt sein, aber wissen Sie, wie er aufgenommen wurde. Und das ist etwas, was ich einfach ablehne, wenn wir eben von Herrn Hesse die Kritik hören, zurück zur Kuschelpädagogik. Die Pädagogik von Herrn Hesse sieht so aus: Am besten einsperren und von SECURITAS bedienen lassen und genau das ist im Fall dieses Jugendlichen passiert.

(Hans-Detlef Roock CDU: Grober Unfug!)

Es ist kein grober Unfug, es ist die Realität, das können Sie in unserer Anfrage nachlesen. Aber Sie haben Recht, es ist grober Unfug, was hier passiert ist. Der Jugendliche wurde über fünf Wochen in Einzelbewachung 15 Stunden täglich, zum Teil isoliert in einem Zimmer nur mit einer Matratze, von einem SECURITAS-Mitarbeiter bewacht. So sieht die Pädagogik von Frau Senatorin SchnieberJastram aus und das ist etwas, wofür Sie sich zu verantworten haben. Genau da müssen wir hingucken und das läuft nicht.

(Beifall bei der GAL und vereinzelt bei der SPD)

Das Wort bekommt Herr Böwer.

Es gab noch ein paar Nachfragen des Kollegen Hesse, die ich gerne beantworten will. Aber gestatten Sie mir eine Vorbemerkung, Herr Hesse, bevor ich Ihnen antworte. Es kann einem in dieser Stadt Angst und Bange werden, wenn Sie sagen, diese Behörde sei gut aufgestellt.

(Dr. Andrea Hilgers SPD: Ja!)

Wie muss die Behörde erst aussehen, wenn sie nur ausreichend aufgestellt ist.

(Beifall bei der SPD und der GAL – Klaus-Peter Hesse CDU: Das wissen wir aus Ihrer Zeit, Herr Böwer!)

Sie lamentieren über Kuschelpädagogik und solche Geschichten. Ich will gar nicht erwähnen, dass Sie in anderen Zusammenhängen von tickenden Zeitbomben und Ähnlichem gesprochen haben, das können Sie alles im Pressearchiv nachlesen. Aber eine Einrichtung gerade mit diesen Jugendlichen zu betreiben und ein Jahr lang darauf zu verzichten, ausgebildete Lehrer den Schulunterricht machen zu lassen, das hat mit Pädagogik gar nichts zu tun, das ist fahrlässig.

(Beifall bei der SPD und der GAL)

Sie können gerne hier hingehen und das Ende von Kuschelpädagogik fordern, aber eine Einrichtung mit dieser schwierigen Klientel von Jugendlichen zu fahren, ohne dass dort über Monate Psychologen beschäftigt sind, ist grob fahrlässig.

(Beifall bei der SPD und der GAL)

Sie können weiterhin vom Ende der Kuschelpädagogik reden. Sich eine Einrichtung zusammenzubasteln, in der der Kostenanteil des Wachdienstes ein Vielfaches dessen ausmacht, …

(Glocke)

Gestatten Sie eine Zwischenfrage des Abgeordneten Hesse, Herr Böwer?

Frau Präsidentin, meine sehr verehrten Damen und Herren! Lieber Kollege Böwer, Sie schreiben – ich habe das vorhin zitiert – in der "Welt am Sonntag", dass das Heim in der Feuerbergstraße momentan nicht die Anforderungen erfülle, um derartige Jugendliche sinnvoll zu betreuen. Können Sie bitte die aktuellen Anforderungen, die nicht erfüllt werden, einmal darlegen.

Das kann ich Ihnen sagen. Fangen wir zunächst einmal bei den Räumlichkeiten an. Ich empfehle Ihnen einfach die Lektüre der "Bild"-Zeitung von gestern. Dort wird ein gutes Modell einer geschlossenen Einrichtung beschrieben.

(Klaus-Peter Hesse CDU: Gut!)

Es wird dort etwas über ein Raumprogramm geschrieben, woran die Feuerbergstraße immer gekrankt hat. Es wird dort von einem Freizeitangebot geschrieben, was es in der Feuerbergstraße monate- und jahrelang nicht gegeben hat.

(Klaus-Peter Hesse CDU: Alles vorhanden!)

Und eines kommt hinzu, Herr Hesse. Die Frau Senatorin hat sich jetzt gerade vor die Mitarbeiter gestellt.

(Dr. Andrea Hilgers SPD: Zum ersten Mal!)

Zum ersten Mal. – Seit März 2003 sagen die Mitarbeiter aber, wenn jetzt noch etwas passiert, rollen Köpfe. Das heißt, es ist ein Misstrauen, eine Atmosphäre der Angst gesät worden, für die auch eine gewisse Hauptverantwortung Staatsrat Klaus Meister trägt; das darf man an dieser Stelle nicht verhehlen. Deswegen ist die Frage, Herr Hesse, ob der Schulunterricht qualifiziert ist, ob es genügend jugendpsychiatrischen Dienst dort gibt; die gibt es nämlich im Augenblick nicht. Momentan ist eine halbe Psychologenstelle vakant.

(Dr. Andrea Hilgers SPD: Für wie viele Jugend- liche?)

Und dann fragen Sie nach, was sich im Augenblick nicht ergeben hat: eine ganze Menge.

Fazit: Frau Senatorin, Sie mögen zwar viel können, aber das können Sie mit ganzer Kraft nicht. – Danke.

(Beifall bei der SPD und der GAL)

Das Wort bekommt Herr Dr. Maier für drei Minuten.

Frau Senatorin, ist Ihnen eigentlich aufgefallen, wie Sie von der CDU-Fraktion unterstützt werden?

(Klaus-Peter Hesse CDU: Grandios!)

Herr van Vormizeele sagt, es lag an Rotgrün, ein tiefschürfender Einfall, wenn man nach vier Jahren auf diese Idee kommt.

(Klaus-Peter Hesse CDU: Jahrzehntelange ver- fehlte Jugendpolitik!)

Dann kommt der nächste Unterstützungsbeitrag, der von der Leitkultur-Debatte gestreift worden ist, mit dem Einwand, es sei von Siesta gesprochen worden und das sei

ein Fremdwort. Das ist sozusagen die Perspektive des Hasen von Buxtehude, der Sie da unterstützt.

(Beifall bei der GAL und der SPD)

Die dritte Unterstützung, die Sie bekommen, ist, dass die Fraktion immer wieder sagt, die geschlossene Unterbringung sei aber gut. Zu Ihnen sagt kein Mensch etwas und dass Sie Fehler gemacht haben, wird hier gar nicht bestritten. Nur, Sie stellen sich hier hin und sagen, ich habe viel getan, ich habe nicht geschlafen. Wir haben Ihnen auch gar nicht vorgeworfen, dass Sie generell geschlafen haben, der Tag hat ja 24 Stunden, das ginge gar nicht, sondern dass Sie in dieser Angelegenheit die Augen zugemacht haben. Man hat sogar den Eindruck, dass ein bisschen mit Ukas von oben über die Rechtsbrüche hinweggegangen worden ist. Diese Situation im Auto, wo gesagt worden ist, anhalten, um einen Verkehrsunfall zu vermeiden, ist nur damit erklärbar, dass oben gedacht worden ist, um Gottes Willen keinen Krach mit der Skandalpresse, dann lieber den Jugendlichen zeigen,

(Klaus-Peter Hesse CDU: Den Jugendlichen schützen, Herr Maier!)