Frau Präsidentin, sehr geehrte Damen und Herren! Als wir vor einem Jahr in der Bürgerschaft betroffen über den Tod des Mädchens Jessica gesprochen haben, war uns sehr schnell klar, dass es nicht nur katastrophal ist, dass in Hamburg ein Kind nur sieben Jahre alt wird, von Eltern vernachlässigt, gequält wird und dann elendig stirbt, sondern es hat uns sehr schnell auch die Frage bewegt, wie viele weitere Kinder von Vernachlässigung betroffen und bedroht sind.
Ich glaube, dass in diesem guten Jahr in der Stadt etwas passiert ist, was nicht mehr rückgängig gemacht werden kann, nämlich, dass wir wissen, dass es viele vernachlässigte Kinder gibt und dass hierüber öffentlich diskutiert wird. Dieser Prozess ist unumkehrbar.
Mich erinnert das schon an Debatten, die wir in den letzten Jahrzehnten geführt haben, beispielsweise das Ausmaß der Gewalt gegen Frauen oder die Betroffenheit über den sexuellen Missbrauch von Kindern. Der erste Schritt ist, dass die Themen öffentlich diskutiert werden und auf der Tagesordnung sind. Das ist – glaube ich – passiert und das zeigt auch die heutige Debatte.
Ich möchte noch etwas zu Einzelfällen sagen, die wir in diesem Ausschuss diskutiert haben. Parallel zu unseren Beratungen sind viele weitere Fälle von Kindern bundesweit, aber auch in Hamburg, bekannt geworden, die vernachlässigt und gequält worden sind, wo man sich so schwer vorstellen kann, was dort eigentlich in den Familien passiert ist.
Wir möchten doch eigentlich, dass alle Kinder in Deutschland und in Hamburg so aufwachsen können, dass sie die Chance haben, ein Leben in Selbstbestimmung zu gestalten und zu leben. Wenn man sich mit diesen Schicksalen befasst, was wir dann auch in vertraulicher Sitzung getan haben, dann haben wir schon gemerkt, dass viele dieser Kinder diese Chance von Anfang an nicht haben. Die Vernachlässigung gerade in den ersten Kinderjahren ist so groß, dass der entstandene Entwicklungsrückstand kaum aufgehalten werden kann und dass schon der Eintritt in die Grundschule ein viel zu später Zeitpunkt ist, um zu intervenieren. Hiermit meinen wir Kinder, die gar nicht durch die Maschen des Hilfenetzes gefallen sind, wie das Mädchen Jessica, sondern Kinder, die erfasst wurden, wo der Staat reagiert hat.
Mich persönlich hat der Fall einer Familie, den wir diskutiert haben, lange umgetrieben und beschäftigt mich heute noch. Seit über zehn Jahren wird eine Familie, die sehr viele Kinder hat, durch Familienhilfen aus Steuermitteln und guten Willen unterstützt. Von diesen Kindern hat eines überhaupt nur die Perspektive, einen Hauptschulabschluss zu erreichen. Keines der anderen vielen Geschwisterkinder wird das schaffen. Hier möchte ich nur deutlich machen, dass wir uns ein Hilfesystem so nicht vorstellen. Es muss sich auch in der Qualität etwas ändern, um dort, wo interveniert wird, diesen Kindern die gleichen Chancen einzuräumen. Daher wird auch die Frage der Qualität und nicht die Quantität der sozialen Arbeit ein wichtiges Thema für die nächste Zeit sein.
Es ist hier schon erwähnt worden, dass wir es einfach schaffen müssen, den Kreislauf der Armut zu durchbrechen. Wir haben gelernt, dass es häufig nicht die materielle Not ist, die dazu führt, dass Kinder vernachlässigt werden und vielleicht selbst wieder schlechte Eltern werden, sondern das hat viel mit Vernachlässigung und Bildungsarmut zu tun. Daher ist frühe Bildung und Frühförderung für diese Kinder das Mittel, um diesen Kreislauf zu durchbrechen. Nur wenn wir dort weit vor Beginn der Schulpflicht einschreiten, schaffen wir es, dass aus vernachlässigten Kindern keine Eltern werden, die wiederum ihre Kinder vernachlässigen.
Ich glaube aber auch, dass der Blick auf notwendige Ressourcen geschärft worden ist. Es ist einiges passiert und es gibt auch bei allen Fraktionen ein gewachsenes Bewusstsein dafür, dass wir vielleicht doch etwas mehr Kita-Ganztagsplätze brauchen, um diesen Kindern Chancen zu geben.
Ein Bereich wird zäh und schwierig werden und das ist ganz unmittelbar auch Aufgabe der politisch verantwortlichen Senatorinnen Schnieber-Jastram und DingesDierig, aber auch von Finanzsenator Peiner, der für die Bezirke zuständig ist. Besonders zäh scheint es zu sein, wenn es darum geht, bürokratische Strukturen zu zerschlagen. Dort ist es wichtig, politisch tätig zu werden. Niemand in dieser Stadt hat Verständnis dafür, wenn
Kindern nicht geholfen werden kann, weil sich staatliche Stellen nicht einigen können, wer gerade zuständig ist. Das ist aber leider immer noch Realität.
Wir reden seit Jahren darüber, wie Verwaltung in Hamburg effizienter gestaltet werden kann. Wir haben in den Kundenzentren geschafft, dass die Wartezeit, die man aufwenden muss, um seinen Personalausweis verlängern zu können, deutlich reduziert wird. Wir wünschen uns auch, dass die Wartezeiten verkürzt werden, wenn es darum geht, Kindern zu helfen.
Im Nachhinein muss man sagen, dass es auch schön gewesen wäre, wenn jede Verwaltungsreform dort ihren Ausgang genommen hätte.
Ich komme auch zum Schluss. Es wird nicht die letzte Debatte sein, die wir hier zu diesem Thema führen. Das wissen Sie. Der Senat ist zwar den Ausschuss als dauerndes Kontrollelement los, aber alle Abgeordneten, die mitgearbeitet haben, und viele mehr werden Sie sehr kritisch, aber auch unterstützend begleiten, wenn es um das Wohl der Kinder geht. – Vielen Dank.
Sehr geehrte Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Der Bürgermeister hat zu Recht gesagt, dass in Hamburg keine Kinder mehr durch das Rost fallen dürfen. Der Schutz unserer Kinder vor Vernachlässigung und Gewalt ist und bleibt unsere Aufgabe. Hier ist die Gesellschaft insgesamt gefordert, aber auch der Staat, der nach Artikel 6 des Grundgesetzes darüber wacht, dass die Eltern ihren Pflichten nachkommen. Der Tod der kleinen Jessica hat uns gezeigt, was das im Einzelfall bedeuten kann und welche Verantwortung dem Staat zuwächst, wenn die Eltern versagen.
Wir haben alle erkannt, dass man für den Schutz der Kinder mehr tun muss. Der Sonderausschuss "Vernachlässigte Kinder" hat am 20. Januar Empfehlungen vorgelegt, wie dieses Ziel in Zukunft besser erreicht werden kann. Die Empfehlungen liegen Ihnen vor und wurden einstimmig so beschlossen. Daher möchte ich auch nicht noch einmal im Detail darauf eingehen. Nur so viel, ich glaube, dass es uns gelungen ist, deutlich zu machen, worum es gehen muss, nämlich eine bessere Vernetzung und Zusammenarbeit der Dienststellen, mehr Informationen, mehr Austausch, bessere Erfahrungen und Speicherung von Daten, eine ganzheitliche Betrachtungsweise der Familiensituation, mehr aufsuchende Sozialarbeit, Ausbau von niedrigschwelligen Angeboten, wie Mütterberatungsstellen, um nur einige Beispiele zu nennen. Diese Empfehlungen ergänzen die Politik, die unser Senat bereits eingeleitet hat. Ich verweise hier auf die umfassende Drucksache "Hamburg schützt seine Kinder", die wir bereits diskutiert haben. Viele der dort verankerten Ziele wurden umgesetzt, bevor der Sonderausschuss seine Arbeit beendet hatte.
Die Hotline Kinderschutz hat ihre Arbeit bereits aufgenommen. Die Task Force mit acht zusätzlichen Kräften ist auf den Weg gebracht. Die Besetzung aller vakanten
Stellen bei den Allgemeinen Sozialen Diensten läuft. Weitere zehn Stellen Mobilitätsreserve und zwei zusätzliche Stellen für Bergedorf kommen hinzu.
Die Bundesratsinitiative zur Verbindlichkeit der U-Untersuchung ist auf den Weg gebracht. Ich bin sehr optimistisch, dass wir hier auf Bundesebene etwas erreichen werden. Mit der Initiative wollen wir vor allem bewirken, dass mehr Eltern die Untersuchungen nutzen, der Datenaustausch optimiert wird und bei einem Fernbleiben von Untersuchungen staatliche Stellen helfend eingreifen können.
Ich persönlich bin davon überzeugt, dass die U-Untersuchungen das am besten geeignete Instrument sind, um Defizite zu erkennen, denn die Facetten, die diese Untersuchungen abdecken, sind heute schon sehr umfassend und ermöglichen Rückschlüsse auf Vernachlässigungen. Ich freue mich daher auch sehr, dass unser Senat mit der Bundesratsinitiative hier so schnell und pragmatisch reagiert hat.
Positiv hervorheben möchte ich auch die mit Wirkung zum 1. Januar 2006 in Kraft getretene Änderung des Kindertagesbetreuungsgesetzes, die zur Folge hat, dass Kinder ab drei Jahren bei der Aufnahme in eine Kita untersucht werden sollen, insbesondere wenn keine Bescheinigung der U-Untersuchung vorliegt. Das zeigt ganz deutlich, dass Hamburg gerade bei der gesundheitlichen Vorsorge der Kinder sehr aktiv ist und schon bedeutende Schritte in die Wege eingeleitet hat.
In diesem Zusammenhang möchte ich auch auf die Debatten in den anderen Bundesländern zum Schutz der Kinder verweisen. Das Thema wird nicht nur in Hamburg diskutiert, sondern auch bundesweit. Die CDU-Fraktion im Berliner Abgeordnetenhaus hat am 4. Januar ein Sofortprogramm zur Schaffung eines "Netzwerkes Kinderschutz und Prävention" beantragt. Die Forderungen decken sich in weiten Teilen mit denen aus Hamburg. Auch im Saarland und in Brandenburg werden vergleichbare Diskussionen geführt.
Mit Sicherheit ist das kein Grund, dass Hamburg sich rühmen kann, in einigen Punkten Vorreiter gewesen zu sein. Es kann nicht darum gehen, sich mit guten Ratschlägen zu überbieten. Dennoch sehe ich es positiv, dass der Kinderschutz jetzt bundesweit diskutiert wird. Daraus ergeben sich neue Chancen.
Der Sonderausschuss in Hamburg hat aber auch gezeigt, dass wir erst am Anfang eines langen Weges stehen. Wir haben jetzt Maßnahmen auf den Weg gebracht, die wichtig und richtig sind, deren Wirksamkeit wir nur erhoffen, aber noch nicht bestätigen können. Wir müssen jetzt überprüfen, ob diese Maßnahmen auch greifen. Vor allem müssen wir aber Sorge tragen, dass das Thema dauerhaft in unseren Köpfen bleibt.
Probleme gibt es in einer Großstadt wie Hamburg viele. Und die Schlagzeilen in den Zeitungen wechseln von Tag zu Tag. Der Schutz der Kinder bleibt aber unsere wichtigste Aufgabe.
Wer möchte der Ausschussempfehlung folgen und das darin enthaltene Ersuchen beschließen? – Gegenprobe. – Enthaltungen? – Das ist somit einstimmig beschlossen.
Bevor wir zum nächsten Tagesordnungspunkt kommen, gebe ich Ihnen die Auswertung der Stimmzettel bekannt.
Bei der Wahl eines stellvertretenden Mitglieds des Kongresses der Gemeinden und Regionen Europas sind 108 Stimmzettel abgegeben worden. Davon war eine Stimme ungültig, also 107 Stimmzettel gültig. Frau Bettina Machaczek erhielt 79 Ja-Stimmen, 23 NeinStimmen und 5 Enthaltungen. Damit ist Frau Machaczek gewählt worden.
Bei der Wahl einer oder eines Deputieren der Behörde für Inneres sind 108 Stimmzettel abgegeben worden. Davon war eine Stimme ungültig, also 107 Stimmzettel gültig. Herr Wolfgang Molitor erhielt 83 Ja-Stimmen, 11 NeinStimmen und 13 Enthaltungen. Damit ist Herr Molitor gewählt worden.
Bei der Wahl einer oder eines Deputierten der Justizbehörde aus der Drucksache 18/3499 sind 108 Stimmzettel abgegeben worden. Alle waren gültig. Herr Lars Görlitz erhielt 81 Ja-Stimmen, 11 Nein-Stimmen und 16 Enthaltungen. Damit ist Herr Görlitz gewählt worden.
Bei der Wahl einer oder eines Deputierten des Justizbehörde aus der Drucksache 18/3554 sind 108 Stimmzettel abgegeben worden. Alle waren gültig. Herr André Wegner erhielt 81 Ja-Stimmen, 11 Nein-Stimmen und 16 Enthaltungen. Damit ist Herr Wegner gewählt worden.
Somit kommen wir jetzt zum Tagesordnungspunkt 44, Drucksache 18/3539, Antrag der CDU-Fraktion: Verbot der Zweckentfremdung von Wohnraum.
Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Die derzeit noch geltende Zweckentfremdungsverordnung ist für Hamburg ein wichtiges Instrument, um keinen weiteren Druck auf den Wohnungsmarkt zu erzeugen. Für den Mietwohnungsbau gehen alle fachlichen Stellen davon aus, dass wir in Hamburg die Situation einer Vollvermietung haben. Gelegentliche Leerstände sind fluktuations- und modernisierungsbedingt, aber nicht auf Vermarktungsprobleme zurückzuführen.
Im Vorspann des Antrages habe ich den derzeitigen Sachstand und die Situation in unserer Stadt dargestellt und will daher nicht noch einmal ausführlich darauf eingehen. Aufgrund dieser Situation haben wir in der letzten Legislaturperiode eine Bundesratsinitiative mit dem Ziel auf den Weg gebracht, eine so genannte Stadtstaatenklausel zu erwirken. Eine Bundesratsinitiative deshalb, weil es sich hier um Bundesrecht handelt und Hamburg nur so in den Entscheidungsprozess eingreifen kann.
Sie haben mittlerweile verfolgen können, dass das Bundesland Bayern im vorletzten Jahr einen weitergehenden Vorschlag eingebracht hat, der vorsieht, das Bundesrecht insgesamt aufzuheben und es den Ländern überlassen werden soll, eigene Regelungen zu treffen. Trotz Zustimmung des Rechtsausschusses des Bundestages hat sich inzwischen eine neue Lage ergeben. Der Rechtsausschuss hat nämlich seinen Beschluss wieder einkassiert. Das ist zwar ein sehr ungewöhnliches Verfahren, aber bis zur Überweisung der Beschlussempfehlung möglich. Es wurde seinerzeit eine Vertagung der Bundesratsvorlage aus Hamburg und Bayern mit den Hinweis erwartet, den weiteren Fortgang der Föderalismuskommission abzuwarten.
In diese Richtung wird es auch in der neuen Legislaturperiode gehen. Nach meiner Kenntnis hat man sich in der Koalitionsvereinbarung darauf verständigt, die Föderalismusgespräche weiterzuführen und den Prozess voranzutreiben. Daher sollten wir in Hamburg darauf vorbereitet sein, wenn es zu einer Entscheidung des Bundestages kommt und es Hamburg überlassen, eigene Regelungen zu treffen.
Nach fachlicher Einschätzung besteht bei uns ein Zweckentfremdungsdruck, vor allem für zentral gelegene Ortsteile rund um die Alster, St. Georg, Uhlenhorst, Winterhude, Eppendorf, Harvestehude und Rotherbaum. Hinzukommen besonders nachgefragte Quartiere, wie beispielsweise Ottensen. Hiergegen bestehen Überlegungen, Bezirke wie Harburg, Bergedorf und Wandsbek flächendeckend vom Verbot der Zweckentfremdung auszunehmen. Eine präzise Eingrenzung der Gebiete, wo das Zweckentfremdungsverbot weiterhin gelten soll, muss allerdings noch sorgfältig geklärt werden. Dieses ist ein ergebnisoffener Prozess nach Schaffung der gesetzlichen Voraussetzungen. Hierbei sollen nach unserer Auffassung insbesondere die Bezirke und auch die Bezirksgremien intensiv mit einbezogen werden.
Wir werden uns mittelfristig auf eine neue Lage einstellen müssen und hierfür sollten wir gerüstet sein, um auch zukünftig den Wohnraum schützen zu können. – Dankeschön.