Protokoll der Sitzung vom 01.02.2006

Wir werden uns mittelfristig auf eine neue Lage einstellen müssen und hierfür sollten wir gerüstet sein, um auch zukünftig den Wohnraum schützen zu können. – Dankeschön.

(Beifall bei der CDU)

Das Wort erhält der Abgeordnete Quast.

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Natürlich ist es sinnvoll, sogar geboten, landesrechtliche Regelungen zum Zweckentfremdungsverbot zu schaffen, wenn das Bundesrecht aufgehoben wird, Herr Roock. Aber jetzt schon den Senat aufzufordern, sich vorzubereiten, wo noch nicht einmal feststeht, wann es denn soweit sein wird, hat schon seine besondere Bedeutung, Herr Roock.

Es sind vier kurze Absätze, die die bisherige Zweckentfremdungsverordnung ausmachen. Und Sie meinen, schon jetzt den Senat auffordern zu müssen, sich Gedanken zu machen und einen Gesetzentwurf einzubringen. Das zeigt schon, was Sie von Ihrem Senat halten.

(Vereinzelter Beifall bei der SPD)

Im Übrigen haben wir nicht das Problem, dass wir in diesem Bereich Landesrecht schaffen, wenn Bundesrecht

wegfällt, sondern das Problem, was wir in Ihrem Antrag sehen, ist, dass Sie das Zweckentfremdungsverbot auf bestimmte Stadtteile beschränken wollen. Das haben Sie soeben noch einmal ausgeführt. Das lehnen wir ab, denn dieses Vorgehen höhlt die Zweckentfremdungsverordnung beziehungsweise den Schutz vor Zweckentfremdung aus.

(Vereinzelter Beifall bei der SPD)

Hamburg ist als Ganzes, als ein Markt im Wohnungsbereich anzusehen. Das kann man nicht auf Stadtteile herunterbrechen. Würde man das tun und das Zweckentfremdungsverbot auf Teilgebiete beschränken, droht das Instrument ganz wegzufallen. Das wollen wir nicht. Glauben Sie ernsthaft, Herr Roock, dass die Regelung für Harvestehunde Bestand hätte, wenn für das benachbarte Eppendorf ein Zweckentfremdungsverbot nicht mehr existiert und nicht mehr als notwendig angesehen werden würde? Wie wollen Sie gerichtsfeste Grenzen schaffen? Wir glauben, dass das nicht funktioniert und daher muss man Hamburg weiterhin als Ganzes ansehen.

Die CDU-Initiative aber droht, dem von ihr selbst als wichtiges Instrument bezeichneten Zweckentfremdungsverbot den Todesstoß zu versetzen. Wir halten es hier mit der BSU, die auf ihrer Homepage auch die Zweckentfremdungsverordnung als wichtiges Instrument bezeichnet hat.

In der Debatte, die wir vor einigen Jahren zu dem Thema geführt haben, haben Sie damals als Begründung ausgeführt, man müsse es in bestimmten Stadtteilen, die besondere Entwicklungsgebiete sind, möglich machen, dort in Wohngebäuden auch Gewerbeflächen zu schaffen, um eine bessere Durchmischung dieser Viertel zu erreichen. Genau das lässt aber die heutige Verordnung bereits zu, denn sie verbietet keine Umwandlung, sondern stellt sie unter Genehmigungsvorbehalt. Deswegen wird in der Praxis auch jedem zweiten Antrag auf Zweckentfremdung stattgegeben.

Aufgabe der Zweckentfremdungsverordnung ist es, die Versorgung der Bevölkerung mit ausreichendem Wohnraum zu angemessenen Bedingungen sicherzustellen. Noch im Jahre 2002 hat das Oberverwaltungsgericht die Auffassung vertreten, dass dies in Hamburg trotz intensiver Wohnungsbaubemühungen in den Neunzigerjahren noch nicht gegeben ist.

Erinnern wir uns: Ende der Neunzigerjahre haben wir noch über 6500 Wohnungen im Jahr gebaut. 2004, Herr Roock, unter Ihrer Verantwortung waren es gerade noch 3800 Wohnungen und für das vergangene Jahr ist zu befürchten, dass eben noch um die 3000 neue Wohnungen gebaut worden sind. Der Wohnungsbau in Hamburg liegt danieder, große Engpässe sind zu erwarten. Insofern ist eine Zweckentfremdungsverordnung wichtiger denn je.

Das Oberverwaltungsgericht hat ebenfalls im Jahre 2002 Steigerungen im Mietenspiegel als Begründung für sein Urteil herangezogen, als es dem Antrag, eine Zweckentfremdung zuzulassen, nicht stattgegeben hat. Seitdem haben wir – nach den moderaten Steigerungen laut Mietenspiegel in den Neunzigerjahren – aber erhebliche Steigerungen in zwei Sprüngen erlebt. Auch das ist ein Grund, an dem festzuhalten, was wir bisher haben.

Mit ihrem Antrag gaukelt die CDU eine Initiative vor für die Wohnraumversorgung und für die Mieter in Hamburg.

Ihre Taten sind aber tatsächlich ganz andere. Zunächst betreiben Sie die Abschaffung der gesetzlichen Grundlage für die Zweckentfremdung im Bund und jetzt fordern Sie eine Gesetzesinitiative des Senats ein. Das passt so nicht zusammen, meine Damen und Herren.

(Beifall bei der SPD)

Diese Politik steht in einer Reihe mit Ihrer gegen Mieter gerichteten Politik in den vergangenen Jahren. Sie haben die Zinsen im geförderten Wohnungsbau erhöht, Sie haben die Mittel für die Wohnungsbauförderung gekürzt, Sie kassieren bei SAGA/GWG über Zwangsdividenden ab, Sie verkaufen Erbbaurechte und Sie pressen 500 Millionen Euro aus der SAGA heraus, indem diese die GWG kaufen muss – das alles zulasten der Mieter.

Die Krönung Ihrer Wohnungsbaupolitik ist das Versagen beim Wohnungsbau Jahr für Jahr. Ihre Politik bewirkt, dass die Zweckentfremdungsverbotsverordnung immer wichtiger wird und auch deswegen Bestand haben muss. – Vielen Dank.

(Beifall bei der SPD und bei Katja Husen GAL)

Das Wort erhält der Abgeordnete Lieven.

Frau Vorsitzende, meine Damen und Herren! Es ist eigentlich schade, dass die CDU nicht ein etwas knackigeres Thema angemeldet hat wie zum Beispiel die Kinderzimmerzulage. Darüber hätte man sich hier wirklich trefflich streiten können.

(Bernd Reinert CDU: Das hätten Sie ja anmelden können!)

Sie gehen den Weg des geringeren Widerstandes und melden lieber etwas an, was zu keiner Zeit die Idee einer CDU-geführten Regierung gewesen ist und worüber breiter Konsens herrscht: die Notwendigkeit der Zweckentfremdungsverordnung.

Die Zweckentfremdungsverordnung, das ist gesagt worden, ist ein wichtiges Instrument zum Schutze von Wohnungen vor Umwandlung in Gewerberäume und damit zur Sicherung eines ausreichenden Angebots an Wohnungen gerade in Stadtstaaten und Ballungsräumen.

Zwar haben gegenwärtig nur noch vier Bundesländer eine Zweckentfremdungsverordnung, aber welche Länder sind das? Es sind das größte Bundesland NordrheinWestfalen sowie Bayern, Baden-Württemberg und Hamburg. Diese Länder verfügen über einen deutlichen Nachfrageüberhang auf dem Wohnungsmarkt, ergo wo es eine fortdauernde Wohnungsknappheit gibt.

Wie Sie richtig feststellen, ermächtigt Artikel 6 Paragraph 1 Absatz 1 des Gesetzes zur Verbesserung des Mietrechts die Länder, für Gemeinden Zweckentfremdungsverordnungen festzusetzen. Pech für die Stadtstaaten, die keine Gemeinden haben. Die müssen das dann für das ganze Stadtgebiet festsetzen. Ihr Ansatz aber, die Ermächtigungsgrundlage so zu fassen, dass sie auch für Teile von Stadtstaaten festgesetzt werden kann, haben die Bundesregierung und der Bundestag zurückgewiesen. Dort sind Sie mit Ihrem Antrag, den Sie hier vor ungefähr drei Jahren eingebracht haben, gescheitert, weil er nicht rechtssicher umsetzbar war. Das ist in der Begründung der Bundesregierung so niedergelegt und die

hätten Sie sich gründlich durchlesen sollen, bevor Sie diesen Antrag hier eingebracht haben.

Offenbar ist es nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungs- und Bundesverfassungsgerichts nur dann zulässig, eine Zweckentfremdungsverordnung zu erlassen, wenn die Wohnraumversorgung in einem Gemeindegebiet oder in einem Stadtstaat insgesamt gefährdet ist. Das wurde für Hamburg immerhin noch im Jahre 2002 gerichtlich festgestellt. Bei einer Beschränkung auf Teile der Stadt droht allerdings die Ermächtigungsgrundlage für die gesamte Verordnung hinfällig zu werden, weil sie dann einen unverhältnismäßigen Eingriff in die Rechte der Wohnungseigentümer darstellt. Sie befinden sich also mit dieser Differenzierungslösung auf einem gefährlichen Weg.

Das ist zwar aus Sicht der Stadtstaaten und auch aus unserer Sicht nicht befriedigend, aber wir müssen diese Rechtsprechung zur Kenntnis nehmen. Nun soll die Regelungskompetenz insgesamt im Zuge der Föderalismusreform auf die Länder übergehen, was im Prinzip richtig ist, da nur noch vier Länder davon Gebrauch machen.

Erste Priorität für Hamburg muss es aber dabei sein, beim Übergang der Regelungskompetenz dafür zu sorgen, dass Hamburg insgesamt eine Zweckentfremdungsverordnung behält. Das ist aus unserer Sicht der entscheidende Punkt.

Wenn es rechtssicher zu machen ist, diese auch auf Teilgebiete der Stadt zu beschränken, gut und schön, aber wenn es nur für die Gesamtstadt geht, dann muss es auch für die Gesamtstadt gemacht werden. Es ist abzuwägen zwischen den Verbesserungen, die sich in einigen peripheren Stadtgebieten erzielen lässt, und den Verschlechterungen, die sich in den vielen zentralen Wohngebieten ergeben würden, denn der Druck auf die Umwandlung von Wohnungen in Büroräume, Kanzleien und Arztpraxen ist ungebrochen, vor allem in den gewachsenen Stadtteilen rund um die Alster in Hamburg. Mit Büros lässt sich eben immer noch mehr Geld verdienen als mit Wohnungen. Wenn man das Wohnen in der Stadt stärken will, worüber in diesem Hause auch Konsens herrscht, und den Trend zum Rückzug von Menschen in die Stadt fördern will, dann muss man diesen attraktiven Wohnraum vor der Umwandlung schützen.

Ein weiterer Aspekt – ein Randaspekt, aber, ich denke, man sollte ihn nicht übersehen –, das Vorgehen gegen so genannte Modellwohnungen, in denen der Prostitution nachgegangen wird, stützt sich auf diese Zweckentfremdungsverordnung. Das ist vielleicht ein Faktor, der sich nicht in großen Fallzahlen ausdrückt, der aber dennoch sehr wichtig und zu sehen ist. Dafür ist die Zweckentfremdungsverordnung Voraussetzung.

Herr Quast hatte es richtig bemerkt, die Zweckentfremdungsverordnung setzt kein absolutes Verbot der Zweckentfremdung fest, sondern sie stellt es unter einen Erlaubnisvorbehalt. Dementsprechend sind in den letzten Jahren auch 40 Prozent aller Anträge positiv beschieden worden. Man hat also eine Flexibilität in der Anwendung dieses Instruments. Damit ist klar, ein totaler Wegfall der Zweckentfremdungsverordnung würde auf jeden Fall mehr negative als positive Auswirkungen haben und darf deswegen nicht forciert werden.

So verstehe ich auch den Aufbau des Petitums in Ihrem Antrag, in dem Sie sagen, dass eine landesgesetzliche Regelung eingeführt werden soll, sobald das Land dafür zuständig ist, und dass eine räumliche Differenzierung nur dann passieren soll, wenn es rechtssicher möglich ist. Nur unter dieser Voraussetzung und Maßgabe können wir Ihrem Antrag zustimmen und sehen dem entgegen, dass wir in Hamburg weiterhin eine Zweckentfremdungsverordnung haben werden. – Vielen Dank.

(Beifall bei der GAL und vereinzelt bei der SPD)

Das Wort erhält Herr Roock.

Lieber Herr Kollege Quast, der Kollege Lieven hat es ja begriffen, was wir mit unserem Antrag wollen. Sie haben es nicht begriffen, Sie haben hier einmal wieder zu einem Globalrundumschlag ausgeholt, mit SAGA und GWG in einem Topf, mit Mietpreisen. Gefehlt hätte jetzt nur noch die Wohnungsnot.

Ich will Ihnen im Kern noch einmal deutlich machen, worum es uns überhaupt geht. Wir wollen mit unserem Antrag bezwecken, dass wir in Stadtteilen, in denen ein politisch nicht gewollter Zweckentfremdungsdruck besteht, ein Steuerungsmittel haben, um der Vernichtung von Wohnraum entgegenzuwirken. Zum anderen wollen wir in Stadtteilen, die bei der gegebenen Wohnungsmarktlage, die entgegen Ihren Behauptungen zurzeit immer noch ausgeglichen ist, von keinem erheblichen Zweckentfremdungsdruck betroffen sind, im Interesse einer Revitalisierung, Durchmischung von Wohnen und Gewerbe eine vernünftige Lösung herbeiführen. Diese Maßnahmen sollen insbesondere für Gebiete der aktiven Stadtteilentwicklung und vor dem Hintergrund der Stabilisierung solcher Quartiere gelten. Das ist vernünftig und genau der richtige Ansatz, den wir hier verfolgen. Darum verstehe ich Ihre Einlassungen überhaupt nicht.

(Beifall bei der CDU)

Das Wort erhält Herr Quast.

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Nur um es klarzustellen, Herr Roock: Sie haben mir auch nicht zugehört. Ich habe deutlich gemacht, dass das, was Sie vorhaben, letztlich den Bestand von Zweckentfremdungsverordnungen dann auch in den Stadtteilen, wo Sie sie auch aufrechterhalten wollen, bedrohen würde. Das haben die Gerichtsurteile, die auch Herr Lieven zitiert hat, ausreichend deutlich gemacht. Insofern haben wir Sorge, dass es insgesamt wegbricht.

Der zweite Punkt ist der, auch das hatte ich ausgeführt: Wenn Sie es wirklich wollten, dass die Durchmischung in bestimmten Stadtteilen besser stattfinden kann, dann ist die heutige Zweckentfremdungsverordnung, wie wir Sie haben, kein Hindernis. Verstecken Sie sich nicht hinter Verordnungen, fangen Sie an, das, was Sie machen wollen, zu tun. Sie können es mit der heutigen Verordnung machen. Sie packen es nur nicht, Herr Roock.

(Beifall bei der SPD – Hans-Detlef Roock CDU: Wenn sie wegfällt, fällt sie weg!)

Das Wort erhält Herr Lieven.

Meine Damen und Herren! Ich hatte es eben gesagt, wir stimmen dem Antrag zu. Ich verstehe das Petitum tatsächlich so: Im Indikativ ist formuliert, dass eine Zweckentfremdungsverordnung gemacht werden soll, und im Konjunktiv heißt es, es sollte möglich sein, sie auf Stadtteile zu begrenzen. Dann ist das okay, das finden wir auch im Sinne dessen, was Herr Roock gesagt und wie es im Übrigen der Berliner und Hamburger Antrag im Bundestag vorgesehen hat; Berlin wissend, dass es dort viele Gebiete der sozialen Stadtentwicklung gibt, in denen das Sinn macht.

Ich möchte bitten, dass dieser Antrag nachträglich an den Stadtentwicklungsausschuss überwiesen wird, damit uns die Behörde die Modalitäten klarlegen kann. Das spricht nicht dagegen, ihn jetzt hier abzustimmen. – Vielen Dank.

(Beifall bei der GAL)