Ich will aber doch mit ein paar Punkten aufräumen, die Herr Müller hier genannt hat, nämlich der Frage, ob in 50 oder in 17 Wahlkreisen mehr Demokratie drin ist. Da haben wir in den Debatten immer gesagt, natürlich in 50 Wahlkreisen, denn man muss mit einigen Märchen aufräumen. Die Märchen bestehen doch aus folgenden Dingen: Wenn aus 17 Wahlkreisen, die wir haben werden, fünf Abgeordnete von verschiedenen Parteien in diesem Parlament landen, dann ist es doch ein Märchen – und das werden nicht nur diejenigen bestätigen, die wie ich etwas länger dabei sind –, dass sich die ausgerechnet hier in diesem Parlament einigen und für ihren Stadtteil stimmen werden. Das möchte ich einmal erleben. Ich glaube, das wird nicht so sein. Das wird auch zur Schwächung dieses Parlamentes beitragen, das wird man sehen.
Weil Sie alle so nett applaudiert haben, will ich das Beispiel des Ringes 3 jetzt nicht ausweiten. Wir wissen aber alle, was damit gemeint ist.
Das heißt also, für uns sind 17 Wahlkreise das schwächere Argument beim Mitmachen von Demokratie. Für uns sind 50 Wahlkreise die Lösung, bei der man sagen kann, das sei eine Demokratie zum Mitmachen. Wir werden hier 50 Abgeordnete haben, die aus Wahlkreisen kommen, und 71, die nicht aus Wahlkreisen kommen.
Und, Herr Müller, was die Frage betrifft, warum wir unsere Liebe so spät entdecken: Wir haben ja nur eine Teilzeitliebe entdeckt, weil niemand in diesem Hause sich zu sagen traut, dass natürlich über Wahlkreise diskutiert werden muss. Aber dann müssen wir auch darüber diskutieren, ob die Abgeordneten nur ab 17 Uhr Abgeordnete sein dürfen. Das ist doch die Lüge.
Wir haben auch schon beim letzten Mal deutlich gemacht, dass wir glauben, dass wir – in Zeiten, in denen wir darüber diskutieren, ob Demokratie Spaß mache und ob es Spaß mache, regelmäßig zur Wahl zu gehen – die Leute mit einem Wahlrecht konfrontieren, bei dem sie von vornherein sagen werden: Das machen wir nicht. Für uns ist Wahlrecht keine intellektuelle Spielwiese und wir glauben, dass 50 Abgeordnete aus den Wahlkreisen hier das richtige Signal zur richtigen Zeit sind.
Ich würde Ihnen empfehlen, Herr Müller, kaufen Sie sich einfach von den Diäten noch einmal einen Stadtplan, damit wir sehen, wie 17 Wahlkreise in Wirklichkeit geschlossen werden. Der Abgeordnete Kienscherf hat einen Zwischenruf gemacht: Wenn Hamm und Finkenwerder ein Wahlkreis sind, was ist das für eine Demokratie?
Die elf Bergedorfer Wahlkreise, die in Wahrheit nur vier sind – vier Wahlkreise sind okay, bei elf kann ich nur fragen: Haben Sie da irgendetwas nicht verstanden? Gucken Sie auf den Stadtplan.
Ich will noch einen Punkt anbringen, der jetzt hier durch dieses Plakat deutlich geworden ist. Ich kann das aus verschiedenen Gründen nicht hochhalten. Das brauchen
wir auch nicht. Wir müssen aber eigentlich bedenken, was wir ehrenamtlichen Wahlhelfern zumuten, solche Zettel auszuzählen.
Wir werden in Zukunft auch noch Probleme haben, dort Leute zu rekrutieren. Was ich aber ziemlich wichtig finde und was ich glaube, dass wir es auch neu erwähnen müssen, ist die Tatsache, dass, wenn wir uns auf dieser Seite des Hauses in der Wahlrechtsfrage einig sind, unsere Parteien noch ein paar Kohlen mehr drauflegen müssen. Es muss deutlicher werden, wer in dieser Stadt für das Wahlrecht mit 50 Wahlkreisen steht und wer nicht. Dazu habe ich auch einen Appell an den Bürgermeister: Seien Sie da nicht zu zurückhaltend. Sie sind Mitglied dieses Hauses und wir alle werden zusammen mit Ihnen dafür kämpfen. – Danke.
Herr Präsident, meine Damen, meine Herren! Frau Duden, der Herr Bürgermeister ist nicht mehr Mitglied dieses Hauses.
Ich finde aber, man muss dieses Thema ein bisschen grundsätzlicher verhandeln, als Sie das gern tun. Wenn Sie Befragungen über das Vertrauen von Menschen in Institutionen in der Bundesrepublik lesen, dann werden Sie allgemein feststellen, dass das Vertrauen in Parlamente und Parteien knapp über dem Vertrauen in die Mafia liegt. Der ADAC hat 60 bis 70 Prozent Zustimmung, die Kirchen haben höhere,
Wir haben ein gemeinsames Problem damit, dass das Vertrauen in Parteien und Parlamente in der Republik nicht gerade überwältigend ausgeprägt ist.
dann werden Sie feststellen, dass dieses Misstrauen zu einem beträchtlichen Teil daran liegt, dass die wichtigsten Entscheidungen inzwischen nicht mehr von den Bürgerinnen und Bürgern eingesehen werden können, dass ihnen zum Beispiel in Sachen Wahlrecht das Recht nicht zugebilligt wird, die Auswahl ihrer Repräsentanten so weit es irgend geht selbst zu treffen.
Das heißt, wir haben den Bürgerinnen und Bürgern dieses Recht nicht zugebilligt, aber den Parteiapparaten. Wir haben doch – auf dieser Seite des Hauses ist das noch gut erinnerlich – 1993 eine Neuwahl machen müssen, weil Ihr Apparat die Sache so verrückt, so undemokratisch gestaltet hat, dass noch nicht einmal die Minderheit Ihrer eigenen Partei zu Wort kam.
Und dann stellen Sie sich hier selbstgerecht hin und sagen, Sie wollten den Bürgerinnen und Bürgern nicht das Recht geben, über die Kandidaten, die hier sitzen sollen, selbst zu entscheiden, weil das zu kompliziert sei. Das ist doch ein lächerlicher Vorgang. Was für Bürgerinnen und Bürger richtig kompliziert ist, ist zu verstehen, was sich in den Hinterzimmern abgespielt hat, damit diese Kandidaten, die da kommen, nachher dort sitzen.
Das ist schon einmal völlig kompliziert. Und wenn Sie dann einmal auf die Auswahl gehen, die dann hier sitzt: Wir haben doch gerade erfahren, Ihr eigener Bürgermeister hält gerade einen aus Ihrer Fraktion für geeignet, Senator zu werden. Das heißt, er selbst hat doch die Wahrnehmung, dass da durch die demokratische Wahl nicht gerade die optimale Auswahl von Personen zustande gekommen ist.
Und dann den Bürgerinnen und Bürgern zu sagen, das ist zu kompliziert für euch – ich finde, eine Republik hat auch die Aufgabe, so etwas zu tun wie eine Anforderung an Bürgerinnen und Bürger zu formulieren. Republikaner und Bürger ist man nicht von Natur aus, sondern das wird man durch einen Prozess gegenseitiger Erziehung zwischen den Repräsentanten und den Repräsentierten. Dabei den Repräsentierten nicht zuzumuten, sich Gedanken zu machen über die genaue Person, durch die sie repräsentiert sein wollen, ist – finde ich – ein richtiger Fehler.
Wir haben hier nicht das Problem des Bundeswahlrechts. Wir sind in Wirklichkeit eine Großkommune. In der Art unterscheiden wir uns von München überhaupt nicht. Dass wir zusätzlich Landesrechte haben, ist etwas anderes, aber im Wahlrecht brauchen wir in dieser Hinsicht keinen Unterschied zu machen. Da können wir kumulieren und panaschieren. Da haben wir das gleiche Größenproblem zu lösen, das München zu lösen hat, und kein schwierigeres. Darum ist Ihre ganze Argumentation eine Ausweichargumentation, eine Entschuldigungsargumentation, die den Bürger nicht ernst nehmen und ihm das Recht nicht geben will, das die Parteiapparate haben, von denen wir alle, die wir hier sitzen, hierher bestellt worden sind. Das ist aber kein vernünftiger Weg.
Herr Präsident, meine Damen und Herren! Herr Maier, Sie haben hier Grundsätzliches gesagt, aber es war unter dem Strich Populismus pur.
Sie verspielen auf Dauer das Vertrauen der Bürger. Sie gaukeln hier etwas vor, was Sie gar nicht gewährleisten können.
Das ist das ganz große Problem. Sie gaukeln vor, der Bürger hätte Mitentscheidungsmöglichkeiten. Die hat er aber gar nicht. Er hat gar nicht die Möglichkeit, alle Kandidaten kennen zu lernen. Wir sind in einem Stadtstaat, der gar nicht die Möglichkeit bietet wie ein bayerisches Bergdorf. Das ist ein Problem.