Meine sehr verehrten Kollegen von CDU und SPD, seien Sie doch einmal ehrlich: In Wahrheit wollen Sie doch gar keine echte Modernisierung. Ihr Vorschlag zur Reform des Wahlgesetzes ist doch bloß eine hektische Notbrem
sung. In letzter Minute wollen Sie so verhindern, dass die Hamburgerinnen und Hamburger ihr Wahlrecht selbst in die Hand nehmen. Denn am 13. Juni können die Hamburgerinnen und Hamburger etwas wirklich Einmaliges tun: Sie können die Ersten in Deutschland sein, die sich ihr Wahlrecht selbst geben. Das nenne ich Fortschritt.
(Beifall bei der GAL – Michael Neumann SPD: Das wollen Sie! – Frank-Thorsten Schira CDU und Mi- chael Neumann SPD entfalten Stimmzettel in Pos- tergröße – Glocke)
Sie fürchten die Wählerinnen und Wähler. Nur so erklärt sich Ihre hektische Betriebsamkeit, wenn Sie etwa vor Chaos in den Wahlkabinen warnen, wie Sie das hier ja offensichtlich demonstrieren wollen.
Dort funktioniert das Kumulieren und das Panaschieren. Meinen Sie etwa, wir Hamburger seien dümmer als die Bayern?
Warum meinen Sie, den Wählerinnen und Wählern vormachen zu müssen, dass 50 Wahlkreise mehr wert seien als 17, wo doch aus den 17 Wahlkreisen viel mehr Abgeordnete direkt gewählt werden als bei Ihnen? Warum behaupten Sie, dass jeder Stadtteil eine Stimme sei, wo doch Ihre Wahlkreise und Stadtteile überhaupt nicht übereinstimmen, sondern einfach willkürlich zusammengeschustert sind?
Winterhude, Schnelsen, Bergedorf – das alles sind Stadtteile, die nach Ihrem Vorschlag in verschiedene Wahlkreise unterteilt werden.
Nein, meine sehr verehrten Kollegen von CDU und SPD, diese Aktion dient nur dem eigenen Machterhalt. Die Parteien sollen auch in Zukunft bis in das Wahllokal hinein die Kontrolle darüber behalten, wer in diesem Parlament sitzt und wer nicht.
Das aber fördert nur Politikverdrossenheit. Sagen Sie den Bürgerinnen und Bürgern doch ehrlich, dass Sie sich gefälligst raushalten sollen, wenn Sie als große Parteien Politik machen oder zumindest das, was Sie darunter verstehen.
Alle Ihre Argumente, die Sie im Infoheft des Landeswahlamtes als Stellungnahme der Bürgerschaft aufführen, halten einer Überprüfung nicht stand. 50 Wahlkreise sind nur dann mehr als 17, wenn Sie nicht unterschlügen, dass 17 Wahlkreise 71 direkt gewählte Abgeordnete bedeuten, also 21 mehr als bei Ihnen. 50 Wahlkreise und Abgeordnete, die als Platzhirsche im Wahlkreis vor sich hin mauscheln, als Abgeordnete, die sicher sind – im Gegensatz dazu mehrere Abgeordnete in einem Wahlkreis, die sich in einem Wettbewerb vor Ort den Bürgern stellen müssen.
Die Erststimme bietet nur oberflächlich eine echte Wahl. Nehmen wir doch einmal den Bundestagswahlkreis Hamburg-Harburg. Den hat Ulrich Klose gewonnen und sein Konkurrent Volker Rühe ist trotzdem auch im Bundestag. Merkwürdig. Er war über die Landesliste abgesichert.
Ihr Entwurf bringt nicht mehr Klarheit, Ihr Entwurf ist ein Parteienentwurf. Er nimmt die Menschen nicht mit, sondern sagt, wer in dieses Parlament darf und wer nicht. Mit Ihren Rezepten, meine Damen und Herren, werden Sie der Politikverdrossenheit nicht beikommen. Wir Grüne wollen dagegen eine Mitmachdemokratie.
Herr Abgeordneter, ist Ihnen die Bedeutung des Lichtes dort vorne bekannt? – Dann kommen Sie bitte zum Schluss.
Die Einführung des Volksentscheides dazu war der erste Schritt. Ich bin fest überzeugt, dass die Wählerinnen und Wähler am 13. Juni den zweiten Schritt tun werden. Leider ohne Sie. – Vielen Dank.
Herr Präsident, meine Damen und Herren! Herr Müller, wir müssen uns ja immer vergegenwärtigen, wenn wir Entscheidungen im Parlament treffen und hier über Dinge diskutieren, wie das draußen ankommt und wie man Politik praktisch umsetzen kann. Sie sprachen davon, Politikverdrossenheit würde der Parteienentwurf erzeugen, den wir zum Volksentscheid vorgelegt haben. Ich möchte einmal – mit Genehmigung des Präsidenten – den viel gerühmten Stimmzettel hochhalten, den es bei der Landesliste etwa in dieser Art geben würde. Sie müssen ihn sich vielleicht etwas größer vorstellen. Es ist keine größere Schrift, die die CDU-Fraktion benutzt hat. Das ist das Ergebnis, wenn das so vom Volk beschlossen werden würde, was wir nicht hoffen und nicht glauben.
Das ist ein Riesenstimmzettel. Fünf Stimmen sind abzugeben. Das ist nur ein Stimmzettel. Bei der Landesliste, Herr Dr. Maier, sind es fünf und dann im Wahlkreis noch einmal fünf und dann gibt es noch einen Stimmzettel für die Bezirksversammlungswahl, der ähnlich gestaltet werden könnte, wenn sich Ihre Vorstellungen durchsetzen. Das kann es nicht sein. Meinen Sie nicht, dass da eine hohe Fehlerquote in den Wahlkabinen ansteht? Deswegen können wir mit Fug und Recht sagen, dann gibt es ein Chaos in den Wahlkabinen.
Meine Damen und Herren, ich glaube, ein einfaches Wahlrecht ist das Rezept. Das hat überhaupt nichts mit Dummheit zu tun, von der Sie uns unterstellen, dass wir sie unseren Wählern unterstellen würden. Ich finde, Sie konnten nicht erklären, warum es 17 Wahlkreise mit jeweils 70 000 Einwohnern geben soll und warum diese demokratischer als 50 Wahlkreise wären, die sich an gewachsenen Stadtteilstrukturen orientieren.
Auch den Vorteil des Stimmrechtvorschlages der Initiative mit zwei mal fünf Stimmen, Herr Müller, konnten Sie hier nicht deutlich machen. Sie hatten ebenfalls gewisse Schwierigkeiten zu begründen – Sie haben es gar nicht angesprochen –, warum es Wahlkreise mit drei bis fünf Abgeordneten geben soll.
Das liegt zum Teil nicht an Ihnen. Das liegt am Modell der Initiative. Das ist schlichtweg zu kompliziert. Es ist nicht transparent und es ist nicht verständlich. Für akademische Experimente ist das Gut des Wahlrechtes viel zu wichtig. Wir wollen ein klares, bürgerfreundliches, transparentes Wahlrecht. Deswegen appellieren wir an die Wählerinnen und Wähler, am 13. Juni Ja zu sagen zum Entwurf der Bürgerschaft, Ja zu 50 Wahlkreisen mit mehr Einfluss und Mitsprache vor Ort, Ja zu zwei Stimmen, die wirklich zählen, eine Stimme für den Stadtteil, eine Stimme für die Partei ihrer Wahl. Dieses Wahlrecht ist verlässlich und bewährt.
Deshalb zum Schluss: Der Volksentscheid am 13. Juni ist wichtig. Unsere Bitte an alle Wählerinnen und Wähler: Unterstützen Sie den Gesetzesentwurf der Bürgerschaft, bürgernahe Demokratie, 50 Wahlkreise für Hamburg. – Danke schön.
Herr Präsident, meine Damen und Herren! Eigentlich ist es mir ja einfach gemacht, in völlig ungewohnter Rolle, dass ich mich einmal auf Herrn Schira beziehen und sagen kann, er hat Recht.
Aber man muss auch deutlich machen, dass das, was wir hier erleben, eigentlich die Debatte weiterführt, die wir vor vier Wochen hatten. Das, was Herr Müller versucht hat,
deutlich zu machen, ist eigentlich das Plakat hier im Parlament. Da hat sich Herr Schira ja mit einem eigenen Plakat gewehrt.
Ich will aber doch mit ein paar Punkten aufräumen, die Herr Müller hier genannt hat, nämlich der Frage, ob in 50 oder in 17 Wahlkreisen mehr Demokratie drin ist. Da haben wir in den Debatten immer gesagt, natürlich in 50 Wahlkreisen, denn man muss mit einigen Märchen aufräumen. Die Märchen bestehen doch aus folgenden Dingen: Wenn aus 17 Wahlkreisen, die wir haben werden, fünf Abgeordnete von verschiedenen Parteien in diesem Parlament landen, dann ist es doch ein Märchen – und das werden nicht nur diejenigen bestätigen, die wie ich etwas länger dabei sind –, dass sich die ausgerechnet hier in diesem Parlament einigen und für ihren Stadtteil stimmen werden. Das möchte ich einmal erleben. Ich glaube, das wird nicht so sein. Das wird auch zur Schwächung dieses Parlamentes beitragen, das wird man sehen.