Protokoll der Sitzung vom 26.05.2004

Wird das Wort gewünscht? – Das ist der Fall. Der Abgeordnete Weinberg hat es.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Vor wenigen Tagen hat das Internationale Olympische Komitee eine Entscheidung für eine große Anzahl von Städten getroffen, aber leider auch eine Entscheidung gegen die Stadt Leipzig als Kandidat für die Olympischen Spiele 2012.

(Christian Maaß GAL: Sie sind ganz traurig, nicht?)

Ich möchte an dieser Stelle deutlich darstellen, Herr Maaß, dass die Hamburgerinnen und Hamburger Leipzig von ganzem Herzen unterstützt haben, nachdem die Entscheidung des NOK für Leipzig statt für Hamburg gefallen war. Insofern sind wir auch tatsächlich traurig, dass Leipzig nicht den Zuschlag bekommen hat. Wir gratulieren Leipzig für das, was dort geleistet wurde. Die Leipziger können stolz auf ihre Leistung sein. Das sagen wir hier ganz deutlich auch für Hamburg.

(Beifall bei der CDU und vereinzelt bei der SPD)

Deshalb ist es nicht angebracht, jetzt nachzutreten und irgendeine Entscheidung im Nachhinein zu besprechen. Wir müssen vorausblicken. Nach dem, was wir in Ham

burg an Euphorie und Entwicklung gerade im gesellschaftlichen und sportlichen Bereich erlebt haben, stellt sich für uns die Frage, wie wir uns jetzt einlassen. In den letzten Monaten mag die Flamme aus Solidarität Leipzig gegenüber etwas kleiner gewesen sein, aber sie war bei vielen von uns nach wie vor im Herzen. Viele Hamburgerinnen und Hamburger haben sich, nachdem sie diese Euphorie erlebt haben, nach der Entscheidung die Frage gestellt: Versinken wir jetzt im Nichts oder ergreifen wir möglicherweise die zweite Chance?

Ich möchte in einigen Sätzen darauf zurückkommen, was diese Stadt verändert und bewegt hat. Noch im Jahre 2002 hat ein Redakteur des "Hamburger Abendblattes" nach einer Veranstaltung, bei der es um ein Zukunftsforum ging, zu Recht geschrieben und beklagt, es gebe nichts, was die Hamburger zusammenführe, keine gemeinsamen Ziele, keine großen Visionen, die Stadt sei total zersplittert, gespalten, in welchen Bezirk oder Stadtteil man auch blicke. Ich glaube aber, dass sich die Situation heute geändert hat. Wir haben in der Vergangenheit auch im Zuge der Olympia-Bewerbung viel entwickelt. Ich könnte jetzt eine Vielzahl Top-Veranstaltungen im Sportbereich aufzählen, beispielsweise in der AOL-Arena, nenne aber nur einige: das Derby in Groß-Flottbek vor einer Woche, das Beach-Volleyball-Turnier vor zwei Wochen, Marathon und Triathlon. Sie alle wissen, dass Hamburg sich entwickelt hat. Mittlerweile kann man sagen, dass mit diesen über 30 Top-Veranstaltungen nationaler und internationaler Klasse Hamburg bereits europäische Spitzensportstadt ist. Das ist die Voraussetzung dafür, ob wir jetzt weiterhin die Basis für die Bewerbung 2016 oder 2020 haben. Hinzu kommt, dass wir neben den sportlichen Veranstaltungen auch eine Reihe von großen gesellschaftlichen Projekten haben, die sich weiterentwickelt haben. Auch hier wäre eine Auflistung sicherlich sehr ausführlich. Beispiele sind die Gartenbauausstellung, das Taizé-Treffen, die Verleihung des "Bambi", das Harley-Treffen sowie der Schlager-Move. Auch Sie kennen diese Veranstaltungen.

Das zeigt, wie Hamburg sich sportlich und gesellschaftlich entwickelt hat. Eines ist besonders bemerkenswert im Rückblick auf die erste Bewerbung für 2012. Zwei Daten dazu:

Zum einen hat die Kampagne "Feuer und Flamme" dafür gesorgt, dass in nur zwölf Monaten regional und bundesweit 8000 Print-Artikel in einer Auflage von 1,4 Milliarden erschienen sind und es 2284 TV- und Hörfunkbeiträge sowie rund vier Milliarden Medienkontakte gab. Hamburg hat damit in Europa eine Spitzenposition eingenommen und die Akzeptanz – das halte ich für bedeutsam – bei den Hamburgerinnen und Hamburgern ist von 77,4 Prozent im Jahre 2002 auf 92,4 Prozent im Jahre 2003 gestiegen.

(Beifall bei der CDU)

Das heißt, die Hamburgerinnen und Hamburger wollen Olympia und sie haben es auch deutlich gemacht.

(Beifall bei der CDU)

Interessant wäre es, zu klären, wie sich das Gefühl der Hamburger entwickelt hat. Die Stadt hat in ihrer Vergangenheit viel erlebt, das große Feuer, die große Flut, Pest und Cholera. Sie hat letztendlich Gomorrha erlebt und hat überlebt.

(Heiterkeit bei Dr. Till Steffen GAL)

Ich weiß nicht, ob die GAL das so witzig findet, wenn sie sich historisch in die damaligen Gegebenheiten einfindet. Dann werden Sie sehen, dass der Punkt Pest und Cholera für die Hamburgerinnen und Hamburger sicherlich nicht so witzig war. Ein bisschen mehr Respekt vor solchen Daten würde ich der GAL schon wünschen.

(Beifall bei der CDU)

Nach all dem, was diese Stadt überlebt hat, haben wir das erste Mal wieder eine Perspektive und einen großen Traum vor uns gesehen. Nun könnte man lange über Folgendes diskutieren: Wenn die Olympiade 2012 nach New York geht, dann könnte sich Hamburg bewerben; wenn die Olympiade 2012 nach Paris geht, dann erst 2020. Ich will diese ganzen Theorien gar nicht aufstellen und diese Thesen verbreiten. Es muss eine Grundbotschaft gegeben sein: Ist diese Stadt wieder bereit, sich zu bewerben? Da kann es meiner Ansicht nur eine Aussage geben: Die nächste Stadt in Europa nach 2012, die Olympia bekommt, muss – ich glaube, wird auch – Hamburg sein. Das muss eine klare Aussage der Politik sein.

(Beifall bei der CDU – Glocke)

Herr Abgeordneter, darf ich Sie auf die Bedeutung des roten Lichts hinweisen?

Vielen Dank, Herr Präsident, mein letzter Satz. Diesen Traum noch einmal zu träumen und dieses Feuer vielleicht noch einmal zu entfachen, ist für diese Stadt gut und – was noch viel wichtiger ist – ist auch für die Menschen in dieser Stadt gut. Nehmen wir uns wieder mit, gehen wir wieder auf den Weg, die Perspektive ist klar. – Vielen Dank.

(Beifall bei der CDU)

Das Wort bekommt der Abgeordnete Schmidt.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Herr Weinberg, Sie haben eben von dem Respekt vor den Daten gesprochen. Dann wäre es aber auch ehrenvoll, wenn Sie hier nicht den Eindruck erweckten, alles das, was Sie hier kurz aufgezählt haben – beispielsweise Marathon und HEW Cyclassics –, wäre in Ihrer Wahlperiode zustande gekommen.

(Wolfhard Ploog CDU: Das hat doch gar keiner gesagt!)

Doch, er hatte hier den Eindruck erweckt. Sie müssen nur genau zuhören.

(Wolfhard Ploog CDU: Sie haben Ihren Trimmpfad noch vergessen!)

Die SPD-Fraktion steht zu der von uns in der letzten Legislaturperiode initiierten Entschließung, Hamburg solle sich um die Olympischen Spiele bewerben. Dazu stehen wir nach wie vor und wir sollten die vorhandenen Chancen nutzen. Aber dazu gehört entscheidend, dass der Senat seine Hausaufgaben macht,

(Beifall bei Dr. Andrea Hilgers SPD)

Aufgaben, deren Erfüllung er selber angekündigt hat. Nur deren Erledigung bringt uns im Wettbewerb mit anderen Städten weiter.

Es gibt, was den Sport in Hamburg anbelangt, eine ganz erkleckliche Zahl von Baustellen. Ich will nur einige nennen:

(Wolfhard Ploog CDU: Heidenkampsweg!)

Stiftung Leistungssport, Leichtathletik-Halle, LehrerArbeitszeitmodell mit dem Stichwort "Jugend trainiert für Olympia", Lehrer-Trainer-Modell, Nachwuchsleistungssport, Hockeystadion, Entwicklung des Olympia-Stützpunktes mit der Gesamtschule Alter Teichweg, der Partnerschule des Sports.

Bevor ich mich aber zu der einen oder anderen Baustelle äußere, denn die fünf Minuten Redezeit sind sehr kurz, eine generelle Kritik: Von Senatsseite wird vom Begriff der Sportstadt geredet, sogar von Fall zu Fall mit dem Zusatz "europäisch". Wo bleibt aber das Konzept? Warum wird das Parlament nicht darüber informiert? Durch wen soll es dann informiert werden? Vielleicht durch den von Geisterhand immer wieder beschriebenen Sportbeauftragten? Hält sich deshalb die zuständige Senatorin in Sachen Sport so außerordentlich zurück? Welche Prioritäten gibt es in Sachen Sport? Aktuell ist die Frage: Tennis vor Handball oder umgekehrt oder beides oder beides nicht?

(Wolfhard Ploog CDU: Haben Sie auch noch et- was zum Thema zu sagen? Viel interessanter ist, welche Posterioritäten der Senat sieht, was also herausfällt. Im Ausschuss wurde uns auf Nachfrage erklärt, der Beirat "Leitprojekte wach- sende Stadt" mit seinem einen Vertreter für den Sport – von neun weiteren Mitgliedern – sei noch nicht benannt. Haben wir wirklich so viel Zeit? Baustelle Stiftung Leistungssport. Es ist ein Trauerspiel, was die Handelskammer und der Senat hier bieten. Die Stadt hat für die Jahre 2003 und 2004 bisher 1,75 Millionen Euro gezahlt. Wo bleiben die von der Han- delskammer versprochenen Gelder in gleicher Höhe? (Beifall bei der SPD und der GAL)

Die zuständige Senatorin verweigert die Auskunft, obwohl sie Kuratoriumsmitglied in der Stiftung ist. Das ist eine unhaltbare Situation. Wir, das Parlament, beschließen Millionenbeträge und erfahren nicht, was der andere Partner leistet oder – in diesem Fall – nicht leistet.

Baustelle Leichtathletikhalle. Der Bürgermeister funktioniert – so mal eben in der Öffentlichkeit – die Trainingshalle in eine Wettkampfhalle um, wohl nicht wissend, dass damit die Bundeszuschüsse wegfallen, verlagert den Standort von Alsterdorf zum Altonaer Volkspark und erklärt, mit dem Bau in Alsterdorf sei noch nicht begonnen worden, obwohl dies den Tatsachen widerspricht. Rund 1 Million Euro sind bisher ausgegeben. Er hat natürlich nicht mit dem Hamburger Leichtathletikverband darüber gesprochen. Die schnippische Antwort des Senats auf meine diesbezügliche Frage: Es gebe keinen konkreten Anlass. Die Senatorin spricht im Ausschuss von einer "Planungsschleife". In der Antwort auf meine bereits erwähnte Anfrage wird bereits von möglichen baulichen Verzögerungen in Alsterdorf gesprochen. So, meine Damen und Herren, sammeln wir auf Bundesebene wahrlich keine Punkte.

(Beifall bei der SPD und der GAL – Bernd Reinert CDU: In Ihrer Zeit haben wir doch nur Minuspunk- te gesammelt!)

Ich will mir zum Schluss nicht verkneifen, das hohe Haus auf eine bemerkenswerte Posse hinzuweisen. In der ersten Sitzung des jetzt eigenständigen Sportausschusses hat die Regierungsfraktion mit ihrer Mehrheit durchgesetzt, dass die vom Ältestenrat empfohlene zweite Sitzung ausfällt, mit dem Argument, man habe noch keine Senatsdrucksachen, im Übrigen müsse man sparen, die Sitzung koste ja Geld. Das lässt wenig Hoffnung aufkommen, dass die Baustellen in Sachen Sport zügig beseitigt werden. – Vielen Dank.

(Beifall bei der SPD und bei Christian Maaß GAL – Marcus Weinberg CDU: Mit solchen Reden be- kommen wir nicht Olympia! – Gegenruf von Michael Neumann SPD: Mit Ihnen auch nicht!)

Das Wort bekommt die Abgeordnete Dr. Lappe.

Sehr geehrter Herr Präsident, liebe Kolleginnen und Kollegen! Lieber Herr Weinberg, ich sage so etwas ungern, aber ehrlich gesagt war ich erschüttert, als ich am Montagabend von der Anmeldung dieses Themas gehört habe, weil eine Aktuelle Stunde für mich immer heißt, es soll ein Thema diskutiert werden, bei dem man den politischen Gegner vorführen und seine Schwächen entlarven möchte.

(Bernd Reinert CDU: Das wäre bei Ihnen vielleicht ein Kriterium!)

In der Regel streiten wir uns hier ganz heftig. Nach Ihrer Rede habe ich mich gefragt, was Sie damit bezwecken wollen. Wollen Sie der Bewerbung Hamburgs eher Schaden zufügen oder wollen Sie eine mögliche Bewerbung – dazu werde ich gleich noch einiges sagen – unterminieren? Wollen Sie den politischen Konsens, den wir hier hatten, auflösen? Was wollen Sie eigentlich? Wollen Sie wirklich, dass wir gemeinsam weitermachen?

Ich glaube nicht, dass Ihr Verhalten, sich nach dem Ausscheiden Leipzigs sofort darauf zu stürzen, die Hamburger Bewerbung voranzubringen, angebracht war. Aus der Zeitung war Ihr Bedauern nicht zu entnehmen und auch heute war nicht überzeugend, dass es wirklich ein Bedauern war. Die ersten Worte, die man aus Hamburg hörte, waren: Oh, jetzt bewerben wir uns gleich wieder. Horst Meyer sagte:

"Hamburg wäre das nicht passiert."

(Marcus Weinberg CDU: Frau Goetsch ist Feuer und Flamme!)

Frau Goetsch sagte, sollte die Olympiade 2012 nicht in einer europäischen Stadt stattfinden, dann denken wir darüber nach, uns vielleicht für 2016 zu bewerben. Aber alle haben vergessen, dass diese Entscheidung gar nicht in unserem Ermessen liegt.

Ich möchte noch ein Wort zu dem Verhalten sagen, das beim NOK große Verärgerung hervorgerufen hat. Diesen Stil haben wir vor einem Jahr nicht versprochen, als wir gegen Leipzig verloren haben. Das ist kein hanseatischer Stil, den Sie so gern bevorzugen.