Protokoll der Sitzung vom 27.09.2006

Einen Punkt zu Frau Gregersen, weil der mir an der Stelle auch wichtig ist: Wenn Sie den Antrag von Herrn Hesse genau durchlesen, dann kommt das Parlament vor der Exekutive. Es mag ja sein, dass schon Ausschreibungstexte in der Vorbereitung sind, in denen das alles so noch nicht steht. Ich kann Ihnen aber persönlich versichern: Wenn das Parlament und der Ausschuss hier etwas anders empfehlen, bin ich mir sicher, dass die Exekutive dem folgen wird.

(Beifall bei der CDU)

Der Antrag sagt sehr klar – ich glaube, ich habe ein Nicken bei Herrn Freytag gesehen –, dass wir prüfen wollen, inwieweit wir Ergänzungen vornehmen können, inwieweit sich Verträge an dieser Stelle öffnen lassen. Ich glaube, der gute Wille, dies für ein wichtiges Thema zu tun, ist da. Das haben bisher alle Bewerber gezeigt, das werden sie sicherlich auch in ihrer Ausstellung zeigen, die ich sehr empfehlen kann. Diesen guten Willen sollten wir im Ausschuss nutzen und den sollten wir auch bei dem Thema behindertengerechte Stadt nutzen. Da sind wir auf Ihrer Seite. Die Diskussion sollten wir dann im Ausschuss führen und den Antrag entsprechend ergänzen. Von daher freue ich mich, dass Sie der Überweisung hier

zustimmen und wir noch eine ergänzende Diskussion haben werden. Ich freue mich auf die Ausschussarbeit.

(Beifall bei der CDU)

Es liegen keine weiteren Wortmeldungen vor. Wir kommen zur Abstimmung. Wer einer Überweisung der Drucksache 18/4982 an den Stadtentwicklungsausschuss zu stimmt, den bitte ich um das Handzeichen. – Gegenprobe. – Enthaltungen? – Das Überweisungsbegehren ist einstimmig angenommen worden.

Wir kommen zu den Punkten 5 a und 22 der Tagesordnung, den Drucksachen 18/4671 und 18/4980. Große Anfrage der SPD-Fraktion: Entwicklungen im Kita-Gutscheinsystem und gemeinsamer Antrag von SPD- und GAL-Fraktion: Elternbeiträge als Schuldenfalle – Eltern und Kitas in Not.

[Große Anfrage der Fraktion der SPD: Entwicklungen im Kita-Gutscheinsystem – Drucksache 18/4671 –]

[Antrag der Fraktionen der SPD und der GAL: Elternbeiträge als Schuldenfalle – Eltern und Kitas in Not – Drucksache 18/4980 –]

Die SPD-Fraktion möchte die Drucksache 18/4671 an den Familien-, Kinder- und Jugendausschuss überweisen. Wer wünscht das Wort? – Frau Dr. Hilgers, bitte.

Verehrte Präsidentin, meine Damen und Herren! Wie Sie, Frau Senatorin, den Kindern aus den benachteiligten Quartieren dieser Stadt grundsätzlich die Teilhabe an der frühkindlichen Bildung verweigern, ist eindeutig, schwarz auf weiß in Ihren Antworten, in Ihren Zahlen der Großen Anfrage 18/4671 dokumentiert. Sie decken mit diesen Zahlen selber auf, Frau Senatorin, dass die Versorgung mit Krippenplätzen im Kita-Gutscheinsystem in diesen Gebieten seit 2002 um ein Drittel und die Hortversorgung um ein Fünftel schlechter ist als in den übrigen Stadtteilen Hamburgs. Aus Ihren Zahlen wird auch deutlich, dass es im Elementarbereich seit 2002 ein Drittel weniger Ganztagsplätze in diesen Gebieten gibt.

(Glocke)

Frau Dr. Hilgers, entschuldigen Sie, dass ich Ihnen ins Wort falle, aber ich habe die Ermahnungen, was das Stehen und Reden betrifft, vorhin durchaus ernst gemeint. Alle diejenigen, die einen Kita-Gutschein haben und nicht daran interessiert sind, was hier diskutiert wird, könnten vielleicht hinausgehen, dann wäre es hier drinnen leiser. – Frau Dr. Hilgers, bitte.

Dass diese Kinder, Frau Senatorin, einen schlechten Start haben, ist Ihre Verantwortung, Ihr selbstgemachtes Problem.

(Beifall bei der SPD und bei Christiane Blömeke GAL)

Aber es kommt noch ein weiteres Problem hinzu, eine weitere Gefahr für die Kinder, die tatsächlich in der Kita ankommen, und zwar eine Gefahr, ihre Teilhabe an frühkindlicher Bildung zu verlieren. Eine weitere Gefahr, die

Sie, Frau Senatorin, bisher schlicht ignorieren, wie es so Ihre emotionslose Art ist. Immer häufiger bleiben Eltern mit ihren Kita-Gebühren im Rückstand. Dieses Problem betrifft Kinder, Eltern und Mitarbeiterinnen der Kitas. Dass dies ein Problem ist, haben wir in einer Expertenanhörung im April deutlich vor Augen geführt bekommen.

Die Kollegin Blömeke hat daraufhin versucht, den Wissensstand und das Problembewusstsein der Behörde mit einer Kleinen Anfrage zu erhellen. Erstens: Weiß die Behörde, wie viele solcher Verschuldensfälle es gibt? Antwort: Der zuständigen Behörde liegen keine Informationen darüber vor, in wie vielen Fällen oder aus welchen Gründen Zahlungsverzögerungen beziehungsweise Zahlungsausfälle der Eltern aufgetreten sind. Zweitens: Was rät die Behörde den Kitas bei Auftauchen des Problems? Die Träger der Kindertageseinrichtungen können unter anderem auf die über das Stadtgebiet verteilten Schuldnerberatungen verweisen. Kurzum, die Behörde hält es noch nicht einmal für nötig, bei den Anbietern von Kindertagesbetreuung die Größe des Problems abzufragen und verweist zur Hilfe auf die ohnehin überlasteten Schuldnerberatungsstellen mit ihren langen Wartezeiten. Also, es gibt in Ihrer Behörde, Frau Senatorin, weder ein Wissen über das Ausmaß des Problems noch einen Ansatz zur Lösung. Das ist bei Ihnen auch nichts Neues, Frau Senatorin.

(Beifall bei der SPD und bei Christiane Blömeke GAL)

Weil wir um die mangelnde Empathie für solche Fragen in Ihrer Behörde wissen, haben wir diese Frage in den Fragenkatalog der Kita-Befragung 2006 übernommen. Laut ersten Ergebnissen taucht das Problem der Verschuldung von Eltern in nahezu 60 Prozent der Kitas in Hamburg mindestens einmal auf. In einzelnen Kitas sind bis zu 50 Prozent der Eltern aktuell Elternbeiträge schuldig. Ersten Ergebnissen zufolge könnte dies bei 6 bis 7 Prozent aller Eltern von Kindern in Kitas der Fall sein. Das würde bedeuten, dass aktuell bis zu 3500 Eltern in Hamburg bei ihren Kitas den Beitrag schuldig sind. Reicht das, Frau Senatorin, um Ihnen deutlich zu machen, dass hier ein Problem vorliegt? Ich fürchte, nicht.

(Beifall bei der SPD und bei Christiane Blömeke GAL und Christa Goetsch, beide GAL)

Zu dem Thema der wachsenden Verschuldung von Eltern bei Kitas heißt es aus Ihrer Behörde lapidar: Wer Leistungen will, muss sie auch bezahlen. Wie platt, Frau Senatorin. Kinder können nicht warten, bis sich die finanzielle Lage ihrer Eltern gebessert hat. Kindern muss unabhängig vom Einwirken auf die Eltern geholfen werden.

Frau Müller, die Fachberaterin für Kindertagesstätten von der Caritas hat das in der Expertenanhörung im April anschaulich beschrieben. Eine Verschuldung von Eltern gegenüber einer Kita stört das Vertrauensverhältnis. Wie ist das dann für den Leiter oder die Leiterin einer Kita, wo die Eltern ständig auf der Flucht sind? Derjenige, der sie sieht, wird sie auf ihre Verschuldung ansprechen. Oh, bitte nicht treffen und möglichst schnell raus aus der Kita. Das ist etwas, womit wir, sagt Frau Müller, wirklich zu kämpfen haben. Das stört tatsächlich, wir kommen dann schlechter an die Eltern und an die Familien heran. Es ist also nicht nur die Zusatzbelastung, kassieren und Rechnungen schreiben zu müssen, sondern ein mühsam aufgebautes Vertrauensverhältnis wird darüber gestört und

es ist viel Arbeit, dieses Vertrauensverhältnis wieder herzustellen.

(Beifall bei der SPD und bei Christiane Blömeke GAL)

Es ist dieses gestörte Vertrauensverhältnis, Frau Senatorin, das Frau Müller hier beschreibt, was zu einer Gefahr für die Kinder werden kann. Denn Eltern weichen aus Scham Gesprächen mit den Erzieherinnen und Erziehern aus, melden ihr Kind unter Umständen aus der Kita ab. Kitas versuchen zwar mit zum Teil erheblichem Aufwand, die seltenen Härtefallregelungen mit dem Elternbeitrag null für die Eltern zu erreichen, damit die Kinder weiter in Betreuung bleiben können. Es gibt aber auch Informationen über Fälle, in denen Kinder durch den Träger aus der Kita abgemeldet werden mussten, weil ihre Eltern aufgrund von Verschuldung die Beiträge nicht mehr gezahlt haben und die Einrichtung die Ausfälle nicht länger finanzieren konnte. Hier, Frau Senatorin, entwickelt sich schon früh eine fatale Spirale aus Armut und mangelnder Bildungsbeteiligung.

(Beifall bei der SPD und bei Christiane Blömeke GAL)

Was aber – und da erhoffe ich mir, verehrte Kolleginnen und Kollegen von der CDU-Fraktion, Einigkeit in diesem Hause – in jedem Fall vermieden werden sollte, ist das Herausfallen von Kindern aus frühkindlicher Bildung und Betreuung in Kitas, weil ihre Eltern den Beitrag schuldig bleiben. Das, verehrte Kolleginnen und Kollegen von der CDU, sollte Ihnen am Herzen liegen. Helfen Sie Ihrer Senatorin auf die Sprünge. Stimmen Sie zumindest einer Überweisung unseres rotgrünen Antrags an den Ausschuss zu. Lassen Sie uns dort gemeinsam mit den Anbietern von Kindertagesbetreuung ein Modell auf den Weg bringen, welches die Kinder in der Kita hält, den Eltern rasch Unterstützung bei der Bewältigung ihrer Schuldenprobleme gibt und die Kita-Mitarbeiterinnen von nicht kindbezogener Verwaltungsarbeit entlastet. Sie können das bewegen. Ihre Behörde verharrt in Ignoranz.

(Beifall bei der SPD und bei Christiane Blömeke GAL)

Das Wort bekommt Herr von Frankenberg.

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Ich weiß gar nicht, Frau Hilgers, warum Sie sich immer so im Ton vergreifen müssen, "emotionslos" und solche Worte verwenden. – Wozu? Ich meine, das einzige, was eben emotionslos war, war Ihr Vortrag. Ich war schon in Sorge, dass Sie bei Ihren eigenen Worten einschlafen.

(Dr. Andrea Hilgers SPD: Gehen Sie doch hinaus, spielen!)

Ansonsten haben Sie hier wieder das übliche Zahlensüppchen, das Sie gerne kochen, aufgetischt.

(Dr. Andrea Hilgers SPD: Die Zahlen sind aus Ihrer Behörde!)

Regen Sie sich doch nicht auf.

Sie bringen immer ein paar Zahlen, dann werden ein paar Drucksachen und ein paar Einzelfälle zitiert, die dann aber nicht konkretisiert werden können. Es ist völlig unklar, was Sie eigentlich wollen. Sie haben selber schon

den Faden verloren und sind ständig überwältigt vom eigenen Zahlenmaterial. Ihr Ziel, das Sie vor Augen haben, ist allerdings klar. Sie wollen das Kita-Gutscheinsystem und die Hamburger Kindertagesstätten schlechtreden. Das ist klar.

(Dr. Andrea Hilgers SPD: So ein Blödsinn!)

Zur Erinnerung, Kindertagesbetreuung zu SPD-Zeiten: Zentralistische Planung, die Behörde teilte den Eltern Kita-Plätze zu, ein undurchsichtiges Verfahren, das zu Recht in der Kritik stand. Es gab keine bedarfsgerechte Versorgung. Die Ungleichbehandlung der verschiedenen Träger war ein weiteres Problem. Hinzu kam die permanente Unterversorgung.

Mittlerweile hat sich die Lage grundsätzlich geändert. Fakt ist, Hamburg belegt in Deutschland einen Spitzenplatz in der Kindertagesbetreuung. In nur drei Jahren hat der Senat das Kita-System erfolgreich umgestaltet, ein Unterfangen, dem sich sämtliche SPD-Senate davor jahrzehntelang verweigert haben.

(Doris Mandel SPD: Das stimmt doch nicht!)

Die von allen Seiten geforderte Vereinbarkeit von Familie und Beruf wurde jetzt endlich realisiert.

(Beifall bei Hanna Gienow CDU)

Um einmal einen Blick auf die Gegenwart zu werfen, lohnt es sich, die Entwicklung einmal in Zahlen darzustellen. Die Zahl der betreuten Kinder hat von 68 200 in 2002 auf 70 300 in 2005 zugenommen. Das ist eine Zunahme von über 3 Prozent. In den Kindertagesstätten haben wir eine Zunahme von 49 800 auf 53 900. Das sind mehr als 8 Prozent. Auch bei Kindern unter drei Jahren in den Krippen und bei der Tagespflege haben wir eine deutliche Zunahme.

(Dr. Andrea Hilgers SPD: Woher haben Sie die Zahlen?)

Das kostet alles Geld, es sind erheblich höhere Mittel zur Verfügung gestellt worden. Das waren in 2002 296 Millionen und in 2005 335 Millionen. Hinzu kommt, dass es 150 Millionen mehr sind als die vom Bund vorgesehenen Grundleistungen. Ich erinnere auch an den Rechtsanspruch fünfte Stunde mit Mittagessen. Insofern hat sich hier viel zum Guten gewandelt.

(Zurufe von der SPD und der GAL)

Ich weiß, dass Sie das nicht gerne hören wollen, aber das ist die Realität.

(Beifall bei der CDU)