Protokoll der Sitzung vom 27.09.2006

(Beifall bei der SPD und vereinzelt bei der GAL)

Anfang dieser Woche konnte man lesen, dass Hamburg in arme und reiche Dörfer zerfällt. Das ist leider die Wahrheit. Und dann höre ich von Ihnen, Herr Roock, dass die aktive Stadtteilentwicklung 39 Millionen Euro über vier Jahre und über die ganze Stadt verteilt, wobei etwas für diejenigen herauskommen soll, die es wirklich benötigen. Herr Lieven hat Ihnen das vorgerechnet. Es kommt aber noch viel weniger für jeden einzelnen in den armen Stadteilen heraus, als Herr Lieven das hier dargestellt hat. Das nützt überhaupt gar nichts.

(Hans-Detlef Roock CDU: Lesen Sie die Anfrage, da haben Sie die Gesamtsumme!)

Herr Finck führte auch noch die Ganztagsschule auf der Veddel an, die eingeführt worden sei. Mit welchem Geld ist sie eingeführt worden? Nur mit dem Geld aus Berlin haben Sie auf der Veddel eine Ganztagsschule einführen können.

(Beifall bei der SPD und bei Dr. Willfried Maier GAL)

Was hier geschieht, ist ganz einfach. Sie zeigen einmal wieder, dass Sie von dem Auseinanderdriften der einzelnen Stadtteile in dieser Stadt überhaupt nichts wahrnehmen, wenn Sie die aktive Stadtteilentwicklung über die gesamte Stadt verteilen, anstatt sie dort einzubringen, wo es notwendig ist, wo die Kinder es bräuchten, anstatt die Klassenstärken zu verringern und gezielt in die Kitas zu investieren. Stattdessen gehen Sie mit der Gießkanne über die Stadt und wissen von nichts.

(Beifall bei der SPD und der GAL)

Das Wort bekommt Herr Lieven.

(Klaus-Peter Hesse CDU: Der hat doch schon!)

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Ich will versuchen, dieser Debatte noch einmal ein anderes Niveau zu geben.

Wir müssen diese Aufgabe der sozialen Stadtentwicklung wirklich sehr ernst nehmen und sie auch annehmen, wenn wir Hamburg wirklich als eine soziale Stadt sehen und eine Stadt haben wollen, in der alle Menschen Teilhabe kennen – und ich denke, das wollen wahrscheinlich alle in diesem Haus –, und die nicht in verschiedene Räume zerfällt, Stadtteile hat, die ausgegrenzt und entkoppelt sind und zu Inseln und Ghettos werden. Im Übrigen gibt es diese Tendenz längst nicht nur in Hamburg, aber gerade auch in Hamburg.

Wir haben hier weit mehr Aufgaben als in den Achtziger- und Neunzigerjahren. Seinerzeit waren es die Altstadtviertel, die zu einem großen Teil saniert werden mussten und auch saniert worden sind. Ich denke hierbei an das Karolinenviertel, in das mittlerweile allein 80 Millionen Euro hineingeflossen sind. Diese Aufgabe hat man in Hamburg angenommen – seinerzeit unter anderem unter sozialdemokratischer und grüner Regierung – und hat auch sehr große Erfolge erzielt, wie man sie heute ablesen kann, denn diese Viertel sind sehr lebendig, integrationsstark und sie funktionieren.

Andere Wiederaufbaugebiete der Nachkriegsphase aus den Fünfziger- Sechziger- bis hinein in die Siebzigerjahre sind jetzt die Gebiete, mit denen wir uns auseinandersetzen müssen, denn die Großwohnsiedlungen sind teilweise baulich älter geworden oder in ihrer Struktur schwierig. Das ist die neue Aufgabe und die löst man nicht nur und allein in Wilhelmsburg, sondern auch in Jenfeld, Neugraben-Fischbek, Kaltenbergen oder Lurup. Das geht aber nicht mit 39 Millionen Euro pro Jahr.

(Dr. Willfried Maier GAL, Dr. Mathias Petersen und Michael Neumann, beide SPD: In vier Jahren!)

In vier Jahren! Das ist unmöglich, es braucht verdammt viel mehr.

Es reicht auch nicht, wenn man anderthalb Jahre vor der Wahl langsam unruhig wird und erklärt, dass man ein Feuerwehrprogramm benötigt und Projekte einsammelt. Hier braucht man einen integrierten Ansatz, der das Thema Bildung, Gesundheit, Einkommen und Arbeit ganz zentral beinhaltet und wirklich verknüpft.

Wir haben die soziale Stadtentwicklung seit Jahrzehnten hauptsächlich als bauliches Programm gefahren. Das war in den Achtziger- und Neunzigerjahren in den Altbauquartieren auch richtig. Die Großwohnsiedlungen sind baulich nicht das Problem, denn die Wohnungen sind gut ausgestattet. Hier geht es um das soziale Management, das dort notwendig ist. Daher benötigt man ein anderes Programm und einen anderen Ansatz.

Herrn Dr. Freytag kann man daher nicht anlasten, dass seine Behörde hiermit völlig überfordert ist. Aber Sie können sich keinen anderen Ansatz vorstellen und auch keinen anderen Ansatz entwickeln, weil er Ihnen total quer liegt. Sie entwickeln diese Stadt anders. Sie schaffen hier Räume der Sieger und der Verlierer. Die Räume der Sieger liegen in der HafenCity, denn dort geht über eine halbe Milliarde Euro hinein, von der U-Bahn über das Tamm-Museum, von der Elbphilharmonie bis hin zu den ganzen Promenaden, Kai-Kanten, Marinas und Plätzen. Das alles wird dort hineingebaut.

Eine halbe Milliarde Euro kommen auch von der SAGA. Sie haben sie nicht verkauft, sondern sie zur Ader gelassen und stecken das Geld in Ihr Sonderinvestitionsprogramm. Das ist die Art von Stadtentwicklung, die Sie vornehmen. Sie schaffen einerseits exkludierte Stadtteile und andererseits eine Puppenstube, eine Scheinrealität und eine Scheinwelt in der HafenCity. Herr Hesse möchte dort gern eine maritime Stadtmöblierung oder einen maritimen Spielplatz anlegen.

(Klaus-Peter Hesse CDU: Nicht nur da! Sie haben den Antrag nicht gelesen!)

Sie richten dort eine Puppenstube ein. Ihre Stadtentwicklungspolitik läuft mit der von innen verspiegelten Sonnenbrille.

(Beifall bei der GAL und der SPD)

Ich sehe keine Wortmeldungen mehr zum ersten Thema der Aktuellen Stunde.

Dann kommen wir zum zweiten von der CDU-Fraktion angemeldeten Thema: Entlastung für Verbraucher – die Strompreise sinken. Frau Ahrons bekommt das Wort.

A C

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Frau Präsidentin, meine Damen, meine Herren! Die restriktive Genehmigungspolitik der Behörde für Wirtschaft und Arbeit zeigt erste Wirkungen. Hamburgs Stromverbraucher können aufatmen. Vattenfall senkt rückwirkend zum 18. September seine Preise im Schnitt um 7,8 Prozent. Die Kostenentlastung, die sich aus der Senkung der Netznutzungsentgelte um rund 25 Prozent ergibt, geht in voller Höhe an die Kunden weiter.

Die Grundlage dieser Preissenkung hat der Senator im Frühjahr dieses Jahres gelegt. Die letzte Erhöhung im Klassiktarif von Vattenfall zum 1. Mai um 5,1 Prozent wurde von der BWA nur unter der Bedingung genehmigt, dass sinkende Netznutzungskosten in voller Höhe an die Kunden weitergegeben werden.

Und es zeigt uns ein Weiteres: Wettbewerb ist der Schlüssel zu sinkenden Energiepreisen.

(Uwe Grund SPD: Wo findet denn da noch Wett- bewerb statt? Das ist lächerlich!)

Auf der Seite der Energieversorger ist es infolge der Liberalisierung auf dem Energiemarkt zu einer Oligopolstellung gekommen.

Weiterhin haben fragwürdige Netzentgelte und Preissteigerungen – auch bedingt durch den Emissionshandel – zu einem Preisanstieg geführt. Nicht zuletzt kommt es durch den Investitionsstau bei den Kraftwerken, die bis 2020 zu zwei Dritteln erneuert werden müssen, zu einer kontinuierlichen Preissteigerung.

(Ingo Egloff SPD: Die Regulierungsbehörde müss- te doch eingreifen! Die häufen doch Geld ohne Ende!)

Diese Hochpreispolitik der Stromkonzerne mindert nicht nur den verfügbaren Konsum von Millionen privater Haushalte, sondern greift auch die Wettbewerbsfähigkeit deutscher Industrieunternehmen und damit den Standort Deutschland an.

Von den hohen Strompreisen profitieren vor allem die vier großen Energiekonzerne, die knapp über 80 Prozent der deutschen Stromerzeugungskapazität verfügen. Direkt nach der Liberalisierung fielen durch das Auftreten vieler kleiner Energieversorger die Strompreise des Marktes um 44 Prozent. Zwischen 2000 und 2005 sind allein die Netzentgelte um bis zu 48 Prozent erhöht worden. Mit Hilfe dieser Maßnahmen hat das Oligopol der vier großen Stromanbieter fast alle neuen Konkurrenten nach und nach wieder aus dem Markt gedrängt. Nur Yellow-Strom, eine hundertprozentige Tochter von EnBW – die Nummer vier am Markt – ist eines der wenigen, verbliebenen Versorgungsunternehmen. Der jetzt wieder fehlende Wettbewerb ist eine Ursache dafür, dass die Strompreise heute deutlich höher sind, als vor der Liberalisierung.

Ein wichtiger Schritt hin zu sinkenden Energiepreisen war das neue Energiewirtschaftsgesetz, das 2005 in Kraft getreten ist. Es sieht zwar keine Preiskontrolle, aber eine Regulierung der Netznutzungsentgelte vor. Die Arbeit der Bundesnetzagentur hat zur ersten Preissenkung geführt, wie uns die jüngste Entscheidung zu Vattenfall zeigt.

Der Senat hat mit dem im März vorgelegten energiepolitischen Konzept die Eckpunkte der Hamburger Energiepolitik skizziert.

Erstens: Kern der Energiepolitik muss ein ausgewogener Energiemix unter Einbeziehung der Kernkraft bei einer Verlängerung von Laufzeiten des Kernkraftwerkes sein.

Zweitens: Neue Technologien, die zu mehr Effizienz und Wirtschaftlichkeit führen, müssen weiter gefördert werden. Gleichzeitig ist die Energieeffizienz zu erhöhen, um Energieeinsparungen voranzutreiben.

Drittens: Ganz entscheidend ist es, dass auch neue Kraftwerkskapazitäten in Hamburg und Norddeutschland geschaffen werden. Sofern es nicht gelingen sollte, auf Bundesebene zu einer Verständigung über eine Verlängerung der Laufzeiten der Kernkraftwerke zu kommen, werden in Norddeutschland sukzessive bis 2020 gut 7800 Megawatt Kraftwerksleistung im Kerngebietsbereich vom Netz gehen.

Ohne Leistungsstarke und ortsnahe Erzeugung von Strom und Wärme in neuen energieeffizienten Kraftwerken wird der Standort Hamburg an Attraktivität für Investitionen und Neuansiedlungen verlieren.

(Ingo Egloff SPD: Die sollen ja auch neu gebaut werden!)

Für die Zeit zwischen 2007 und 2015 befinden sich gegenwärtig vier neue Kraftwerke in Planung und wir werden weiter daran arbeiten, dass Hamburg attraktiv bleibt.

(Beifall bei der CDU)

Das Wort bekommt Frau Dr. Schaal.

Sehr geehrte Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Ich bin der Meinung, dass es kein Grund zum Jubeln ist, wenn Vattenfall jetzt die Strompreise senkt, denn vor dem Hintergrund, dass die Strompreise in Hamburg seit 2000 für Haushalte um mehr als 20 Prozent und für das produzierende Gewerbe um mehr als 50 Prozent erhöht wurden, fällt die aktuelle Absenkung um etwas über 7 Prozent doch reichlich mager aus.

(Bernd Reinert CDU: Warum sind die Preise denn so gestiegen, Frau Dr. Schaal?)

Frau Ahrons, es sind keine 25 Prozent, die gesenkt werden. Die Netzentgelte wurden um 25 Prozent gesenkt und ein Drittel davon macht den Strompreis aus, was nur 7 Prozent sind.

Es wäre schön gewesen, wenn Wirtschaftssenator Uldall schon früher und nicht erst jetzt die Strompreise genauer unter die Lupe genommen und Anträge auf Strompreiserhöhungen von Vattenfall nicht nur durchgewunken hätte.

Im Gegensatz zu Senator Uldall hat sein hessischer Kollege dem Stromerzeuger viel deutlicher auf die Finger geschaut und nicht alles durchgehen lassen.

Hamburg hat die Strompreissenkungen der Bundesnetzagentur zu verdanken und nicht Herrn Senator Uldall. Vattenfall ist im Übrigen zur Weitergabe dieser Netzkostensenkung verpflichtet und auch das ist nicht das Verdienst von Senator Uldall.