Protokoll der Sitzung vom 11.10.2006

Sehr geehrter Herr Präsident, sehr geehrte Damen und Herren! Herr Hesse, Sie strafen Ihre eigenen Worte Lügen,

(Oh-Rufe von der CDU)

wenn Sie sich heute nicht darauf einlassen, Ihre in allerletzter Minute eingebrachten Änderungen noch einmal gründlich zu beraten. Wie oft haben Sie hier vorgeführt,

dass Ihrer Meinung nach den Initiatoren des Wahlrechts, das vom Volk beschlossen wurde, Fehler unterlaufen und Unstimmigkeiten drin seien; das nehmen Sie immer als Begründung.

Gerade Herr Reinert hat gestern noch einmal mit den kleinsten angeblichen Fehlern begründet, warum das Wahlrecht jetzt geändert werden müsse. Sie sagen immer, es sei handwerklich nicht ordentlich gemacht worden und die Bürgerschaft müsse deswegen nachbessern. Die Bürgerschaft kann handwerklich nur dann ordentlich arbeiten, wenn die Änderungen an solchen wichtigen Gesetzen in den Ausschüssen auch geprüft worden sind. Sind Sie sich denn überhaupt sicher, welche Verweisungen das sind, ob das Rechtsgrund- oder Rechtsfolgenverweisungen sind, die Sie hier beschließen wollen?

(Wolfgang Beuß CDU: Was schreien Sie eigentlich so?)

Das müssten Sie im Ausschuss erklären und das müssten wir noch einmal eingehend prüfen. Dieses Vorgehen wird dem Thema Wahlrecht nicht gerecht.

(Beifall bei der GAL und vereinzelt bei der SPD)

Weitere Wortmeldungen sehe ich nicht. Dann kommen wir zur Abstimmung. Wer möchte dem Antrag der GAL-Fraktion folgen und TOP 17 unserer Tagesordnung zum Wahlrecht zur Hamburgischen Bürgerschaft und den Bezirksversammlungen vertagen und stattdessen über die Große Anfrage aus TOP 7 debattieren? – Gegenstimmen? – Stimmenthaltungen? – Der Antrag ist abgelehnt.

Wer möchte heute über den Tagesordnungspunkt 17 anstelle von Tagesordnungspunkt 7 debattieren? – Gegenstimmen? – Stimmenthaltungen? – Der Antrag ist angenommen. Dann wird Tagesordnungspunkt 17 nachher als vierter Debattenpunkt aufgerufen werden.

Des weiteren haben die Fraktionen vereinbart, dass die Tagesordnungspunkte 2 und 35 vertagt werden sollen. Es handelt sich dabei zum einen um die Wahl einer oder eines Deputierten der Behörde für Inneres, Drucksache 18/5013, und zum anderen um den Antrag der GALFraktion aus der Drucksache 18/5073.

Wir kommen sodann zur

Aktuellen Stunde

Dazu sind drei Themen angemeldet worden, und zwar von der CDU-Fraktion

Kein Kind aus den Augen verlieren – wir brauchen ein Schülerregister

von der SPD-Fraktion

Gemeinsam für Airbus: Standort und Arbeitsplätze für Hamburg sichern

und von der GAL-Fraktion

Hamburg schützt seine Kinder: Recht auf Bildung und Schulbesuch für alle wahren!

Die Fraktionen sind übereingekommen, das erste und dritte Thema gemeinsam zu debattieren. Ich rufe daher

A C

B D

jetzt das erste und dritte Thema auf. Wird das Wort gewünscht? Der Abgeordnete Heinemann hat es.

Sehr geehrter Herr Präsident, meine Damen und Herren! Ich will gar nicht den aktuellen und tragischen Fall aus Bremen bemühen, weil hier sicherlich auch kein Schülerregister geholfen hätte, aber wir kennen alle auch andere Fälle. Ich war im letzten Jahr daher sehr froh, dass sich alle Fraktionen im Hause in einer Frage völlig einig waren: Wir müssen alles tun, damit wir in Hamburg kein Kind mehr aus dem Blick verlieren.

(Beifall bei der CDU)

Nur deshalb haben wir unter anderem bekanntlich das Schülerregister eingeführt. Wir wollen wissen, welche Kinder in Hamburg wo zur Schule gehen und ob die Meldeadressen stimmen, damit der Staat seine Schutzfunktion besser wahrnehmen kann. Um gleich ein Missverständnis zu beseitigen: Der aufenthaltsrechtliche Status wird im Schülerregister gar nicht gespeichert. Wer also, wie die GAL, das Gegenteil behauptet und meint, Schulleiter würden jetzt zu Handlangern der Ausländerbehörde, der hat sich mit dem Schülerregister nicht wirklich auseinandergesetzt.

(Beifall bei der CDU)

Aber natürlich geht es um eine vollständige Erfassung aller Hamburger Schülerinnen und Schüler, auch der Schülerinnen und Schüler, die illegal in Hamburg leben, was dann beim Abgleich mit den Meldeadressen auffallen kann. Ich habe wirklich alle Protokolle der letzten 20 Monate durchgesehen und niemals hat die GAL dort die Einführung dieses Schülerregisters kritisiert.

(Nebahat Güçlü GAL: Aber Hallo!)

Im Gegenteil, Frau Goetsch hat sogar gesagt, der Senat würde hier noch viel zu wenig tun.

Nachdem das Schülerregister nun längst beschlossen und fast vollständig umgesetzt worden ist, fällt der GAL und einigen Sozialdemokraten plötzlich ein, dass es vielleicht ein Problem mit illegal hier lebenden Kindern geben könnte. Liebe Frau Goetsch, das ist so, auch wenn Sie für diese Erkenntnis in der Tat ein wenig lange gebraucht haben.

(Beifall bei der CDU)

Uns ist dieses Problem schon deutlich länger bekannt und wir haben als Christlich Demokratische Union auch einen ganz klaren Standpunkt. Wir wollen und müssen alle in Hamburg lebenden Kinder schützen, ganz egal, ob sie sich legal oder illegal hier aufhalten.

(Beifall bei der CDU)

Das können wir nur tun, wenn wir nicht die Augen vor einem Problem verschließen, sondern ganz genau hinsehen. Stellen Sie sich einmal vor, ein Schulleiter nimmt in seine Schule ein Kind auf, welches offensichtlich illegal in Hamburg lebt, und eines Tages kommt dieses Kind nicht mehr in die Schule. Was macht denn dann der Schulleiter? Er wird wohl kaum zur Polizei gehen können, also schreibt er vielleicht Briefe, befragt Nachbarskinder oder klingelt an der Wohnungstür. Kommt Ihnen das irgendwie bekannt vor, Frau Goetsch? So war es im Fall Jessica. Wenn wir nicht endlich auch bei den illegal hier lebenden

Kindern genauer hinschauen, dann kann niemand für deren Kindeswohl garantieren.

(Beifall bei der CDU)

Es muss auch gar nicht zu einem solchen Extremfall kommen. Was passiert, wenn sich ein solches Kind in der Sportstunde verletzt und in kein Krankenhaus kann? Unter welchen Bedingungen leben diese Kinder eigentlich zu Hause? Der NDR hat berichtet, dass die Schulleiterinnen wegen der sprachlichen Barriere sehr wenig über die Lebensumstände der Familien wissen und auch nicht danach fragen. Na, wunderbar. Welcher Angst und welchem Druck sind diese Kinder ständig ausgesetzt und wie können wir es als Rechtsstaat eigentlich dulden, dass einzelne Kinder existentiell vom Wohlwollen einiger Schulleiter und Ärzte abhängig sind?

Leben in der Illegalität ist per se kindeswohlgefährdend und deshalb dürfen wir uns hier nicht wegducken

(Beifall bei der CDU)

und schon gar nicht dürfen wir als Politiker Schulleiter zum Rechtsbruch auffordern, weil wir vielleicht mit unseren eigenen Gesetzen nicht zufrieden sind.

Frau Goetsch, Frau Boeddinghaus, Frau Fiedler, Sie haben Hamburgs Schulleiter in eine unglaublich schwierige Situation gebracht, indem Sie eine Wahlfreiheit suggerierten, die es überhaupt nicht gibt, und indem Sie Schulleitern eine Verantwortung zugeschoben haben, die diese gar nicht tragen können. Sie wären doch nachher wieder die ersten, die fragen würden, wie es wieder zu einer solchen Katastrophe kommen konnte. Und was noch viel schlimmer ist: Sie haben durch Ihre öffentliche Panikmache eventuell einige illegal hier lebende Eltern dazu gebracht, ihre Kinder von der Schule abzumelden und sie damit der Bildung und dem Schutz des Staates zu entziehen und alles nur deshalb, weil Sie das Problem verdrängen wollen statt es zu lösen.

(Beifall bei der CDU)

Wir hingegen wollen uns dem Problem stellen. Die CDU ist daher fest entschlossen, über die Innenbehörde und gegebenenfalls auch über die Härtefallkommission jeden Einzelfall, der durch den Abgleich der Register entdeckt wird, genau zu prüfen. Wir werden dabei versuchen, den Kindern bis zum Erreichen eines Schulabschlusses einen gesicherten Aufenthaltsstatus in Hamburg zu verschaffen. Das ist natürlich auch rechtlich viel anstrengender und komplizierter, als einfach die Augen zu verschließen. Aber wir werden uns dieser Aufgabe stellen, weil für uns Kindeswohl nicht nur ein Lippenbekenntnis ist.

(Beifall bei der CDU)

Das Wort erhält der Abgeordnete Buss.

Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren! Die CDU hat für die heutige Aktuelle Stunde ein ernstes und schwieriges Thema angemeldet. Sie haben formuliert, kein Kind dürfe aus den Augen verloren werden. Nach den Beratungen im Sonderausschuss "Vernachlässigte Kinder", dem auch ich angehörte, ist dies nach dem Fall Jessica auch eine richtige Konsequenz.

(Wolfhard Ploog CDU: Richtig!)

Aus diesem Grund war es auch für die SPD-Fraktion stets klar, dieses Schülerregister zu unterstützen, weil nur so gewährleistet werden kann, dass die Schulen und die Schulbehörde die Übersicht darüber behalten, ob Kinder dem Schulbesuch entzogen werden oder nicht.

Aber das Problem, das jetzt aufgetaucht ist, lautet: Wie können wir verhindern, dass durch dieses Schülerregister das Gegenteil bewirkt wird, nämlich dass Kinder am weiteren Schulbesuch gehindert werden,

(Beifall bei der SPD und der GAL)