(Beifall bei der SPD und der GAL – Barbara Ahrons CDU: Sie ärgern sich ja nur, dass er so schnell reagiert hat!)
Ich habe gerade in den letzten Tagen und Wochen sehr viel in England mit einem Partnerbetrieb von uns zu tun gehabt. Deren größte Sorge ist, dass ihr Lohngefüge möglicherweise in die Nähe des Mindestlohns rutschen könnte, weil das angesichts der Arbeitsmarktsituation, die sie dort haben, nicht nur kein guter Ruf für die Firma
wäre, sondern sie auch befürchten, dass ihre Mitarbeiter in ihrer Arbeitsmotivation erheblich beeinträchtigt würden. Deswegen macht man sich Gedanken, was der Mindestlohn zu bedeuten hat und wie man sich als Firma dort positioniert. Wenn Sie sich die Arbeitsmarktzahlen von England anschauen, dann sind Sie weit weg davon, irgendwie festzustellen, dass der Mindestlohn, wie er dort vereinbart wird, eine schädliche Wirkung auf den Arbeitsmarkt hätte. Insofern ist dies kein Argument.
Der französische Arbeitsmarkt ist aus vielerlei anderen Gründen erheblich starrer und weniger aufnahmefähig. Deswegen zieht der Vergleich mit dem Mindestlohn dort überhaupt nicht.
Geringe Arbeitslosigkeit, faire Arbeitsbedingungen, gerechte Entlohnung, sie alle bilden das Herz einer jeden Zivilgesellschaft. Menschen hat dies schon immer existenziell bewegt. Die großen sozialen Bewegungen der letzten 150 Jahre gründen sich darin, bessere Bedingungen zu schaffen und haben zu den Sozialstaatserrungenschaften der heutigen Zeit geführt – die möchte ich gar nicht alle aufzählen –, zuletzt bis zu einer geregelten Tarifordnung, die notwendig ist, damit Unternehmen verlässliche Rahmenbedingungen für ihr wirtschaftliches Handeln haben und es erschwert wird, gerade im personalintensiven Dienstleistungsbereich, dass Wettbewerb und Konkurrenzdruck statt über die Qualität der Produkte einseitig über Lohndruck und Senkung der Arbeitsstandards geführt wird. Deswegen ist es wichtig, dass wir eine geregelte Tarifordnung haben und dort, wo sie nicht funktioniert, wo zum Beispiel Allgemeinverbindlichkeitserklärungen von den Arbeitgebern unterlaufen werden, dass wir dem einen Riegel vorschieben.
Wir haben, wie in keinem anderen Land der Welt, in Deutschland die schärfste Lohngrenze zu unseren Nachbarländern. Nur wenige hundert Meter von deutschen Betrieben entfernt befinden sich Betriebe, die auf einem Lohnniveau von einem Viertel des deutschen Lohnniveaus arbeiten. Dass dieses nicht ohne Auswirkungen auf unseren Arbeitsmarkt bleiben kann, ist offenkundig. Diese Auswirkungen haben wir seit 15, 16 Jahren zu verkraften. Wir müssen damit umgehen lernen und sie sind auf unserem deutschen Arbeitsmarkt zu besichtigen. Es wäre die vornehmste Pflicht eines jeden Hamburger Senats, sich frühzeitig darüber Gedanken zu machen, wie man Armutslöhnen begegnen kann, bevor sie da sind.
Was in Hamburg passiert ist, ist schlimm und Sie tun fast noch so, als seien Sie überrascht. Da wird plötzlich ein Runder Tisch zusammengeholt. Das ist nichts als Aktionismus, in dem Sie Ihre absichtliche Untätigkeit verschleiern wollen. Sie hätten sich dem Thema viel früher widmen können.
Wir haben das Thema als SPD-Fraktion in einer Großen Anfrage im Sommer aufgegriffen. Thema: Armutslöhne in Hamburg – Antwort des Senats: Davon wissen wir nichts. Thema: Mini- und Midi-Jobs und wie sie sich auf diejenigen auswirken, die schon Stellen haben und diejenigen, die keine haben? Der Senat weiß von nichts. Dabei wäre es wichtig, wenn Sie sich so feiern lassen für die
Beschäftigungszuwächse, zu wissen, wie viele dieser Beschäftigungszuwächse den Mini- oder Midi-Jobs geschuldet sind und wie vielen soliden guten Arbeitsplätzen. Viele gute sind dabei, aber es wäre wichtig, die Auswirkungen genauer zu kennen. Sie wissen sie nicht.
Thema: Aufstocken des Arbeitslosengeldes II. Wir haben den Senat gefragt, wie viele Menschen in Hamburg aufstockendes Arbeitslosengeld II erhalten, weil sie von dem wenig verdienten Geld in Vollzeitjobs nicht leben können. Der Senat aber hat kein Bild über diese Situation. Er schätzt, es könnte vielleicht 20 000 betreffen, aber näheres Interesse, dem nachzugehen, trotz der vielen Beispiele, die bundesweit auch schon vorher bekannt waren – in Hamburg Fehlanzeige.
Thema: Sittenwidrige Arbeitsverhältnisse. Wir haben den Senat gefragt, wie viele Fälle ihm bekannt geworden sind, bei denen Langzeitarbeitslosen Arbeitsverträge angeboten wurden, die eine so schlechte, sittenwidrige Entlohnung beinhalten, dass sie nicht nur unwürdig sind, sondern auch justiziabel, aber diesen Weg gehen die Betroffenen natürlich nicht, weil sie in einem Abhängigkeitsverhältnis stehen. Dazu antwortet der Senat: Davon wisse er nichts.
Dabei könnte der Senat es genau wissen, wenn er sich bei der ArGe erkundigt hätte, denn dort ist jeder bekannt, der Grundsicherung empfängt und einen solch sittenwidrigen Arbeitsvertrag hat. Es gibt diese Fälle in Hamburg,
sie sind schlimm und es ist Ihre Aufgabe, dem einen Riegel vorzuschieben und dazu gehört auch ein Mindestlohn.
Frau Präsidentin, meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich möchte zu Beginn mit aller Klarheit und Schärfe für den Senat festhalten: Der Senat verurteilt aufs Schärfste ein derartiges, ganz bewusstes Ausnutzen der Notlagen von Arbeitssuchenden, wie wir es jetzt kürzlich in einem Hamburger Hotel erlebt haben, meine Damen und Herren.
Herr Dees und Frau Köncke haben angemahnt, es müsste jetzt eine gesetzliche Regelung herbeikommen. Sie hatten die Gelegenheit, meine Damen und Herren von den Sozialdemokraten sage ich mal zunächst,
vor einem Jahr im Deutschen Bundestag einer Regelung zuzustimmen, die von den Grünen beantragt worden war. Sie haben abgelehnt, meine Damen und Herren.
Die Grünen hatten im Februar vergangenen Jahres, also vor etwa elf Monaten, die Chance, einen Antrag der Linken auf Einführung eines Mindestlohns zu akzeptieren. Sie haben abgelehnt, meine Damen und Herren.
(Michael Neumann SPD: Wir sind noch in der Koa- lition! Wenn Sie die lösen wollen, müssen Sie es sagen!)
Dieses zeigt doch, dass der Mindestlohn keine Patentlösung ist, um das Hauptproblem, das wir bei uns in Deutschland haben, zu lösen. Das heißt nämlich: Unterlaufen der tarifvertraglichen Vereinbarungen, meine Damen und Herren. Das ist das eigentliche Problem.
Wir schaffen das nicht dadurch, dass wir gesetzlich eine weitere Lösung treffen. Mit der kommen wir nicht durch, wenn wir die Einhaltung dieser vorgeschriebenen Tarife nicht garantieren können und das ist genau der Ansatzpunkt gewesen, mit dem wir uns zusammengefunden haben – DGB, IG Bau, Vertreter des Hotel- und Gaststättenwesens, Vertreter der Gebäudereinigerinnung. Wir haben gesagt, was nützt uns eine gesetzliche oder tarifliche Bestimmung über einen Mindestlohn, wenn diese Bestimmung hinterher nicht eingehalten wird. Fragen Sie doch einmal irgendjemanden vom Bau. Im Baubereich gibt es ja einen Mindestlohn durch das Entsendegesetz und dieser Mindestlohn wird kontinuierlich unterlaufen, meine Damen und Herren. Darüber müssen wir nachdenken, nicht, dass wir eine formale, weitere Gesetzgebung schaffen, sondern dass wir eine entsprechend harte Kontrolle erreichen, so wie es notwendig ist.
Sie haben die Frage überhaupt nicht beantwortet, wie Sie sicherstellen wollen, dass es eine entsprechende Sicherung der Zahlung der Tariflöhne und der gesetzlichen Löhne bei uns in Deutschland gibt. Darauf bleiben Sie die Antwort schuldig.
Herr Senator Uldall, wenn Ihnen so daran gelegen ist, dass Tariflöhne eingehalten werden, stelle ich die Frage, warum Sie dann das Tariftreuegesetz in dieser Stadt in einer Art und Weise geändert haben, dass diesem Gesetz die Zähne gezogen werden.
Dieses, lieber Herr Egloff, ist nicht richtig. Das halte ich ausdrücklich fest. Wenn wir jetzt über Gebäudereiniger sprechen, dann haben wir hier vonseiten der Stadt eine sehr gute und hart greifende Lösung getroffen.
Es muss nämlich jeder Reinigungsbetrieb, der einen Reinigungsauftrag bei der Stadt oder einer Tochtergesellschaft der Stadt bekommen möchte, ein Gütesiegel der Innung vorlegen, mit dem sichergestellt wird, dass Tariflöhne gezahlt werden, dass die Steuern gezahlt werden, dass Abgaben geleistet werden. Dieses Verfahren funktioniert einwandfrei, meine Damen und Herren.