Protokoll der Sitzung vom 17.01.2007

Es muss nämlich jeder Reinigungsbetrieb, der einen Reinigungsauftrag bei der Stadt oder einer Tochtergesellschaft der Stadt bekommen möchte, ein Gütesiegel der Innung vorlegen, mit dem sichergestellt wird, dass Tariflöhne gezahlt werden, dass die Steuern gezahlt werden, dass Abgaben geleistet werden. Dieses Verfahren funktioniert einwandfrei, meine Damen und Herren.

(Beifall bei der CDU)

Deswegen frage ich Sie: Warum sind Sie denn dagegen, dass wir diese Lösung auch auf den privaten Bereich übertragen?

(Michael Neumann SPD: Das kann man ja auch machen!)

Kein Hotel wird es sich leisten können, dass auf die Frage eines Kunden oder in der Öffentlichkeit darüber gesprochen wird, dass dieses ein Hotel ist, bei dem keine auskömmlichen Preise an das Unternehmen gezahlt werden, damit dort die entsprechenden tariflichen Löhne an die Arbeitgeber weitergegeben werden können.

(Michael Neumann SPD: Wo legen Sie denn das Siegel für familienfreundlich an, wenn Sie so ein Siegelfan sind?)

Meine Damen und Herren! Dieses ist nicht eine stumpfe Waffe, dieses ist die schärfste Waffe, die man sich überhaupt vorstellen kann. Wenn bei einem Unternehmen die Kunden wegbleiben, dann ist das das Schlimmste, aber das geschieht diesen Unternehmen recht, wenn sie keine entsprechenden Löhne zahlen, meine Damen und Herren.

(Beifall bei der CDU – Michael Neumann SPD: Weil Kunden so moralisch sind!)

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Im Übrigen beginnt diese Sache schon zu laufen. Wir haben die ersten Reinigungsunternehmen, die sich bei der Innung gemeldet haben und sich in dieses Zertifizierungsverfahren eintragen lassen wollen. In den Unternehmen, den Hotels wird inzwischen von den zentralen Controllingabteilungen angefragt, ob man hier eine entsprechende Sicherheit hat, dass nicht untertarifliche Löhne gezahlt werden.

Meine Damen und Herren! Wenn wir alle in dieser Frage an einem Strang ziehen, dann werden wir erreichen, dass auch in Hamburg die tariflichen Bestimmungen eingehalten werden. Ich rufe alle dazu auf, hieran mitzuwirken. Auch die Sozialdemokraten und die Grünen sollten in dieser Frage mit uns in einer Reihe stehen, meine Damen und Herren.

(Beifall bei der CDU)

Seit 20 Jahren wird danach gerufen, wir brauchen jetzt einen gesetzlichen Lohn, und es passiert nichts. Es wäre

für uns das Einfachste, jetzt einen Brief zu schreiben, Herr Petersen, und zu sagen, wir müssen jetzt endlich einmal ein Mindestlohngesetz haben. Meine Damen und Herren, so kommen wir nicht weiter. Seit 20 Jahren wird darüber geredet. Weil dieses Thema eben keine Patentlösung, sondern eine sehr diffizile Materie ist, ist man bisher nicht zu einem Ergebnis gekommen. Es kann doch keiner bestreiten, wenn Sie jetzt einen gesetzlichen Mindestlohn von 7,50 Euro fordern, dass dann viele Unternehmen, die bisher Tariflöhne von unter 7,50 Euro gehabt haben, die sie dann ja angeben müssen, bei Tariflöhnen von 7,50 Euro nicht mehr mithalten können. Bei einigen Unternehmen wird das gehen, aber bei anderen nicht, wenn die zum Beispiel 6 Euro Tariflohn vereinbart haben – Frau Dr. Hochheim, Sie haben einige Beispiele genannt, wo diese Tarife von den Gewerkschaften abgeschlossen wurden – und jetzt plötzlich ihre Lohnkosten um 25 Prozent erhöhen sollen. Meine Damen und Herren, das funktioniert nicht, sondern das Ergebnis wird sein, dass man sich von vielen Arbeitskräften trennen wird. Wenn ich Ihnen sage, dass wir in Deutschland 1,3 Millionen Beschäftigte haben, die weniger als 6 Euro als Vollzeitkraft verdienen, dann kann ich nur sagen, dass dieses das Gefährdungspotenzial an Arbeitsplätzen ist und das können wir nicht verantworten, meine Damen und Herren, dass man den Arbeitsplatz dieser Menschen unnötig gefährdet.

(Beifall bei der CDU)

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Wir sehen, dass wir bei dem Gesetzeslohn eine totale Schwierigkeit haben, dieses vernünftig zu regeln.

Wenn Frau Köncke eben sagte, da müssten wir einen Branchengesetzeslohn einführen, dann kann ich nur sagen: Wenn Sie das pro Branche machen, dann haben Sie den gleichen Lohn, der in Stuttgart gezahlt wird – in Stuttgart herrscht Vollbeschäftigung oder sogar Überbeschäftigung –, auch im östlichen Mecklenburg-Vorpommern an der polnischen Grenze, wo Sie eine Arbeitslosenquote von 25 Prozent haben. Frau Köncke, dieses wird nicht funktionieren, sondern Sie bekommen eine solche Spannung und eine solche Schieflage. Man kann Ihnen wirklich nur sagen, dass dieses nicht zum Erfolg führen wird.

(Beifall bei der CDU)

Meine Vorredner haben alle darauf hingewiesen, dass ich so sehr lächle. Deswegen möchte ich den Sozialdemokraten und den Grünen sagen, dass es eine altbekannte Tatsache ist, dass ein Politiker, der freundlich ist und lächelt, viel erfolgreicher ist als ein Politiker, der verbissen und grimmig ist. Bitte lernen Sie von mir.

(Beifall bei der CDU)

Das Wort bekommt Herr Kerstan.

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Herr Uldall, Sie haben recht. Wir reden über ein ernstes Thema. Es geht hier um Menschen, die um ihre Existenz ringen, die jeden Tag harte Arbeit leisten und dafür mit Hungerlöhnen abgespeist werden und untertariflich bezahlt werden, was eine Straftat sein kann. Wenn dann Sie, Frau Hochheim, kommen und sagen, angesichts dieser Situation reiche es, wenn ein CDU-Senator lieb lächelt, dann muss ich sagen, dass die Interessen

der Menschen dieser Stadt, die den Schutz des Staates nötig haben, unter diesem CDU-Senat verraten und verkauft sind.

(Beifall bei der GAL und vereinzelt bei der SPD)

Und wenn Sie dann noch sagen, man müsse einerseits Straftaten verfolgen, aber andererseits dürften dadurch keine Arbeitsplätze bedroht werden, dann kann ich Ihnen sagen, dass unsere Priorität da ganz eindeutig ist. In dem Moment, in dem Straftaten vorliegen, in denen gesetzliche Tariflöhne unterlaufen werden, müssen diese Straftaten verfolgt werden. Das hat dieser Senat bisher nicht sichergestellt. Das ist der Fehler.

(Beifall bei der GAL und vereinzelt bei der SPD)

Herr Senator, jetzt tun Sie nicht so, als ob das eine neue Situation sei und in diesem Monat das erste Mal ein Lohn von 2,96 Euro im Reinigungsgewerbe gezahlt wurde. Das ist nicht erhoben worden, aber meine Prognose ist mit Sicherheit richtig: Das ist in jedem einzelnen Jahr, in dem Sie regiert haben, in dieser Stadt vorgekommen.

(Lachen bei der CDU)

Und Sie haben dem tatenlos zugesehen. Angesichts dieser Situation reicht es nicht, dass Sie unsere Vorschläge ablehnen, sondern jetzt ist Handeln gefragt. Diese Debatte heute hat es gezeigt, Sie sind dazu nicht bereit.

(Harald Krüger CDU: Lächeln!)

Damit werden Sie Ihrer Verantwortung in dieser Stadt nicht gerecht.

(Beifall bei der GAL und vereinzelt bei der SPD)

Herr Krüger, angesichts dieser Tatsache werde ich nicht lächeln, denn das ist ein Skandal. Für den sind Sie von der CDU verantwortlich. Wenn Sie ihn abstellen, werde ich gerne lächeln, aber nicht vorher.

(Beifall bei der GAL und vereinzelt bei der SPD – Harald Krüger CDU: Ich, verantwortlich?)

Letztlich haben Sie, Herr Uldall, doch hier überhaupt nichts gesagt, was unser Konzept betrifft. Denn wir Grünen haben keine 7,50 Euro Mindestlohn gefordert, weder hier in der Bürgerschaft noch in der Debatte im Bundestag, die Sie angesprochen haben. Wir haben branchenspezifische und regional differenzierte Branchenlöhne gefordert, die von den Gewerkschaften ausgehandelt werden. Dort, wo nicht genügend Betriebe gebunden sind, müssen diese Tarifverträge vom Gesetzgeber für allgemeingültig erklärt werden. Die Voraussetzungen, die für die Allgemeingültigkeitserklärung notwendig sind, müssen angepasst werden. Im Moment sind die gesetzlichen Schranken dafür so hoch, dass das in den seltensten Fällen möglich ist. Das ist das Konzept, das wir auf den Tisch gelegt haben. Sie haben dazu nichts gesagt, sondern Sie reden immer von 7,50 Euro, die wir gar nicht gefordert haben. Was daran deutlich wird, ist, dass Sie konkrete Maßnahmen nicht ergreifen wollen. Die Gründe dafür bleiben Sie schuldig. Solange das so ist, ist das nicht hinnehmbar und das ist der eigentliche Skandal, über den wir heute reden müssen.

(Beifall bei der GAL und vereinzelt bei der SPD)

Denn das einzige Argument, das Sie anwenden, Herr Uldall, ist, dass Sie sagen, dass wenn der Mindestlohn zu hoch wäre, könne es in einzelnen Branchen eventuell zu

Arbeitsplatzverlusten kommen. Diese Befürchtung teilen wir. Darum gibt es unser Konzept ohne einen festen Mindestlohn, das sich dadurch von anderen Konzepten unterscheidet. Ich möchte von Ihnen einmal den Grund hören, warum Sie zu diesem Konzept letztlich nichts gesagt haben, Herr Uldall. Das reicht nicht, was Sie heute hier abgeliefert haben.

Zum anderen: Das zweite Argument, das gerne von Gegnern des Mindestlohns verfochten wird, haben Sie heute nicht mehr angeführt. Die CDU-Redner im Bundestag bei der Initiative der Bundestagsfraktion haben das damals noch angeführt. Die haben einerseits gesagt, dass wenn man den Mindestlohn zu hoch ansetzte, Jobs verloren gingen. Und wenn er zu niedrig sei, dann nütze er nichts. Das Argument haben sie heute nicht mehr gebracht. Wir wissen auch ganz genau warum. Denn mittlerweile hat sich in unserer Wirtschaft und in unserer Gesellschaft eingeschlichen, dass Arbeitgeber offenkundig kein Schamgefühl mehr empfinden, wenn sie Hungerlöhne von 2,96 Euro zahlen. Insofern wäre auch ein Mindestlohn von 4, 5 oder 6 Euro ein Segen für die Beteiligten. Sie sollten dieses Argument jetzt nicht einfach unter den Tisch fallen lassen, sondern letztlich zugeben, dass Sie sich geirrt haben und deshalb in diesem Bereich handeln müssen. Darum ist die Zeit für Diskussionen vorbei. Es wird Zeit, dass Sie endlich etwas tun. Fangen Sie endlich damit an und halten Sie hier keine schönen Sonntagsreden, Herr Uldall.

(Beifall bei der GAL und vereinzelt bei der SPD)

Ihre Initiative mag ja ein nettes Begleitwerk sein, eine Ergänzung, dass die Konsumenten auch eine Chance haben zu agieren. Aber jetzt sind auch Maßnahmen des Gesetzgebers notwendig. Das ist Ihre Rolle, Sie haben Sie seit fünf Jahren in dieser Stadt nicht wahrgenommen. Ich fordere Sie auf: Tun Sie das. Wir brauchen nicht mehr zu diskutieren.

(Glocke)

Unsere Vorschläge liegen auf dem Tisch. Stimmen Sie endlich zu oder legen Sie eigene auf den Tisch. Dann können wir über das beste Konzept reden. Ihre Verweigerungshaltung ist so nicht akzeptabel. – Vielen Dank.

(Beifall bei der GAL und vereinzelt bei der SPD)

Das Wort bekommt Frau Ahrons.

– Herr Kerstan, Sie fordern ja ein Bürokratiemonster. Wenn ich das nur höre, dann wird mir ja schon ganz anders.

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Es ist gut, dass das Thema Mindestlöhne nach diesem skandalösen Vorfall, der jetzt öffentlich geworden ist, heute auf die Tagesordnung gesetzt wurde.

(Dr. Willfried Maier GAL: Die weiß gar nicht, was die rechtliche Situation der Republik ist!)

Der Senator hat überaus schnell und sehr energisch reagiert. Das hat er auch eben noch einmal ausgeführt.

GAL und SPD fordern nun vehement die Einführung von Mindestlöhnen. Mit solchen Mindestlöhnen soll nach Ihrer Ansicht ein sogenanntes Lohndumping verhindert und der Bürger vor Billiglöhnen geschützt werden. Die Befürworter eines Mindestlohnes wollen damit auch erreichen,