Wir kommen zum Tagesordnungspunkt 9, Drucksache 18/5116, Große Anfrage der GAL-Fraktion: In der Illegalität lebende Menschen in Hamburg.
[Große Anfrage der Fraktion der GAL: In der Illegalität lebende Menschen in Hamburg – Drucksache 18/5116 –]
Diesen Antrag möchte die SPD-Fraktion federführend an den Innenausschuss und mitberatend an den Schulausschuss überweisen. Wer wünscht das Wort? – Frau Möller.
Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Das Thema der Menschen, die im illegalen Aufenthalt in Hamburg leben, besprechen wir hier nicht zum ersten Mal. Wir hatten im Oktober in Hamburg unter breiter Beteiligung der Öffentlichkeit eine Debatte zu den Auswirkungen des neuen Registers für Schülerinnen und Schüler geführt.
Im November hat dann die GAL-Fraktion eine Große Anfrage zur Gesamtsituation der Menschen, die in Hamburg in der Illegalität leben, gestellt. Heute legen wir nun einen Antrag zur Debatte vor, bei dem – meine ich – alle drei Fraktionen gemeinsam den Senat auffordern könnten, die humanitäre Verantwortung gegenüber diesen Menschen in Hamburg zu übernehmen. Sie sind zwar unaufgefordert hierher gekommen, sind aber aus der hamburgischen Schattenwirtschaft auch nicht mehr wegzudenken.
Wir sind in Hamburg mit der Debatte um dieses Thema spät dran. Der Innenausschuss des Bundestages hat im Sommer 2006 eine Anhörung zum Leben in der Illegalität in Deutschland durchgeführt. Der jesuitische Flüchtlingsdienst hat schon vor zwei Jahren ein Manifest zur illegalen Zuwanderung verfasst, was sich durch ein sehr breites Bündnis auszeichnet. Viele Kolleginnen und Kollegen aus allen Fraktionen, Richter und Richterinnen, Stadträte und Stadträtinnen, Parteien, Verbände, Hilfswerke, Kirchen und Religionsgemeinschaften, Gewerkschaften,
Künstler und Künstlerinnen, Medienschaffende und viele Menschen aus der Wissenschaft haben dieses Manifest unterschrieben.
Über alle Differenzen hinweg wurde sich hier darauf verständigt, dass darüber diskutiert werden muss, dass man Menschen ohne Papiere nicht nur mit ordnungspolitischen Maßnahmen begegnen kann, wobei heute zu meiner Freude und Überraschung die Sozialsenatorin und die Schulsenatorin anwesend sind und der Innensenator fehlt. Vielleicht bekommen wir dadurch in Hamburg endlich einmal eine Debatte außerhalb des ordnungspolitischen Rahmens hin.
Schon im Jahre 2001 wurde im Übrigen vom Stadtrat in München eine wissenschaftliche Studie in Auftrag gegeben, die den Gesamtumfang des Lebens in der Illegalität untersuchen sollte. Daher gibt es natürlich auch längst in Städten wie beispielsweise München, Freiburg oder Köln Studien und Beschlüsse der Sozialausschüsse zur Gewährung humanitärer Grundrechte und zum Schutz vor Ausbeutung und Menschenhandel. Hierauf hat sich dann im Übrigen auch vor – glaube ich – zweieinhalb Jahren der Bezirk Altona mit seinen Beschlüssen und Veranstaltungen bezogen.
Wir haben bei der Debatte zum Schulregister schon festgestellt, dass auch für diesen speziellen Aspekt, nämlich für den Aspekt des Rechts auf Bildung, andere Bundesländer und Städte Regelungen gefunden haben, auch Kindern ohne Papiere das Recht auf Bildung zu gewähren. Das alles ist in Hamburg bisher kein Thema. Und die Antworten des Senats auf die Große Anfrage der GAL haben das auch noch einmal verdeutlicht. Der Senat weist jede Verantwortung von sich. Er hat allerdings – das muss man ihm zugestehen – präzise erkannt, dass sich die Anfrage, ich zitiere:
"auf Ausländerinnen und Ausländer bezieht, die sich in Hamburg oder im Bundesgebiet aufhalten, ohne dass dieser Umstand den Ausländerbehörden bekannt ist."
Der Senat verschließt schlicht und einfach die Augen vor der gesellschaftlichen Realität, dass in Hamburg Tausende von Erwachsenen und etliche Kinder ohne behördliche Genehmigung leben und arbeiten.
Vorhin in der Aktuellen Stunde hat Frau Dr. Hochheim Herrn Professor Straubhaar zitiert, was ich jetzt auch einmal tun werde. Er hat gesagt, ich zitiere:
"Es ist eine scheinheilige Politik, einerseits genau zu wissen, dass die deutsche Wirtschaft angewiesen ist auf illegale Einwanderer und andererseits so zu tun, als ließe sich das Problem durch Abschiebung lösen. Letztlich profitieren wir alle von diesen Menschen, von niedrigen Preisen und willigen Arbeitskräften."
Er hat recht. Diese Menschen leben hier allein oder mit Familien und die meisten von ihnen arbeiten als billigste Arbeitskräfte, weit jenseits von Tariflohn und geregelten Arbeitsbedingungen. Das Thema hatten wir vorhin ja schon.
Dieses Arrangement beruht aber auf Gegenseitigkeit. Der Markt sucht nach billigen Arbeitskräften und bietet Verdienstmöglichkeiten auch für illegal in Hamburg lebende Personen an. Das findet man im Übrigen besonders in privaten Haushalten, im Gaststättengewerbe, in der Prostitution oder auch auf dem Bau.
Die Verfasser der Münchner Studie gehen für die Stadt München von 30 000 bis 50 000 erwachsenen Personen und mehreren hundert Kindern aus. Der Senat – soweit also wieder die Antwort auf unsere Anfrage – verfügt weder über eine annähernde Schätzung der Zahl der Menschen ohne legalen Aufenthaltsstatus, noch kann er eine einzige Institution benennen, die mit Unterstützung der Stadt humanitäre Hilfe für Menschen in der Illegalität anbietet, um ihnen die teilweise menschenunwürdigen Lebensumstände zu erleichtern.
Aber auch nicht legal in Hamburg lebende Menschen stehen unter dem Schutz des Rechtssystems. Die allgemeinen Menschenrechte geben Schutz vor Ausbeutung und garantieren ein Mindestmaß an medizinischer Hilfe.
Ganz typisch bei der Senatsantwort ist – ich habe das schon erwähnt –, dass außer der Innenbehörde keine zuständige Behörde benannt wird. Geht es um die Gesundheitsversorgung, wird wieder lediglich mit dem Ausländerrecht argumentiert und immer wieder die Verpflichtung betont, sich den Behörden zu erkennen zu geben. Ein anonymer Zugang zur medizinischen Untersuchung ist nach Angaben des Senats nur in der zentralen Beratungsstelle für sexuelle Krankheiten möglich. Außerdem können sich Frauen in Notfällen bei "pro familia" gynäkologisch untersuchen lassen und es gibt die mobile Hilfe der "Caritas Hamburg" für Obdachlose. Weitere Angebote kennt der Senat nicht. Hier ist also meine Frage: Hat er überhaupt die Sozialbehörde gefragt? Vielleicht weiß aber auch die Sozialbehörde nicht mehr an dieser Stelle. Jedenfalls sind diese Angebote nur ein Tropfen auf dem heißen Stein und diese Stellen haben schon mehr als genug mit ihren eigentlichen Zielgruppen zu tun.
Die Folgen sind, dass auch in Hamburg Menschen ohne legalen Aufenthaltsstatus aus Angst vor Entdeckung und unabsehbaren Kosten zu spät oder gar nicht in ärztliche Behandlung gehen und Krankheiten durch das späte Eingreifen für die Betroffenen viel gefährlicher und für die Allgemeinheit im Übrigen in der Regel teurer werden. Eine elementare Gesundheitsvorsorge vermeidet für das Gesundheitssystem hohe Folgekosten durch verschleppte und nicht erkannte ansteckende Krankheiten.
Es geht also um Fürsorgepflicht und natürlich auch um Kosten. Das ist durchaus im Widerspruch miteinander. Wenn man dann noch erklärt, dass man eigentlich alles nur ordnungspolitisch regeln will, sind wir tatsächlich in der Situation, die Hamburg hier im Moment bietet.
Um die Verbesserung der Situation wie beispielsweise in München zu erreichen, wurde und wird immer noch über die Gründung eines Fonds zur Finanzierung der medizinischen Versorgung nachgedacht. Dort gibt es einen breiten Kreis von Vertretern und Vertreterinnen der Stadt, der Kirchen, der Wohlfahrtsverbände, weiteren Organisationen und von engagierten medizinischen Fachkräften, die einen Trägerverbund für einen Gesundheitsfonds ins Leben gerufen haben.
Beispielsweise in Berlin gibt es eine andere Initiative, die Malteser Migrantenmedizin, hat aber das gleiche Ziel. Sie
ist eine Anlaufstelle für Menschen in der Illegalität und wird durch den Berliner Senat unterstützt.
Zugewanderte Personen ohne Aufenthaltserlaubnis sind auf Arbeit in der sogenannten Schattenökonomie angewiesen. Wir haben schon mehrfach darüber gesprochen. Eine relevante gesellschaftliche Nachfrage gibt es in der Baubranche, aber sehr ernst ist vor allem die Situation bei der Zwangsprostitution, die hier ganz dramatische Aspekte hat. Studien zum Leben in der Illegalität haben festgestellt, dass Lohnbetrug, also ein Nichtauszahlen des Lohns, an illegal Beschäftigte häufig vorkommt und Unternehmen diese Tatsache ausnutzen, dass die Beschäftigten aufgrund ihrer unsicheren Lebenssituation ihr Recht auf Leben nicht einklagen können. Das würde beispielsweise aber gerade im Fall von Zwangsprostitution dazu führen, dass aus den Objekten der Prostitution tatsächlich selbständig handelnde Subjekte werden können, wenn denn den Frauen die Möglichkeit gegeben wäre, Lohn einzuklagen. Das muss eines der Ziele im Umgang mit Menschen im illegalen Aufenthalt sein.
Es muss also darum gehen, dieses Menschenrecht auf Schutz vor Ausbeutung durchsetzbar zu machen. Hiermit geht sicherlich – aber das kann nur das gewünschte Ziel sein – ein Teil der Attraktivität dieser Arbeitskräfte für die Unternehmen und auch für Schlepperorganisationen verloren.
Nach Angaben des Senats gibt es zwar die von der Stadt Hamburg betriebene öffentliche Rechtsauskunft, die Daten der Hilfesuchenden nicht weitergibt, aber aus Sicht des Senats selbstverständlich nur, wenn sich die Beratungsleistung auf die Möglichkeiten beschränkt, wie man aus dem illegalen Status herauskommt. Das reicht aber nicht. Wir brauchen die allgemeinen Zugangsmöglichkeiten zur ÖRA wie auch zum Arbeitsgericht für Menschen im nicht legalen Aufenthalt.
Der Berliner Senat hat im Übrigen nach einem Urteil inzwischen längst festgestellt, dass Arbeitsgerichte in der Regel nicht verpflichtet sind, den ausländerrechtlichen Status der klagenden Personen zu erfragen. In der Antwort auf unsere Große Anfrage hat der Senat hierzu keine Meinung.
Ein weiterer Punkt ist das Recht auf Bildung, den ich hier aber nur kurz streifen will, weil wir – wie ich hoffe – im Ausschuss in der gemeinsamen Sitzung des Innen- und Schulausschusses ausführlich Gelegenheit haben werden, darüber zu sprechen und wie man dieses Recht umsetzt. Auch hier in diesem Antrag ist das für uns noch einmal ein wichtiger Aspekt, denn das Recht auf Bildung eröffnet Kindern hier oder in ihrem Herkunftsland dann, wenn sie wieder zurückgereist sind, eine Perspektive jenseits der Illegalität und verschafft ihnen die für jene Gesellschaft wichtigen Lebenschancen.
Der vierte und letzte Punkt unseres Antrages ist vielleicht derjenige, mit dem man die Arbeit zur Erfassung der Situation der Menschen im illegalen Aufenthalt in Hamburg beginnen müsste, nämlich die Dokumentation der Lebenssituation dieser Personen. Ich habe am Anfang
Ich denke, es wird Zeit, dass wir in Hamburg mit der Diskussion beginnen und dass wir uns darüber im Klaren werden, wie groß der Anteil der Personen ist, die in Hamburg im illegalen Aufenthalt leben, und in welcher Lebenssituation sie sich befinden. Wir sind verpflichtet, ihnen die sozialen Rechte, die sie haben, auch zukommen zu lassen. Hierfür erhoffe ich mir eine breite Zustimmung für die Debatte im Ausschuss. – Danke.
Frau Präsidentin, meine sehr geehrten Damen und Herren! Sowohl in der Großen Anfrage der GAL-Fraktion, als auch jetzt in dem vorliegenden Antrag wird vorwiegend ein Aspekt im Hinblick auf Personen erörtert, die sich illegal in Hamburg oder in der Bundesrepublik Deutschland aufhalten. Das ist der sozialpolitische Aspekt. Ich möchte einmal einen ganz anderen Aspekt aufgreifen und das ist ganz schlicht und ergreifend der rechtsstaatliche Aspekt.
Über welchen Personenkreis unterhalten wir uns hier? Wir unterhalten uns über Personen, die sich illegal in der Bundesrepublik Deutschland aufhalten und die sich hiermit strafbar machen, weil es ganz einfach ein rechtswidriges Verhalten ist. Daher ist es auch absolut gesetzeswidrig, wenn diese Personen soziale Transferleistungen oder aber Grundsicherungsleistungen erhalten würden. Es ist ganz schlicht und ergreifend rechtlich nicht möglich.
In Ihrem Antrag steht aber etwas anderes, Frau Möller. Sie wollen eine Gesundheitsvorsorge et cetera pp. Leistungen innerhalb der Gesundheitsvorsorge nach dem Asylbewerberleistungsgesetz sind gesetzliche Leistungen. Hierauf hat dieser Personenkreis definitiv keinen Anspruch. Das mögen Sie beklagen, aber das ist die Rechtslage.