Protokoll der Sitzung vom 31.01.2007

Warum werden Eltern und Kinder diesem Wirrwarr ausgesetzt? Warum beschließen Sie nicht – um in Ihrer Logik der selektiven Bevorzugung von Sprachförderkindern zu bleiben – einen gerechten Gebührenerlass zumindest für alle Sprachförderkinder? Kommen Sie da auf einen anderen Kurs.

Besser für die frühkindliche Bildung, Kolleginnen und Kollegen, und ohne stigmatisierende Effekte für die Kinder ist allemal die Beitragsfreiheit für das letzte Jahr vor der Schule. Nehmen Sie die Gelegenheit wahr, den später auf der Tagesordnung stehenden Antrag unserer

Fraktion und der Fraktion der GAL an den Familienausschuss zu überweisen. Setzen Sie sich dafür ein, dass Ihr selbst angerichtetes unsägliches Chaos so bald als möglich beendet wird.

(Beifall bei der SPD und vereinzelt bei der GAL)

Das Wort bekommt Herr Heinemann.

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Liebe Frau Hilgers, ich habe den Eindruck, dass Sie sich auf ziemlich dünnes Eis begeben.

(Dirk Kienscherf SPD: Was?)

Als die CDU vor sechs Jahren eine vorschulische Sprachförderung gefordert hat, wurde sie von SPD und GAL ganz arrogant abgelehnt. Ihrer Schulsenatorin Pape fielen zum Thema Sprachförderung in der Debatte nur Englisch in der Grundschule und bilinguale Klassen ein. Eine Förderung der deutschen Sprache war für SPD und GAL damals schon fast ein bisschen anrüchig.

(Petra Brinkmann SPD: Das hat doch damit gar nichts zu tun!)

Das haben wir im Rahmen unserer Bildungswende geändert,

(Beifall bei der CDU)

und zwar mit der Einführung der Viereinhalbjährigenuntersuchung – von der CDU eingeführt –, der Einführung der verpflichtenden Sprachförderung vor der Grundschule und jetzt auch der Einführung der verpflichtenden Vorschule

(Dr. Andrea Hilgers SPD: Thema!)

für besonders förderbedürftige Kinder, Frau Hilgers.

Es waren ebenfalls SPD und GAL – wenn ich Sie erinnern darf –, die über viele Jahre eine gnadenlose Ungleichbehandlung von Kindern in der Kita und Kindern in der Vorschule zuließen. Die einen zahlten den vollen Beitragssatz, die anderen zahlten gar nichts. Auch das haben wir jetzt geändert. Für beide, Kita und Vorschule, gelten die gleichen Beitragssätze. Dafür haben wir aber auch die Vorschule analog zur Kita von vier auf fünf Stunden verlängert und die Verlässlichkeit für die Eltern hergestellt.

(Zuruf von Dr. Andrea Hilgers SPD)

Frau Hilgers, ich freue mich, dass Sie offensichtlich mittlerweile auch für eine Gleichbehandlung der Angebote sind. Danke für die nachträgliche Unterstützung. Man kann aber natürlich nur das gleichbehandeln, was auch gleich ist.

(Dr. Andrea Hilgers SPD: Ach, jetzt wird es inte- ressant!)

Ich erinnere an die Enquete-Kommission, in der wir ausführlich diskutiert haben, ob man zum Beispiel eine Kitapflicht einführen kann. Es war die SPD-Fraktion, Ihre Fraktion, Frau Hilgers, die freundlicherweise von Ihrer ehemaligen Senatorin Peschel-Gutzeit ein Gutachten dazu erstellen ließ. Es gab ein klares Ergebnis, das Ihnen Frau Ernst sicherlich gerne gibt: Eine Schulpflicht ist verfassungsrechtlich zulässig, eine Kitapflicht ist es nicht.

(Dr. Andrea Hilgers SPD: Bildungspflicht meine ich, Herr Heinemann!)

Eine verpflichtende Sprachförderung vor der Grundschule kann verfassungsrechtlich daher nur in der Vorschule stattfinden und nirgendwo sonst. Lesen Sie das Gutachten Ihrer Parteikollegin.

(Beifall bei der CDU – Dr. Andrea Hilgers SPD: Das ist Blödsinn!)

Da sie verpflichtend ist, muss sie natürlich auch, Frau Hilgers, kostenlos angeboten werden. Das tun wir.

Um dem Elternwillen dennoch Rechnung zu tragen, haben wir ganz bewusst die Ausnahmeregelung geschaffen, dass die verpflichtende Sprachförderung auch in der Kita stattfinden kann und ermöglicht wird. "Kann" heißt aber nicht "soll". Die Frage, der wir uns gestellt haben und der wir uns stellen mussten, war, ob wir hier Prioritäten setzen wollen – in diesem Fall für die Vorschule – oder ob wir dies nicht wollen. Darauf, und das ist das Kleingedruckte in unserem Antrag, haben wir damals schon eine ganz klare Antwort gegeben. Wir wollen, dass Kinder mit einem erheblichen Sprachförderbedarf in der Regel in der Vorschule gefördert werden,

(Dr. Andrea Hilgers SPD: Ja, und das ist blöd!)

weil hier die besonders förderbedürftigen Kinder eng an die künftige Grundschule angebunden sind, weil sie hier frühzeitig die Institution Schule kennenlernen

(Dr. Andrea Hilgers SPD: Das ist fatal!)

und weil hier das Wissen über die Kinder an einem Ort gebündelt werden kann.

Das mögen Sie fatal finden, nur ich hatte in der Enquete-Kommission den Eindruck – Frau Hilgers, Sie sollten dort vielleicht einmal vorbeikommen –, dass dort zwischen den Fraktionen hierzu weitgehend Einigkeit besteht. Wir haben dort wohlgemerkt einstimmig einen Beschluss gefasst, den ich einmal vorlese:

"Die Schulen werden ermuntert, jahrgangsübergreifende Formen der Zusammenarbeit zwischen Vorschule, erster und zweiter Klasse im Rahmen ihrer Selbstverantwortung zu entwickeln …. Das Vorschulangebot soll bedarfsgerecht weiter ausgebaut werden."

Einstimmig haben wir in der Enquete-Kommission also einen weiteren Ausbau des Vorschulangebotes gefordert, sehr wohl zu Lasten des Kita-Bereiches. Noch spannender wird es, wenn man sich das Minderheitenvotum der GAL anschaut. Darin steht:

"Alle Kinder beginnen kostenfrei nach dem Elementarbereich in der Regel mit fünf Jahren in der Eingangsstufe der Grundschule, die von der Vorschule bis zur zweiten Klasse … individuell fördert."

Die GAL – erstaunlicherweise auch heute, Frau Blömeke – jammert also auf der einen Seite über die angebliche Ungleichbehandlung der Kitas, fordert aber selber nichts anderes als die Abschaffung des letzten Kitajahres zugunsten der Vorschule. Auch hier hatte die CDU eine ganz klare Position. Wir haben mit Rücksicht auf die gewachsene Kitalandschaft und in Anbetracht der Leistungen …

Frau Hilgers, vielleicht hören Sie einmal zu. Frau Hilgers!

(Dr. Andrea Hilgers SPD: Ich höre zu!)

In Anbetracht der Leistungen der Hamburger Kitas haben wir gegen den Beschluss gestimmt. Ihre SPD hat sich hingegen enthalten, ich vermute, weil sie erst wieder eine Kommission oder Herrn Egloff brauchen, um sich zu einigen, welche Position sie eigentlich in dieser Frage einnehmen – Vorschule oder Kita.

(Dr. Andrea Hilgers SPD: Die ist geklärt!)

Also, liebe Frau Hilgers, spielen Sie sich hier nicht als Retterin der Kitas auf. In Wirklichkeit hat sich Ihre Partei gemeinsam mit der GAL längst still und heimlich von der Wahlfreiheit zwischen Kita und Vorschule verabschiedet. Seien Sie so ehrlich und stehen Sie dazu.

(Beifall bei der CDU – Dr. Andrea Hilgers SPD: Sie irren, Sie irren!)

Das Wort bekommt Frau Blömeke.

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Herr Heinemann, ich glaube Sie haben da einiges verwechselt, vielleicht auch nicht richtig zugehört. Es ist völlig richtig, dass die GAL das vorschulische Jahr völlig neu organisieren will, und zwar in der Art und Weise, wie Sie es gesagt haben. Wir wollen nicht mehr das Nebeneinander von Vorschule und Kita. Das ist völlig richtig. Solange wir das aber haben – Vorschule und Kita –, müssen wir auch dafür sorgen, dass beide Einrichtungen als gleichwertige Einrichtungen zu sehen sind. Das ist eine ganz wichtige Sache, die Sie nicht einhalten.

(Vereinzelter Beifall bei der GAL)

Dazu kommt, dass Sie uns ein paar Vorwürfe gemacht haben, was denn alles in der Vergangenheit so gewesen sei. Ich möchte festhalten, dass es die CDU-Fraktion war, die 200 Stellen in der Sprachförderung abgebaut hat. Und es war die CDU-Fraktion, die letztendlich auch die Ganztagesplätze in den Kitas gestrichen hat, wenn ein Kind Sprachförderbedarf hat. So sieht Ihre Realität aus.

(Vereinzelter Beifall bei der GAL)

Ich frage mich, welche Art von Fortschritt Sie meinen – Fortschritt, dass jetzt beide bezahlen müssen, Vorschule und Kita, und nur die befreit werden, die Sprachförderbedarf haben. Das ist doch wohl ein bisschen absurd und nicht die Art von Fortschritt, die wir uns eigentlich auf den Leib schreiben sollten.

(Beifall bei der GAL und vereinzelt bei der SPD)

Anders als in der Wirtschaftspolitik, muss ich aber sagen – da gibt es ja, wie ich vorhin gehört habe, keine neuen Ideen –, versucht die CDU-Fraktion hier mit neuen Ideen durchzukommen. Aber das Problem bleibt meiner Ansicht nach das alte. Es fehlt der CDU einfach an Konzepten aus einem Guss. Stattdessen ist es eher Flickwerk wie das der Sprachförderung. Es ist auch ganz symptomatisch, dass Herr Heinemann zuerst redet, denn erstaunlicherweise musste ich auch hören, dass dieses ganze Konzept ohne Ihre Kita-Expertin Frau Strasburger auf die Reihe gebracht wurde. Da kann keine Ganzheitlichkeit entstehen, wenn Sie das Ganze nur aus reiner schulpolitischer Sicht bearbeiten.

Lassen Sie mich eins gleich zu Anfang klarstellen. Verpflichtende Sprachförderung ist ganz wichtig und wir streiten auch nicht über das Thema "Sprachförderung – ja oder nein", sondern es geht um die Umsetzung. Das, was Sie, die CDU-Fraktion und der Senat, uns, den Kitas und den Vorschulen antun, ist für die Sprachförderung insgesamt wenig förderlich. Man muss sich das wirklich einmal klarmachen, was Frau Hilgers gerade gesagt hat. Kinder, bei denen vor der Einschulung ein Sprachförderbedarf festgestellt wird, sind ab jetzt kostenfrei, wenn sie in die Vorschule gehen. Dass müssen sie laut Schulgesetzänderung ja jetzt auch. Wollen die Eltern aber ihren Kitaplatz behalten, dann müssen sie den Familienanteil zahlen.

(Robert Heinemann CDU: Den wollen Sie doch abschaffen, Frau Blömeke!)