Protokoll der Sitzung vom 14.02.2007

Herr Engels, Sie sind ja auch von Hause aus Lehrer. Ich wollte Sie einmal fragen, was Sie von dem Thema Vorbildfunktion halten?

Das habe ich doch eben gesagt. Ich habe gesagt: Vorbild ist immer gut.

Nur nicht beim Senat.

Zum Beispiel habe ich mich als Lehrer bemüht, immer aufzupassen, was die anderen vorher gesagt haben. Aber lassen wir das.

Ich will noch eine Anmerkung zum Thema Tempolimit machen. Ich bin sehr viel, insbesondere in skandinavischen Ländern, unterwegs. Vielleicht hat mich das auch zu einem grundsätzlichen Wohlwollen veranlasst, was das Tempolimit betrifft. Aber wenn Sie darauf herumreiten, dass wir von anderen Ländern lernen sollen, und in der Debatte die Kernenergie eine Rolle spielt, dann muss ich Ihnen sagen, dass Sie dort auch einmal auf andere Länder achten sollten. Denn wir sind – vielleicht noch mit Österreich und Italien – eine einsame Achse in dieser Welt. Wir sind gerne bereit voneinander zu lernen. Ich bin gerne bereit von anderen Ländern zu lernen, was das Tempolimit betrifft. Dann seien Sie es bitte auch bei der Kernenergie. – Danke schön.

(Beifall bei der CDU)

Weitere Wortmeldungen sehe ich nicht. Dann kommen wir zur Abstimmung. Wer einer Überweisung der Drucksache 18/5725 an den Umweltausschuss zustimmt, den bitte ich um das Handzeichen. – Gegenprobe. – Enthaltungen? –

Das Überweisungsbegehren ist einstimmig angenommen worden.

Wir kommen zu Punkt 21 der Tagesordnung, Antrag der CDU-Fraktion: Situation der Nachwuchswissenschaftlerinnen und Nachwuchswissenschaftler in Hamburg verbessern.

[Antrag der Fraktion der CDU: Situation der Nachwuchswissenschaftlerinnen und Nachwuchswissenschaftler in Hamburg verbessern – tenure track ermöglichen – Drucksache 18/5719 –]

Unter den Geschäftsführern ist einvernehmlich beschlossen worden, diese Debatte nicht zu führen. Wir kommen dann sofort zur Abstimmung. Wer einer Überweisung der Drucksache 18/5719 an den Wissenschaftsausschuss zustimmt, den bitte ich um das Handzeichen. – Gegenprobe. – Enthaltungen? – Das Überweisungsbegehren ist einstimmig angenommen worden.

Wir kommen zu Punkt 11 der heutigen Tagesordnung: Bericht des Schulausschusses zum Thema "KESS 4 und 7".

[Bericht des Schulausschusses über das Thema "KESS 4 und 7" (Selbstbefassung gemäß § 53 Absatz 2 GO) – Drucksache 18/5665 –]

Wer wünscht das Wort? – Herr Buss, bitte.

Frau Präsidentin, meine sehr verehrten Damen und Herren! Im Sommer 2004, also vor zweieinhalb Jahren, wurde die erste KESS-Studie veröffentlicht und im November 2006, gut zwei Jahre später – das ergibt sich auch logisch aus dem Ganzen –, stellte uns Professor Bos die zweite Kess-Studie, KESS 7 genannt, vor. Beide Ausschussberatungen sind im vorliegenden Bericht in dieser Drucksache, die wir heute besprechen, an die Bürgerschaft zusammengefasst.

Zuerst möchte ich auf die Erkenntnisse der KESS 4Studie eingehen. Professor Bos stellte fest, dass die damals getesteten Hamburger Schülerinnen und Schüler am Ende der Klasse 4 im Umfang von fast einem Schuljahr mehr gelernt hatten als die vergleichbaren Kinder aus der LAU 5-Untersuchung 1996. Eine wesentliche Ursache für diesen Erfolg – denn es ist ein toller Erfolg, wenn Kinder am Ende einer Grundschulzeit mehr können als zum Beispiel die Kinder, die acht Jahre vorher die Grundschule hinter sich gebracht haben, das ist ein Erfolg, den das ganze Parlament eigentlich nur gut finden kann – war der vermehrte Unterricht, so wurde uns im Ausschuss dargelegt, durch die verlässliche Halbtagsgrundschule. Ich sage ausdrücklich: Es ist nur eine wesentliche Ursache.

Zum damaligen Beratungszeitpunkt aber wurde schon deutlich, dass der Senat nicht im Traum daran dachte, die zutage getretenen Vorteile für die nächsten Jahrgänge fortzusetzen. Im Gegenteil, der CDU-Senat hat die Förderprogramme für die Grundschule drastisch gekürzt und die Klassen größer gemacht. Sie, Frau Senatorin DingesDierig, haben damals angefangen, die Axt an die Erfolge der Schulabgänger von morgen zu legen.

(Beifall bei der SPD und bei Christa Goetsch GAL)

In der Ausschussberatung versprach Ihr damaliger Staatsrat Dr. Schmitz – wer kennt ihn noch? –, dass er den Unterrichtsanteil für die Grundschulkinder als Konsequenz aus den Erfolgen der verlässlichen Halbtagsgrundschule eher vergrößern wolle – also mehr Unterricht. Stichwort des Vertreters der Behörde war "Ganztagsschule für Grundschulkinder". Wie gesagt, das war vor zweieinhalb Jahren. Die BBS hat seitdem nichts als heiße Luft produziert und nichts getan. Denn 61 Prozent der Hamburger Schulen sind Grundschulen – also fast zwei Drittel, wenn man so will. Deren Anteil an den bestehenden Ganztagsschulen liegt aber, man höre und staune, nur bei 16,5 Prozent – soviel zu Ankündigungen und Taten.

Dabei ist allen Schulpolitikern durch die KESS 4-Studie deutlich gemacht worden, dass der Geldbeutel der Eltern und der Schulerfolg der Kinder eng zusammenhängen. Je höher der soziale Status der Eltern ist, desto besser sind die Lernerfolge bereits bei Grundschulkindern. Hamburgs Grundschulen müssen deshalb mehr dagegen tun, dass sich diese Ungleichheit manifestiert.

(Beifall bei der SPD)

Aber dies hat die CDU systematisch verhindert. Nur zwei Beispiele aus der KESS-Studie für die, die sich das einmal ganz plastisch vorführen lassen wollen: Arme Kinder landen 22-mal häufiger in der Sonderschule als reiche Kinder. Das muss man sich wirklich auf der Zunge zergehen lassen: Arme Kinder landen 22-mal so häufig in der Sonderschule wie reiche Kinder. Das steht, wissenschaftlich erhoben, in dieser Studie. 57 Prozent der Kinder in Klasse 5 der Haupt- und Realschulen sind aus den ärmsten Bevölkerungsschichten. Bei den Gymnasien sind 57 Prozent der Kinder aus den Sozialschichten der reichen Eltern.

Diese wenigen Zahlen dieser Studie beweisen schon einmal eines: …

(Glocke)

Gestatten Sie eine Zwischenfrage von Herrn Lemke?

Ich würde gerne Ihre Definition von Reich und Arm in diesem Zusammenhang wissen.

Kein Problem. Da brauchen Sie nur in die KESS 4-Studie zu sehen, denn gerade die Bildungsbehörde arbeitet mit genau diesen Werten. Wir haben eine Einteilung in sechs Sozialskalen bekommen. Darin ist das genau zusammengefasst. Dort ist der Sozialstatus von Eltern genau festgelegt worden. Die Ausstattung von Grundschulen, gerade in Ihren Anträgen, wird entsprechend auch auf diese Faktoren hin berechnet. Da haben Sie das ganz genau. Ich kann Ihnen das genau sagen. Die Eingruppierung in Stufe 1 und 2 kennzeichnet Familien mit entsprechend geringem finanziellem Hintergrund. Die Einstufung in 5 und 6 charakterisiert genau die Eltern, die in den obersten Einkommensklassen zu finden sind. Das ist hinten im vorletzten Teil der KESS 4-Studie genau nachzulesen. Hätten Sie da hineingeschaut, Herr Lemke, dann hätten Sie das genauso gewusst.

(Beifall bei der SPD und der GAL)

Diese wenigen Zahlen aus dieser Studie 4 beweisen schon einmal eines: Das gegliederte Schulwesen hat deshalb versagt.

(Beifall bei Christa Goetsch GAL)

Die SPD-Forderung nach der Schule für alle ist die richtige Antwort zum gegenwärtigen Zeitpunkt.

(Beifall bei der SPD)

Wer weiterhin das gegliederte Schulwesen verteidigt, verhindert Chancengleichheit, das Ausschöpfen der Bildungspotenziale aller Kinder und damit Hamburgs Zukunft der klugen Köpfe als Hauptressource für die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit unserer Stadt und bildet letztendlich die Ständegesellschaft des Kaiserreiches in unseren Schulen weiterhin ab.

(Beifall bei der SPD)

Ich komme jetzt zur zweiten Studie. Auch nach KESS 7 darf man sich erneut fragen, welchen Vorteil denn ein gegliedertes Schulwesen hat, denn die Überschneidungen, die wir dort bei den Lernständen der Kinder in allen Schulformen sehen konnten, waren doch frappierend.

Ein konkretes Beispiel hierfür ist, Herr Kollege Lemke, um das auf einen einfachen Nenner zu bringen: Die guten Hauptschüler hätten auch im Gymnasium mithalten können. Des Weiteren mussten wir zur Kenntnis nehmen, dass der Vorsprung des KESS-Jahrgangs von fast einem Schuljahr, den ich anfangs erwähnt habe, interessanterweise nach zwei Schuljahren dahingeschmolzen war, wie zurzeit der Schnee.

Das muss man sich einfach einmal klarmachen. Wir mussten also feststellen, dass dieser Vorsprung nach zwei Jahren CDU-Regierung nicht mehr vorhanden war. Diese Untersuchung hat somit für diese Senatorin zu einer wissenschaftlich abgesicherten Klatsche geführt.

(Beifall bei der SPD – Wolfgang Beuß CDU: Das ist nicht bewiesen!)

Herr Beuß, KESS 7 beweist, dass es unter diesem CDU-Senat keine Verbesserung bei der Leistungsfähigkeit und insbesondere in der Leistungsqualität der Schulen gegeben hat. Der Senat hat in diesem Bereich seit 2001 die Zeit verschlafen. Er hat versäumt, eine attraktive Schule mit guten Ergebnissen für Hamburger Schülerinnen und Schüler einzurichten. Das ist die Wahrheit, die diese KESS 7-Studie Ihnen in das Stammbuch schreibt.

(Beifall bei der SPD und vereinzelt bei der GAL)

Herr Professor Bos hat auch deutlich gemacht, wer die Schuld an diesem negativen Ergebnis trägt. Ich zitiere hierzu aus dem Protokoll der Schulausschusssitzung, das Ihnen vorliegt. Zunächst hat Frau Goetsch Herrn Professor Bos gefragt, ich zitiere:

"ob er sich erklären könne, warum die Lernfortschritte in Klasse 5 und 6 des Gymnasiums so bemerkenswert gering seien."

Hierauf antwortete Herr Professor Bos, ich zitiere:

"Er habe die Vermutung, Hamburg habe zuwenig in den Bereich Unterrichtsentwicklung investiert. Im Grundschulbereich"

das ist KESS 4 –

"habe es neben Stundenerhöhungen auch Schulentwicklungsmaßnahmen mit dem Projekt PLUS und PRIMA gegeben. Dahingegen sei man in der Sekundarstufe I mit der Situation erhöhter Klassenfrequenzen und gleichzeitig suboptimaler Unterrichtsqualität konfrontiert worden. Deshalb könnten hier keine optimalen Lernzuwächse erwartet werden und es müsse dringend eine Gegensteuerung erfolgen."

Ich glaube, das sagt schon fast alles.

(Beifall bei der SPD und vereinzelt bei der GAL)