Protokoll der Sitzung vom 17.06.2004

Das Schwein, meine Damen und Herren – ich will es Ihnen erklären –, ist kein Aufwachschwein – obwohl wir das zu dieser späten Uhrzeit nötig hätten –, sondern ein Sparschwein.

(Ah-Rufe bei der CDU)

Es ist gestern während der Generaldebatte zu mir gekommen, als hier in der Rathausdiele viele, viele Erzieherinnen mit vielen Schweinen waren, und zwar insgesamt 140. Es war beabsichtigt, für jeden Abgeordneten und die Senatoren hier ein Schwein zu verteilen. Soweit ich weiß, hat Herr Weinberg so ganz heimlich auch ein paar Schweine mitgenommen, aber er traut sich nicht, sie hier hinzustellen. Das kann ich verstehen, Herr Weinberg, denn Sie sind letztendlich auch dafür verantwortlich, warum die Erzieherinnen die Schweine hier hergebracht haben. Ich will es Ihnen noch einmal erzählen.

Meine Damen und Herren! Die Schweine haben natürlich eine Aussage. Sie sind der Ausdruck für den Unwillen, der im Moment in den Kitas herrscht, und zwar nicht nur im Moment, denn dieses Chaos haben Sie die letzten zwei Jahre fortgesetzt. Frau Hilgers hat das sehr richtig gesagt.

Es geht zum einen darum, dass sich die Kitas und Erzieherinnen immer noch als Sparschweine der Stadt Hamburg empfinden. Zum anderen geht es aber auch darum, dass sie unzufrieden sind mit einer Planlosigkeit, mit einer Konzeptlosigkeit, wie sie für die Kinderbetreuung erst einmal ihresgleichen suchen muss. Diese Planlosigkeit, meine Damen und Herren, spiegelt sich natürlich auch im Haushaltsbereich wider, denn dort, wo Ziele fehlen, dort, wo Konzepte fehlen, dort verkommt der Haushalt zu einer Flickschusterei. Hier mal 19 Millionen Euro, dort mal 20 Millionen Euro und dann noch einmal 40 Millionen Euro. Das sind alles nur Gelder, die zum Stopfen der Löcher im Kita-System beigetragen, aber keinen einzigen Betreuungsplatz geschaffen haben. Seit vorgestern wissen wir noch mehr. Ich erzähle Ihnen nichts Neues.

(Bernd Reinert CDU: Das wissen wir!)

Im Jahr 2003 sind sogar 250 Kinder weniger betreut worden und nicht mehr. Meine Damen und Herren! Hier ist mehr Geld für weniger Kinder ausgegeben worden. Wenn ich mir dann die Konsolidierungspläne des Senats vorstelle, die nämlich auf dem Rücken der Kinder, der Bildung, der Kultur und der sozial Schwachen ausgetragen werden, dann spreche ich hier von Verschwendungssucht. Anders kann ich das nicht bezeichnen.

(Beifall bei der GAL und der SPD)

Das Erstaunliche daran ist aber noch, dass sich die BSF, anstatt diese Schieflage aufzuklären und die Erkenntnisse in den Haushalt 2004 oder auch weitblickend in den Haushalt 2005/2006 mitzunehmen, weigert, Nachforschungen anzustellen. Vergangenheitsbewältigung ist nicht unsere jetzige Aufgabe, so konnten wir es von Staatsrat Meister hören. Ja, meine Damen und Herren, wissen Sie was?

(Klaus-Peter Hesse CDU: Ne!)

Nicht? Ich werde es Ihnen sagen, Herr Hesse. Ich glaube nämlich, dass jeder private Unternehmer mit diesem Ansatz über kurz oder lang bankrott gehen würde und der Senat ist mit seiner Haushaltspolitik auch nicht weit davon entfernt.

(Beifall bei der GAL und bei Dr. Andrea Hilgers und Lutz Kretschmann, beide SPD)

Dann haben wir im Jugendausschuss noch etwas erfahren – Frau Dr. Hilgers sprach es eben an –, nämlich dass das Kita-Thema zu komplex ist. Ja, es ist sogar so komplex, dass die Behörde nicht imstande ist, uns die notwendigen Zahlen zu liefern, die wichtig sind, um den Verbleib des Geldes aufzuklären. Dazu möchte ich wirklich einmal in die Runde sagen: Wenn etwas zu komplex ist, vielleicht sollte man es dann abgeben, wenn man sich diese Aufgabe nicht zutraut.

(Beifall bei der GAL und der SPD)

Frau Senatorin Schnieber-Jastram, ich denke, für Sie kann das für den Haushalt 2004 nur eines bedeuten:

Wenn Sie nicht in der Vergangenheit forschen wollen, dann fangen Sie jetzt in der Gegenwart an und stellen Sie den Kita-Haushalt auf zwei solide Beine. Das eine Bein kann nur die Sicherung der Qualität sein und das zweite Bein der quantitative Ausbau. Nur beides kann eine zufriedenstellende Umsetzung auch im Hinblick auf das neue Kinderbetreuungsgesetz gewährleisten.

Um eines möchte ich allerdings die CDU und Frau Senatorin Schnieber-Jastram an dieser Stelle auch noch bitten; hier ist ja das richtige Plenum dafür, um auch noch einmal eine Bitte auszusprechen: Geben Sie Ihrer Politik mehr Logik. Wenn Sie auf der einen Seite die offene Kinder- und Jugendarbeit in den Bezirken stärken wollen, dann kürzen Sie bitte nicht auf der anderen Seite, wie wir es jetzt in den Konsolidierungsmaßnahmen lesen konnten, die offene Kinder- und Jugendarbeit, indem Sie die Rahmenzuweisungen an die Bezirke kürzen. Das ist wirklich schizophren.

(Beifall bei der GAL und der SPD)

Wenn Sie schon Anträge zu weiteren Umschichtungsmaßnahmen schreiben, liebe CDU-Fraktion – wir begrüßen sie grundsätzlich, aber nicht so, wie sie praktiziert werden –, dann sollten Sie sich der Auswirkung der Anträge wirklich voll bewusst sein.

Hier werden im laufenden Haushaltsjahr weitere 6 Millionen Euro von den Hilfen zur Erziehung in die offene Kinder- und Jugendarbeit umgeschichtet und das, obwohl der Haushalt, wie wir gehört haben, jetzt schon nicht auskömmlich ist. Wie soll das umgesetzt werden? In den Bezirken ist das Geld schon zu 80 Prozent vergeben, weil die Träger bereits die regionalen Versorgungsverträge mit den Bezirken geschlossen haben. Jetzt kommen

Sie und sagen, wir wollen noch weiter umschichten. Das wird Nachtragshaushalte und bleibende Defizite in den Bezirken geben. Das ist keine solide Haushaltsplanung, das ist ein Paradebeispiel nicht durchdachter Haushaltspolitik.

(Beifall bei der GAL und der SPD)

Aber einen Ausweg kann ich Ihnen noch empfehlen, vielleicht nehmen Sie auch den Tipp der Opposition an. Wenn Sie umschichten wollen, vielleicht greifen Sie dann zu dem gut ausgestatteten Etat des Familieninterventionsteams oder Sie streichen die geschlossene Unterbringung, die ebenfalls ein Beispiel für ein Fass ohne Boden ist, in das Geld gepumpt wird, das an anderer Stelle fehlt, ohne dass etwas Wesentliches dabei herauskommt, außer natürlich den Jugendlichen, denn die kommen da immer heraus.

(Beifall bei der GAL und der SPD – Klaus-Peter Hesse CDU: Was haben Sie denn gemacht, Frau Blömeke?)

Unser Antrag – da möchte ich auch Frau Dr. Hilgers widersprechen – ist natürlich keineswegs so, dass es ein Rein-Raus von Jugendlichen bedeutet, sondern wir bieten eine intensive Rund-um-die-Uhr-Betreuung.

(Klaus-Peter Hesse CDU: Ein Blankoscheck!)

Mit diesem Konzept – das ist kein Blankoscheck, sondern ein gut durchdachtes Konzept – erzeugen wir eine Kompetenz und einen Erfolg, auf jeden Fall kein Rein-undRausgehen durch die Drehtür, wie Frau Hilgers es beschrieben hat.

Wir glauben, dass es an der Zeit ist, den Wert der Kinder und Jugendlichen neu zu bestimmen und ihnen in dieser Stadt einen Platz zu geben. Aber dazu müssen wir auch die Rahmenbedingungen schaffen, die das ermöglichen. Unerlässlich ist dabei – Frau Goetsch hatte es schon angesprochen – ein kostenfreies Bildungsjahr Fünf Plus vor der Einschulung. Ich kann nicht verstehen, dass Sie die Vorschule jetzt so kaputtsparen, ohne ein Konzept zu haben, wo die Vorschulbetreuung stattfinden soll.

(Beifall bei der GAL)

Unerlässlich sind dabei aber auch pädagogische Standards, und zwar für die Kleinen und auch für die ganz Kleinen. Für die ganz Kleinen in der Kindertagesbetreuung sind die qualifizierten pädagogischen Standards unerlässlich, aber das bedingt natürlich auch wiederum qualifizierte Mitarbeiterinnen. In diese Richtung zielt auch unser Antrag, den Sie sicherlich unterstützen werden, weil Sie auf Qualität auch viel Wert legen.

Unerlässlich ist aber auch eine Jugendpolitik, die sich abkehrt von Maßnahmen, die nur Geld verschlingen, aber keinen Erfolg haben. Dazu gehört natürlich an erster Stelle – man kann es hier nicht oft genug sagen – die geschlossene Unterbringung, die 1,5 Millionen Euro Betriebshaushaltskosten seit ihrem Bestehen verbraucht hat. Das ist eine gewaltige Zahl angesichts der vorhandenen knappen Mittel.

Meine Damen und Herren der CDU-Fraktion, auch Frau Senatorin Schnieber-Jastram, fangen Sie endlich an, einen Haushalt zu präsentieren, der Sinn macht und der vor allen Dingen die Menschen in dieser Stadt als Ganzes begreift und nicht nur Teile herausnimmt.

Mein Schwein und ich hoffen, dass die Politik sich verändern wird. Ich danke Ihnen für die Aufmerksamkeit zu so später Stunde.

(Beifall bei der GAL und der SPD)

Das Wort bekommt Herr Weinberg.

Frau Präsidentin, sehr geehrte Damen und Herren! Liebe Frau Blömeke, wenn unsere Jugendpolitik so schlecht ist, warum stellen Sie dann keine vernünftigen Anträge? Sie haben hier nichts präsentiert.

(Beifall bei der CDU)

Ich komme noch auf Ihre Anträge und das "SchweinHaben" und "Nicht-Haben" zurück. Einleitend aber, Frau Dr. Hilgers, kann ich Ihnen zu Ihrer grundsätzlichen Forderung zur Jugend- und Kinderpolitik in Hamburg zustimmen. Wenn Sie aber schon allgemein über die Zielsetzung sprechen – weder Sie noch Frau Blömeke haben heute etwas dazu gesagt –, so müssen Sie auch erwähnen, dass sich gestern die Behörde und die Träger geeinigt haben, dass ab 1. August 2004 – das ist nicht mehr lange hin – die Krippenversorgung für Kinder berufstätiger Eltern in Hamburg gesichert ist.

(Wolfhard Ploog CDU: Sehr richtig!)

Das ist einmalig in Hamburg, das ist einmalig in Westdeutschland.

(Beifall bei der CDU)

Gerade wenn Sie den Ansatz wählen und sagen, das ist für uns Familienpolitik, dann haben wir in Hamburg jetzt einen Zustand erreicht, dass alle Kinder berufstätiger Eltern ab dem 1. August einen Kita-Gutschein bekommen.

(Dirk Kienscherf SPD: Weil wir Druck gemacht ha- ben!)

Gerade Sie haben Druck gemacht. Wer hat es denn beschlossen? Aber das wollen wir gar nicht diskutieren, ich will das nur noch anmerken.

In der Konsequenz heißt das: Kinder von null bis 14 Jahren Berufstätiger haben einen Kita-Platz. Das ist tatsächlich die Vereinbarkeit von Familie und Beruf. Das hat es in Hamburg während Ihrer Regierungszeit nie gegeben, das ist neu, das ist in Westdeutschland einmalig.

(Beifall bei der CDU)

Ich glaube, es war gestern Frau Koop, die sagte, Haushaltsdebatten seien die Sternstunden des Parlaments. Haushaltsdebatten sind eigentlich auch die Stunde der Opposition, Frau Blömeke. Heute ist es aus meiner Sicht beim "eigentlich" geblieben,

(Petra Brinkmann SPD: Aus Ihrer Sicht!)

denn Sie, Frau Dr. Hilgers, haben mit Ihren Anträgen nichts Wesentliches dazu beigetragen. Das, was gestern Ihr Fraktionsvorsitzender Herr Neumann in 60 Minuten massiv kritisiert hat, hätten Sie heute anreichern können. Heute hätten Sie hier gestalten und Ihre Alternativen darstellen können. Stattdessen hat Herr Neumann gestern 60 Minuten kritisiert, kritisiert, kritisiert. Bei der Frage, wie das finanziert werden soll und welche Vorschläge es