Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Dies ist heute der letzte Debattenpunkt und vielleicht genau der richtige Zeitpunkt, um dieses sehr ernste Thema fernab von jeglichem Populismus und Schaukämpfen zu debattieren.
"Lieben Sie Kinder mehr als ihnen lieb ist?" ist das Motto einer Kampagne, mit der seit 2005 Teilnehmer einer Studie an der Berliner Charité-Klinik gesucht werden, mit der Sexualmediziner Kindesmissbrauch vorbeugen wollen. Männer mit pädophilen Neigungen sollen in einer Verhaltenstherapie lernen, ihre sexuellen Gefühle so weit zu beherrschen, dass sie keinen Missbrauch an Kindern begehen, denn die Neigung zur Pädophilie - davon gehen die Wissenschaftler aus - manifestiert sich in der Pubertät, ist nicht heilbar und soll immerhin 1 Prozent der männlichen Bevölkerung betreffen.
Diese vorbeugende Therapie dient dem Opferschutz, indem Taten erst gar nicht begangen werden; das ist ein ganz wichtiger Punkt. Sie wird deshalb nicht nur von der VolkswagenStiftung mit einer sehr hohen Summe - ich meine über 500.000 Euro - bezuschusst, sondern auch vom Weißen Ring und von der Stiftung Hänsel + Gretel unterstützt. Problem dieses weltweit ersten Forschungsprojekts ist, dass es sich auf Berlin beschränkt, Anfragen jedoch aus dem gesamten Bundesgebiet und auch aus den europäischen Nachbarländern Schweiz und Österreich vorhanden sind. Das Problem ist also, dass die Nachfrage nach Therapieplätzen von potenziellen Tätern, von Menschen, die sich selbst als gefährdet erkennen, ihre pädophilen Neigungen auszuleben, weitaus größer ist als die zur Verfügung stehenden Plätze.
Unsere Fraktion möchte deshalb mit diesem Antrag bewirken, dass auch in Hamburg ein entsprechendes Angebot an Therapieplätzen verfügbar ist. Wir wissen, dass das Berliner Projekt in seiner weiteren Finanzierung gefährdet ist. Die Finanzierung ist nur bis November dieses Jahres sichergestellt. Unabhängig von dieser Frage, die wir in diesem Parlament nicht klären können, ist es jedenfalls für unsere Fraktion - ich denke, auch für das ganze Haus - sehr wichtig, dass auch in Hamburg ein entsprechendes Angebot besteht, um letztendlich zu verhindern, dass Kinder Opfer werden. - Vielen Dank.
Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Liebe Frau Bestmann, Straftaten mit pädophilem Hintergrund machen uns besonders betroffen. Das ist an der großen öffentlichen Anteilnahme an solchen Straftaten, an den Medienberichten immer sehr gut abzulesen. Diese Reaktionen sind auch sehr verständlich, denn sexueller Missbrauch von Kindern ist in der Tat ausgesprochen perfide. Hier werden Ahnungslo
sigkeit, Hilflosigkeit und auch das Vertrauen, das Kinder nun einmal in Erwachsene brauchen, auf das Übelste ausgenutzt und sich zunutze gemacht.
Erschreckend ist dabei, dass etwa die Hälfte der Täter aus dem sozialen Umfeld der Opfer kommt. Man sagt, dass etwa 20 Prozent der Täter Verwandte seien, 30 Prozent im weitesten Sinne Bekannte und die Täter sind fast immer Männer. Wir hatten in Hamburg in den letzten fünf Jahren unter allen Verurteilten nur zwei Frauen. Bundesweit hatten wir 2005 rund 14.000 registrierte Fälle von versuchtem oder vollendetem Kindesmissbrauch. Auch wenn das seit Anfang der Neunzigerjahre der niedrigste Stand in der Kriminalstatistik überhaupt gewesen ist, ist uns allen klar, dass die Dunkelziffer um ein Vielfaches höher ist, weil solche Straftaten häufig gar nicht angezeigt werden.
Nach wissenschaftlichen Erhebungen in der Bundesrepublik werden etwa 8 Prozent aller Mädchen und 3 Prozent aller Jungen im Laufe ihrer Kindheit einmal Opfer eines sexuellen Übergriffs. In Hamburg hatten wir in den vergangenen fünf Jahren etwa 40 bis 70 Verurteilungen pro Jahr aufgrund von Straftaten nach den Paragrafen 176, 176a und 176b, das ist der sexuelle Missbrauch von Kindern. Damit ist Hamburg sicherlich eher im Mittelfeld angesiedelt. Gleichwohl hat Frau Bestmann ein sehr bedrückendes Thema angesprochen, weil die Taten das gesamte Leben der Opfer verändern; nicht nur das Leben der Opfer, auch das Leben der Angehörigen, und diese Taten wirken bei den Kindern ein Leben lang nach. Deshalb ist es ganz richtig, das Berliner Projekt sehr aufmerksam zu verfolgen. Jede verhinderte Straftat erspart den potenziellen Opfern sehr viel Leid und die Initiative der Charité aus dem Jahr 2005 ist sehr zu begrüßen.
Ein bisschen möchte ich davor warnen, die Ergebnisse und den Erfolg zu überschätzen, denn die Teilnehmer, die sich in dem Forschungs- und Therapieprojekt befinden, haben eher ein etwas geringeres Risikopotenzial, weil - das ist die Voraussetzung für die Teilnahme - sie das Problem für sich schon erkannt haben, weil sie Einsicht in ihre Krankheit und Behandlungsbereitschaft gezeigt haben. Wir wissen, dass die Mehrzahl der Sexualstraftäter und insbesondere der Täter mit pädophilem Hintergrund ihre Erkrankung nicht wahrnehmen, also eher leugnen und sich deshalb auch als potenzieller Straftäter schwer zu erkennen geben, sodass man vorher schwer reagieren kann.
Dieses Therapie- und Forschungsprojekt in Berlin ist noch nicht abgeschlossen. Es gibt einen Teilabschluss, der jetzt auch publiziert worden ist. Etwa die Hälfte der Teilnehmer befindet sich meines Wissens noch in der Therapie, die eine Mischung aus Verhaltenstherapie und medikamentöser Einstellung ist. Die vorliegenden Resultate - Frau Bestmann hat darauf hingewiesen - sind allerdings sehr positiv ermutigend und man sollte das Endergebnis abwarten, bevor man an eine Übernahme in Hamburg denkt. Gleichwohl ist es ein sehr begrüßenswerter Ansatz.
In Hamburg haben wir mit der Asklepios-Klinik Nord ein sehr hochwertiges stationäres und auch ambulantes Angebot zur Behandlung von Sexualstraftätern einschließlich pädophiler Männer. Dazu gehört auch ein begrenztes präforensisches Therapieangebot. Gleichwohl ist es mit dem, das ist völlig richtig, was die Charité in Berlin gemacht hat, nicht zu vergleichen.
Im Universitätsklinikum Eppendorf haben wir mit dem Institut für Sexualforschung und Forensische Psychiatrie eine Einrichtung, die die strukturellen und inhaltlichen Voraussetzungen bieten würde. So etwas auch in Hamburg anzusiedeln, die Einbettung in ein wissenschaftliches Institut, ist sinnvoll und wenn, dann sollte man über eine Einrichtung hier nachdenken.
Der Leiter des Projekts in Berlin, Herr Professor Beier, hat uns heute noch einmal mitgeteilt, dass er natürlich keine Bedenken hätte, so ein Vorhaben auch in Hamburg zu starten. Gleichwohl hat er darauf hingewiesen, dass er weder die personellen noch die finanziellen Ressourcen hätte, um - wie das im SPD-Antrag gefordert ist - einen Hamburger Anschluss an dieses Forschungsprojekt begleiten zu können, sodass diese Möglichkeit an den Berliner Schwierigkeiten scheitert. Und, Frau Bestmann hat es eben auch gesagt, im Herbst läuft die jetzige Finanzierung aus und verständlicherweise wird sich die Charité im Moment nicht mit zusätzlichen Verpflichtungen belasten, wenn sie ihre eigene Zukunft noch nicht klären kann.
Ein eigenes Hamburger Projekt in Anleitung an die Berliner Ergebnisse kann man natürlich erst seriös und sinnvoll machen, wenn diese Ergebnisse vorliegen. Es sind - das wäre unsere Stellung dazu - bei allen positiven Signalen, die wir aus Berlin haben, noch eine Reihe von Fragen offen. Deshalb würden wir diesen Antrag gerne zu einer ausführlichen Befassung - wir haben uns gestern im Ausschuss schon darauf verständigt, in der nächsten Sitzung bereits über das konkrete Vorgehen zu debattieren, wie wir mit so einem Antrag umgehen wollen - an den Ausschuss für Gesundheit und Verbraucherschutz überweisen. Ich möchte Sie bitten, dementsprechend zuzustimmen.
Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Pädosexualität ist eine sexuelle Störung, bei der sich vor allem Männer ausschließlich von Kindern angezogen fühlen. Diese ist - das wird auch den Berliner Patienten sofort mitgeteilt - nicht heilbar, das heißt, das Entscheidende ist, ob sie kontrollierbar ist. In diesem Zusammenhang ist das Berliner Projekt sicherlich, auch was den Opferschutz angeht, ein besonders spannendes, weil man Menschen - da merkte man auch, dass Herr Krüger ein bisschen auf glattes Eis kam -, die noch nicht straffällig geworden sind, das von sich selber aber vermuten, dazu bekommen muss, sich selber jemandem als potenzieller Straftäter mitzuteilen.
Es wird allen vertraut sein, dass das tatsächlich auch ein hohes Maß an Leidensdruck bedeutet. Vor dem Hintergrund ist natürlich die Anzahl der Männer, die sich dem Berliner Projekt sozusagen als Patienten angeboten hat, relativ erstaunlich. Man sollte, glaube ich, auch nicht unterschätzen, dass pädophile Männer eigentlich immer in Gruppen unterwegs sind, übrigens auch die, die in der Charité als Patienten aufgenommen wurden, indem beispielsweise in bestimmten geschützten Chatrooms kinderpornografisches Material ausgetauscht wird, in denen sie sich auch über ihre Neigungen austauschen. Denn Kinderpornografie zu besitzen, ist kein Ausschlusskriterium für das Berliner Projekt. Sie dürfen nur noch
nicht wegen einer solchen Straftat verurteilt sein, sind aber natürlich, sage ich jetzt einmal, nicht notwendigerweise gute Jungs, die es geschafft haben, von dem gesamten Themenfeld bisher ihre Finger zu lassen. Das darf man natürlich auch bei der Frage nicht vergessen, wo man ein Projekt ansiedelt und mit wie viel Öffentlichkeitsarbeit man ein solches Projekt begleitet. Die Männer, die dort hinkommen, haben natürlich ein gewisses Gefährdungspotenzial, sonst würden sie an diesem Projekt nicht teilnehmen.
Ich freue mich sehr, dass wir eine Überweisung an den Ausschuss haben werden. Ich hoffe, dass wir dort die Experten sowohl der Asklepios-Klinik Nord als eben auch des UKE und hoffentlich vielleicht sogar jemanden aus Berlin hören können zu der Frage, ob sich eine Fortsetzung oder Weiterführung dieses Projektes auch in Hamburg anbietet. Ich würde mir wünschen, dass, wenn es sich denn herausstellen sollte, dass in Berlin tatsächlich substanzielle Erfolge mit diesem Projekt erzielt werden - und ich hoffe, das können die Damen und Herren dort einigermaßen sicher beweisen -, dann natürlich auch finanzielle und personelle Ressourcen in Hamburg zur Verfügung stehen, um dieses Projekt dann hier fortzuführen. - Danke.
Weitere Wortmeldungen liegen mir nicht vor. Dann kommen wir zur Abstimmung. Wer stimmt einer Überweisung der Drs. 18/6263 an den Ausschuss für Gesundheit und Verbraucherschutz zu? - Gegenprobe. - Enthaltungen? - Das ist einstimmig so beschlossen.
Ich rufe den Tagesordnungspunkt 6 auf, die Drs. 18/6195, 18/6196 Neufassung, 18/6197 und 18/6198, Berichte des Eingabenausschusses.
Zunächst zum Bericht 18/6195. Wer möchte der Empfehlung folgen, die der Eingabenausschuss zu der Eingabe 166/07 abgegeben hat? - Gegenprobe. - Enthaltungen? - Das ist mit Mehrheit so beschlossen.
Wer schließt sich den Empfehlungen zu den übrigen Eingaben an? - Gegenprobe. - Enthaltungen? - Das ist einstimmig so beschlossen. Im Übrigen hat die Bürgerschaft Kenntnis genommen.
Nun zum Bericht 18/6196 Neufassung. Zunächst zu Ziffer 1. Wer möchte der Empfehlung folgen, die der Eingabenausschuss zu der Eingabe 262/07 abgegeben hat? - Gegenprobe. - Enthaltungen? - Das ist mit Mehrheit so beschlossen.
Wer schließt sich den Empfehlungen zu den übrigen Eingaben an? - Gegenprobe. - Enthaltungen? - Das ist einstimmig so beschlossen.
Wir kommen zum Bericht 18/6197. Hierin sind nur einstimmige Empfehlungen enthalten. Wer möchte diesen folgen? - Gegenprobe. - Enthaltungen? - Das ist einstimmig so beschlossen.
Schließlich zum Bericht 18/6198. Ziffer 1. Wer möchte den Empfehlungen folgen, die der Eingabenausschuss zu den Eingaben 222/07 und 228/05 abgegeben hat? - Gegenprobe. - Enthaltungen? - Das ist mit Mehrheit so beschlossen.
Wer schließt sich den Empfehlungen zu den übrigen Eingaben an? - Gegenprobe. - Enthaltungen? - Das ist einstimmig so beschlossen.
Wer möchte das in Ziffer 2 enthaltene Ersuchen beschließen? - Gegenprobe. - Enthaltungen? - Das ist mehrheitlich so beschlossen.
Ich stelle fest, dass die Bürgerschaft die unter A aufgeführten Drucksachen zur Kenntnis genommen hat.
Wer stimmt den Überweisungsbegehren zu B zu? - Gegenprobe. - Enthaltungen? - Das ist einstimmig beschlossen.
Wer schließt sich der Ausschussempfehlung unter C an? - Gegenprobe. - Enthaltungen? - Auch das ist einstimmig so beschlossen.
Dann kommen wir zu Punkt 7 der Tagesordnung, Drs. 18/5892 Neufassung, Große Anfrage der CDU-Fraktion: Erfolge des Familien-Interventions-Teams.
[Große Anfrage der Fraktion der CDU: Erfolge des Familien-InterventionsTeams (FIT) - Drs. 18/5892 (Neufassung) -]
Diese Drucksache möchte die SPD-Fraktion an den Familien-, Kinder- und Jugendausschuss überweisen. Wer stimmt dem Überweisungsbegehren zu? - Gegenprobe. - Enthaltungen? - Das ist mit Mehrheit abgelehnt.
Dann stelle ich fest, dass die Bürgerschaft von der Großen Anfrage, Drs. 18/5892 Neufassung, ohne Besprechung Kenntnis genommen hat.
Wir kommen zu Punkt 8 der Tagesordnung, Drs. 18/5910, Große Anfrage der SPD-Fraktion: Lagebild zur Organisierten Kriminalität und ihrer Bekämpfung in Hamburg für das Jahr 2006.