Protokoll der Sitzung vom 05.07.2007

Ich will zuletzt einen Satz zu dem Punkt sagen, in dem wir uns von SPD und CDU unterscheiden. Das ist nämlich das Thema der Sicherungsverwahrung insbesondere für Jugendliche. Wir werden diese Forderung in beiden Anträgen ablehnen. Es ist, wie gesagt, Ihr Ladenhüter. Aber wir sind der Meinung - wir sind auch der festen Überzeugung -, dass dies nicht der richtige Ort für das Instrument der Sicherungsverwahrung ist. Wenn ein junger Mensch im Alter von 16 oder 17 Jahren eine schwere Straftat begeht, dann ergibt das natürlich auch eine entsprechend schwere Strafe. Dann gibt es einen langen Zeitraum der Haft, in dem auf diesen Menschen eingewirkt werden kann.

Aber was unserer Meinung nach nicht möglich ist, ist die Prognose, die Voraussetzung für die Sicherungsverwahrung ist, dass bei diesem Menschen eine Besserung nicht mehr möglich ist und dass auf Dauer eine Gefahr von diesem Menschen ausgehen wird. Das halten wir für verfehlt, weil ein solcher junger Mensch noch sehr stark in der Entwicklung ist. Diesem Gedanken muss ein Jugendstrafvollzugsrecht Rechnung tragen. Das ist eine Diskussion, die wir auch nachher noch führen und an dieser Stelle schon einmal geführt haben.

Aber wir meinen: Es kann nicht sein, dass der Jugendstrafvollzug aus der Verantwortung entlassen wird, diese Chance zu nutzen, die gegeben wird, wenn zum Beispiel ein junger Mensch zu fünf Jahren Haft verurteilt wird, auf diesen Menschen einzuwirken. Wir sehen darin eine große Gefahr, dass dieser Mensch von vornherein aufgegeben wird. Das Beispiel des Mörders von Herrn Dabelstein zeigt auch - es gibt solche Beispiele -, dass unter Ihrer Verantwortung Täter von solchen schweren Straftaten aufgegeben wurden und dass in der Haft nicht alles Mögliche unternommen wurde. Aus dieser Verantwortung und auch aus dieser Chance wollen wir den Jugendvollzug nicht entlassen.

(Beifall bei der GAL)

Frau Brinkmann hat das Wort.

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Das Problem, wie ich die Gesellschaft vor Sexualstraftätern schütze, muss auch unter dem gesundheitlichen Aspekt betrachtet werden. Der ist sehr viel tief greifender und umfangreicher, Herr Müller-Kallweit, als nur der von der SPD eingebrachte Antrag zur Pädophilie, der dem Gesundheitsausschuss vorliegt.

Fast alle Sexualstraftäter leiden nämlich unter ihren krankhaften Veranlagungen und müssen deshalb medizinische Unterstützung erhalten, damit ihre krankhaften Neigungen nicht wieder ausbrechen und sie wieder zu Tätern werden. Eine große Anzahl von Sexualstraftätern ist im Maßregelvollzug untergebracht und wird dort therapiert. Wenn diese Täter entlassen werden, haben sie die Möglichkeit, sich weiterhin in der forensischen Ambulanz behandeln zu lassen, und das nach der letzten Evaluation sehr erfolgreich.

Nur zur Erinnerung, meine Damen und Herren von der CDU: Es war die SPD-Fraktion, die im April 2002 einen Antrag in dieses Haus eingebracht hat, eine forensische Ambulanz am Klinikum Nord einzurichten. Es war damals der CDU-Senator Roger Kusch, der diese Sache für Blödsinn hielt, und Sie haben diesen Antrag mit Ihren Stimmen abgelehnt. Das war 2002 - zwei Jahre später waren Sie dann endlich auch zu der Erkenntnis gekommen, wie sinnvoll diese Einrichtungen wären, und die forensischen Ambulanzen, die heute mit sehr viel Erfolg arbeiten, wurden eingeführt. Aber hätte man zwei Jahre vorher mit der Arbeit begonnen, wären wir heute schon weiter und wären vielleicht auch schon im Strafvollzug so weit.

Da es in diesen Ambulanzen bereits Erfahrungen in der Arbeit mit Sexualstraftätern gab und diese positiv sind, ist es doch auch selbstverständlich, darüber nachzudenken, dass Sexualstraftäter aus dem Vollzug ihre Nachbehandlung in Ambulanzen bekommen sollten. Ich weiß nicht, warum das in Ihrem Antrag ein Prüfantrag ist, da bereits Erfahrungen vorliegen, die positiv aussehen. Außerdem arbeitet seit vielen Jahren das Institut für Sexualforschung und forensische Medizin am UKE an der Behandlung mit Sexualstraftätern. Auch hier liegen Erfahrungsberichte vor.

In der Antwort auf die Kleine Anfrage von Herrn Dr. Steffen, die Sie vorhin erwähnt haben, spricht der Senat sich bereits für eventuelle Standorte von Ambulanzen aus und erklärt auch die Finanzierung nach SGB V. Die Kassen waren aber nur bereit, in diesem Modellprojekt eine ganz bestimmte Anzahl von Betroffenen behandeln zu lassen und in letzter Zeit haben sie die Zahlen sogar reduziert. Mittlerweile muss das UKE jährlich circa 1.000 Patienten mit sexuellen Störungen abweisen und kann sie nicht behandeln oder beraten. So kann es nicht sein. Die Erfahrungen der forensischen Ambulanzen sowie des Instituts für Sexualforschung und forensische Psychiatrie sind positiv. Von daher lassen Sie uns heute nicht wieder Prüfanträge beschließen, sondern verabschieden Sie endlich diese Einrichtungen, damit der Senat diese forensischen Ambulanzen einrichten kann. Sie haben nicht mehr viel Zeit. Der 24. Februar 2008 kommt schneller, als Sie denken. - Vielen Dank.

(Beifall bei der SPD)

Herr Senator Lüdemann hat das Wort.

Frau Präsidentin, sehr geehrte Damen und Herren! Manchmal - vielen Dank - muss man sich ausdrücklich bei einer SPDAbgeordneten bedanken, nämlich bei Ihnen, Frau Brinkmann, dass Sie die Kollegen Dr. Steffen und Dr. Dressel ein bisschen aufgeklärt haben. Denn Herr Dr. Dressel sagt, wir sollen endlich loslegen und etwas bei den forensischen Ambulanzen machen.

(Dr. Andreas Dressel SPD: Das habe ich auf den Strafvollzug bezogen! Sie haben nicht zugehört!)

Und Herr Steffen sagt, wir seien überrascht und hätten überhaupt nichts gemacht. - Es gibt schon längst die forensischen Ambulanzen und die Pilotprojekte.

(Zuruf von Petra Brinkmann SPD)

- Vielen Dank, Frau Brinkmann. Ja, vielen Dank.

Es gibt sie schon - die kleine Aufklärung für die Kollegen. Aber innerhalb der Fraktion - das muss man ab und zu einmal aufklären, was der eine und was der andere meint, auch bei der Sexualstraftäterdatei - sind Sie sich auch nicht so ganz einig.

(Dr. Andreas Dressel SPD: Doch!)

- Gut, mittlerweile vielleicht. - Aber das muss hier einmal klargestellt werden.

Wir haben es schon deutlich gesagt: Wir arbeiten an dem Konzept für die forensischen Ambulanzen und haben bei der Bürgerschaft auch schon die Mittel dafür eingeworben. Wenn Sie die Drucksachen dazu einmal lesen, dann wissen Sie, dass das vorangeht. Wir arbeiten daran und Herr Dr. Steffen hat schon richtig gesagt: Wir sind gesetzlich nicht dazu verpflichtet. Aber natürlich werden wir auch in Hamburg forensische Ambulanzen anbieten, weil uns das einfach sehr wichtig ist.

Ich möchte zu den kontrovers diskutierten Punkten kommen - wenn Sie immer sagen, wir und insbesondere mein Vorgänger hätten die Sozialtherapie zerschlagen -,

(Dr. Andreas Dressel SPD: Dann haben wir recht damit!)

dass das absoluter Quatsch ist. Das kann man so nicht stehenlassen. Wir haben kleine Anstalten mit 40, 50, 60 Plätzen geschlossen und zu größeren Einheiten zusammengelegt. Wir haben jetzt tatsächlich mehr Plätze in der Sozialtherapie, als wir sie zu rotgrünen Zeiten gehabt haben - also keine Zerschlagung, sondern sogar Ausbau der Sozialtherapie.

(Beifall bei der CDU)

Bislang konnte nie einer erklären, warum man Sozialtherapie wirklich nur an diesem einen Ort - es muss unbedingt an diesem einen Ort sein - durchführen kann. Es kommt auf die Konzepte und auf die Inhalte an und nicht darauf, ob Sie das therapeutische …

(Dr. Andreas Dressel SPD: Es geht um Qualität, die können Sie in einer großen Anstalt gar nicht bringen!)

- Ja, bitte schön. - Wollen Sie sagen, dass unsere Mitarbeiter in der Sozialtherapie - die Kollegen, die sich bemühen - schlecht arbeiten?

(Dr. Andreas Dressel SPD: Sie legen falsche Kon- zepte vor!)

Im Gegenteil: Unsere Kollegen in der Sozialtherapie arbeiten ganz hervorragend, vielen Dank.

(Beifall bei der CDU)

Ich möchte auch sagen: Insbesondere die Plätze, die wir in der Sozialtherapie im Jugendstrafvollzug haben, werden verdoppelt. Wir verdoppeln die Anzahl der Plätze in der Sozialtherapie im Jugendstrafvollzug, das nur, um einmal Ihre Mär, die Sie immer verbreiten, wir würden Sozialtherapie zerschlagen, eindeutig zu widerlegen. Wir haben mehr Plätze. Bei den Jugendlichen werden wir sogar verdoppeln. - Vielen Dank.

(Beifall bei der CDU)

Herr Dr. Dressel, Sie haben das Wort.

(Olaf Ohlsen CDU: Was soll denn das?)

- Herr Ohlsen, so groß kann Ihr Interesse an dem Thema nicht sein, wenn Sie nicht weiter darüber reden wollen.

Wir waren doch am Anfang der Debatte einig, dass wir gemeinsam diskutieren wollen, wie wir den Opferschutz voranbringen können. Das jedenfalls war kein Beitrag zu dieser Debatte, Herr Ohlsen.

(Olaf Ohlsen CDU: Es ist alles gesagt!)

- Nein, es ist eben nicht alles gesagt, vor allem dann nicht, wenn der Justizsenator uns hier vor Augen führt, dass er sich offenbar in die Thematik selbst noch nicht richtig eingearbeitet hat.

Bei den forensischen Ambulanzen ist es klar: Dort gibt es schon etwas im Bereich des Maßregelvollzugs. Frau Brinkmann hat noch einmal darauf hingewiesen, dass das von der SPD mit auf den Weg gebracht worden ist. Jetzt - durch die neue Bundesgesetzgebung - geht es darum, das Angebot für die aus dem Strafvollzug Entlassenen zu erweitern. Genau darum geht es. Genau das habe ich vorhin ausgeführt und das hat auch der Kollege Steffen ausgeführt. Insofern sollten Sie vielleicht auch einmal ein bisschen mehr zuhören, Herr Justizsenator.

Der zweite Punkt: Das kann auch nicht so stehenbleiben, was das Thema der Sozialtherapie angeht. So leicht können Sie sich bei dem Thema nicht vom Acker machen. Ihr damaliger Justizsenator Roger Kusch hat die Strukturen der Sozialtherapie in Hamburg zerschlagen. Das ist keine Erfindung von uns, sondern das ist bundesweit von allen Experten in diesem Bereich deutlich kritisiert worden.

Der entscheidende Punkt ist doch: Wie macht man Sozialtherapie? Das ist nämlich eine Frage, wie groß die Einheiten sind, in denen man das vorhält. Alle Experten sagen Ihnen, dass so etwas in kleinräumigen Anstalten passieren muss, wo es nicht die Einflüsse des Regelstrafvollzugs gibt. Das sagt Ihnen jeder Experte und genau das haben Sie zulasten des Opferschutzes in dieser Stadt kaputt gemacht.

(Beifall bei der SPD und vereinzelt bei der GAL)

Deshalb nützt es auch nichts, dass Sie sagen, sie wollten das jetzt im Jugendstrafvollzug ausbauen. Es geht darum, dass wir vor allem im Erwachsenenstrafvollzug bei der Sozialtherapie weiter gehen müssen, als das bisher der Fall ist. Wir brauchen dort mehr qualitativ hochwertige Plätze in möglichst eigenen Einheiten, wo es eben nicht die Einflüsse von den anderen erwachsenen Häftlingen gibt.

Deswegen: Gehen Sie weiter, als das bisher der Fall ist. Bayern macht es an dieser Stelle - dazu haben Sie auch nichts gesagt -, macht in dem eigenen Strafvollzugsgesetzentwurf einen wesentlich weiteren Schritt. Deshalb springen Sie eindeutig zu kurz und lernen nicht aus den Fehlern, die Roger Kusch begangen hat. - Danke.

(Beifall bei der SPD)

Ich sehe jetzt keine weiteren Wortmeldungen. Wir kommen zur Abstimmung. Wer stimmt einer Überweisung der Drs. 18/6508 und 18/6582 Neufassung federführend an den Ausschuss für Gesundheit und Verbraucherschutz und mitberatend an

den Rechtsausschuss zu? - Gegenprobe. - Enthaltungen? - Damit ist dieses Begehren mehrheitlich abgelehnt.

Dann lasse ich in der Sache abstimmen. Zunächst zum Antrag der SPD-Fraktion aus Drs. 18/6582 Neufassung. Diesen möchte die SPD-Fraktion ziffernweise abstimmen lassen. Wer möchte Ziffer 1 annehmen? - Gegenprobe. - Enthaltungen? - Das ist mehrheitlich abgelehnt.