Protokoll der Sitzung vom 23.01.2008

Wer Ziffer 10.4 zustimmen möchte, den bitte ich um das Handzeichen. - Gegenprobe. - Enthaltungen? - Auch Ziffer 10.4 ist mit Mehrheit abgelehnt.

Wer Ziffer 10.5 annehmen möchte, den bitte ich um das Handzeichen. - Gegenprobe. - Enthaltungen? - Das ist mit Mehrheit abgelehnt.

Wer Ziffer 11 beschließen möchte, den bitte ich um das Handzeichen. - Gegenprobe. - Enthaltungen? - Das ist mit Mehrheit abgelehnt.

Wer Ziffer 12 zustimmen möchte, den bitte ich um das Handzeichen. - Gegenprobe. - Enthaltungen? - Auch Ziffer 12 ist mit Mehrheit abgelehnt.

Wir kommen nun zum Bericht des Haushaltsausschusses aus der Drs. 18/7692.

Wer der Ausschussempfehlung folgen möchte, den bitte ich um das Handzeichen. - Gegenprobe. - Enthaltungen? - Das ist mehrheitlich mit den Stimmen der CDU- und SPD-Fraktion gegen die Stimmen der GAL-Fraktion angenommen.

Hierzu bedarf es einer zweiten Lesung. Stimmt der Senat einer sofortigen zweiten Lesung zu?

(Der Senat gibt seine Zustimmung zu erkennen.) - Das ist der Fall. Gibt es Widerspruch aus dem Haus? - Den sehe ich nicht.

Wer den soeben in erster Lesung gefassten Beschluss in zweiter Lesung fassen will, den bitte ich um das Handzeichen. - Gegenprobe. - Enthaltungen? - Das ist damit in zweiter Lesung und somit endgültig beschlossen worden.

Wir kommen zum Punkt 21 der Tagesordnung, der Unterrichtung durch den Präsidenten: Volkspetition gegen das Kohlekraftwerk Moorburg.

[Unterrichtung durch den Präsidenten der Bürgerschaft: Volkspetition gegen das Kohlekraftwerk Moorburg - Drs. 18/7431 (Neufassung) -]

Wer wünscht das Wort? - Herr Maaß bekommt es.

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Es gibt durchaus noch Punkte, die wir aus Anlass der Volkspetition, die nun doch Erfolg gehabt hat, diskutieren sollten. Ich möchte zu fünf Punkten sprechen. Zum einen zu Herrn Clement, zweitens zum Thema Feinstaub,

(Präsident Berndt Röder übernimmt den Vorsitz.)

drittens zum Thema Stromlücke, über die manchmal geredet wird, viertens zum Thema Wärmelücke, die möglicherweise entstehen könnte und fünftens zum Thema Kühlung.

Zunächst zu Herrn Clement, der sich zum Thema fossile Rohstoffe geäußert hat. Was Fossilien angeht, ist er in gewisser Weise selbst ein Betroffener, zumindest, wenn es um sein Denken geht. Er hat sinngemäß gesagt, es ginge um die industrielle Struktur Deutschlands gefährdet sei, wenn das Energiekonzept der SPD in Hessen, das wir in vielen Teilen unterstützenswert finden, umgesetzt werden würde. In einem hat er sicherlich recht: Deutschland hat nach dem Zweiten Weltkrieg und auch davor sicherlich vieles von seinem Wohlstand der Kohle zu verdanken. Aber es ist eben doch schon eine Weile her, dass wir einen namhaften Anteil von Arbeitsplätzen überhaupt an der Kohle hängend gehabt haben. Vor 50 Jahren waren das eine halbe Million Arbeitsplätze, die unmittelbar an der Kohleförderung hingen. Aber wenn Sie sich einmal angucken, dass man heute in Deutschland 1.000 Megawatt elektrischer Leistung mit 100 Arbeitsplätzen bewerkstelligen kann und im Übrigen das Geld für hochautomatisierte Arbeitsplätze im australischen Tagebau draufgeht, dann ist das nicht wirklich das, was ich mir unter einer zukunftsfähigen Industrie vorstelle, sondern die industrielle Zukunft Deutschlands - und es ist richtig, auch darüber zu reden - muss doch woanders liegen. Die kann doch nicht darin liegen, den Kohlebergbau in anderen Ländern zu subventionieren und da unser Geld hineinzustecken, sondern die muss doch darin liegen, zukunftsfähige Energieindustrien aufzubauen.

Da sind wir in Deutschland diejenigen, die das zaghaft beginnen und da auch weltweit spitze sind. Es geht darum, die 200.000 Arbeitsplätze, die wir jetzt schon in den erneuerbaren Energien haben, noch stärker auszubauen, dass wir wirklich davon reden können, dass hier ein neuer industrieller Kern in Deutschland geschaffen wird.

(Beifall bei der GAL)

Das zweite aktuelle Thema in dem Zusammenhang ist das Kohlekraftwerk Moorburg. Das Thema haben die Wilhelmsburger Ärzte zu Recht aufgegriffen. Sie haben gesagt, dass ein zusätzlicher Ausstoß von Feinstaub für Wilhelmsburg und die anderen Stadtteile, die in der Abgasfahne liegen, eine große Belastung darstellen würde. Der Senat hat dann im Wesentlichen geantwortet, die Grenzwerte würden nicht nur eingehalten, sondern deutlich unterschritten. Dennoch gehen ein paar Hundert Kilogramm Feinstaub jeden Tag auf die besagten Stadt

teile nieder. Es ist auch so, dass es eben nicht irgendwo einen Grenzwert gibt, wo man sagen kann, wenn der eingehalten wird, dann liegen wir auf der sicheren Seite, dann muss man sich um seine Gesundheit keine Gedanken mehr machen. Das gibt es bei kanzerogenen Stoffen grundsätzlich nicht und bei Stoffen wie dem Mikrofeinstaub, PM 2,5 oder auch noch feinerem Feinstaub, ist die Wissenschaft noch längst nicht so weit, überhaupt einschätzen zu können, welche Auswirkungen dieser Feinstaub für die Lunge und das Blut hat. Deswegen kann ich den Wilhelmsburger Ärzten nur beipflichten, wenn sie sagen, sie seien in großer Sorge, denn hier werden tatsächlich unnötigerweise in einer sehr zentralen, stadtnahen Lage große Bevölkerungsschichten einem Risiko ausgesetzt, das so nicht sein müsste, denn wir haben über alternative Möglichkeiten gesprochen, auch über fossile Kraftwerke in Hamburg, und wir werden das sicherlich auch heute noch tun. Aber die Menge an Feinstaub, die in Moorburg ausgestoßen werden wird, ist eine große Belastung, die so nicht sein müsste.

(Beifall bei der GAL)

Ich möchte eine aktuelle Studie der Deutschen Umwelthilfe zum Anlass nehmen, um über das Thema Stromlücke zu sprechen. Uns wird immer wieder gesagt, wie soll das denn gehen, ihr wollt aus der Atomkraft aussteigen und gleichzeitig soll es keine neuen Kohlekraftwerke geben. Die Deutsche Umwelthilfe hat einmal nachgerechnet, wie groß die Lücke ist, die durch Abschalten von Atomkraftwerken und durch Auslaufen von alten fossilen Kraftwerken entsteht. Sie sind zu dem Ergebnis gekommen, dass 57 Terrawattstunden jährlich durch fossile Kraftwerke ersetzt werden müssten und haben nachgerechnet, was es bedeutet, wenn wir trotzdem noch unser Klimaziel erreichen wollen, also minus 40 Prozent bis 2020, minus 80 Prozent bis Mitte des Jahrhunderts. Wir sind uns ja darüber einig, dass dies zwingende Ziele sind, über die wir nicht diskutieren können.

Wenn man also beides ernst nimmt, dann kommt dabei heraus, dass man pro Kilowattstunde, die durch fossile Kraftwerke zu ersetzen ist, bei ungefähr 370 Gramm CO2 pro Kilowattstunde liegt. Das schaffen Kohlekraftwerke bei Weitem nicht, das schafft man nur mit Gaskraftwerken und mit Kraft-Wärme-Kopplung. Ich bin immer noch darauf gespannt, wie Sie uns vorrechnen wollen, wie man mit fossilen Kraftwerken dieses Problem lösen soll; das schaffen Sie nicht. Sie sorgen dafür, dass wir in Deutschland unsere Klimaziele nicht erfüllen und das ist ein riesiges Problem.

(Beifall bei der GAL)

Zweitens wird uns vorgehalten - ich glaube, heute wird uns gar nichts mehr vorgehalten, die beiden zuständigen Herren diskutieren mit uns anscheinend nicht mehr -, es würde eine Wärmelücke entstehen, wenn wir Moorburg nicht bauen würden und das Kraftwerk Wedel auslaufen würde, dann würde Hamburg in der Kälte frieren. Auch da möchte ich auf eine Studie zurückkommen, die der Verband der Elektrotechnik - sicherlich unverdächtig grüner Umtriebe - jüngst vorgelegt hat, ob wir uns wirklich Sorgen machen müssen, in Hamburg frieren zu müssen. Die haben Zahlen für den zukünftigen Wärmebedarf prognostiziert, die mir auch ein wenig optimistisch erscheinen. Sie haben nämlich gesagt, dass der Wärmebedarf bis zum Jahr 2020 durch bessere Isolierung um knapp die Hälfte sinken werde. Das erscheint in der Tat sehr optimistisch, aber man muss nur einmal realistisch sein und gucken,

was an Wärmedämmung passiert und dann nachrechnen, ob wirklich eine Wärmelücke entsteht.

Hamburg hat 1.450 Megawatt thermische Wärmeleistung. Wenn Wedel vom Netz geht, gehen davon 380 Megawatt ab, also ungefähr 20 Prozent. Gleichzeitig kommen aber in 2008 noch einmal 100 Megawatt durch das Kraftwerk Tiefstack hinzu, bleibt also eine Lücke von 200 Megawatt thermisch, ungefähr 14 Prozent. 14 Prozent sind mit einem Ausbau der Kraft-Wärme-Kopplung, den Sie auch auf Bundesebene fordern, wenn Sie Bundesminister Gabriel unterstützen, deutlich zu schaffen. Das ist möglich durch bessere Wärmestandards. Das heißt, all das, was mit dieser Wärmelücke beschrieben wird, ist vermeidbar durch eine sinnvolle Politik, durch Kraft-WärmeKopplung und durch Wärmedämmung. Deswegen ist es schlicht ein vorgeschobenes Argument, dass Moorburg unabdingbar wäre, um Hamburg nicht frieren zu lassen.

(Beifall bei der GAL)

Der fünfte Punkt, auf den ich eingehen möchte, ist die Kühlung des Kraftwerks Moorburg. Das ist tatsächlich die Achillesferse für dieses Kraftwerk und das wissen Sie wahrscheinlich noch besser als ich, Herr Senator; hier ist sicher noch nicht das letzte Wort gesprochen. Vergegenwärtigen Sie sich einmal die Menge des Kühlwassers, die der Elbe entnommen wird. Innerhalb von zwei Stunden soll dieses Kraftwerk eine Menge von Wasser aus der Elbe ziehen, die so groß ist wie die Außen- und Binnenalster. Innerhalb von zwei Stunden pumpen die mal eben die Alster leer und benutzen das zur Kühlung und geben es dann in Badewannentemperatur wieder zurück in die Elbe; das sind riesige Mengen. An manchen Tagen im Sommer - das ist jetzt eine theoretische Rechnung - müsste das gesamte Wasser, das durch die Elbe fließt, genutzt werden, um das Kraftwerk zu kühlen. Es ist klar, dass es dann nicht laufen kann und abgeschaltet werden muss. Das zeigt, welche riesigen Dimensionen das sind.

Es ist vollkommen klar, dass das erhebliche Folgen für die Ökologie der Elbe haben muss, und zwar auch, wenn dieses Wasser abgekühlt wird, bevor es wieder in die Elbe gegeben werden soll. Bei der Antwort auf die Anfrage ist klar geworden, dass Sie bei dem Begriff der Laufwasserkühlung, den Sie in die Welt gesetzt haben mit, irgendwie nicht so richtig wussten, wovon Sie sprachen. Es geht um die Kühlung des Ablaufs und eine Ventilatorzellenkühlung. Jetzt wissen wir endlich auch, was die Leute dort vorhaben. Jedenfalls kann auch mit dieser Kühlung noch nicht das letzte Wort gesprochen worden sein, denn eine Entnahme von Wasser in dieser Menge aus der Elbe hat ökologische Folgen und man muss sich sehr genau Gedanken darüber machen, ob man diese Folgen wirklich zulassen kann, und zwar auch aus wasserwirtschaftlicher Sicht; da lasse ich den Klimaschutz einmal außen vor.

(Beifall bei der GAL)

Deswegen werden zwar mit der vorzeitig erteilten Baugenehmigung schon Fakten geschaffen, aber solange die Genehmigung und die wasserrechtliche Erlaubnis nicht vorliegen, werden wir alles tun, was rechtlich und politisch möglich ist, um dieses Kraftwerk in Hamburg zu verhindern. - Ich danke Ihnen.

(Beifall bei der GAL)

Das Wort bekommt der Abgeordnete Engels.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Herr Maaß, ich möchte relativ direkt auf Ihren Beitrag eingehen.

(Nebahat Güclü GAL: Relativ direkt!)

Sie machen einen gewaltigen Denkfehler. Es besteht kein Zweifel daran, dass auch wir für regenerative Energien sind; es gibt unglaublich viele Arten. Wir sind insbesondere dafür - das Thema haben Sie besonders intensiv behandelt -, den ungeheuren Energieverbrauch allein durch Erwärmung zu vermindern. Nur wissen Sie ganz genau, dass der Anteil der meisten regenerativen Energien an der Grundversorgung leider noch minimal ist. Insbesondere die bei vielen Bürgern im Kopf herumschwirrende Sonne macht einen Bruchteil von Prozenten aus. Besser ist es schon mit Windenergie, den Ausbau begrüßen wir auch.

(Dr. Monika Schaal SPD: Da haben Sie ja ordent- lich was dazugelernt!)

Um den Denkfehler deutlicher zu machen: Sie sprechen von Energiesparmaßnahmen; die könnte man in gewisser Weise auch als regenerative Energien bezeichnen, wenn auch eher als passive. Auch dieses Programm wird von uns befürwortet. Der Punkt ist nur, dass das ein jahrzehntelanges und ungeheuer teures Programm sein wird.

Das Problem - damit komme ich zum Grundsatz Ihres Denkfehlers - ist Folgendes: Sie können sehr schön über irgendwelche Energien oder Energiesparmaßnahmen der Zukunft schwabulieren, aber Sie haben auch die Verantwortung dafür, wie das Land heute versorgt werden soll, und da schweigen Sie immer wieder und geben keine Antwort.

(Beifall bei der CDU - Christian Maaß GAL: Allein wenn Sie die Nachtspeicheröfen verbieten, kön- nen Sie sofort sechs Kraftwerke abschalten!)

Das ist auch ein Punkt, den wir uns überlegen können - von Wolkenkuckucksheim will ich gar nicht sprechen -, aber es ist noch ein sehr weiter Weg, ein technisch schwieriger Weg und im Übrigen auch ein finanziell schwieriger Weg, was ich eben zur Wärme gesagt habe. So zu tun, als könnten Sie diesen beschwerlichen langen Weg innerhalb kürzester Zeit in praktische Politik umsetzen, ohne dieses Land an den finanziellen Abgrund zu treiben, ist politisch unredlich, um es einmal deutlich zu sagen.

(Beifall bei der CDU)

Damit haben Sie ja Ihre Rede begonnen. Herr Clement hat absolut Recht, was diesen Sachpunkt betrifft. Er hat speziell der SPD in Hessen die Leviten gelesen, sie sozusagen gebeten, kein Ypsilon für ein U vorzumachen. Insbesondere von SPD-Seite ist kritisiert worden, so etwas dürfe man im Wahlkampf nicht sagen. Natürlich muss man im Wahlkampf die Wahrheit sagen und die Bürger darüber aufklären, was zurzeit möglich ist, was langfristig möglich ist und was kurzfristig möglich ist; anders geht es nicht.

(Beifall bei der CDU)

Wahlkämpfe sind nicht dazu da, um missliebige Politiker aus den eigenen Reihen hinauszuwerfen, sondern um die

Bevölkerung über die tatsächlich vorhandenen Probleme aufzuklären, und nichts anderes ist dort geschehen. Ich bewundere im Übrigen Herrn Clement für seinen Mut.

Die Frage ist natürlich, wer eigentlich gegen SPDGrundsatzbeschlüsse verstößt; ich erinnere an den Hamburger Parteitag. Dort haben Sie dies als Brückentechnologie beschlossen und ich bin auch der Meinung, dass es natürlich Brückentechnologien sind. Aber die SPD hat in Hamburg beschlossen, dass Kohlekraftwerke als Brückentechnologie weiterhin notwendig seien und auch der Neubau von Kohlekraftwerken. In Hessen versprechen die Sozialdemokraten unter Führung von Ypsilanti das Gegenteil und machen dasselbe Wolkenkuckucksheim auf wie Sie. Wer verstößt denn eigentlich gegen SPDGrundsatzbeschlüsse, die SPD in Hessen oder Herr Clement? Clement hat eine klare Rückendeckung.

(Beifall bei der CDU)