Protokoll der Sitzung vom 05.11.2008

Aus meiner Sicht ist doch ein Stück Bewegung in die Diskussion gekommen und ich habe mich gewundert, warum Sie das nicht aufnehmen. Wir haben aus der letzten Legislatur ein großes Projekt. Dieses Projekt macht – das ist nicht die nervige Opposition – so wie es sich entwickelt, vielen Bürgerinnen und Bürgern Sorge, weil die Relation – das kann Herr Lafrenz auch nicht wegwischen – zu dem, was da einmal entstehen soll und was uns das kostet, nicht mehr gewahrt ist. Das ist ein Problem. Ein Problem ist auch, dass wir immer noch nicht genau wissen, wenn das Ding dann steht, was das für den Betrieb bedeutet. Das ist das, was wir jetzt diskutieren. Da hat der Bürgermeister, finde ich, jetzt richtig noch mal einen Punkt, eine Schwierigkeit der politischen Kommunikation auf den Tisch gelegt. Das ist wichtig. Einerseits möchte sich der Senat seine Verhandlungsposition nicht verschlechtern. Dafür werden Sie doch bei der Opposition offene Türen bekommen. Auf der anderen Seite – das haben Sie doch auch gesagt und Herr von Beust hat das eingeräumt – können Sie doch einer Opposition nicht antragen, über Monate hinweg einfach zu lächeln. Das heißt, Sie nehmen in Anspruch, dass da ein Problem ist und wollen wegen der komplizierten Verhandlungen nicht mit der Sprache heraus – etwas anderes ist gar nicht unterstellt worden –,

(Dr. Andreas Dressel SPD: Es geht um Ver- traulichkeit!)

auf der anderen Seite ist es die Pflicht jedes Bürgerschaftsabgeordneten der Opposition das nicht so im Raum stehen zu lassen. Es ist richtig, dass das ein Widerspruch ist, den man nur im Konkreten und nicht allgemein auflösen kann. Herr Neumann hat doch nichts anderes gesagt. Wenn Sie das Projekt wollen – das fand ich von Ihnen wirklich gut, nicht alles finde ich gut, aber das war gut –, dann müssen Sie von der Regierungskoalition darum werben, dass das, was vielleicht in der letzten Legislatur einmal da war, gemeinsam getragen wird. Da müssen Sie ein paar Schritte tun. Wenn wir im Ausschuss zu der Einschätzung kommen, dass wir im September einen Bericht bekommen und ich sehe dann, Frau von Welck, dass wir diesen Bericht nicht bekommen, dann greife ich wenigstens zum Telefon oder lade die Leute ein und erkläre ihnen, warum dieser Bericht jetzt nicht kommen kann und das machen Sie nicht und das hat Ihnen Herr Neumann auch vorgehalten.

(Beifall bei der LINKEN und der SPD)

Das ist wirklich schlechter Stil und mit diesem Stil hebeln Sie die demokratische Beteiligung aus und das wollen wir nicht mitmachen.

(Beifall bei der LINKEN und der SPD)

Das Wort bekommt Herr Dr. Tschentscher.

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Da bekommt die Diskussion mit dem Redebeitrag des Ersten Bürgermeisters und auch mit dem Beitrag von Herrn Kerstan auf einmal eine moralische Wende. Die Opposition sei es, die die Zahlen in die Welt bringt und damit Beunruhigung verursacht, möglicherweise zum Schaden der Stadt und der Elbphilharmonie.

(Hans-Detlef Roock CDU: Richtig!)

Nicht wir haben die Zahlen in die Welt gebracht, sondern diese Zahlen stehen in der Zeitung. Wenn man von 100 Millionen Euro spricht, dann beunruhigt das die Menschen in dieser Stadt. Es beunruhigt vor allem die Menschen mit einem kleinen Portemonnaie, was dort passiert. Es ist der Auftrag der Opposition zu fragen, wie das angehen kann. Ich war im Haushaltsausschuss dabei, als wir sehr bescheiden und sehr sachlich und in einem Ausschuss, der keine große Öffentlichkeit hat, gefragt haben, uns doch wenigstens zu verraten, in welcher Größenordnung Nachforderungen strittig sind. Es ging nicht um die Fragen, Herr von Beust, ob es am Ende so viel oder so viel Millionen werden, sondern wir haben gefragt, in welchem Umfang Forderungen strittig sind und das hat mit der Verhandlungsposition der Stadt oder des Investors nichts zu tun. Das hat aber etwas damit zu tun, dass wir in die Haushaltsberatungen eintreten mit einem Haushaltsplan-Entwurf, der schon so 1,2 Milliarden Euro miese macht und da sind 100 Millionen Euro mehr oder weniger eine Frage von erheblicher Bedeutung und die Frage müssen wir stellen und die sollte eigentlich geklärt sein in den Entscheidungen des Senats zum HaushaltsplanEntwurf, bevor wir in die Beratungen einsteigen.

(Beifall bei der SPD und der LINKEN)

Ich sehe keine weiteren Wortmeldungen mehr. Die Aktuelle Stunde geht noch bis 16.34 Uhr, also wir können das zweite Thema noch für vier Minuten aufrufen. – Es gibt dafür keinen Bedarf.

Dann schließe ich die Aktuelle Stunde und wir kommen zum Punkt 5 der heutigen Tagesordnung, der Wahl einer Deputierten der Behörde für Kultur, Sport und Medien.

[Unterrichtung durch den Präsidenten der Bürgerschaft: Wahl einer oder eines Deputierten der Behörde für Kultur, Sport und Medien – Drs 19/1161 –]

(Dr. Joachim Bischoff)

Der Stimmzettel liegt Ihnen vor. Er enthält jeweils ein Feld für Zustimmung, Ablehnung und Enthaltung. Sie dürfen auf dem Stimmzettel ein Kreuz machen, aber bitte nur eines. Weitere Eintragungen oder Bemerkungen würden zur Ungültigkeit führen. Auch unausgefüllte Zettel gelten als ungültig. Bitte nehmen Sie nun Ihre Wahlentscheidung vor und ich darf die Schriftführer bitten, mit dem Einsammeln der Stimmzettel zu beginnen.

(Die Wahlhandlung wird vorgenommen.)

Wie immer ist es ganz hilfreich, wenn die Stimmzettel hochgehalten werden, damit die Schriftführer sehen, wo sie noch einsammeln müssen.

Sind jetzt alle Stimmzettel abgegeben worden? – Das ist der Fall, dann schließe ich die Wahlhandlung. Das Wahlergebnis wird nun ermittelt und ich werde es Ihnen im Laufe der Sitzung bekanntgeben.

Wir kommen zum Punkt 54 der Tagesordnung, dem Antrag der SPD-Fraktion: Keine Zerschlagung erfolgreicher Schulen durch Abtrennung der Klassen 1 bis 6 – Erhalt der Schulen in sogenannten Langformen.

[Antrag der Fraktion der SPD: Keine Zerschlagung erfolgreicher Schulen durch Abtrennung der Klassen 1 bis 6 – Erhalt der Schulen in sogenannten Langformen – Drs 19/1292 –]

Ich hoffe, bei dem allgemeinen Lärm kann mich jetzt gleich der Redner, den ich aufrufen werde, auch verstehen. Wer wünscht das Wort? – Herr Rabe, Sie bekommen es.

Frau Präsidentin, meine sehr verehrten Damen und Herren! In den nächsten Wochen werden wir den ersten großen Kollateralschaden der schwarz-grünen Schulpolitik bestaunen und es lohnt sich, an dieser Stelle einmal kurz innezuhalten und die Argumente dafür abzuwägen, wie die Schulstruktur in Hamburg eigentlich sein sollte.

In 64 Hamburger Schulen können Schülerinnen und Schüler von der ersten bis zur zehnten, manchmal sogar bis zur 13. Klasse zur Schule gehen. Langformschulen heißen diese Schulen, in denen Grundschulen und weiterführende Schulen, beispielsweise Gesamtschulen oder Haupt- und Realschulen, unter einem Dach vereint sind mit einer Schulleitung und einem Kollegium. Viele erfolgreiche und bundesweit anerkannte Schulen funktionieren in dieser sogenannten Langform, beispielsweise die Max-Brauer-Gesamtschule in Altona, die Gesamtschule Winterhude oder erst recht die Albert-Schweitzer-Schule. Sie wollen diese Langformschulen zerlegen. Wo bisher eine Schule

ist, sollen in Zukunft zwei entstehen – mit zwei Schulleitungen, zwei Kollegien und zwei Elternvertretungen. Wir sind uns mit Lehrern, mit Schülern und Eltern, aber auch mit vielen Wissenschaftlern einig: Langformschulen sind eine zukunftsweisende Schulform und sie dürfen nicht abgeschafft, sondern sie müssen gefördert werden.

(Beifall bei der SPD und bei Dora Heyenn DIE LINKE)

Ich will auch deutlich sagen, warum das so ist. Es gibt nämlich eine ganze Reihe Vorteile dieser Schulform. Vorteil Nummer 1: Seit Monaten beglückt Christa Goetsch die Stadt mit einer gigantischen PR-Kampagne, die immer wieder ein einziges Lied singt. Alles wird besser und alles Heil der Welt kommt über Hamburg, wenn nur Kinder gemeinsam lernen und gemeinsam zur Schule gehen würden. Und die erste Strophe dieses Lieds lautet: Die Kinder lernen voneinander, sie dürfen nicht isoliert werden, sondern die Verschiedenheit ist das Salz in der Suppe.

(Wolfgang Beuß CDU: Das ist das Lied, das Sie auch gesungen haben!)

Vieles davon ist richtig. Das haben Sie richtig erkannt. Aber dort, wo diese Regierung ohne den ganzen üblichen Reformwahnsinn von Schulbriefen, PR-Kampagnen, Schulkonferenzen, Sit-ins, zusätzlichen Haushaltsmitteln und Diskussionsforen, wo ohne das alles schlicht und einfach Hamburgs Schulen, die schon auf diesem Weg sind, nur begleitet werden müssen, um weiterzukommen, da heißt es plötzlich: Stopp, bitte anhalten, bitte zerlegen, Schluss mit den Gemeinsamkeiten. Man gewinnt den Eindruck, Sie finden Reformen nur dann gut, wenn Sie laut, dekorativ und teuer sind. Wir sagen: Eine Schulpolitik, die unnütz Geld ausgibt und vollkommen unsinnig funktionierende Schulen zerschlägt, ist keine Politik. Das ist schlicht Murks.

(Beifall bei der SPD)

Es gibt eine Reihe von weiteren Vorteilen für die Langformschulen. Ich will sie nicht alle aufzählen, nur ein paar Hinweise: Eine größere Schule kann natürlich besser als zwei getrennte kleine Schulen organisiert werden, beispielsweise bei Unterrichtsausfall. Größere Schulen können ein breiteres pädagogisches Angebot organisieren, sie bieten zudem mehr Möglichkeiten zum Ideenaustausch. Und schließlich, in jeder Schulbehörde hören wir, dass größere Schulen letztlich auch ein Stück preiswerter sind. Wen das alles nicht überzeugt, der ist vielleicht bei dem letzten Vorteil hellhörig. Wir alle wissen, dass der Schulwechsel auf weiterführende Schulen sehr schwierig ist. Es dauert Monate, bis sich Kinder in der neuen Umgebung wieder auf den Unterricht konzentrieren können. Wertvolles Wissen über die Entwicklung der Kinder geht bei diesen Schulwechseln in der Regel verlo

(Erste Vizepräsidentin Barbara Duden)

ren und muss mühsam – und auch nur dann, wenn die Lehrer sehr engagiert sind – durch Berichte und Telefongespräche ersetzt werden. Frau Goetsch selber wird nicht müde, diese Probleme des Schulwechsels in ihren Reden öffentlich zu beklagen. Aber gleichzeitig zerschlägt sie eine seit Jahrzehnten gewachsene und gut funktionierende Schulform, die genau dieses Problem des Schulwechsels am besten im Griff hat. Wir sagen deshalb: Nehmen Sie Ihre eigene Argumentation endlich einmal ernst und stoppen Sie diesen Unsinn.

(Beifall bei der SPD)

Es ist offenkundig und jeder weiß, dass es eigentlich keine sachlichen Argumente für diesen Unsinn gibt. Und ich sehe voraus: Die anderen Redebeiträge werden alle sagen, die Vorteile sind nicht ganz so groß. Aber ein Argument dagegen wird mit Sicherheit nicht angeführt, denn das einzige Argument dagegen, was von Ihnen angebracht wäre, ist, dass diese Koalition in Wahrheit in der Schulfrage heillos zerstritten ist. Und damit es nicht zum großen Knall kommt, müssen die Langformschulen über die Klinge springen. Denn tatsächlich haben CDU und Grüne eine Absprache getroffen, die einem die Haare zu Berge stehen lässt. Man will auch gymnasiale Langformschulen schaffen, so steht es im Koalitionsvertrag. Nur zur Erinnerung: Es war eine der wichtigsten schulpolitischen Entscheidungen der Weimarer Republik, diese aus dem Kaiserreich stammenden gymnasialen Langformen abzuschaffen. Und übrigens steht es nach wie vor so in unserer Verfassung. Diese Entscheidung übrigens – nur zur Erklärung für die CDU, die das vermutlich vergessen hat – ist notwendig gewesen und ist getroffen worden, um die Spaltung in der Gesellschaft zu überwinden.

Frau Goetsch ist immerhin im Nachhinein diese Abmachung mit der CDU peinlich und sie versucht jetzt, ihren Koalitionspartner auszutricksen. Ihr Trick lautet: Dann soll es halt gar keine Langformschulen geben, sodass die CDU mit ihrer gymnasialen Langformschule auch nicht zum Zuge kommt. Das mag raffiniert klingen, aber in Wahrheit machen Sie mit Ihrer Politik Schüler, Eltern und Lehrer zu Bauernopfern für Ihre Koalitionstricksereien. Und das ist schlicht unverantwortlich.

(Beifall bei der SPD)

Noch ein Wort an die Schulleitungen, Lehrer, Eltern und Schüler von Gymnasien, von denen vielleicht einige tatsächlich auf diese gymnasialen Langformschulen hoffen: Zunächst einmal werden die Gymnasien tatsächlich – die CDU Blankenese stellt schon eifrig Anträge – aufgrund der schwarzgrünen Politik in den nächsten Jahren sehr viele Schüler verlieren, vielleicht 40 Prozent, vielleicht 45 Prozent. Alle Gymnasien mit weniger als 800 Schülern dürfen sich berechtigte Sorgen um ihre Zukunft machen. Mit Erstaunen sehen wir aber, dass die CDU jetzt diese von ihr selbst mit

verantwortete Richtung der Bildungspolitik auch noch zum Profit selber ummünzen will. Jetzt spielt man sich auf, die Gymnasien angeblich zu retten mit dieser Idee der gymnasialen Langform. Das ist nach meiner Auffassung an Verantwortungslosigkeit nicht zu überbieten: Erst die Gymnasien gefährden und dann die Gesellschaft spalten, um den Schaden zu vertuschen.

(Klaus-Peter Hesse CDU: Als ob Sie schon einmal etwas für die Gymnasien getan hät- ten!)

Grund für diese Krise der Gymnasien, Herr Hesse, ist nicht, dass es keine gymnasialen Langformschulen gibt. Grund dafür ist die Primarschule gekoppelt mit Ihrer Abschaffung des Elternwahlrechts. Der Ausweg aus dieser Krise des Hamburger Schulsystems ist nicht, Ideen aus dem Kaiserreich wiederzubeleben. Wir wollen keine gymnasialen Langformen. Sie führen zu einer Spaltung der Gesellschaft. Niemand kann das ernsthaft wollen.

Ein Ausweg aus dieser Krise ist eine verantwortungsvolle Politik, die das Elternwahlrecht ernst nimmt und den bestehenden Schulen nicht die Schüler wegnimmt, sondern ihnen eine Perspektive gibt, sich weiterzuentwickeln. Diese Koalition ist dazu nicht fähig, die Koalition ist lieber bereit, funktionierende Hamburger Schulen zu opfern, um ihren parteiinternen Streit zu verbergen. Wichtiger als die Interessen der Stadt scheinen Ihnen Ihre Koalitionstricksereien zu sein. Wir sagen deshalb: Unser Antrag, diese Langformschulen zu erhalten, weist in eine andere und in eine ganz klar bessere Richtung. Er ist sachlich vernünftig und er hat Argumente. Wir hoffen darauf, dass vielleicht der eine oder andere Koalitionär nicht immer nur hinter vorgehaltener Hand über die Bildungspolitik schimpft, sondern sich auch einmal öffentlich gerade macht. Machen Sie sich gerade zum Wohl der Stadt, stimmen Sie unserem Antrag zu und erlauben Sie und geben Sie den Langformschulen eine Perspektive. – Vielen Dank.

(Beifall bei der SPD und bei Dr. Joachim Bi- schoff DIE LINKE)

Das Wort bekommt Herr Freistedt.

Frau Präsidentin, meine sehr geehrten Damen und Herren! Herr Kollege Rabe, Ihr Engagement für die Schulen in Ehren.

(Klaus-Peter Hesse CDU: Was für ein Enga- gement?)

Aber ich habe wirklich meine Zweifel. Ich vermute, Sie haben, als Sie über Kollateralschaden sprachen, nicht so sehr die Schulen gemeint, sondern Sie dachten wahrscheinlich an Ihre eigenen Par

(Ties Rabe)

teigremien, die in Schulfragen ebenfalls zerstritten sind.

(Beifall bei der CDU)

Der vorliegende SPD-Antrag zur Schulreform fordert die Beibehaltung bisheriger Schulstrukturen für 64 Schulen. Das zeigt zweierlei. Erstens sieht die SPD an diesen Standorten keinen Entwicklungsbedarf von Schulen und zweitens ist dieser Antrag entgegen den eigenen Ankündigungen der SPD nur gestellt, um die Aufrechterhaltung von solchen Schulstrukturen zu legitimieren, die Sie selber einmal in ihrer Regierungszeit vor Jahren geschaffen haben. Und das ist uns zu wenig.