Der vorliegende SPD-Antrag zur Schulreform fordert die Beibehaltung bisheriger Schulstrukturen für 64 Schulen. Das zeigt zweierlei. Erstens sieht die SPD an diesen Standorten keinen Entwicklungsbedarf von Schulen und zweitens ist dieser Antrag entgegen den eigenen Ankündigungen der SPD nur gestellt, um die Aufrechterhaltung von solchen Schulstrukturen zu legitimieren, die Sie selber einmal in ihrer Regierungszeit vor Jahren geschaffen haben. Und das ist uns zu wenig.
Und wenn Sie davon sprechen, dass dieses alles so gut sei und dass diese Schulen auch bewiesen hätten, wie leistungsfähig sie sind, dann möchte ich Sie nur daran erinnern, dass dort sicherlich auch gute Schulen dabei sind, aber wir in den Schulleistungsuntersuchungen auch festgestellt haben, dass gerade an diesen Schulen noch ein erheblicher Bedarf an weiterer Entwicklung besteht.
Der vorliegende Antrag stellt keine objektive Bestandsaufnahme und keine zukunftssichere Planung von Schulen dar. Sondern er ist im Endeffekt die Kapitulation vor der eigenen SPD-Basis. Sie fördern mit diesem Antrag den pädagogischen Stillstand und machen es sich auch noch sehr bequem. Nachdem Sie zu Recht auf zwei, drei Schulen in diesem Gebiet verweisen, die ein besonderes Profil entwickelt haben, fordern Sie jetzt die Ausklammerung von weiteren 60 Schulen in der Entwicklung. Diese Schulen sollen Langformschulen bleiben, wie sie es sind, und als Einheit von Grundschule mit Stadtteilschule vorab schon genehmigt werden.
Dabei verkennen Sie, dass die inhaltliche Ausrichtung von Primarschule und anschließender Stadtteilschule zum Beispiel durchaus in enger Kooperation untereinander gewollt ist, dass aber der Primarschule künftig ein besonderer Stellenwert in der pädagogischen Beobachtung und Begleitung der Schülerinnen und Schüler zukommt. Hier trifft es diesmal tatsächlich zu, wenn man Beispiele aus dem Ausland, zum Beispiel aus der Schweiz, bemüht. Und hören Sie zu: Dort sind Primarschulen in einigen Kantonen bewusst eigenständige Systeme, um sie mit sechs Jahrgängen überschaubar zu halten. Sie fordern dagegen eine einzige Leitung und ein einheitliches Kollegium für zwölf oder 13 Jahrgänge. Dabei beachten Sie nicht, dass jetzt schon Mammutschulen nur schwer eine Identifikation der Schülerschaft mit ihren Lehrern und der Schule zulassen.
Ich denke aber auch an die Mitarbeiter und Lernenden, die über zwölf Jahre in der Langform nur einem einzigen Leitungsteam gegenüberstehen. Auch dieses wird von Kritikern insbesondere in Ländern, die damit schon lange Erfahrung haben, in England und in der Schweiz, zunehmend als verbesserungswürdig angesehen. Ich denke, man muss etwas vorsichtig sein bei der Aussage, dass nur jede Langform dann gut ist, wenn sie über zwölf oder 13 Jahre unter einer Leitung besteht.
Lassen Sie mich aber noch auf andere Auffälligkeiten in diesem Antrag hinweisen. In dem Antrag zumindest erwähnen Sie mit keiner Silbe die mehr als 60 Gymnasien. Warum nicht? Mir scheint, Sie können sich noch immer nicht damit abfinden, dass es in Hamburg auch weiterhin gut funktionierende Gymnasien geben wird.
Ich halte fest: Sie haben die Langform für Gymnasien nicht erwähnt und das lässt Spekulationen über Ihre wirkliche Absicht zu.
Für die beiden Mehrheitsfraktionen CDU und GAL ist es wichtig, die nächsten Schritte mit den Beteiligten gemeinsam richtig zu planen. Die regionalen Schulentwicklungskonferenzen sind der Ort, an dem die einzelnen Schulen ihre Vorstellungen des gemeinsamen Lernens mit einbringen. Die Schulbehörde hat diesen Prozess kommunikationsoffen gestaltet. In diesen Konferenzen ist der Ort gegeben, Kooperationen, inhaltliche Schwerpunkte, Übergänge, Personaleinsatzfragen und Ähnliches miteinander abzustimmen, Differenzen festzustellen und gemeinsame pädagogische Ziele für die unterschiedlichen Schulformen zu benennen. Im Frühjahr wird dann nach einem gründlichen Prozess der Mitsprache den Verantwortlichen aufgetragen, eine Art Masterplan für diese Schulen, und zwar mit Beteiligung dieser Schulen, zu entwickeln und die Behörde wird mit den entsprechenden Gremien dann jeden Einzelfall bewerten.
Es wäre fatal, wenn wir hier und heute eine Vorentscheidung treffen müssten oder gar ein Abweichen von der Koalitionsvorlage beschließen sollten. Vertrauen Sie doch bitte dem Sachverstand unserer Schulen vor Ort und vertrauen Sie auch den Möglichkeiten der Kooperation zweier selbstständiger Schulsysteme. Das ist wohldurchdacht und kein Murks. Das ist gelebte Demokratie. Das ist der Weg zur selbstverantworteten Schule.
Sehr geehrte Frau Präsidentin, sehr geehrte Damen und Herren! Es ist schön, wie die SPD jedes Stöckchen, das am Wegesrand liegt, aufnimmt und darauf herumkaut. Allerdings hat der Antrag auch Probleme mit der Logik, die ich gleich ausführen werde. Aber zunächst eins: Ziel unserer gemeinsamen Schulpolitik ist natürlich nicht die Zerschlagung irgendwelcher Schulformen, es ist die Veränderung des Schulsystems in Hamburg.
Wir wissen genau: Die jetzige Schullandschaft produziert schlechte Ergebnisse trotz aller Inseln der Glückseligkeit, die wir in vielen Schulen haben.
Wenn wir allerdings den systematischen Umbau der Schullandschaft betreiben wollen und einen Umbau der Schullandschaft betreiben wollen, der es eben nicht mehr vom Zufall abhängig macht, ob ich zufälligerweise auf einer der guten Schulen lande, die es gibt – und eine der guten Inseln gefunden habe –, dann brauchen wir eine klare Schulstruktur in Hamburg, eine klare Schulstruktur ohne die Gefahr, sich zu verwählen. Das heißt, wir brauchen keine weiteren parallelen Strukturen zu den Gymnasien und den Stadtteilschulen, die eingeführt werden.
Der erste Logikfehler in Ihrem Antrag ist: Wenn wir dem Antrag folgen würden, dann hätten wir nicht eine Reduzierung der Zersplitterung des Schulsystems,
sondern wir hätten eine weitere Zersplitterung. Wir hätten wieder eine dritte Säule zusätzlich im Hamburger Schulsystem.
Wichtig ist eins, das ist auch ganz unbestritten. In den von Ihnen genannten Schulen wird hervorragende Arbeit geleistet. Es ist dort viel mit Engagement und Pioniergeist aufgebaut worden.
Nein, die Arbeit der Schulen wird eben nicht beendet. Es geht lediglich um eine Änderung der organisatorischen Form.
Und all das, was an den Schulen an guten Konzepten entwickelt worden ist, das ist der pädagogische Schatz, den all diese Schulen in die regionalen Schulentwicklungskonferenzen einbringen dürfen und auch sollen. Und es ist wichtig in den re
gionalen Schulentwicklungskonferenzen, dass die Schulen gemeinsam überlegen, wie man in Kooperationen und in veränderten Lernformeln das, was dort entwickelt worden ist, zusammenbringen und für mehr Kinder als diejenigen, die jetzt auf den Schulpreisschulen sind, erschließen kann.
Der Kollege Freistedt hat schon ausgeführt, dass Kooperation und Zusammenarbeit zwischen Schulen natürlich möglich und erwünscht sind. Es steht außer Frage, dass sich an jetzigen Standorten von Gesamtschulen, die als Langform betrieben werden, eine Primarschule und eine Stadtteilschule bilden, die gemeinsam kooperieren, gemeinsame pädagogische Leitbilder entwickeln und zusammen arbeiten. Wenn die pädagogischen Konzepte aus Überzeugung an den Schulen betrieben werden, dann kann doch nicht einfach nur die Frage einer organisatorischen Einheit als Klammer diese Konzepte am Leben erhalten. Wenn man die guten Konzepte wirklich lebt und wenn man davon überzeugt ist, dann funktionieren sie auch in der Kooperation und brauchen keine einheitliche Schulleitung.
Und – auch das ist wichtig – es kommt eben nicht zu einer Zerfaserung, wie Sie suggerieren. Die Kooperation zwischen den Schulen wird auch langfristig gesichert sein, denn es hört natürlich nicht mit den Schulentwicklungskonferenzen und den Vereinbarungen, die dort getroffen werden, auf. Die Schulentwicklungskonferenzen werden weitergeführt als regionale Bildungskonferenzen. Und dort ist der Rahmen gegeben, dass der Dialog zwischen den Schulen aufrecht erhalten wird und dass eben nicht eine Schulleitung auf einmal sagen kann: "Nein, wir machen jetzt etwas ganz anderes." Es ist eben nicht mehr so, dass wir Schulen auf einem gemeinsamen Gelände haben, die nicht miteinander reden, sondern die Kooperation wird fortgeführt.
Der zweite Logikfehler ist: Sie werfen uns gerne vor – mit dem Modell der gymnasialen Langform, die im Koalitionsvertrag steht, also der Möglichkeit, dass es auch auf einem Gelände eines heutigen Gymnasiums eine eigenständige Primarschule gibt, die mit einem Gymnasium kooperiert –, dass das die Schulen sein werden, an der alle Eltern ihre Kinder anmelden möchten. Wenn dieser Vorwurf und die damit verbundene Vermutung, dass die Eltern eben jene gymnasialen Langformen bevorzugt auswählen würden, weil dann sicher sei, dass das Kind auf das Gymnasium kommt, stimmen würde, dann müssten die Eltern geradezu ein Interesse haben, ihre Kinder nicht an einer Stadtteilschule als Langform anzumelden, weil dann aus Ihrer Logik heraus die Gefahr besteht, dass dieses
Kind gar nicht mehr von der Langform-Stadtteilschule herunterkommt. Deswegen ist zur Stärkung der Stadtteilschul-Standorte wichtig, dass es keine organisatorische Einheit zwischen den Primarschulen und den Stadtteilschulen gibt.
Die Stärke der Primarschule wird gerade ihre Unabhängigkeit werden. Diese Unabhängigkeit verdeutlicht nach außen: Unabhängig von der Wahl der Primarschule ist der Wechsel auf jede weitere Schule möglich – auf die Stadtteilschule am Standort, mit der vielleicht kooperiert wird, aber auch auf andere Schulen. Und nebenbei bemerkt: Das ist auch heute schon bei den meisten von Ihnen genannten und hoch gehaltenen Langformen der Fall, dass viele Schüler nach der vierten Klasse eine andere Schule aufsuchen und dass auch Schüler hinzukommen, dass also kein durchgängiges gemeinsames Lernen von Klasse 1 bis 13 oder bis 10 an diesen Schulen stattfindet, sondern natürlich neue Schüler hinzukommen, über die ich auch neues Wissen brauche.
Und diese Sicherheit, dass ich von jeder Primarschule auf jede weitere Stadtteilschule oder jedes Gymnasium wechseln kann, brauchen die Eltern und Schüler. Und diese Sicherheit wird durch die Selbstständigkeit der Primarschule gewährleistet. – Vielen Dank.
Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Wir haben zurzeit in der Stadt 22 Regionalkonferenzen, die bisher alle einmal getagt haben. Sie sollen noch drei- bis viermal tagen und ich gehe davon aus, dass das Ergebnis dieser Regionalkonferenzen offen ist. Es wäre natürlich schön, wenn sie auch öffentlich tagen würden, dann könnte man das noch unterstreichen. Ich unterstelle jetzt einfach einmal, dass die Ergebnisse noch nicht feststehen. Das heißt, es ist überhaupt noch nicht klar, was am Ende herauskommt. Für uns stellt es sich so dar: Es ist noch lange nicht gegessen, ob das Zwei-Säulen-System in Hamburg etabliert wird. Und es ist schon gar nicht gegessen, ob das Zwei-Säulen-System 2010, 2011, 2012 oder vielleicht gar nicht kommt. Deshalb finden wir von der LINKEN, dass der Weg dorthin sehr ungewiss ist und mit sehr vielen Fragezeichen verbunden ist. Es ist von Herrn Rabe auf die Zerstrittenheit in der Koalition zu diesem
Thema hingewiesen worden. Wir finden es unverantwortlich, wenn auf dem Weg dorthin bewährte Schulen zerschlagen werden. Ich glaube, das kann in niemandes Interesse sein.
Das gilt weder für die Gesamtschulen noch gilt es für die ausgezeichneten Schulen. Hamburg kann sich doch glücklich schätzen, dass es solche Schulen hat wie die Gesamtschule Winterhude, wie die Max-Brauer-Schule, wie die Erich-KästnerSchule, wie Schulen, die den Deutschen Schulpreis bekommen haben. Das ist nämlich nicht so ganz ohne. Das heißt, es ist ein pädagogisches Prädikat.
Wir haben in dieser Stadt inner- und außerparlamentarisch schon viele bildungspolitische Debatten geführt und immer wieder gibt es Schlagworte, die von allen bewegt werden. Es geht immer um Vielfalt, gegen Gleichmacherei, um den Elternwillen, es geht um Privatschulen und Ähnliches. Und wenn ich mir jetzt das Konzept anschaue, das die Albert-Schweitzer-Schule hat, die schon über Jahrzehnte eine Langzeitform hat, dann kann ich feststellen, dass all die Vokabeln, die in der letzten Zeit in der Diskussion bewegt worden sind, dort schon vorhanden sind, nämlich eine individuelle Förderung des Einzelnen, fächerübergreifender Unterricht – immer wieder von der Senatorin hoch gelobt, auch von der LINKEN –, kein Sitzenbleiben – inzwischen pädagogisch total anerkannt –, Englisch ab der ersten Klasse, obligatorisches Erlernen von zwei Instrumenten, intensive Förderung der Sozialkompetenz und möglicher Übergang in die achte Klasse des Gymnasiums.
Deshalb appellieren wir auch dafür, dass diese Schulformen nicht abgeschafft werden. Wir unterstützen den SPD-Antrag grundsätzlich, wir würden es allerdings begrüßen, wenn wir über diesen Antrag noch einmal im Schulausschuss diskutieren könnten, weil es durchaus sein kann, dass vielleicht nicht alle 64 Schulen davon ausgenommen werden sollten. Aber wir sollten darüber diskutieren, welche Möglichkeiten wir haben, diese Schulformen zu erhalten. Wir können sie nicht einfach wie Porzellan zerschlagen. Es ist schon sehr viel schulpolitisches Porzellan zerschlagen worden in dieser Stadt und auch in diesem Land. Damit müssen wir ganz behutsam umgehen und deshalb beantragt DIE LINKE, dass wir diesen Antrag an den Schulausschuss überweisen und noch einmal intensiv diskutieren. Es ist immer davon gesprochen worden, dass alle mitgenommen werden müssten und es im Konsens sein müsste. An diesem Punkt sind alle gefordert, sich noch einmal Gedanken zu machen, inwieweit man bestimmte Schulen aus diesem Konzept herausnehmen könnte, weil eben alles offen ist.