Protokoll der Sitzung vom 19.11.2008

(Frank Schira)

Wenn Herr von Beust jetzt endlich diesen Kurs korrigiert, dann ist das richtig. Ich vermute nämlich, dass es gar nicht um faule Kredite der Vergangenheit geht, über die Sie immer reden. Ich befürchte, dass es um aktive riskante Geschäfte geht, die in der laufenden Finanzmarktkrise noch gemacht wurden. Deshalb: Legen Sie die Fakten auf den Tisch, sagen Sie uns, welche Fehler zu welchem Zeitpunkt gemacht wurden und was Sie im Aufsichtsrat unternommen haben, um die Interessen Hamburgs zu wahren.

(Beifall bei der SPD und der LINKEN)

Das Wort bekommt Herr Kerstan.

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Die Öffentlichkeit steht teilweise fassungslos vor einer Finanzkrise, verursacht von Managern, Banken, Hedgefondsmanagern, die mittlerweile nicht nur eine Finanzkrise ist, sondern auch eine schwere Wirtschaftskrise auszulösen droht, die die Konjunktur und auch die Arbeitsplätze in den Abgrund zu reißen droht.

Banken stehen vor der Pleite, andere Banken beantragen Garantiesummen vom Staat. Die Summen scheinen keine Grenzen zu kennen und mittendrin steht Hamburg mit seiner 30-prozentigen Beteiligung an der HSH Nordbank. Zu Recht wird die Frage nach der Verantwortung des Vorstands und des Aufsichtsrats gestellt und welche Auswirkungen das Ganze auf den Hamburger Haushalt haben werde. Wenn man sich aber die Argumentation anhört, dann kann man sich des Eindrucks nicht ganz erwehren, dass es hier nicht nur um die Sorge der Wirtschaft und die Arbeitsplätze geht und was dies für Hamburg bedeutet, sondern dass eine parteipolitische Instrumentalisierung als kleiner Nebeneffekt ganz willkommen ist.

(Ingo Egloff SPD: Das haben Sie ja nie ge- macht!)

Teilweise werden auch Sachen verglichen und vermengt, die eigentlich miteinander nichts zu tun haben, und das alles in einer Situation, in der eine große Vertrauenskrise in der Wirtschaft, in der Bevölkerung herrscht, in der Investitionen aus Unsicherheit und Angst zurückgehalten werden und die Bevölkerung aus Angst vor dem, was da kommt, spart. Wenn wir diese Debatte hier führen, muss man sich bei seinen Ausführungen auch die Frage stellen, wie diese Argumentation, die Sie hier gebracht haben, auf die Bevölkerung wirkt, denn eines ist doch klar: Wenn es nicht gelingt, diese Vertrauenskrise zu überwinden, dann werden wir einen schweren wirtschaftlichen Absturz erleiden, der wenig Gewinner, sondern fast nur Verlierer kennen wird, ganz unabhängig davon, wer heute meint, in dieser politischen Debatte punkten zu müssen oder auch nicht.

Ich möchte einmal versuchen, ein paar sachliche Argumente zu bringen, denn Herr Bischoff hat zumindest im Gegensatz zur SPD versucht, ein paar Fragen zu stellen.

(Ingo Egloff SPD: Die Fragen haben wir schon im Ausschuss gestellt und die sind auch nicht beantwortet worden!)

Ist es bei der HSH Nordbank das Gleiche wie bei der Sachsen LB, die eigentlich schon im August letzten Jahres vor dem Ruin stand? Wenn man sich die Zahlen anguckt, dann muss man sagen, nachdem, was wir heute wissen, ist das eindeutig nicht der Fall, denn die HSH Nordbank ist nicht eine Bank, die ein Vielfaches ihres Eigenkapitals durch riskante Geschäfte verloren hat. Sie hat ohne Zweifel höhere Abschreibungen, als ich selber, auch nach Informationen des Vorstandsvorsitzenden, erwartet hätte. Aber nichtsdestotrotz belaufen sich die Verluste auf ungefähr 300 Millionen Euro. Angesichts eines Eigenkapitals von 8 Milliarden Euro ist das zwar ein schwerer Schlag für die Bank, aber mit Sicherheit nichts, was diese Bank im Moment an den Rand des Ruins bringt.

Die Frage ist in der Tat richtig, Herr Bischoff, warum diese Bank diese Verbriefungsinstrumente genutzt hat. Die Argumente waren ganz plausibel. Die drei Hauptgeschäftsfelder der Bank sind sehr konjunkturabhängig: Schiffsfinanzierung, Flugzeugfinanzierung, Mittelstandsbank, alles Sachen, die in einer Wirtschaftskrise in den Keller gehen. Und dann hat dieser Vorstand geglaubt, mit diesen Verbriefungssachen einen vierten Zweig aufzubauen, der in einer Wirtschaftskrise stabilisieren soll. Das war das Argument, warum diese Finanzinnovationen eingeführt wurden. Wie wir heute wissen, haben diese Instrumente nicht das gebracht, was sie bringen sollten, sie haben nicht die Krise stabilisiert, sondern die Krise verschärft.

Dass der Vorstand das nicht erkannt hat, kann man ihm nicht vorwerfen,

(Ingo Egloff SPD: Warum ist er nicht zurück- getreten?)

dann müsste man den Großteil aller Aktiven in der Finanzwirtschaft jetzt in den Zwangsruhestand schicken inklusive der Aufsichtsräte. Aber was man diesem Vorstand vorwerfen kann, ist, dass er zu einem Zeitpunkt, als deutlich wurde, dass seine Bank in Schwierigkeiten gerät, unbeirrt an seinen Aussagen festgehalten hat und dann hat der Aufsichtsrat ab einem bestimmten Punkt reagiert.

Die SPD hat gefragt, ob er denn nicht zu spät reagiert habe. Diese Frage stellen sich zum Beispiel die Grünen in Schleswig-Holstein auch, sie haben einen Untersuchungsausschuss beantragt. Sie hatten uns in der Ausschusssitzung gefragt, warum denn die Grünen in Hamburg ihren Parteikollegen nicht folgen würden. Das kann ich Ihnen ganz einfach sagen: Die Grünen haben das begründet, in

(Dr. Peter Tschentscher)

dem sie gesagt haben, wir möchten gerne herausfinden, ob unser Minister im Aufsichtsrat noch bedingungslos zu diesem Vorstand zu einem Zeitpunkt gestanden hat, als die Mitglieder des Hamburger Anteilseigners im Aufsichtsrat schon sehr kritisch waren und die Abberufung verlangt hatten. Das erklärt im Moment ein bisschen, warum wir Grünen in Hamburg anders agieren als in Schleswig-Holstein.

(Zuruf von der SPD: Das glauben Sie doch selber nicht! – Wolfgang Rose SPD: Oh Mann!)

Ob dem Aufsichtsrat nichts weiter vorzuwerfen sein wird, können wir im Moment alle noch nicht beurteilen. Wir müssen das KPMG-Gutachten abwarten, das der Aufsichtsrat in Auftrag gegeben hat, dann wissen wir Genaueres. Zum jetzigen Zeitpunkt ist Ihre Kritik im Wesentlichen parteitaktisch begründet und nicht so sehr in der Sorge darum, was mit dem Haushalt passiert, denn danach haben Sie heute gar nicht gefragt. – Vielen Dank.

(Beifall bei der GAL und der CDU)

Das Wort bekommt Senator Dr. Freytag.

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Wir stehen vor der größten Weltwirtschaftskrise seit Ende der Zwanzigerjahre des vorigen Jahrhunderts. Ich habe den Eindruck, dass manche Kollegen das noch nicht richtig erfasst haben. Es geht nicht um eine Hamburgensie oder eine Lokalposse und es geht nicht um lokale Politiker, sondern es geht um die Zukunft des Wirtschaftsstandorts Deutschland; dem sind Sie nicht gerecht geworden.

(Beifall bei der CDU und bei Christiane Blö- meke GAL)

Es ist nicht der Zeitpunkt, kleinkarierte Sündenbockspielereien vorzuführen,

(Wilfried Buss SPD: Ach, mit einmal!)

sondern wir müssen gemeinsam die Krise beherrschen und bekämpfen und nicht uns selber. Was Sie machen, ist Selbstzerfleischung und nicht aktives Bekämpfen einer Krise, die wir gemeinsam bewältigen müssen.

(Beifall bei der CDU und der GAL)

Meine Damen und Herren! Ich warne zunächst einmal die SPD vor ihrer unerschütterlichen Selbstgerechtigkeit. Sie sind nicht außen vor, sondern Sie sind mit an Bord. Wenn Sie Aufsichtsräte von Landesbanken oder von staatlichen Banken angreifen, dann sind Sie mittendrin im Geschehen. Ich will jetzt nicht über andere Banken sprechen, aber wenn Sie diesen Senat angreifen, dann greifen Sie auch Ihre Ministerkollegen aus Schleswig-Holstein

an, dann greifen Sie insbesondere Herrn Stegner an, den SPD-Landesvorsitzenden von SchleswigHolstein, der fünf Jahre lang bis dieses Jahr Aufsichtsratsmitglied der HSH Nordbank gewesen ist, der sogar als Finanzminister im Aufsichtsrat gewesen ist. Wenn Sie mir diese Fragen stellen, dann stellen Sie sie ihm auch,

(Michael Neumann SPD: Haben wir schon, haben wir schon!)

aber seien Sie ehrlich und machen hier keine Parteipolitik.

(Beifall bei der CDU und der GAL)

Die bundeseigene Staatsbank KfW hat gerade ihren höchsten Quartalsverlust ihrer Geschichte per 30. September vorgelegt: 1,8 Milliarden Euro Verlust. In der Leitung des Aufsichtsrats sitzt Bundesfinanzminister Steinbrück. Sie haben eben auch Herrn Steinbrück angegriffen, Herr Tschentscher, nun seien Sie mal so fair und verteilen Ihre Vorwürfe in alle Richtungen, aber nicht nur in Richtung der HSH Nordbank.

(Beifall bei der CDU und der GAL)

Die Selbstgerechtigkeit, Herr Bischoff, erfasst auch die Fraktion der LINKEN, denn wer sitzt im Kontrollorgan, dem Aufsichtsrat der KfW? Dort sitzt Oskar Lafontaine, der Vorsitzende der LINKEN. Den müssen Sie sich dann auch einmal vorknüpfen mit den Maßstäben, die Sie eben angelegt haben.

(Ingo Egloff SPD: Sagen Sie mal was zu Ih- rer Rolle!)

Meine Damen und Herren und insbesondere Herr Bischoff, Sie haben eben gesagt, ich sei an allem schuld, ich sei an der Finanzmarktkrise schuld, an den Finanzmarktprodukten, ich sei an all diesen Krisenszenarien schuld. Herr Bischoff, Sie überschätzen mich.

(Norbert Hackbusch DIE LINKE: Kein Pro- blem!)

Ich gestalte zwar gerne Politik, aber für die Misere der Finanzmarktkrise sind mit Sicherheit nicht Politiker und auch nicht Banker in der Bundesrepublik Deutschland allein verantwortlich, sondern das ist ein internationaler Flächenbrand, der die Ursachen in den Vereinigten Staaten hat und uns jetzt alle in einer Wucht erfasst, wie wir es nicht wissen konnten. Ich wundere mich, dass Sie hellseherische Fähigkeiten einfordern, nicht nur von meiner Person. Sie müssten das ja von allen Wirtschaftsvertretern, von der Bundesbank, von der Bankenaufsicht einfordern.

Herr Bischoff und Herr Tschentscher, wer ist in den Aufsichtsräten? Gucken wir uns einmal den Aufsichtsrat der HSH Nordbank an.

(Jens Kerstan)

(Michael Neumann SPD: Sagen Sie doch mal was zur Sache!)

20 Mitglieder sind im Aufsichtsrat. Davon sind drei aktive Politiker: ein SPD-Minister, ein CDU-Minister und ein CDU-Senator. Unter den 17 anderen Aufsichtsratsmitgliedern sind Topleute aus der Wirtschaft, Eigentümer von international erfolgreichen Unternehmen. Bei den Tagungen des Aufsichtsrats sind die Bankenaufsicht, die BaFin, und die Bundesbank dabei. Die sind alle mit im Boot und kennen die Vorstandsvorlagen und haben genau wie wir nur das kommunizieren können, was man schlichtweg weiß.

(Michael Neumann SPD: Sind die auch im Risikoausschuss?)

Wir können nicht mehr wissen als Bankenaufsicht, Bundesbank und Wirtschaftsprüfer, wir sind keine Hellseher. Deshalb ist Ihr Vorwurf, hier sei ein Tatbestand der Vernachlässigung der Aufsichtspflichten gegeben, schlichtweg falsch. Sie greifen nicht nur die Politik an, Sie greifen auch die Bankenaufsicht an und das können Sie so nicht machen.

(Beifall bei der CDU und vereinzelt bei der GAL)

Meine Damen und Herren! Es ist nichts verschwiegen und auch nichts beschönigt worden. Ich stelle fest, dass die HSH Nordbank eine Geschäftsbank im internationalen Wettbewerb ist. Sie ist keine Behörde und unsere Aufgabe ist die Stärkung dieser Bank. Es gibt nach wie vor auch in der Krise die Stärken dieser Bank. Nicht zu verschweigen, sondern deutlich zu machen ist, dass gute Arbeit in den Bereichen Schiffsfinanzierung, Firmenkunden

(Michael Neumann SPD: Wir reden über Ih- re Tätigkeit im Aufsichtsrat!)

und Immobilienfinanzierung geleistet wird. Die HSH Nordbank macht in diesem operativen Geschäft per 30. September 2008 hohe dreistellige Millionengewinne. Sie schreibt hier schwarze Zahlen; das muss man auch einmal würdigen.

(Beifall bei der CDU und der GAL)