Protokoll der Sitzung vom 19.11.2008

Es geht darum – das habe ich Ihnen schon mehrmals im Ausschuss gesagt –, Vertrauen in diese Prozesse zu bekommen und das bekommen wir nur, wenn wir ganz offen damit umgehen. Das heißt, es muss, wie Herr von Beust heute im "Hamburger Abendblatt" gesagt hat, offen ausgesprochen werden, dass es nicht nur um Goodbank oder Badbank geht, sondern wir in einem traditionellen, für Hamburg sehr wichtigen Geschäftsfeld eine katastrophale Situation haben und diese Situation nicht ohne Weiteres geheilt wird, wenn wir einen Schirm von 30 Milliarden Euro bekommen.

Der andere Punkt, wo die 2 bis 4 Milliarden Euro Eigenkapital herkommen sollen, von dem wir nur einen Teil tragen sollen, ist auch nicht geklärt. Darüber, was das alles für die Finanzen und den Haushalt Hamburgs zur Folge hat, wollen wir anschließend diskutieren. Aber es muss doch möglich sein, dass der Finanzsenator Klartext redet und nicht immer nur Schönfärberei betreibt.

(Beifall bei der LINKEN und der SPD)

Das Wort bekommt Herr Kruse.

Frau Präsidentin, meine sehr geehrten Damen und Herren! Sie haben Transparenz und Klarheit gefordert; dann sollte man einmal schauen, was der Finanzsenator gemacht hat.

Es waren am 30. November Quartalszahlen für das dritte Quartal vorzulegen. Es hat durchaus Tradition, dass man schlechte Ergebnisse erst am späten Abend des 30. November vorlegt. Wann hat er sie uns berichtet? Am 18. September. Das ist Transparenz, das ist Klarheit. Er hat dies getan, obwohl er wusste, dass er dafür bestimmt keinen Applaus ernten würde. Er hat in dem Moment, wo bei dieser Bank ganz klar der Wendepunkt erreicht

(Senator Dr. Michael Freytag)

war, als diese bedrohliche Situation entstanden ist, uns informiert, das Parlament und die Öffentlichkeit. Da können Sie sich nicht beschweren. Ich persönlich habe diese Finanzkrise nicht kommen sehen.

(Norbert Hackbusch DIE LINKE: Das ist schlecht! – Zuruf von der SPD: Das glauben wir Ihnen!)

Ich weiß, dass Sie mir das glauben. Ich kenne auch niemanden, der Sie hätte kommen sehen. Es ist schwierig, Krisen vorherzusehen. Es ist wesentlich leichter, sie zu beschreiben.

(Michael Neumann SPD: Bei diesem Senat sind sie vorherzusehen!)

Herr Tschentscher, Sie haben es richtig verortet. Sie haben rückblickend gesagt, der Beginn sei der Zusammenbruch der Sachsen LB gewesen. Richtig. Aber haben wir alle – oder auch nur Sie – zu Beginn, damals im Sommer 2007, gesehen, wohin es läuft? Haben Sie gesehen, dass die Amerikaner eine der größten Banken der Welt, Lehman Brothers, Pleite gehen lassen würden? Wenn Sie das vorhergesehen hätten, hätten Sie entweder die Welt retten oder sich selbst sehr reich machen können.

Nichts davon haben wir gekonnt. In der Beschreibung der Krise sind wir uns, glaube ich, alle einig. Man muss sehen, dass eine Krise, die eine komplette Branche trifft, nicht an der HSH Nordbank vorbeigehen wird, egal, wie man sie aufstellen würde.

(Beifall bei der CDU und der GAL)

Andere Landesbanken suchen jetzt verzweifelt ein Geschäftsmodell. Wir hatten bereits die ganze Zeit eins, und zwar ein sehr gutes. Wir waren immer zu Recht sehr stolz auf den Bereich Schiffsfinanzierung, weil es eine kluge Positionierung dieser Bank war, die in Verbindung mit Norddeutschland große Sicherheit brachte, und wo es sinnvoll war, sich zum Wohl der Region in internationalen Geschäften zu betätigen. Eine derart globale Krise trifft jedoch auch diesen Sektor, also bekommen wir auch dort Probleme bei unserer Bank. Das ist nicht hausgemacht, sondern ins Haus gebracht.

(Beifall bei der CDU und bei Jens Kerstan GAL)

Der richtige Weg ist jetzt, so wie der Bürgermeister und der Finanzsenator es tun, auf der einen Seite ruhig und souverän die Sachlage zu beschreiben, gemeinsam mit jedem, der lösungswillig ist, eine Lösung zu suchen, und sich auf der anderen Seite kämpferisch für diese Bank und diesen Haushalt zu positionieren. – Danke.

(Beifall bei der CDU und der GAL)

Das Wort bekommt Herr Tschentscher.

Frau Präsidentin, sehr geehrte Damen und Herren! Herr Bischoff, die Aktuelle Stunde zeigt, wie schwer es ist und wie schwer es auch im Ausschuss war, mit diesem Senat zu einer fachliche Diskussion zu kommen, die nicht von Schönrederei geprägt ist, sondern die wirklich auf die Probleme eingeht, die in dieser Finanzmarktkrise bestehen. Herr Schira und Herr von Beust traten heute Morgen so auf, als ob es endlich zu einer fachlichen Diskussion komme. Dann ist Herr Freytag hier, schwingt die große Keule und kommt mit Parteitaktik. Ich will Ihnen eins sagen, Herr Freytag: Wir haben Sie aufgefordert, sich konstruktiv am Programm der Bundesregierung zu beteiligen. Das haben Sie getan, dabei haben wir Sie unterstützt und das war richtig. Jetzt sprechen Sie von "kleinkariert" und "selbstgerecht". Ich sage Ihnen klar: Sie haben kein Patentrezept für die Finanzmarktkrise und wir haben auch keins. Aber über eins sind wir uns alle einig gewesen: Die entscheidende Grundlage für einen Weg aus der Krise ist Vertrauen, und zwar im Interesse der Banken, der Mitarbeiter der Banken, im Interesse der Wirtschaft, der Betriebe und der Menschen, die von ihr abhängig sind. Die wichtigste Voraussetzung für Vertrauen ist Transparenz. Da setzt unsere Kritik an. Sie haben hier alle Welt kritisiert: Steinbrück, Lafontaine, nur der Papst ist davongekommen.

(Heiterkeit bei der LINKEN)

Unsere Kritik richtet sich gegen diese Informationspolitik. Herr Kruse, wir haben im Ausschuss nichts an offiziellen Informationen bekommen. Wir haben die Informationen immer in der Zeitung gelesen und haben uns dann gewundert, wie das zum letzten Ausschussbericht passt. Unsere Fragen wurden systematisch ignoriert. Das muss ein Ende haben.

(Beifall bei der SPD und der LINKEN)

Dann haben Sie in Pressekonferenzen gesagt, der Opposition werde die Kritik im Halse stecken bleiben, und haben nebulöse Andeutungen über frühere Geschäfte gemacht. Die Berichte des Vorstands waren andere. Da ist nie davon gesprochen worden, dass das alles auf frühere Zeiten zurückzuführen sei. Da wurde ganz klar gesagt, dass es jetzt Wertkorrekturen gebe. Vielen Dank, dass Sie zum ersten Mal Sozialdemokraten in Schutz nehmen wollen, Herr Freytag. Das kennen wir von Ihnen gar nicht. Aber wenn es faule Kredite in der Vergangenheit gibt, fordern wir Sie auf, diese auf den Tisch zu legen. Nennen Sie Ross und Reiter und arbeiten Sie nicht mit nebulösen Drohungen. Wir werden uns davon nicht abschrecken lassen. Wir werden uns unsere Fragen nicht verkneifen. Wir fordern Aufklärung ohne Ansehen der beteilig

(Rüdiger Kruse)

ten Personen und ohne Ansehen der Parteizugehörigkeit.

(Beifall bei der SPD)

Es geht uns auch um die Frage, was gemacht worden ist, seit die Finanzmarktkrise allen klar war. Ich habe gerade vor der Sitzung aus einer Antwort Ihrer Behörde auf eine Schriftliche Kleine Anfrage erfahren, dass zum Beispiel noch Mitte September Geschäfte mit den isländischen Banken getätigt wurden. Wir reden hier nicht über einen Vergangenheit von vor zehn Jahren. Wir reden über das, was jetzt unter Ihrer Aufsicht bei dieser Bank passiert ist.

Ich habe mir das Vergnügen gemacht, etwas anderes herauszusuchen. Da immer gesagt wird, das sei bei allen Banken gleich und die Zeiten seien eben schwierig, habe ich einmal herausgesucht, was die Bremische Bürgerschaft von ihrem Senat berichtet bekommen hat. Ich lese einmal kurz vor:

"Die Bremer Landesbank hat derzeit keinen Bedarf an Kapitalmaßnahmen. Sowohl das Eigenkapital als auch die Liquidität sind gesichert. Der Senat geht davon aus, dass die Bremer Landesbank ihren vertraglichen Verpflichtungen auf Verzinsung stiller Einlagen …"

das hätten wir auch gern –

"… unverändert nachkommen wird. Weiterhin geht der Senat davon aus, dass die im Haushalt 2009 veranschlagte Dividende von 20 Prozent auf das Stammkapital nachhaltig erbracht werden kann."

Ich gebe zu, die Bremer Landesbank ist kleiner als die HSH Nordbank. Aber mir ist eine kleine Bank mit kleinen Gewinnen lieber als eine große Bank mit großen Verlusten.

(Beifall bei der SPD und der LINKEN)

Das Wort bekommt Senator Freytag.

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Ich denke, wir sind immer noch nicht beim Kern des Problems angelangt.

(Michael Neumann SPD: Ja, das stimmt, der steht da vorn!)

Es geht nicht um eine Politinszenierung, die Sie gern in Bezug auf bestimmte Personen durchführen wollen. Es geht darum, wie wir einen sehr wertvollen Vermögensgegenstand der Hansestadt Hamburg und anderer in schwerer See wieder in Fahrt bekommen. Das werden wir nicht damit bewerkstelligen, indem wir versuchen, einseitig Schuld zuzuweisen, und uns in Heldentum nach Ladenschluss zu ergießen. Wenn Sie so schlau

gewesen sind, wie Sie jetzt vorgeben, Herr Tschentscher, dann hätten Sie auch alle anderen Banken, die jetzt Schwierigkeiten haben, und alle anderen Landesbanken warnen können. Natürlich, Herr Bischoff, gibt es jetzt in der Schifffahrtsfinanzierung Schwierigkeiten. Das habe ich nicht bestritten.

(Dr. Joachim Bischoff DIE LINKE: Doch!)

Aber was ist denn die Konsequenz? Was soll ich denn dazu sagen? Hätte das, um Ihre Argumentation aufzugreifen, bedeutet, dass wir Mitte August 2007, wo Sie die Finanzmarktkrise begonnen sehen, hätten beschließen sollen, dass keine Schiffsfinanzierungen mehr getätigt werden dürfen? Soll das die Konsequenz sein? Nein. Die Schiffsfinanzierungen sind eines der Hauptgeschäftsfelder der HSH Nordbank. Natürlich sind diese jetzt ein zusätzliches Risiko. Das ist völlig unbestritten. Nur, bis 30. September 2008 sind die Zahlen in diesem Bereich hervorragend. Bis dahin sind im Bereich Firmenkunden dreistellige Millionenerträge erbracht worden, genauso im Bereich Immobilienwirtschaft. Ich kann doch nicht verschweigen, Herr Bischoff, was die Bank gut macht. Die Bank ist keine Behörde, kein Amt, sondern sie steht im internationalen Wettbewerb. Ich muss nennen dürfen, was die Bank positiv ausmacht, was Kunden brauchen und wollen. Sonst vertreiben Sie die Kunden. Wenn der Eigentümer abrät, ein Konto bei seiner eigenen Bank zu eröffnen, ist dass der Anfang vom Ende. Gleichzeitig gibt es keinen Moment, wo wir auch die aufziehenden Risiken durch die Abschreibungen in irgendeiner Weise verschwiegen hätten. Wir haben sie exakt kommuniziert. Sie sind dieses Jahr Quartal um Quartal deutlich gestiegen. Das ist so, nicht nur bei der HSH Nordbank. Das ist in anderen Banken auch so. Sehen Sie sich die Quartals- und Jahresverluste anderer großer Banken an. Sehen Sie sich die Dresdner Bank an: Diese hat über zwei Milliarden Euro Verluste, die höchsten Verluste, die Sie jemals hatte. Das ist keine Hamburgensie. Viele sind Opfer dieser Finanzmarktkrise, weil Dinge sich jetzt Quartal für Quartal immer mehr realisiert haben, nicht weil etwas verschwiegen oder schön geredet worden wäre, sondern weil die aktuellen Bewertungen so sind, wie sie sind. Island ist auf einmal zahlungsunfähig – hätten Sie uns das vorher gesagt, Herr Bischoff oder Herr Tschentscher, hätten Sie uns angerufen! Dann hätte ich sofort im Aufsichtsrat gesagt: Herr Tschentscher hat Informationen, dass Island Pleite geht – keine Geschäfte mehr machen!

(Beifall bei der CDU und vereinzelt bei der GAL)

Machen Sie das künftig so. Damit habe ich kein Problem.

Es bringt nichts, wenn wir uns in parteipolitischen Scharmützeln gegenseitig Knüppel zwischen die

(Dr. Peter Tschentscher)

Beine werfen. Das bringt überhaupt nichts. Ich habe übrigens Herrn Steinbrück nicht angegriffen. Da haben Sie nicht richtig zugehört: Ich habe Sie angegriffen. Indem Sie Politiker in Aufsichtsräten angreifen, nur weil sie diese Funktion innehaben, greifen Sie auch Ihre SPD-Kollegen an. Mein Vorwurf ging nicht gegen Herrn Stegner oder Herrn Steinbrück. Nicht einmal gegen Herrn Lafontaine habe ich in diesem Zusammenhang etwas, und das fällt mir schon schwer zu sagen.

(Heiterkeit bei der CDU)

Ihre Selbstgerechtigkeit ist einfach unerträglich,

(Ingo Egloff SPD: Der einzige, der hier uner- träglich ist, sind Sie!)

denn wenn Sie es ehrlich meinen würden, würden Sie sachlich argumentieren, wie wir die Krise meistern könnten.

Wir werden auf Bundesebene sehr hart zu verhandeln haben, denn die Situation ist ernst und wir brauchen den Garantieschirm. Die Liquidität der Banken ist extrem schlecht. Es ist wie bei einem Auto, das kein Benzin hat: Die Banken brauchen schnell wieder Geld. Deshalb ist Hilfe nur dann gut, wenn sie schnell kommt.