Protokoll der Sitzung vom 21.01.2009

(Erste Vizepräsidentin Barbara Duden über- nimmt den Vorsitz.)

mit dem diese Verschiebung schon geplant war, gar keiner war, sondern dass der erst im Laufe der Zeit entstanden ist und damit die Mär, die uns immer erzählt wird, dass alles von vornherein geplant gewesen sei, dummes Zeug ist. Tatsächlich bleibt es dabei, dass die Eltern diese Reform nicht wollen. Die Drittklässlereltern sorgen sich sosehr, dass der Regierung gar nichts anderes übrig blieb als nachzugeben und die ganze Sache zu verschieben. An dieser Tatsache wird schon deutlich, dass Sie für Ihre abenteuerlichen Pläne bei den Eltern, die davon betroffen sind, überhaupt keine Mehrheit haben.

(Beifall bei der SPD – Viviane Spethmann CDU: Das ist dann nicht die Masse der El- tern!)

Sie sagen immer, dass Sie den Risikoschülern, wie wir sie im schrecklichen Politikerdeutsch nennen, helfen. Sie wollen das und es treibt Sie auch um, dass so viele Schüler den Abschluss nicht schaffen, aber Sie tun nichts. Was haben die Schülerinnen und Schüler, um die es im Moment geht, davon, dass sich jetzt viele Menschen hinsetzen und darüber nachdenken, in welche Häuser wie viele Schülerklassen untergebracht werden können, dass man plant und Statistiken wälzt und dass ich allein solch einen Stapel Papier mit mir herumschleppe, wo sich überall welche Schulen befinden? Natürlich gehört langfristige Planung dazu. Aber diese langfristige Planung darf nicht die kurzfristig notwendigen und auf jeden Fall möglichen Schritte blockieren und genau das tut Ihre Planung zurzeit an allen Ecken und Enden.

(Beifall bei der SPD)

Sie sagen immer, es gebe keine Alternative dazu. Wieso das denn nicht? In der letzten Legislaturperiode haben alle Parteien in diesem Hause zusammen in der Enquete-Kommission darüber nachgedacht, wie man den Risikoschülern helfen könnte. Es wurden Konzepte erarbeitet, Frau Goetsch war mit dabei, die SPD war mit dabei, die CDU, es waren Wissenschaftler dabei und die haben zusammen sehr wohl eine Menge zusammengetragen. Das sind zwei Punkte.

Erstens: Wir lösen die Haupt- und Realschulen auf und verbinden sie mit den Gesamtschulen zu einer vernünftigen und kraftvollen neuen Schulform der Stadtteilschule. Das hilft.

(Egbert von Frankenberg)

Zweitens: Wir schaffen eine Art Programm für Chancengleichheit, mit dem wir endlich all das tun, was dringend nötig ist, um den Schülerinnen und Schülern zu helfen, die schwere Startbedingungen haben und die meistens bei uns im Schulsystem durchfallen. Das kann man machen, das ist erprobt, das ist durchdacht gewesen, das lag alles vor, es hätte nur umgesetzt werden müssen, wenn man nicht wieder nach dem Motto "neue Regierung, eine neue Sau wird durchs Dorf getrieben" vorgegangen wäre und alles in die Schublade gelegt hätte. Insofern gibt es eine klare Alternative und die heißt: Jetzt etwas tun für mehr Chancengleichheit.

(Beifall bei der SPD)

Zum guten Schluss. Mich hat der Vergleich mit Hessen sehr erheitert. Ich habe das nicht verstanden. Wenn ich das richtig deute, dann wollen Sie uns damit deutlich machen, wie sich Frau Ypsilanti in Hessen verhalten hat, so verhält sich die CDU in Hamburg.

(Zurufe von der CDU: Oh, oh!)

Das finde ich sehr spannend und dafür werden Sie noch die Quittung bekommen. Ihre Wahlversprechen sind wirklich sagenhaft. Diese Gymnasialretterei, dieses Elternwahlrecht – Gelaber muss man heute wirklich sagen.

(Wolfgang Beuß CDU: Das ist unparlamen- tarisch!)

All diese Dinge haben sich als Luftblasen entpuppt. Deswegen sage ich noch einmal: Die CDU hat sich in Wahrheit aus der Bildungspolitik verabschiedet. Wer wissen will, was die sagen, fragt besser die dort drüben, die wissen es besser. – Vielen Dank.

(Beifall bei der SPD)

Das Wort bekommt Herr Heinemann.

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Herr Rabe, es ist kein Geheimnis und Sie wissen, dass ich das Ergebnis der Enquete-Kommission gerne 1 : 1 umgesetzt hätte. Nur, Ihr Lob an dieser Stelle zum Ergebnis der Enquete-Kommission ist wirklich mehr als scheinheilig.

(Beifall bei der CDU und bei Horst Becker GAL)

Erinnern wir uns einmal gemeinsam daran, dass wir 2005 das Angebot gemacht haben, zu einem Bildungsfrieden zu kommen und uns zusammenzusetzen. Es war Ihre Fraktion, die es abgelehnt hat, bei solchen Gesprächen überhaupt mitzumachen,

(Wolfgang Beuß CDU: Hört, hört!)

anders als gerade in Bremen. In Bremen hat man es geschafft.

Ihre Fraktion hat an den Gesprächen, zu denen Frau Dinges-Dierig eingeladen hat, nicht teilgenommen. Das ist doch die Wahrheit.

Stattdessen haben wir gemeinsam die EnqueteKommission durchgeführt. In der Enquete-Kommission – Frau Ernst ist das zu verdanken – hat die SPD eine sinnvolle Position gefunden und dem gemeinsamen Ergebnis zugestimmt. Dann haben wir hinterher versucht, das Ergebnis der EnqueteKommission auch in der Bürgerschaft zu verabschieden,

(Michael Neumann SPD: Das wissen Sie doch genau! Sie hatten einen Vorspann ge- bracht, der unmöglich war!)

weil die Enquete-Kommission – und darauf weist Frau Boeddinghaus immer hin – natürlich kein Beschlussorgan in dieser Stadt ist. Wir haben daher versucht, das Ergebnis der Enquete-Kommission auch im Parlament zu verabschieden. Was hat die SPD gemacht? – Die hat sich enthalten. Sie konnten sich als Fraktion – ich weiß noch, wie sauer damals Herr Neumann auf seine eigene Fraktion war – nicht dazu durchringen, diesem Antrag, dem Zwei-Säulen-Modell, zuzustimmen.

(Beifall bei der CDU)

Wir haben das Ganze dann noch einmal probiert und haben Ende 2007 vor der Wahl gesagt: Stimmen Sie einer gemeinsamen Resolution für ein neues Schulsystem in Hamburg zu, damit Hamburgs Eltern, Hamburgs Schülerinnen und Schüler, Hamburgs Lehrerinnen und Lehrer wissen, woran sie sind, was wir gemeinsam nach der Wahl umsetzen wollen. Auch dazu haben Sie sich wiederum nicht durchringen können. Die SPD hat in der Bürgerschaft – Frau Boeddinghaus hat das auch wieder in Interviews bestätigt – also nie für das Zwei-Säulen-Modell gestimmt. Heute ist das plötzlich Ihre Alternative. Dabei haben Sie auf dem SPD-Bundesparteitag – und da waren Ihre Leute genauso dabei – doch für die "Schule für alle" abgestimmt. Sie haben das auch entsprechend in Ihr Wahlprogramm hineingeschrieben. Ihr Kandidat hat sich für die "Schule für alle" ausgesprochen. Das ist doch das Programm, mit dem die SPD in den Wahlkampf eingetreten ist. Wir haben heute also, wenn man nach den Wahlprogrammen geht, eine klare Mehrheit im Parlament für die Schule für alle und es ist der CDU zu verdanken, dass wir diese jetzt nicht bekommen.

(Beifall bei der CDU – Dr. Andreas Dressel SPD: Die CDU als Verhinderungsminderheit gegen Schlimmeres!)

Das Wort bekommt Herr Gwosdz.

(Ties Rabe)

(Zuruf von der SPD: Jetzt kommt die Gegen- rede!)

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Herr Rabe, wenn Sie behaupten, wir würden zu einem schulpolitischen Stillstand kommen, ist das absolut hanebüchen. Sie erinnern sich vielleicht noch dunkel, dass wir vor noch nicht einmal einem Jahr in diesem Hause als eine der ersten Maßnahmen beschlossen haben – das haben Sie heute bereits erwähnt –, die Haupt- und Realschulen zusammenzulegen zu Integrierten Haupt- und Realschulen und damit eine erste ganz wichtige Sofortmaßnahme zu ergreifen, um dieses demotivierende schlechte Lernmilieu, in das Hauptschüler abgeschoben werden und in dem sie zusammengesammelt werden, aufzulösen – als eine erste Sofortmaßnahme. Damit wird genau dieser Gruppe der Risikoschülerinnen und schüler eine erste Hilfe gegeben. Und das ist jetzt geschehen und eben nicht erst 2010.

Und Sie erinnern sich auch daran, dass wir einen Nachtragshaushalt eingebracht haben, in dem wir zum einen vier neue Ganztagsschulen eingeführt und finanziert haben.

(Zuruf von der SPD: Dann fehlen nur noch 46!)

Und wir haben vor allem den Grundschulen 60 neue Lehrerstellen zugewiesen – ebenfalls sofort –, um dort den dritten und vierten Klassen, die bekanntlich noch relativ groß sind, sofort Hilfe zukommen zu lassen. Zu sagen, wir würden jetzt gar nichts mehr tun, an den Schulen passiere überhaupt nichts, es gebe keine Hilfe für die Schülerinnen und Schüler, die sofort Hilfe brauchen, und wir würden das alles verschieben auf den Tag X, an dem die Schulreform wirkt, können Sie so nicht aufrechterhalten und behaupten.

(Beifall bei der GAL und der CDU)

Der Kollege Heinemann hat gerade schon sehr deutlich darauf hingewiesen, dass Sie als SPD ganz genau wissen, dass längeres gemeinsames Lernen hilft, die schulische Lernsituation für viele Schüler, die Probleme in der Schule haben, zu verbessern. Und warum?

(Jens Kerstan GAL: Das haben Sie doch auch in Ihrem eigenen Programm!)

Die SPD tritt in vielen anderen Bundesländern auch mit der Einführung der sechsjährigen Grundschule oder Primarschule an, wie auch immer das genannt wird. Im Übrigen – das finde ich sehr interessant, das nebenbei zu erwähnen – geht die FDP im diesjährigen PISA-Siegerland Sachsen mit dem Ziel einer sechsjährigen Grundschule in den Wahlkampf.

(Viviane Spethmann CDU: Hört, hört!)

Es sind also viele, die wissen, dass längeres gemeinsames Lernen hilfreich ist. Deswegen führen wir das hier auch ein. Sie stellen sich immer wieder hin und sagen: Wie können wir das umsetzen und in Hamburg erreichen? Das bedeutet natürlich, wenn ich eine sechsjährige Primarschule einführen will und irgendwann zum längeren gemeinsamen Lernen kommen will, dass das auch jede Schule und jeden Standort betrifft. Irgendwann muss man diesen Schritt gehen, man kann nicht immer abstrakt sagen, dass man das irgendwann möchte. Aber um Gottes Willen, wenn wir das machen, dann müssen wir einzelne Schulen anfassen und deswegen behaupten Sie, wir täten nichts. Was ist denn die Alternative? Wir haben gemeinsam mit der CDU gesagt, dass wir diesen Schritt gehen, wir starten einen Prozess im Dialog mit allen Schulen in den regionalen Schulentwicklungskonferenzen, weil wir wissen, dass wir jeden Schulstandort anfassen. Deswegen ist es nicht der Masterplan, der in der Behörde ausgearbeitet wird, wo keine Rücksicht auf irgendwelche Schulstandorte genommen wird, sondern par ordre de mufti – von ganz oben – 400 Schulen neu strukturiert werden. Weil wir wissen, dass es genau so ist, dass jeder Schulstandort betroffen ist, gibt es den Dialog mit Eltern, Schülern, Lehrern, Schulleitern, den Bezirken …

(Zuruf von der SPD: Mit wem?)

Mit den Bezirken.

und mit dem Sachverstand vor Ort, um zu einem guten Ergebnis zu kommen. Dass wir die Schulstrukturreform nicht alleine machen und dass es nicht nur um Schulstruktur geht, ist auch deutlich. Natürlich wird momentan in der Öffentlichkeit immer wieder diskutiert, was mit Standorten und Räumen geschieht. Wobei ich auch sagen muss: Von einer baulichen Situation, wie sie gegeben ist, können wir uns nicht vorschreiben lassen, welche schulischen Lernformen wir anbieten. Die bauliche Situation muss man hinnehmen, die muss man auch Schritt für Schritt verändern. Aber man muss auch sehen, dass man mit den Räumen, die jetzt vorhanden sind, gut plant. Es geht eben nicht nur um die Standorte, es geht auch um viele inhaltliche Veränderungen und um individualisiertes Lernen, wozu es entsprechende Fortbildungen für die Lehrerinnen und Lehrer und auch eine Umstellung im Studium geben wird. Dafür wird auch mehr Geld im Haushalt eingestellt. Das wissen Sie alle aus den Haushaltsberatungen, die wir gemeinsam geführt haben, dass im nächsten Doppelhaushalt 165 Millionen Euro mehr für die Bildung vorgesehen sind. Das sind nicht 165 Millionen Euro, die die Strukturveränderung kostet, sondern dieses Geld brauchen wir für kleinere Klassen, für das Ziel 50 neuer Ganztagsschulen in dieser Legislaturperiode und für die Fortbildung der Lehrerinnen und Lehrer.

(Beifall bei der GAL)

Dass der Strukturprozess …

(Erste Vizepräsidentin Barbara Duden)

(Glocke)

Erste Vizepräsidentin Barbara Duden (unterbre- chend): Sie erkennen das rote Licht und wissen, was es bedeutet.

– Ich erkenne das. Deswegen höre ich jetzt einfach auf.