Protokoll der Sitzung vom 02.04.2008

(Beifall bei der SPD-Fraktion, bei Antje Möller GAL und bei Dora Heyenn DIE LINKE)

Besonders zynisch ist das Argument, Studiengebühren seien gar keine Hürde, weil die Hürde schon im Schulsystem so stark sei, dass die jungen Leute es gar nicht so weit schaffen würden. Das ist besonders zynisch, wenn es vonseiten der CDU kommt. War es doch gerade die CDU, die in der vergangenen Legislaturperiode Bildungshürden aufgebaut hat durch große Klassen und Gebühren im Schulsystem.

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Ergebnis siehe Seite 38 B

(Beifall bei den Fraktionen SPD und GAL und bei Dora Heyenn DIE LINKE)

Unser Ziel sind daher bessere Chancen beim Zugang zum Bildungssystem. Die erfolgreichen BAföG-Reformen werden aber durch Studiengebühren der CDU-Bundesländer konterkariert. Es waren SPD und Grüne im Bund, die vielen jungen Menschen neue Chancen eröffnet haben. Daher können wir uns nicht vorstellen, dass Grüne die Türen, die wir gemeinsam eröffnet haben, in den Ländern wieder schließen wollen.

Auch spukt durch die Debatte wieder das Gespenst der nachgelagerten Studiengebühren. Es gab Berichterstattungen, dass die GAL dieses Konzept schon abgenickt hat. Auch die Argumente hiergegen sind genauso falsch wie vor der Bürgerschaftswahl. Ich will es deshalb noch einmal sagen: Die Perspektive einer hohen Verschuldung schreckt doch Kinder aus sozial schwachen Familien absolut ab. In Familien, in denen noch nie jemand studiert hat, ist doch die Vorstellung, hohe Schulden nach dem Studium aufzubauen, überhaupt nicht einzuschätzen. Es gibt doch häufig im familiären Umfeld überhaupt niemanden, der einen akademischen Weg gegangen ist, der Auskunft geben oder gar Vorbild sein kann. Deshalb wird es große Abschreckungseffekte haben. Mit einer Lebenshaltung - Schulden macht man nicht -, wie es viele Bürgerinnen und Bürger haben, ist doch die Perspektive von 17.000 Euro Schulden nach einem Studium ein klarer Grund, sich gegen die Universität und lieber für eine Berufsausbildung zu entscheiden. Das zeigt auch, wie falsch dieses Argument ist.

(Beifall bei den Fraktionen SPD und DIE LINKE)

Die CDU ist bekanntermaßen diesen sozialen Argumenten wenig zugänglich.

(Frank Schira CDU: Das stimmt überhaupt nicht!)

In den letzten Tagen mussten wir auch lernen, dass Sie auf ökonomische Argumente, die wichtig für den Standort Hamburg sind, auch nicht mehr hören, wenn man verfolgt, welche Spielereien Sie energiepolitisch vornehmen oder dass Sie sogar die Elbvertiefung infrage stellen. Aber auch das ökonomische Argument gegen Studiengebühren ist doch nach wie vor richtig. Vergleichen wir im OECD-Vergleich die Zahl der Studentinnen und Studenten, so studieren dort über 50 Prozent. In Deutschland sind es nur 36 Prozent. Das zeigt doch, wie groß die Differenz und der Aufholbedarf ist.

Ein weiterer Faktor ist sehr wichtig: Hamburg steht im Wettbewerb um die klugen Köpfe der Republik. Da können wir es uns nicht leisten, junge Menschen von einem Studium in unserer Stadt abzuhalten. Auch deshalb sind Studiengebühren ein schwerer Fehler.

(Beifall bei den Fraktionen SPD und DIE LINKE und vereinzelt bei der GAL-Fraktion)

Auch über ein Weiteres darf es überhaupt keinen Zweifel geben, wer hier diskutiert. Es wird doch nicht bei 500 Euro pro Semester bleiben. So naiv kann doch niemand sein, das zu glauben. Es wird eine weitere Steigerung von Studiengebühren geben. Es wird eine Entwicklung eingeleitet, die den Hochschulen erlauben wird, selber über die Höhe von Gebühren zu entscheiden, und es wird eine Entwicklung eingeleitet, bei der sich die Hochschulen künftig die Studierenden selber aussuchen. Diese fatale Entwicklung muss gestoppt werden, solange es

noch geht. Auch deshalb ist es richtig, heute das Thema Studiengebühren in Hamburg zu beerdigen.

(Beifall bei den Fraktionen SPD und DIE LINKE)

Die CDU ist auch mit ihren eigenen Plänen gescheitert. Es gibt keine Stipendiensysteme, wie Sie sie zu Beginn versprochen haben und wie Senator Dräger sie auch in die Debatte immer wieder eingebracht hat. Es gibt das Versprechen nicht und es gibt, wie wir gelesen haben, künftig auch diesen Wissenschaftssenator nicht, der nicht nur dieses Versprechen nicht halten konnte, sondern dessen gesamte Hochschulpolitik so katastrophal war, dass er in der Beurteilung der bundesdeutschen Wissenschaftssenatoren durch den Deutschen Hochschulverband wieder einmal auf dem letzten Platz landete, das dritte Mal in Folge.

(Wolfgang Beuß CDU: Nun halten Sie sich mal zurück!)

Sein Scheitern hat er dann konsequenterweise mit einem Rückzug aus der Politik beantwortet.

(Michael Neumann SPD: Sehr gut!)

Nutzen wir heute die Gelegenheit, dieser personellen Konsequenz auch eine inhaltliche Konsequenz folgen zu lassen: Schaffen wir die Gebühren ab und korrigieren wir damit eine der schlimmsten Entscheidungen des CDUSenats der letzten Legislaturperiode.

(Beifall bei den Fraktionen SPD und GAL)

Nun haben wir gehört, dass unser Antrag und auch die anderen Anträge an den Verfassungsausschuss überwiesen werden sollen. Das verstehen wir seitens der GAL nicht so richtig. Wir haben uns sehr gut an das Jahr 1997 erinnert. Seitdem kennen wir im parlamentarischen Bereich sehr gut den Begriff des Fensters. Damit ist nämlich gemeint, dass es eine politische Meinungs- und Beschlussfassung gibt, bevor man sich in einer Koalition festgelegt hat. Die Grünen haben dieses Fenster 1997 genutzt, um gemeinsam mit der CDU eine Bezirksverwaltungsreform durchzusetzen. Stimmen Sie daher unserem Antrag zu, nutzen Sie heute auch dieses Fenster, das es ja gibt, bevor Koalitionsverhandlungen da sind, und stimmen Sie unserem Antrag zu, um für mehr soziale Gerechtigkeit und mehr Chancen einzutreten.

(Beifall bei den Fraktionen SPD und DIE LINKE)

Wir würden nicht nur konkret die Lebensbedingungen vieler junger Leute verbessern, die darauf warten und die auch diese Debatte heute sehr genau verfolgen werden, sondern wir würden auch unsere Wahlversprechen einlösen. Vielleicht wäre es für Sie von der GAL auch ganz einfach, weil Sie damit einen Streitpunkt aus den Koalitionsverhandlungen schon erledigt hätten.

(Beifall bei den Fraktionen SPD und DIE LINKE und bei Christiane Blömeke GAL)

Insofern: Stimmen Sie unserem Antrag zu. Nutzen wir die Gelegenheit, unser Wahlversprechen zu erfüllen, kämpfen wir für mehr soziale Gerechtigkeit und eine bessere Perspektive an den Hochschulen. - Vielen Dank.

(Beifall bei den Fraktionen SPD und DIE LINKE)

Dann gebe ich das Wort dem Abgeordneten Beuß.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Erstens: Die vorliegenden Anträge zur Abschaffung der Studiengebühren nenne ich unseriös, denn sie weisen keine Deckung auf.

(Heiterkeit bei der Fraktion DIE LINKE)

Zweitens: Es wird Ihnen durch diese Anträge nicht gelingen, in die zurzeit laufenden Koalitionsverhandlungen einen Spaltpilz hineinzubringen. Darauf brauchen Sie nicht zu hoffen.

(Jens Kerstan GAL: Da liegen wir meilenweit aus- einander!)

Drittens: Die inhaltlichen Standpunkte, die die CDUFraktion in der vergangenen Legislaturperiode gehabt haben, sind Ihnen zum Thema Studiengebühren hinlänglich bekannt. Ich verweise deshalb auf die Protokolle aus dieser Zeit.

(Michael Neumann SPD: Welche Nummer noch mal?)

Viertens: Wir stimmen dem Antrag der GAL zu, die beiden Anträge an den Verfassungsausschuss zu überweisen. Wir selbst werden den Zusatzantrag, der heute eingebracht worden ist, auch an diesen Ausschuss überweisen. - Ich danke Ihnen.

(Beifall bei der CDU-Fraktion)

Dann bekommt das Wort die Abgeordnete Dr. Gümbel.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Wir haben heute zwei Anträge und einen Zusatzantrag zu beraten. Natürlich stimmt die GAL mit der politischen Zielsetzung dieser Anträge überein. Wir lehnen Studiengebühren ab. Wir wollen einen freien Zugang für Bildung für alle Bevölkerungsschichten und selbstverständlich wollen wir auch nach der Wahl nicht, dass die finanzielle Situation der Familie darüber entscheidet, ob ein junger Mensch ein Studium aufnimmt oder nicht.

(Beifall bei den Fraktionen SPD und GAL - Michael Neumann SPD: Bravo!)

Wir wollen auch nicht, dass sich Bildungsbiografien in der Familie wiederholen nach dem Schema: Wenn die Mutter nicht studiert hat, studiert auch die Tochter nicht.

Unsere Stadt hat kein einziges Talent zu verschenken. Wir wollen auch die Zögerlichen und die Bildungsfernen ermutigen, in Bildung zu investieren und nicht nach dem Abitur eine Ausbildung anzufangen und damit Geld zu erwerben, sondern wir wollen sie ermutigen, Bildung zu erwerben.

(Beifall bei der GAL-Fraktion - Frank Schira CDU: Was aber nichts Schlechtes sein muss!)

Wir brauchen alle klugen Köpfe. Die klugen Köpfe vom Dulsberg, aus Steilshoop, vom Osdorfer Born und auch Eidelstedt. Natürlich müssen auch die Hochschulen besser ausgestattet sein. Die Qualität von Forschung und Lehre muss steigen und auch hierzu bedarf es Geld. Ich möchte mich an dieser Stelle gar nicht an dem von der CDU angeführten Modell der Studiengebühren abarbeiten. In der letzten Legislaturperiode ist das Modell oft genug von uns an dieser Stelle kritisiert worden, aber

dennoch möchte ich Ihnen drei Punkte ins Gedächtnis rufen, die mir die Situation klar beleuchten.

Zunächst einmal die Situation an der Hochschule für bildende Künste, eine für die Hamburger Stadt, die sich ja Talentstadt nennt und eine kreative Stadt sein will, sehr bedeutende kleine Institution. Wegen des anhaltenden Boykotts und den darauf folgenden Zwangsexmatrikulationen fürchtet nun die Hochschule um ihren Bestand.

(Michael Naumann SPD: Ein Skandal!)

- Ein Skandal, Sie haben völlig recht.

(Christiane Schneider DIE LINKE: Dann können Sie ja dem Zusatzantrag zustimmen!)

Die Verwaltung ist überfordert, auf der anderen Seite das aufgelaufene Geld auszugeben. Wir wissen, dass ein Viertel der Studiengebühren noch nicht ausgegeben sind. Die Verwaltung ist auch damit überlastet, die Vorgänge korrekt zu bearbeiten, was zu einer Flut von Zwangsexmatrikulationen führte. Ich nenne nur die beiden Gruppen: Das ist zum einen die Gruppe der Besten, die befreit worden waren, weil sie besonders gute Zensuren hatten, dann aber trotzdem die Exmatrikulation bekamen. Die andere Gruppe, die der sozial Bedürftigen, die Mütter mit den kleinen Kindern, die vor dem Briefkasten gestanden haben und das Schreiben herausgefischt haben, dass sie nun exmatrikuliert sind. Welche Panik da in jedem Einzelnen aufgestiegen sein mag, können wir uns gut vorstellen.